Aida

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Auf dieser schwachen Wissensgrundlage gab Verdi in der Werkstatt des Mailän­ der Instrumentenbauers Giuseppe Pelitti die irgendwie antiken Trompeten in Auftrag, klanglich fielen sie eher unbefriedigend aus. Für die Pariser Aida 1880 fertigte Adolphe Sax dann Modelle mit zwei Ventilen an, doppelt so lang wie die Fundstücke aus dem alten Ägypten. Auch die Recherchen zu musikalischem Originalmaterial brachten keine brauchbaren Ergebnisse: Aida lässt sich als Zeugnis der herrschenden «Ägyptomanie» lesen und überhaupt nicht als Ar­ chäo­logie in Opernform. «Ich werde nie ein Wissenschaftler der Musik sein, immer ein Pfuscher bleiben», schreibt Verdi im November 1871 an Giulio Ricor­di, und darin steckt bestimmt Ironie, auf jeden Fall Genervtheit: Er hätte es vielleicht gern «authentischer» gemacht. Am Ende aber sah er die Notwendig­ keit, sein Aida-Ägypten selbst erfinden zu müssen und zwar so, dass es einem zeitgenössischen Publikum hinreichend echt erschien. Der «Triumphmarsch», das populärste Melodiekürzel in Verdis Aida ist auch nicht zu verstehen ohne den Blick auf den europäischen historischen Hintergrund, vor dem sie entstand. Am 19. Juli 1870 hatte Napoleon III. auf nationalistische Provokationen des Preussenkönigs Wilhelm I. mit einer Kriegs­ erklärung geantwortet. Der deutsch-französische Krieg endete Anfang 1871 mit der Proklamation Wilhelms zum deutschen Kaiser in Versailles. Es ist die Zeit des Sieges von Sedan am 2. September 1870, der ersten Kapitulation Frankreichs, der Belagerung von Paris, in der Verdi an der Musik zu Aida ar­ beitet. Schwer vorstellbar, dass die martialischen Rufe «Guerra! Guerra! Ster­ minio all’invasor!» («Krieg, Krieg! Vernichtung den Invasoren!») im ersten Akt nicht unter dem Eindruck der gleichzeitigen Militäroperationen komponiert wurden. Dass die Preussen siegen, erlebt Verdi als tiefe Schmach. Im September klagt er in einem Brief an die Freundin Clara Maffei: «Dieses Unheil Frankreichs bringt auch mein Herz, wie das Eure, zur Verzweiflung!» Und es folgt ein hefti­ ger antigermanischer Ausbruch: «Mögen unsere Literaten und unsere Politiker ruhig die Bildung, die Wissenschaften und selbst (Gott vergebe es ihnen) die Künste dieser Sieger rühmen; aber wenn sie etwas ins Innere blickten, würden sie sehen, dass in deren Adern noch immer das alte Gotenblut fliesst, dass sie von masslosem Stolz, hart, unduldsam gegen alles sind, was nicht germanisch ist,

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

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