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Oberer Totpunkt Der schmale Grat Oberer Totpunkt sind rabenschwarz. Oberflächlich betrachtet wirken die Protagonisten wie zwei brave und genügsame Mitmenschen, doch ihre Mischung aus Spoken Word Performance und elektronischer Minimalmusic hat es in sich. Die Visionen der Sprecherin und Texterin schneiden sich wie eine Klinge durch die Monotonie der Beats und schockieren durch ihre Wahrhaftigkeit. Sei es aufgrund der detailgetreuen Schilderung der krankhaften Psyche der Protagonistin, sei es die so unberechenbar vom Monotonen ins Entrückte abgleitende Stimme, oder ist es gar ihr Alter Ego. Schnell wird dem Hörer bewusst: Hier spricht die ureigene, innere Stimme. Nur einen kleinen Schritt vom Kurs abgekommen und bereits im freien Fall, sind wir alle rücksichtslose Monster. Oberer Totpunkt – der rein technische Aspekt vermittelt nur wenig von eurer eigenen Tiefgründigkeit. Bettina: Der „Obere Totpunkt“, kurz: OT, ist ein technischer Begriff: Beim Verbrennungsmotor hat der OT beim Einstellen der Zündung bzw. der Explosion große Bedeutung: Auch die Protagonistinnen in unseren Stücken stehen in gewisser Weise an ihrem persönlichen oberen Totpunkt – ein Wendepunkt in ihrem Leben, das ohnehin schon eine Gratwanderung ist. Viele Texte beschäftigen sich mit dem Faktor Zeit und wie der stetige innere und äußere Druck Menschen zu extremen Taten drängt. Erfährt man diese Angst vor allem selbst durch das Älterwerden? Bettina: Und es geht bei OT natürlich immer wieder um die subjektive Wahrnehmung von Realität: Die Protagonistinnen 26

bewegen sich emotional und psychologisch nur eine Handbreit neben der Spur. Und damit schon sehr nah am Abgrund. Sie wollen nicht mehr Opfer sein, sondern nehmen die Verfolgerrolle ein. Das Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das uns hilft, selbst noch die abstrusesten Emotionen und Handlungen als normal hinzudefinieren. Inwieweit vermengt sich Autobiographisches mit geschwärzter Fantasie und dem Hang zu Skurrilem? Bettina: Ich wette, du traust dich nicht, in meinen Bettkasten zu gucken! Aber Scherz beiseite: Ich bin tatsächlich in gewisser Weise vorbelastet, durch den Konsum von Unmengen von kriminologischer Fachliteratur, vor allem aber durch den täglichen Konsum der Tageszeitungen! Ein bisschen weniger Aufregungskultur der Selbstzufriedenen und ein bisschen mehr Selbstkritik und Hilfsbereitschaft wären manchmal ganz sinnvoll. Die zentrale Aussage, die auf alle Gemütsbilder

zutrifft, ist der letzte Satz: „Jede Gesellschaft bringt die Charaktere hervor, die sie für ihren Fortbestand benötigt.“ Bettina: Dieser Satz ist eine ursoziologische Erkenntnis und damit eigentlich nicht meinem eigenen Gehirn entsprungen. Ich halte ihn für sehr wahr. Denn wir bemühen uns doch in jahrelangen Erziehungs- und Sozialisationsprozessen, Menschen dazu zu bringen, dass sie das wollen, was sie sollen – Eltern, Lehrer, aber auch Gesetzgeber, Freunde, die Presse und die Werbung. Alles, was uns umgibt, prägt uns und beeinflusst unser Denken. Kann man euch auch einmal live erleben? Michael: Am 5. September sind wir in Hannover zu Gast bei der Veranstaltungsreihe „Zetern statt Zaudern“. Darüber hinaus sind wir momentan dabei, eine Auftrittsreihe unter dem Titel „Femmes Fatales“ zu organisieren. Zusammen mit der Band Crystal Apes suchen wir noch lokale Bands aus Köln, Berlin, Leipzig usw., die die lokale Clubszene kennen, die auch elektronische Musik mit Frontfrau machen und die Lust haben, einen super Abend mit uns zu verbringen. Meldet euch! BRUNO KRAMM

www.oberer-totpunkt.de VÖ „10 Grad vor OT“: bereits erhältlich


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