La traviata

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Tochter in die Familienannalen der Germonts eingeht, wird sie unweigerlich zum Mitglied dieser Familie: die Ausgeschlossene, an die man sich erinnert. (...) An Violettas Leiche versöhnen sich Vater und Sohn sowohl mit ihr, als auch miteinander. Vereint in der gemeinsamen Pathosgeste der reumütig Trauernden werden sie ihrer ewig gedenken, wie die Oper selbst diesen Augenblick einer kollektiven Versöhnung, der in der Romanvorlage gänzlich fehlt, als Höhepunkt des Geschehens verewigt. Nochmals müssen wir nach dem Tauschgeschäft fragen, das in dieser kathartischen Denkfigur enthalten ist. Denn als Gabe für ihre Verausgabung wird Violetta mit diesem Schlusstableau nicht nur auf immer in die Annalen der Familie Germont aufgenommen. Sie wird auch explizit zu der allegorischen Figur geboren, die der Titel der Oper ankündigt. Nicht zufällig hat Violetta die Frage der imaginären Heimsuchung kurz vor ihrem Tod noch einmal angesprochen. Hatte sie im zweiten Akt den Vater gebeten, er solle seiner Tochter von ihrem Opfer erzählen, damit diese ihrer gedenke, bittet sie nun ihren Geliebten, ein Bild von ihr aus vergangenen Tagen an sich zu nehmen: zur Erinnerung an sie, die Verschollene, aber auch als Gabe für die jungfräuliche Frau, die er einst heiraten wird. Sie schwindet leiblich, um so als Erinnerte eine geisterhafte Vereinigung mit dem Geliebten, über den Körper einer anderen Frau, zu erhalten – eine dauerhafte Verbindung, die ihr in ihrem irdischen Leben nicht möglich war.

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