MAGAZIN MUSEUM.DE Nr. 44

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Nr. 44 6,80 € Herbst 2021 MUSEUM 2 21 Ethnologisches
für Asiatische im Humboldt Forum 4 190485 406803 44
Museum und Museum
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In diesem Heft Seite

Bad Kreuznach

Ein Ort voller positiver Energie und Inspiration – so präsentiert sich mir der Schlosspark in Bad Kreuznach. An diesem idyllischen Ort treffe ich Marco van Bel. Seit 2015 ist er Direktor des Museums Schlosspark sowie der benachbarten Römerhalle. Der Niederländer hat sich einiges vorgenommen: Er will ein neues kulturelles Kapitel aufschlagen. Dabei bestätigt sich einmal mehr: Museumsleiter sind Alleskönner, die nicht nur Experten in ihrem Fach sind, sondern auch Manager, Personalverantwortliche, Pressechefs, Schnittstelle zur Politik, Ansprechpartner für Sponsoren und vieles mehr. Vor allem aber sind Museumsleiter eines: die kreativen Köpfe ihres Hauses. Mit ihrem Engagement und ihrer Kreativität steht und fällt der Erfolg eines Museums. Nur durch engagierte Museumsleiter lässt sich, meines Erachtens, ein Museum dauerhaft als kulturelles Zentrum etablieren.

Mit der konzeptionellen Neuaufstellung „Tradition im Wandel“ verbindet Marco van Bel behutsam die Präsentation der Stadtgeschichte mit moderner Kunst.

Das Ensemble aus dem Museum Schlosspark und der Römerhalle zeigt Artefakte, die den Bogen von der römischen Antike bis hin zu Kurgeschichte Bad Kreuznachs spannen. Die schönsten römischen Bodenmosaike nördlich der Alpen gehören beispielsweise dazu, Skulpturen der Bildhauer-Dynastie Cauer oder auch ein Aquarell von Erich Heckel.

Für Marco van Bel ist es eine Herzensangelegenheit, die lokale Bevölkerung auf eine „kulturelle Reise“ mitzunehmen. Insbesondere in ländlichen Regionen ist es eine Herausforderung, ein ansprechendes kulturelles Angebot aufzustellen, das dauerhafte Akzeptanz bei den Einheimischen ndet.

Ich wünsche Marco van Bel und seinem Team weiterhin kreative Schaffenskraft –hin zu einer lebendigen Kultureinrichtung im stetigen Wandel der Zeit.

Herzlichst, Ihr Uwe Strauch

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Titelseite: Prozessions-Stier Nandi, Reittier von Gott Shiva (19./20. Jahrhundert). © SMB / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel
MAGAZIN MUSEUM.DE
Ausgabe Nr. 44Herausgeber Ostwall 2 Telefon 02801-9882072www.museum.deLayout und Design: Sylvia Hänke Herbst 2021Uwe Strauch, Dipl.-Inf. TU46509 Xantencontact@museum.deVers. Dialogz. Rhein Ruhr Druck: Druck + Logistik, Bocholt Von links: Marco van Bel, Museumsleiter des Museum Schlosspark und der Römerhalle in Bad Kreuznach und Uwe Strauch (Gründer museum.de) im Schlosspark Bad Kreuznach. Foto: © Stefanie Paul
Museum
Fränkisches Spitalmuseum Aub 16 Druckereimuseum Weiss 28 Heimatmuseum Riphaushof 38 DDR-Museum Pforzheim 56 Musikinstrumentenmuseum Lißberg66 Brennet Textilmuseum 74 Otto-Lilienthal-Verein Stölln e.V.88 Heimatmuseum Lette 94 Museum Helgoland 100 Haus der Krippen – Domus Praesepiorum114 Gedenkstätte Wehnen 122 Turmuhrenverein Seehausen/Altmark e.V.130 Schloss Langenburg 136 Technisches Schaudenkmal Lohgerberei146 Heimatstube Waldniel 158 Humboldt Forum 166
Schlosspark Bad Kreuznach4
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Das Museum Schlosspark im historischen Schloßpark von Bad Kreuznach. Foto: M. Luhn © Museum Schlosspark

Das Museum Schlosspark in Bad Kreuznach

Tradition im Wandel und das Besondere im Fokus

Autorin: Anja Weyer M.A.

