ÖKK Magazin 1/2010

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Titelgeschichte  ÖKK Magazin

sich nicht operieren lassen? Ist ja logisch: Je mehr Menschen schön sind, weil sie sich durch Operationen schön operierten, desto hässlicher werden relativ gesehen die Nichtoperierten. «Die Obsession, dass Schönheit immer gleichbedeutend mit Verjüngung sein muss», wie kürzlich in der «Zeit» zu lesen war, lastet schon heute schwer auf die Alternden. Und auch die Jungen stehen unter einem enormen Schönheitsdruck. Zwei Drittel der jungen Mädchen in der Schweiz wollen abnehmen, doch nur ein Fünftel ist tatsächlich übergewichtig. Und während die bei Jugendlichen heute modischen Intimrasuren bis hin zu Vollrasuren zumindest gesundheitlich unbedenklich sind, ist es doch besorgniserregend, im Elternmagazin «Fritz und Fränzi» von einer Schönheitschirurgin zu hören, Schamlippenverkleinerungen seien für junge Frauen fast schon eine Modeoperation. Natürlich ist gerade ein solcher Eingriff sehr persönlich – die Probleme, die durch den Schönheitswahn entstehen, sind aber nicht nur persönlicher Natur. Wenn sich plötzlich 70 Prozent der Frauen perfekte Brüste hin-operieren, wie es Karina Berger getan haben soll,

«Ein ausschliesslich ästhetischer Mangel zählt nicht zu dem durch das KVG versicherten (Krankheits-)Risiko» dann werden deren Masse zur Norm, dann sind die restlichen 30 Prozent der Brüste entweder natürlich schön oder aber abnormal hässlich. Denn in dem Masse, wie operierte Brüste zur Norm werden, diskriminieren sie.

Wenn Hässlichkeit krank macht

Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn sich bei Krankenversicherungen Anträge häufen, ob nicht die eine oder andere Schönheitsoperation bezahlt werden könnte. Weil Krankenversicherungen jedoch grundsätzlich nur für die Behandlungskosten von Krankheiten auf kommen, stellt sich bei der Beurteilung der Anträge die Frage: Wann macht Hässlichkeit krank? Im Büro des ÖKK Vertrauensarztes Dr. Géza Kanabé steht ein dicker Ordner mit Anträgen, Fallbeispielen und Gerichtsentscheiden, auf die er sich häufig stützen muss. So hielt das Bundesgericht 2004 in einem wegweisenden Entscheid fest: «Ein ausschliesslich ästhetischer Mangel zählt nicht zu dem durch das KVG versicherten (Krankheits-)Risiko.» Das bedeutet, dass eine körperliche Abweichung vom Schönheitsideal nicht krankhaft ist, solange sie nicht nachweislich eine körperliche Funktionsstörung nach sich zieht. Konkret: Ein im Alter herabhängendes Augenlid ist zwar nicht schön, aber auch keine Krankheit. Es sei denn, es hängt so weit herab, dass die Sicht beeinträchtigt wird. Dann ist die Krankenversicherung zur Kostenübernahme des Liftings verpf lichtet. Oder das Thema Übergewicht: Muss die Allgemeinheit die kostspieligen chirurgischen Eingriffe zur Fettreduktion zahlen? Nur wenn eine tatsächliche Fettleibigkeit mit Stoffwechselstörung vorliegt.

Macht Schönheit glücklich?

Heikel wird die Frage, wenn die Antragsteller eine psychische Funktionsstörung geltend machen, die sie auf das zu korrigierende «hässliche» Körpermerkmal zurückführen: Frauen, die sich durch zu grosse, zu kleine oder zu stark hängende Brüste diskriminiert fühlen, Männer mit Trichterbrüsten. Vertrauensarzt Kanabé sagt indes deutlich: «Krankenversicherungen sind nicht fürs >


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