In Madeira

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NovemberAugust 2013 2013

nehmen«; es lohne sich wirklich. Nur Minuten trennten auf Madeira die nördliche von der südlichen Welt. Und immer wieder hebt der Achtelsbacher im Vergleich zu den Kanaren den Wasserreichtum der portugiesischen Insel hervor, der »in den tieferen Regionen eine fast tropische Vegetation«, das zweite, südliche Gesicht, entfalte. Vor »den kleinen, mit Stroh gedeckten kegelförmigen Hütten« sitze die weibliche Bevöl ker ung a l ler Altersstufen und verfertige »die weltberühmten Madeira-St ickereien«, wohingegen im Osten der Insel, im Dorfe Camacha, Körbe hergestellt würden. Nicht in den Basaren und Manufakturen Funchals, sondern erst hier könne man ermessen, »welche Arbeitsleistung und Kunstfertigkeit in diesen Tüchern, Flechtarbeiten, Decken und Kleidern« stecke. Zudem werde der »Fleiß der Madeira-Portugiesen« durch die Anlage der Levadas zur Wasserversorgung der Insel bezeugt. »Tausende von kleinen Kanälen« durchzögen das Eiland, ohne dass »die Landschaft irgendwie verscha ndelt oder vergewaltigt« werde; das sei ein »bis in die letzten Adern … kunstvolles und berechnetes System«, dessentwegen nirgends Wassermangel herrsche. Die vom Meere an steil aufsteigenden Bergzüge verwiesen den Acker-, Weinund Obstanbau auf die schmale Küstenzone, so dass viele männliche Madeirenser auswanderten.

Andererseits habe die »starke Beschäftigung der Frauen in der Stickereiund Korbwarenerzeugung« einen bedeutenden Mangel an weiblichen Arbeitskräften entstehen lassen. Dadurch hätten größere Hotels die kapverdische M i s c h l i n g sb e völ k er u n g heranziehen müssen. So erkläre sich »die starke Durchsetzung der Bevölkerung mit Mischlingen und Schwarzen«. Da es im Hochsommer nicht so heiß sei wie etwa

in Lissabon und erst recht in Innerportugal, seien die Madeira-Portugiesen zu größerer körperlicher Leistung fähig. Den meisten Fremden werde leider als einziges das dritte Gesicht der Insel gezeigt, »das ein recht schiefes Bild von diesem Lande und seinen Menschen« gebe. Damit meine er die ins Auge springenden Besonderheiten wie »das berühmte Pflaster aus glattpolierten Meersteinchen,… die großen Ochsen, die den

Fremden stundenlang in sänftenartigen Wagen durch die Straßen von Funchal« zögen, »die Stickereibazare, der Madeira-Wein und die ›Andenkenindustrie‹«. In der Hauptstadt der Insel gebe es »wirklich Schöneres zu sehen als das«, etwa »das kleine, von einem deutschen Zoologen geleitete n a t u r w i s s e n s c h a f t l ic he Museum« oder die «leider fast gänzlich« ausgestorbene Nationaltracht; »selbst die kleine Zipfelmütze mit dem bis zu einem halben Meter

langen Draht« gebe es »im Innern nur noch vereinzelt, und dann nicht in dieser übertriebenen Form«. Echt seien allerdings »die halblangen, aus weichem, gelblichem Leder gefertigten Stiefel, die die weibliche Bevölkerung Madeiras« trage. Der »aus halbfaulen, übersüßen Trauben« gewonnene Madeira-Wein müsse in geheizten Räumen oder unter Sonnenwärme lagern und sei »dadurch schon in zwei Jahren

versandfähig. Früher» sei »man damit zweimal über den Äquator« gefahren. Die jahrelang lagernden Canteiro-Weine erzielten dagegen viel höhere Preise. So werde die ganze Insel von einer Fremdenindustrie geschädigt, »die die edelsten Erzeugnisse ihres Bodens und Gewerbefleißes zur Jahrmarktsware« erniedrige - »der deutsche Gast der Insel des ›ewigen Frühlings‹« solle »nicht in Versuchung geführt werden, in diesem Madeira d a s Madeira zu sehen«. ANZEIGE


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