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Das Museum Schlosspark wurde bereits in der Sommerausgabe 2016 ausführlich präsentiert, damals noch als „Schloßparkmuseum“. Nun – fünf Jahre später – lohnt sich der Blick auf die inzwischen erfolgten Veränderungen und die konzeptionelle Neuaufstellung zu einem einladenden, zeitgemäßen Museum zur Kunst und Geschichte.

Ein Ort mit langer Tradition

Das Museum Schlosspark ist eine wichtige kulturelle Institution der rheinlandpfälzischen Kurstadt Bad Kreuznach, deren lange Geschichte mindestens bis zu den Kelten und Römern reicht. Solch eine traditionsreiche Stadt bedarf eines Ortes, der die Schätze der Vergangenheit sammelt, bewahrt und in zeitgemäßer Form präsentiert. Die wertvolle Sammlung von Artefakten aus Ausgrabungen wurde von engagierten Mitgliedern des „Antiquarisch-historischen Vereins für Nahe und Hunsrück“ (dem heutigen Verein für Heimatkunde) schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gesichert. Sie bildet den Grundstock der beiden Museen Schlosspark und Römerhalle.

Eine Reihe ebenso engagierter Museumsleiter sorgen seit Jahrzehnten für die Bewahrung und Präsentation der Schätze. Der Gymnasiallehrer und Heimatforscher Karl Geib gründete 1933 das später nach ihm benannte Museum in der Innenstadt, das von der Erdgeschichte bis zu volkskundlichen Stuben einen Überblick bot.

Das Museum zog 1986 an den heutigen Ort, das klassizistische Schlösschen. Die Sammlung der antiken Artefakte wurde in der dafür konzipierten Römerhalle untergebracht.

Ein weiterer Leiter, Dr. Hermann Bullinger, gründete eine Stiftung, die heute noch dem Museum besondere Ankäufe und Projekte ermöglicht. Unter der Leitung von Dr. Angela Nestler-Zapp wurde die Ausstellung mehr auf die Kunst ausgerichtet. Diese Linie setzt der Kunsthistoriker und Museologe Marco van Bel fort, der die Leitung der beiden Museen (Schlosspark und Römerhalle) 2015 übernommen hat. Seitdem hat sich viel getan.

Neue Wegbegleiter ins Museum, ein neuer Name und ein neues Konzept

Zur Entdeckungstour inspirieren die neuen Flyer im Quadratformat mit geschickt platzierten Abbildungen, kurzen Texten und Zitaten. Originelle Logos mit Ornamenten in frischen Farben zieren die Flyer und die neuen Wegweiser, die zu den Museen leiten. Wer die Gassen der Altstadt hinter sich lässt, kann eine wunderschöne Entdeckung machen. Nach dem Eintritt wie in einen verwunschenen Park führt der Weg den Besucher zu einem herrschaftlichen, weißen Gebäude. Es steht an der Stelle des mittelalterlichen „Rittergutes Bangert“.Um die Museumsbesucher nicht zu irritieren, wurde ein neuer Name gewählt: Kulturviertel als Gegenüber des Kurviertels. Denn nicht

nur die Kur für den Körper, sondern auch der Kulturgenuss für den Geist ist für die Erholung des Menschen wichtig. Dafür sorgt das Ensemble der Kreuznacher Museen, das in den Gebäuden des alten Gutes untergebracht ist.

