Festschrift

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Stadtpräsidenten Landolt gesprochen und ihm erklärt, dass der Name Opernhaus keine ‹Hochstapelei› sei, sondern dem kulturellen Rang einer Stadt entspreche, die über zwei grosse, renommierte Theater verfüge. Der ‹Stapi› hat mich dann gefragt, ob die Umbenennung eine Bedingung für mein Kommen sei, und ich habe leichthin Ja gesagt. Inzwischen hat sich der Name Opernhaus allgemein durchgesetzt, und ich glaube, auch meine Nachfolger waren froh darüber.» Hermann Juch gelang es – nach dem frühen Tod des Dirigenten Christian Vöchting, der seit 1961 am Haus war und 1967 im Alter von nur 39 Jahren starb – den erfahrenen Dirigenten Ferdinand Leitner als musikalischen Oberleiter zu verpflichten, der auch in diesem Bereich für die nötige Kontinuität sorgte. Er wirkte bis 1984 am Opernhaus Zürich. Leitner setzte sich mit grosser Kompetenz für zeitgenössisches Repertoire ein. In der Direktion Juch, der diese Aufgabe ebenso wie Leitner als kulturpolitische Verpflichtung ansah, wurden u.a. Werke von Dallapiccola, Fortner, von Einem, Reimann und Klebe gespielt. Die Inszenierung von Hans Werner Henzes «Re Cervo» vertraute der Direktor Jean-Pierre Ponnelle an, der bis dahin nur als Bühnen- und Kostümbildner hervorgetreten war. Weitere wichtige Regisseure waren Otto Schenk, Rudolf Hartmann, Michael Hampe sowie Leopold Lindtberg und Harry Buckwitz – die beiden letztgenannten jeweils während ihrer Amtszeit als Intendant des Schauspielhauses Zürich. Ein wichtiges Verdienst von Hermann Juch war, dass er das Ballett aus einem bis dahin insgesamt wenig beachteten Nischendasein herausholte. Zum besseren Verständnis sei an dieser Stelle eine kurze Chronik dieses Genres am Opernhaus Zürich eingeschoben.

> Ballett in Zürich – eine späte Liebe Im alten «Actientheater» gab es das Genre Tanz nahezu ausschliesslich als Einlage in Oper und Operette. Martin Hürlimann hat nachgezählt; in seiner schon erwähnten Chronik heisst es: «In den 55 Jahren des alten Aktientheaters wurden ganze 13 Ballette gegeben, die es insgesamt auf 24 Aufführungen brachten.» Zürich hatte seit der Jahrhundertwende die grossen Erneuerer des Tanzes anlässlich von Gastspielen kennen gelernt: Isadora Duncan, Rudolf von Laban, Valeska Gert, Gret Palucca und als häufigen Gast Mary Wigman. Auch Tamara Karsawina, Star der «Ballets russes» von Serge Diaghilew, gastierte. Musikalisch gab es immer wieder mal anspruchsvolle Premieren; etwa die «Josephslegende» von Richard Strauss, den «Holzgeschnitzte Prinz» von Bela Bartók und den «Dämon» von Paul Hindemith, alle in der Choreografie von Willy Godlewsky (1924-1926 Ballettmeister), «Petruschka» von Igor Strawinsky in der Choreografie von Hans Storck (1926-1931). Hellmuth Zehnpfennig (1931-1934) versuchte sich an Strawinskys «Feuervogel» und Léo Delibes’ «Coppélia», war jedoch erfolgreicher mit seinen Tanzeinlagen für die Operette. Eine Uraufführung, die andernorts viel nachgespielt wurde, war «Der Teufel im Dorf» zur Musik von Fran Lhotka in der Choreografie von Pia und Pino Mlaka (1934-1938). Den Mlakas gelang es, durch konsequentes Balletttraining im akademischen Stil das Niveau der Compagnie beträchtlich zu heben. Nach ihrem Weggang nach München sah sich ihr Nachfolger Heinz Rosen (1938-1945) mit der schwierigen finanziellen Lage des «Stadttheaters» konfrontiert. In seiner Zeit wurde als einziges Ballett Glucks «Don Juan» gegeben.

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Chronik


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