
4 minute read
Die Zukunft der Ausstellungen
Weit mehr als Unterhaltung: Warum es für Museen und Ausstellungshäuser lohnend ist, sich mit Gaming und den Möglichkeiten des spielerischen Lernens zu beschäftigen –das ist Thema im Museumsnetzwerk „Das relevante Museum“, initiiert und begleitet von der NORDMETALL-Stiftung
Einmal Kapitän oder Kapitänin einer 800 Jahre alten Kogge sein und ganz nebenbei den Sohn einer Forscherin zurück in die Zukunft holen –wer möchte das nicht? Was sich nach Science-Fiction anhört, ist im Europäischen Hansemuseum in Lübeck Realität. Eine Augmented-Reality-App erweitert die Ausstellungsfläche und bietet den Museumsgästen eine interaktive Möglichkeit, Geschichte hautnah zu erleben und sich aktiv in das Erlebnis einzubringen. „Das weckt die eigene Vorstellungskraft und macht Lust, mitzumachen“, beschreibt Projektleiter Timo Hellmers das didaktische Konzept von „Abenteuer Hanse“. Die Erzählung rund um eine Zeitreise durch die Geschichte des Städtebunds ermöglicht einen leichten Zugang zur Ausstellung, erzählt audiovisuell und verknüpft den analogen Museumsraum mit digitalen Interaktionen. Man verfolge zudem das Ziel, Orientierung in der Dauerausstellung zu geben und deren Kerninhalte zu vermitteln, unterstreicht Hellmers. Besonders bei den unter 30-Jährigen könnte so neues Publikum erreicht und für die Themen des Hansemuseums begeistert werden.

Das relevante Museum
Die Anwendung von Spielprinzipien und -mechaniken auf nicht-spielerische Zusammenhänge wird als Game Thinking bezeichnet. „Auch wenn es ein naheliegendes Beispiel ist, muss es nicht immer das vollständige Spiel sein, über das man in diesem Kontext spricht – vielmehr geht es um die Einbindung von Methoden und Technologien, die typischerweise in Spielen zu finden sind“, unterstreicht Game-Thinking-Experte Christoph Brosius und nennt Punkt- und Belohnungssysteme als Beispiele. Mit diesem Schwerpunkt ist Brosius der derzeitige Jahreskurator im Programm „Das relevante Museum“. Den Rahmen für dieses Netzwerk, das mittlerweile 20 Museen der DACH-Region vereint, setzt die NORDMETALL-Stiftung zusammen mit der Schweizer Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (Winterthur). Gemeinsam verfolge man das Ziel, mit neuen Ansätzen die Museumslandschaft der Zukunft einladend und relevant zu gestalten, betont Katja Stark, Bereichsleiterin Kultur der NORDMETALL-Stiftung: „Uns ist es ein wichtiges Anliegen, für möglichst viele unterschiedliche Besucherinnen und Besucher bedeutungsvolle Museumserfahrungen zu kreieren – dafür arbeiten wir institutions- und abteilungsübergreifend.“ „Das relevante Museum“ startete 2019 als zweitägiges Symposium in Hamburg. Seit 2020 wird es als kollaborativ konzipiertes Programm in Deutschland, Österreich und der Schweiz stetig weiterentwickelt. Aktuell stellt Brosius den Museumsteams Methoden und Perspektiven des Game Thinkings vor, die auch außerhalb der digitalen Welt genutzt werden können, um spannende Erlebnisse für das Publikum zu gestalten. Dabei geht es um Naheliegendes, wie die Nutzung von Fortschrittsbalken, bis hin zur Diskussion kontroverser Methoden: Darf ein Museum zum Beispiel auch künstliche Verknappung bei den Ticketverkäufen oder psychologische Tricks anwenden? „In diesem Werkzeugkoffer liegen auch Tools, die man mit großer Achtsamkeit einsetzen sollte, wenn überhaupt,“ so Brosius.
Chancen und Herausforderungen
Rund 1.400 Gäste haben das Europäische Hansemuseum im vergangenen Jahr mit ausgeliehenem Tablet über das „Abenteuer Hanse“ erkundet – noch mehr mit dem eigenen Handy. „Unser wichtigstes Ziel, neue Zugänge zur Hansegeschichte zu schaffen, haben wir mit der App erreicht“, bestätigt Hellmers den Erfolg der Anwendung, die unter anderem mit dem internationalen „Serious Play Award“ prämiert wurde. Weitere spielerische Vermittlungskonzepte seien bereits geplant, unter anderem mithilfe des Programms „Das relevante Museum“. Mit den Chancen kommen auch Herausforderungen:

Museen müssen dazu bereit sein, traditionelle Organisations- und Ausstellungskonzepte zu überdenken und finanzielle und zeitliche Ressourcen zu investieren, die oftmals nur durch Förderprogramme möglich werden. Zudem ist es erforderlich, dass spielerische Elemente so integriert werden, dass sie die (Bildungs-)Ziele der Häuser unterstützen und nicht überlagern. Richtig eingesetzt und gut durchdacht kann Game Thinking dann die Antwort darauf sein, wie Ausstellungshäuser ihre Relevanz und Attraktivität für ein breites Publikum bewahren – und dabei sogar neue Besucherinnen und Besucher anlocken.
Jannick Leunert