Historische Bezüge werden wieder sichtbar

Das Anwesen wurde im späten 18. Jahrhundert von der Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau zum heutigen klassizistischen Schlösschen umgebaut. Ihr Nachfolger, Baron Andreas van Recum, bewohnte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seiner Familie das Schloss. An die früh verstorbene sehr geliebte zweite Gattin erinnert eine Sandsteinsäule im Park mit berührender Inschrift. Diese wird instandgesetzt, um den Bezug und die Sichtachse zum Haus wieder deutlich zu machen. Herz und große Liebe sind immer noch angesagt an diesem Ort, der gerne von Hochzeitsgesellschaften aufgesucht wird.

Linke Seite, oben: Öffentlichkeitsauftritt mit neuem Logo sowie Fahnen beim Haupteingang

Linke Seite, unten: Park mit Gedenksäule für Jeanette von Recum (gest. 1821), Ehefrau von Andreas van Recum, einem ehemaligen Besitzer des Schlosses

Rechte Seite: Museum Schlosspark, Ausblick in den Schloßpark mit Hauptsichtachse

Fotos: W. Lhotzky © Museum Schlosspark

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Landschaften der Region. Teilansicht der neuen Dauerausstellung mit Kunst des 20. und 21. Jh., die den historischregionalen Sammlungsschwerpunkt mit Werken der Gegenwart ergänzt und Bezug nimmt auf die regionale Topogra e und Geschichte als konsistente und attraktive Sammlungserweiterung.

Die standesamtlichen Trauungen nden in den prächtigen Räumen des Anbaus statt, den die dritte Vorbesitzerfamilie errichten ließ, die großbürgerliche Industriellendynastie Puricelli. Der Anbau beeindruckt mit seiner Glasdecke mit Naturmotiven im japonistischen Stil und mit dem Jagdzimmer, das von Anton Pössenbacher, der auch für den bayrischen König arbeitete, mit kostbarer Vertäfelung, Kassettendecke und Parkett ausgestattet wurde.

Auch die Kutschendurchfahrt ist noch original erhalten und wurde inzwischen barrierefrei und mit neuer Beleuchtung ausgestattet, da dieser ansprechende Raum oft für Empfänge nach der Trauung vermietet wird.

Das Konzept der Öffnung

Das Schloss mit seinem schönen Park wurde bereits im 19. Jh., fortschrittlich

für seine Zeit, für die Öffentlichkeit zugänglich. Heute öffnet sich das prächtige Gitter des Haupttors vor dem Besucher, der das Schlösschen im Park liegen sieht.

Flatternde Fahnen mit dem neuen Logo im Corporate Design betonen den Eingang des Museums Schlosspark und die historische Axialität der Parkanlage und ziehen den Besucher an. Das Licht der Kronleuchter strahlt aus den Fenstern,

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Foto: W. Lhotzky © Museum Schlosspark

und vor der weit geöffneten Tür machen Plakate auf spannende Ausstellungen neugierig. Hier darf jeder eintreten und ist willkommen. Da zeigt sich das neue Konzept des Museumsleiters, dem es gelungen ist, dem Haus einen offenen Charakter zu verleihen, das historische Gebäude zur Umgebung zu öffnen und Außen- und Innenbereich wieder in ihre ursprüngliche Beziehung zu setzen. So führte er anstelle blickdichter Rollos

eine UV- lternde Folie auf den Fensterscheiben ein: Sie schützt unauffällig und denkmalkonform die Ausstattung der Räume vor schädlichem Lichteinfall und erlaubt den Blick in den Park. Die historische Architektur und Raumstruktur wurde bewusst sowohl in das neue Museumskonzept, als auch in die Dauer- und Sonderausstellungen einbezogen, was für den Museumsbetrieb eine Herausforderung ist. Eine klare Verbin -

dung entsteht zwischen den Flügeln und Geschossen mit einer inhaltlichen Achse: Die Geschichte des Schlosses und historische Kunst be nden sich im linken Flügel, im rechten Flügel die moderne Bildende Kunst. Verbindend ist der Aspekt der Region.

