2 Online-Journalismus – Chancen, Risiken und Nebenwirkungen (nr-Werkstatt 2)

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ter Wichtigkeit. Zamir diente deshalb nicht nur dem Austausch von Nachrichten innerhalb der Friedensgruppen, sondern auch dazu, die Menschen in den Gebieten der Kriegsparteien wieder miteinander kommunizieren zu lassen. Es ermöglichte so auch Flüchtlingen, sich gegenseitig wiederzufinden. Das Open Society Institute und die Soros Foundation fanden das Projekt förderungswürdig und übernahmen die immensen Telefonkosten. Zamir wurde weltweit Thema in den Medien (http://www.foebud.org/archiv/zamir). Das Zamir -Netz war zwischen 1992 und 1996 das wichtigste unabhängige Kommunikationsmedium in der Region. Es gab vielen Menschen Hoffnung und eine Möglichkeit, sich mitzuteilen. Nicht nur Freunden, sondern auch der Öffentlichkeit. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel war das Zagreb Diary. Zagreb Diary Wam Kat, aus der Friedensbewegung in Holland, war nach Kroatien gereist, weil er es nicht mehr ertragen konnte, den Krieg in Jugoslawien im Fernsehen zu sehen. Er landete in Zagreb und wurde Systemadministrator der ZAMIR-ZG. Ursprünglich wollte er nur ein paar Monate bleiben — es wurden mehrere Jahre. So begann er Anfang 1992 Tagebuch zu schreiben, damit seine Kinder, die er in Holland zurückgelassen hatte, wussten, was ihr Vater macht, während er fort ist. Und er schrieb öffentlich, weil auch der Rest der Welt wissen sollte, was gerade in Ex-Jugoslawien passiert. In seinem Zagreb Diary gibt er ausführliche Schilderungen der politischen Situation, der Kriegshandlungen, wie sie ihm von Leuten direkt berichtet wurden und kommentiert auch die Berichterstattung der lokalen Medien sowie CNN und SKY, die in Zagreb per Satellit empfangen werden können. Er beschreibt auch, was er den Tag über getan hat, seine Arbeit, welche Menschen er getroffen hat, welche Musik er gehört hat. Gerade die Schilderung der alltäglichen Begebenheiten, die sich beim Straßenbahnfahren, EinDie zwei höchsten Bürokaufen oder beim Besuch bei Freunden zugetragen hochhäuser in Sarajevo – ausgebrannt, aber standhaft haben, gaben Außenstehenden ein facettenreiches Bild vom (nicht so ganz) normalen Leben in Kroatien und Bosnien. Er berichtet von der Verwirrung durch neue Straßennamen (nach politisch motivierter Umbenennung), von bettelnden Kriegsinvaliden in der Straßenbahn und der Beschämung der Fahrgäste, die nichts geben können, weil sie selbst nichts haben, von Menschen, die sich zum ersten Mal in einem Wahl-

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28.07.2005, 16:28


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