Anna Karenina

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Witold Lutosławski «Musik ist für mich nichts als der freie Ausdruck der menschlichen Seele mittels akustischer Phänomene.» Witold Lutosławski, 1913 in Warschau geboren, zählt neben Frédéric Chopin und Karol Szymanowski zu den wichtigsten polnischen Komponisten. Kaum ein anderer Komponist des 20. Jahrhunderts hat sich so intensiv mit den unterschiedlichen avantgardistischen Kompositionstechniken seiner Zeit auseinandergesetzt. Vom Neoklassizismus über die Zwölftonmusik und die Aleatorik bis hin zu einem vom französischen Impressionismus in der Malerei geprägten Lyrismus hat Lutosławski die unterschiedlichsten Stilmittel in seine unmittelbar wirkende Musiksprache einfliessen lassen . Obwohl er sich selbst zu einer abstrakten Auffassung von Musik bekannte, hat er mit seiner subtilen Anverwandlung neuer Kompositionstechniken die Musik der Moderne aus ihrer formalen Hülle gelöst. Lutosławski studierte in den 1930er-Jahren Klavier, Komposition und Mathematik in Warschau. Nach der Flucht aus der deutschen Kriegsgefangenschaft schlug er sich als Caféhauspianist in Warschau durch. 1941 entstanden seine Paganini-Variationen für zwei Klaviere, ein bis heute vielgespielter Reisser. Mitte der 1950er-Jahre begründete er das Musikfestival «Warschauer Herbst» mit, auf dem sich die internationale Musikavantgarde traf. Kompositorisch besonders an Bartók und Strawinsky orientiert, änderte sich sein Stil, als er im Radio einen Ausschnitt aus John Cages Klavierkonzert hörte. Er integrierte in seine Stücke das, was er «aleatorischen Kontrapunkt» nannte: Passagen, in denen nach sehr strengen Vorgaben improvisiert werden musste. Die wichtigsten und schönsten Werke dieses neuen, härteren Stils sind Trois poèmes d'Henri Michaux, das Streichquartett, die 2. Sinfonie, Livre pour orchestre, das Cellokonzert, Novelette und die 1983 entstandene 3. Sinfonie – sein reifstes und beeindruckendstes Werk überhaupt. Ab Mitte der achtziger Jahre verfeinerte sich der Stil von Lutosławski noch einmal in Richtung auf den von ihm stark bewunderten Impressionismus – bestes Beispiel dafür ist das Klavierkonzert von 1988. Lutosławski: «Ich war stets Befürworter der abstrakten Auffasssung der Musik. Musik drückt durch sich allein keinerlei nichtmusikalische Inhalte eindeutig aus. Musik ist Musik! Selbstvertändlich ist diese Demonstration nicht zufriedenstellend, denn es ist

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