Die Region neu sehen und entdecken Im Erdgeschoss werden Gemälde von Kreuznach und Umgebung präsentiert. Die pittoreske alte Stadt und die schöne Landschaft haben immer wieder Künstler inspiriert, auch überregionale und internationale. Gleich beim Eintritt fällt der Blick auf die Neuerwerbung einer Naheansicht von dem Brücke-Maler Erich Heckel: Er kam durch die Freundschaft zu dem Kreuznacher Ludwig Thormaehlen (Kustos der Berliner Nationalgalerie) hierher und schuf 1938 das Aquarell „Nahetal“. Es konnte 2019 dank der BullingerPittler Stiftung erworben werden, mit deren Hilfe es dem heutigen Museumsleiter möglich ist, die Sammlung auf Werke des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts zu erweitern.

Das frischgestaltete Seitenkabinett zum Weiher präsentiert die neue Dauerausstellung „Landschaften der Region“. Hier ndet der Betrachter Werke der Moderne, deren Schöpfer sich in ganz unterschiedlicher Weise mit der charakteristischen Nahelandschaft und Themen der Region auseinandersetzen. So zeigt der Kreuznacher Künstler Karl Kastenholz die Landschaft seiner Heimat oft in leuchtenden, fast expressionistischen Farben. Daneben hängt das kleine Gemälde “Zauberwald“ der zeitgenössischen Malerin Dagmar Ropertz (geb. 1972), das eine geheimnisvolle Stimmung ausstrahlt. Diese Kombination und Gegenüberstellung, das Bilden von ganz unterschiedlichen Objektpaaren, ist ein „Markenzeichen“ in der Museumsarbeit von Herrn van Bel. Hier ergänzen sich die zwei Landschaftsbilder unterschiedlicher Künstler und Stile und treten in einen visuellen und inhaltlichen Dialog mit ästhetischer und erzählerischer Wirkung. Durch dieses einfache und gelungene didaktische Stilmittel wird der Betrachter eingeladen, genauer hinzusehen, zu erkunden und sich selbst „ein Bild“ zu machen. Mit minimalen und rein kompositorischen Mitteln werden so Entwicklungen in der Kunst- und Kulturgeschichte deutlich.

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Die Antike im Blick

Neben der Moderne ist die Geschichte der Kelten und Römer immer gegenwärtig. Ganz bewusst steht an der Fensterwand mit Blick Richtung Museum Römerhalle die „Iris“ im antiken Gewand von Hanna Cauer, Mitglied der bedeutenden Kreuznacher Bildhauerfamilie. Das Obergeschoss beherbergt eine große Auswahl aus dem umfangreichen Werk der Bildhauerdynastie Cauer, die seit dem frühen 19. Jahrhundert in Kreuznach ansässig

war, aber auch international arbeitete. Die ersten beiden Generationen schufen vor allem Werke im klassischen Stil. Daraus wurde eine gezielte, bewusste Auswahl getroffen für die neue Präsentation im großen Saal des Schlosses, der jetzt den thematischen Namen „Klassik-Saal“ trägt. Die Restaurierung nach einem Wasserschaden bot die Gelegenheit zur Neugestaltung. Die Wände wurden zum Klassizismus passend in der Pastellfarbe

„Taubenblau“ gefasst, und die goldenen Akzente in den restaurierten Rosetten der Stuckdecke setzen den sprichwörtlichen „Punkt“. Der große Wandspiegel wurde wieder enthüllt und dient der optischen Vergrößerung des Raumes und der Inszenierung der Objekte. Nun strahlt der Raum eine zum Klassizismus passende zurückhaltende Vornehmheit aus, wodurch die neu angeordneten klassischen Cauerfiguren besonders gut zur Geltung kommen.

