Gitarre & Laute XXIX/2007/Nº 1

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la, für Gesang und Vihuela oder für zwei Vihuelas. Diejenigen Bücher, bei denen die Farbe eine Aussage hat, zum Beispiel bei Fuenllana, bei der der die Gesangstimme in rot in die Tabulatur eingedruckt ist, sind in Farbe wiedergegeben, die, bei denen das nicht der Fall ist, in Schwarz-weiß. Ein Booklet von 86 Seiten liegt bei, in dem viele Informationen der CD noch einmal in gedruckter Form vorliegen, was eigentlich überflüssig ist. Aber man findet auch eine sehr interessante Bibliografie zum Thema Vihuela sowie Kommentare zu jedem einzelnen hier „nachgedruckten“ Buch wie weitere Fundorte (die man allerdings auch bei Brown, Instrumental Music Printed Before 1600, findet, da sogar mit Konkordanzen, oder im RISM-Band Sammelwerke) oder moderne Ausgaben. Bei Chanterelle kostet die CD-ROM EUR 59,90 ... nicht billig, aber wenn man die einzelnen Faksimiles kaufte, käme es sehr viel teurer … und alle gibt es nicht einmal. Hier, in einer ONLINE-Zeitschrift, kann das digitale Publizieren nur als mindestens adäquate Form des Veröffentlichens bewertet werden – wenn nicht gar als überlegene. Aber natürlich gibt es Anwendungsgebiete, wo die gedruckte Ausgabe eindeutig im Vorteil ist: Beispielsweise spielt es sich schlecht, wenn man das musikalische Material nur auf dem Bildschirm v0r sich hat – ganz zu schweigen von der Möglichkeit, in gedruckte Ausgaben Notizen wie Fingersätze oder Phrasierungen einzutragen. Geht am Bildschirm nicht! Aber natürlich kann man die Tabulaturseiten, die man tatsächlich spielen möchte, ausdrucken. Das immens umfangreiche Repertoire, das man durch digitale Ausgaben zur Verfügung haben kann und wird, muss gesichtet, geordnet und bewertet werden und damit wird die klassische EditorenTätigkeit auch in Zukunft gefragt sein. Wenn jedem Konsumenten die Quellen auf Fingerklick zur Verfügung stehen, wird der wissenschaftlich erfahrene und praxiserprobte Herausgeber vermutlich wichtiger als bisher, weil die Auswahl zwischen Gutem und weniger Gutem schwieriger geworden ist, als sie es vorher war … und sie war immer schon schwer! Der Lotse wird immer noch gebraucht – sorgen Sie sich nicht! ■

Plattentipp

Brigitte Zaczek, romantische Gitarre II Werke von Napoléon Coste Aufgenommen im Juli 2005 Extraplatte EX 652-2 Würde und Ernsthaftigkeit ✰✰✰✰✰

In welche Welt wurde Napoléon Coste am 27. Juni 1805 geboren? Die Französische Revolution war noch nicht ganz verdaut und ein kleiner Korse mit großen Ambitionen, Napoléon Bonaparte, war dabei, Europa neu zu ordnen. Nicht alles gelang ihm militärisch, aber sein Organisationstalent war bemerkenswert. Ein halbes Jahr vor Costes Geburt, am 2. Dezember 1804, krönte er sich in Paris selbst zum Kaiser der Franzosen, in den Jahren danach hatte er Fortune, was seine Kriege gegen Österreich und Preußen anging. Als er sich aber mit dem Rest der Welt anlegte, war das Ende seiner Siegessträhne abzusehen und Bonaparte erlebte schließlich sein nicht nur sprichwörtliches Waterloo. 1805 aber, als der andere Napoléon geboren wurde, war Bonaparte noch auf der Erfolgsschiene und so wurde unser Komponist Napoléon genannt. Klar dass sein Vater, ein ehemaliger Offizier, für ihn eine militärische Karriere vorgesehen hatte. Klar auch, dass er sie nicht eingeschlagen hat … schließlich wissen wir ja, was aus ihm geworden ist. Der Gitarre nahm sich der junge, kränkelnde Napoléon an, nicht ahnend, dass die kometenhafte Karriere dieses Musikinstruments sehr bald schon ein jähes Ende haben würde. Mehr noch: Seine eigene Laufbahn wurde 1863 durch einen Unfall, in dem er sich ein Handgelenk brach, beendet. Aber schon 1856 war der Brüsseler Wettbewerb für Komponisten und Gitarrenbauer von Nikolai Petrovich Makaroff (1810-1890), an dem Coste teilgenommen hatte, unternommen worden, weil sich immer weniger Menschen für die Gitarre interessierten. Coste wurde übrigens mit seiner Grande Serenade op. 30, die hier eingespielt ist, dabei Zweiter. Zweiter hinter Caspar Joseph Mertz. Dass Napoléon Coste nach dem Ende seiner Karriere das harte Los blühte, sein Leben als Staatsbeamter mit Quittungen und Beurkundungen zu fristen – das hat er nicht verdient! Vielleicht wollte seine Kompositionen niemand mehr hören, aber das lag daran, dass niemand mehr die Gitarre hören wollte. Selbst spielen konnte Coste nicht mehr – vielleicht hatte er auch Probleme, Interpreten zu finden? Im Zwanzigsten Jahrhundert jedenfalls wagten sich Interpreten zunächst nicht an die Napoleonischen Gitarrenstücke, obwohl gleich zu Anfang bei der Gitarristischen Vereinigung in München und der Freien Vereinigung zur Förderung Guter Gitarrenmusik in Augsburg einige von ihnen herausgekommen sind. Aber erst die letzten, sagen wir, zehn Jahre haben bei konzertierenden Künstlern neues Interesse an Coste hervorgebracht … und das ist gut so! Brigitte Zaczek spielt, nein, sie offeriert, präsentiert oder zelebriert die Stücke mit großer Würde und Ernsthaftigkeit. Wissen Sie, wie ein Orchester mit dem Renommee und der Klasse der Wiener Philharmoniker, das eine Polka oder einen Walzer von Strauss spielt und damit in die höchsten künstlerischen Sphären entschwebt. Sogar Johann Strauss ist auf der CD vertreten: Coste hat 16 Walses favorites de Johann Strauss als sein op. 7 herausgebracht, und davon sind acht hier wiedergegeben. Gut, die Zaczek ist Wiener Urgestein, das hört man (auf der CD!). Passt für Strauss. Und wenn die Donau nicht blau ist und der Prater nicht voll Flieder? Dann ist sie Erzmusikerin. Passt auch! Ach ja: Diese CD ist wieder einmal ein Gesamtkunstwerk. Gespielt wird Coste, und das auf originalen Instrumenten. Das Ganze ist exzellent verpackt und mit Fotos versehen. Alfred Komarek hat den Text geschrieben. Kennen Sie nicht? Aber Sie kennen Gendarmerie-Inspektor Simon Polt, nicht wahr? Sehen Sie! Peter Päffgen [Für das Foto von Napoléon Coste danke ich Erling Møldrup in Århus herzlich!]

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