perspektive21 - Heft 39

Page 53

basil kerski – gut und modern

eint, und im Gegensatz zu Ostdeutschland auch eine Partei der Wendegewinner. Wie in vielen postkommunistischen Staaten hat die damals herrschende Partei ihre Privilegien bei der Privatisierung des Staatseigentums genutzt, um gut funktionierende Unternehmen aufzubauen. Viele polnische Unternehmen und Joint Ventures werden heute noch von Personen geleitet, die vor 1989 in der Partei waren – und deren politische Ansichten sind heute mehr neoliberal als sozialdemokratisch. Das rechts-links-Schema funktioniert also nicht? KERSKI: Dieses Schema gab es vor 1939. Heute sind die Hauptkonfliktlinien keine traditionellen, sondern eher biografischer Natur. Die Fragen sind: Wo warst du 1989? Wie stehst du zum System? Welche Vergangenheitsbewältigung strebst du an? Die zweite Konfliktlinie ist das Verhältnis zur katholischen Kirche. Zwar sind alle Parteien für einen säkularen Staat, der Streit um die Kultur des Katholizismus spaltet jedoch die Nation. Und die dritte Konfliktlinie ist das Verhältnis zur europäischen Integration. Kaczynski ´ will EU schwächen … Und welche Rolle spielt die Kaczy´nskiPartei? KERSKI: Die PiS ist beileibe keine Rentner- oder Frustriertenpartei, wie das

manchmal dargestellt wird. Da sind neben alten Solidarno´sc´-Kämpfern, Unternehmer, Lehrer und Menschen aus freien Berufen, aber auch viele junge Intellektuelle mit extremen Ansichten. In der Partei gibt es ein starkes Misstrauen gegenüber der weiteren Integration Europas, aber auch sehr autoritäre Ansichten im Bereich von Erziehung und Familienbild. Kurzum: Die klassische Einordnung des Parteiensystems nach sozialer Stellung haut in Polen nicht hin – aber das ist ja mittlerweile auch ein typisch europäisches Phänomen. … Tusk stärken Wird denn die außenpolitische Entkrampfung der Regierung Tusk von der Bevölkerung mitgetragen? KERSKI: Die neue Regierung macht eine wesentlich sachlichere Außenpolitik. Wir hatten schon in der Kaczy´nski-Zeit Umfragen, die darauf hindeuteten, dass die PiS eine Politik macht, die nicht im Interesse ihrer Wähler ist. Die Regierung Tusk hat eine wichtige Forderung erfüllt: Polen ist raus aus dem Irak. Die Polen wollen eine wichtige Rolle in Europa spielen, aber im Mannschaftsspiel. Man will keine Sonderrolle und man will auch kein global player sein. Die meisten wissen, dass Polen nicht das Potenzial dazu hat. Die meisten Polen sehen in der europäischen Integration eine Chance – perspektive21

53


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.