Der neu gestaltete Klassik-Saal mit Skulpturen der Bildhauerfamilie Cauer Foto: W. Lhotzky © Museum Schlosspark

Wichtig ist Herrn van Bel, dessen Motto „weniger ist mehr“ lautet, den Fokus auf ausgewählte Objekte zu lenken, Zusammenhänge deutlich zu machen. Dazu passt das neuerworbene Pastell von Carlo Maria Mariani (geb.1931) im postmodernen klassischen Stil. Ein antikisierender mit Korallen umrankter Kopf von 1988 nimmt Bezug zu den klassizistischen Werken des 19. Jahrhunderts und verweist gleichzeitig auf den Ursprung des Stils, wie den Oceanuskopf des römischen Mosaiks im benachbarten Museum Römerhalle. So wird alles zu einer Einheit. Das Aquarell wurde 2019 aus amerikanischem Privatbesitz erworben.

Die Bildende Kunst wird ergänzt mit Angewandter Kunst: Historischer Schmuck wie Kameen und Mikromosaik illustrieren den Zeitgeschmack des Bürgertums.

Adelsstand verp ichtet

Der „Rote Saal“ bzw. „Van Recum-Saal“ im Obergeschoss wurde ebenfalls neu gestaltet. Anstelle von Cauer-Skulpturen

wird der Besucher nun von den Vorbesitzern in Form ihrer Porträts und persönlicher Objekte empfangen: Dazu ist der stilvolle Raum mit vergoldeter Stuckdecke und weinroter Wandbespannung hervorragend geeignet. Die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner als gesellschaftlicher Repräsentanten der Stadtgeschichte sind ein Schwerpunkt neben der Kunst.

Ein neuer Blick und neue Beziehungen

Das Museum pro tiert von den guten Kontakten des Museumleiters zu regionalen und (inter)nationalen Künstlern. Er konzipiert als Kurator Sonderausstellungen zu moderner Kunst, aber auch zu regionalhistorischen Themen. Das Ergebnis sind außergewöhnliche, anspruchsvolle Ausstellungen, so zum Ersten Weltkrieg oder einer Sammlung historischer Weinaschen der Kreuznacher Flaschenfabrik. Diese wurden nicht nur informativ, sondern auch geschickt ästhetisch arrangiert, dazu im Dialog die Arbeiten von Daniela Orben, einer Künstlerin aus einheimischer

Winzerfamilie. (Ausstellungen „Wein in alten Flaschen“ sowie „Verwurzelt“, 2019). Und natürlich sind die sinnlich ansprechenden Steinskulpturen des international bekannten Künstlerpaares KubachKropp zu erwähnen und deren besondere Präsentation. („Spannungsfelder“ 2020–2021). Das Heimische, Regionale wird immer neu erfahrbar.

Die moderne Kunst tritt auch in Beziehung zu den keltischen und römischen Werken vor Ort und bringt ganz neue unerwartete Aspekte. Zum Beispiel arbeitet Irena Rácek mit Erde von archäologischen Ausgrabungsstellen, hier von der Römervilla. So entsteht ein direkter sinnlicher Bezug zu Werden und Vergehen. (Ausstellung: „Erdfarbenklänge/ Heimat(en) in Europa“, 2019).

Ungewöhnlich war auch die Auftragsarbeit für die Ausstellung „Kult! Götterwelt-Menschenwelt“ 2017: Die belgische Fotogra n Viona Ielegem inszenierte unbekleidete weibliche Modelle mit archaischen Accessoires der antiken Mythologie.

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Am deutlichsten wurde die Beziehung von Außen und Innen während der Ausstellungen von Prof. Irena Rácek mit ihren „Erdfarbenklänge“ (2019) sowie des chinesischen Konzeptkünstlers Liang Guojian „Kenbo“ (2017). Die großformatigen Papierarbeiten von Kenbo waren nicht nur in den beiden Museen zu sehen, sondern auch die Bäume im Park sowie das Wetter wurden bewusst mit einbezogen. Neben der Betrachtung der Kunst war es den Besuchern auch möglich, durch Teilnahme an einer fernöstlichen Teezeremonie oder einem Kalligra e-Workshop eine andere Kultur aktiv zu erfahren und zu begreifen. So werden neben dem Kunstgenuss außergewöhnliche sinnliche Erlebnisse möglich, die neue Welten erschließen.

