Interviews über Interviews Band 1

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Interviewpartner 1 dem Interview als musikjournalistische Darstellungsform die Relevanz abspricht: »Ich glaube, dass liegt ja in der Struktur der Sache selbst: Dass immer, wenn es um Pop-­‐ Musik geht, das Interview die adäquate Form zu sein scheint, um einen Artikel zu schreiben. Und das würde ich eben infrage stellen. Man erfährt durch Interviews oft weniger, als wenn der oder diejenige, die den Artikel schreibt, etwas über das Album schreiben würde, ohne vorher mit der Band gesprochen zu haben. Das fände ich persönlich interessanter. Also wie das ja auch bei Büchern passiert, wo es ja weniger Interviews mit Schriftstellern oder Schriftstellerinnen gibt.« (Interview 1). An anderer Stelle im Interview äußert Interviewpartner 1, dass kein ständiger Kontakt zwischen Band und Musikjournalist_innen besteht. Die Band kenne zwar den Großteil der Redakteure, weil sie bereits seit zwanzig Jahren von der Presse begleitet wird, es bestehe aber keine freundschaftliche Verbindung. Wenn man bei einem Interview auf bekannte Redakteur_innen trifft, dann sei das laut Interviewpartner 1 (Interview 1) »eher so, als würde man jemanden wiedertreffen, den man längere Zeit nicht gesehen hat«. Eine ganz ähnliche Distanz beschreiben auch die Interviewpartner 6 im Interview 6. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass beide selbst ab und zu als freie Autoren für Musikmagazine schreiben und in Köln leben, wo auch die Intro, eines der führenden deutschen Musikmagazine, ihren Redaktionssitz hat, wodurch eine örtliche Nähe zu den Redakteur_innen gegeben ist. Diese hier gezeigte Distanz findet sich in unterschiedlicher Form in allen Interviews geäußert. Häufig geht sie jedoch mit der Enttäuschung einher, dass im Gespräch oder im späteren Text des Interviews, die intentierten Inhalte nicht adäquat wiedergegeben werden und dem Interview als Darstellungsform damit eher mit der gebotenen Nüchternheit zu begegnen ist. Interviewpartner 2 äußert im Interview 2 diese Enttäuschung explizit: »Mittlerweile ist diese Euphorie schon gleich Null. Weil ich erzähle ich Dir jetzt etwas, aber ich habe keine Ahnung, ob Du mir überhaupt zuhörst. (...) Das ist so ein bisschen die Erkenntnis, die wir nach den Interviews gewonnen haben: Dass so ein Interview nie das wiedergeben kann, was durch die Musik vermittelt werden soll.« (Interview 2). Die Ernüchterung und Distanz äußert sich in den Interviews in zweierlei Hinsicht: Zum einen wird der Promotion-­‐Effekt des Interviews immer wieder betont und so auch akzeptiert. Zum anderen zeigt sich die Tendenz, das Interview als Teil der Arbeit von Künstler_innen zu begreifen. Das ist selbstverständlich eine sehr nüchterne und unromantische Sichtweise auf den Beruf eines Kunstschaffenden. Es ist allerdings auch eine realistische Sichtweise, die umso wichtiger ist, je mehr auf die ökonomischen Zwänge von Musiker_innen aufmerksam gemacht werden muss. In der Sichtweise werden Parallelen zum Berufsverständnis von Musikredakteur_innen deutlich, das sich in Doehrings (2011) Befragungen offenbart. Die Notwendigkeit, das Interview als Promotionplattform zu begreifen, wird unter anderem in folgenden Äußerungen von Interviewpartner 6, Interviewpartner 1 und Interviewpartner 4 deutlich:


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