Die Ausstellungen sprechen ganz unterschiedliche Zielgruppen an und wollen Besucher bis aus dem Rhein-Main-Gebiet anziehen.

Linke Seite: Museum Schlosspark, Tradition im Wandel und das Besondere im Fokus. Einbeziehung der historischen Architektur in die Ausstellungsgestaltung und die Öffnung des Museums zur umgebenden Natur, kombiniert mit historischer und moderner Kunst am Beispiel von „Wein in alten Flaschen“ (2019).

Oben: Blick in den Puricelli-Salon. Neue Möglichkeiten für Vermietungen, Veranstaltungen sowie Sonderausstellungen für regionale Künstler und Initiativen. (Hier: „Bad Kreuznacher Olympioniken. Der Turner Konrad Frey in Berlin 1936“, eine Kooperation mit Steffen Oberst, Leiter Olympiastützpunkt Bad Kreuznach.

Rechte Seite unten: Die Antike und die Regionalgeschichte als Inspiration bis in unsere Zeit. (links: Hanna Cauer, „Iris“ (1939); Mitte: „Prosperina“ und rechts: „Schiff auf der Nahe (Wasserwege)“, beide 2019, Irena Ráceck).

Fotos: W. Lhotzky © Museum Schlosspark

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Erweiterte Angebote

Im Untergeschoss befand sich früher die Vor-und Frühgeschichte. Das reiche regionale Erbe wird in Zukunft im Museum Römerhalle präsentiert. Nach dem Konzept von Herrn van Bel sollen dort die den Römern vorhergehenden und folgenden Kulturen mit ausgewählten Objekten ausgestellt werden, um damit die Siedlungskontinuität im Naheland aufzuzeigen und Kontinuitäten sowie Umbrüche in der Geschichte der Region aufschlussreich vermitteln zu können.

Jetzt sind im Schloss neue, multifunktionale Räumlichkeiten mit dem Namen

Puricelli-Salon entstanden. Dort können Veranstaltungen oder Sonderausstellungen regionaler Kulturschaffender (u.a. der Künstlergruppe Nahe oder des Kunstvereins) statt nden, womit das Museum Schlosspark auch die Kreuznacher Kulturszene mit in ihrem Angebot einbindet und Synergien entstehen.

Die Räume eignen sich für museumspädagogische Angebote und können auch für private Feste gemietet werden. Ein kleiner Außenbereich wurde als Freisitz hergerichtet und das kunstvolle Gitter von wucherndem Gesträuch befreit: Nun hat man schon von Weitem einen guten Gesamteindruck von der Architektur des Ensembles.

Rundum betreut und neue Pläne, ein Erlebnis mit allen Sinnen

Für einen noch intensiveren Museumsbesuch werden Audioguides vorbereitet, die über das eigene Smartphone abrufbar sind. So werden Kultur und Geschichte nicht nur visuell, sondern zusätzlich akustisch zum Leben erweckt. Das Angebot richtet sich an Kinder, Jugendliche und Familien, aber auch, um das barrierefreie Angebot zu erweitern, an Sehbehinderte und kognitiv beeinträchtigte Besucher. Denn Alle sollen sich hier zu Hause fühlen, Schulklassen, Urlauber, Kurgäste aber auch besonders die Einheimischen, die das Museum als ihr Haus annehmen sollen und immer wieder Neues entdecken dürfen.

Museumspädagogische Programme, Ferienprogramme und offene Angebote wie fachlich fundierte Führungen ergänzen – ganz analog – das Angebot.

Und so darf der Gast weiter gespannt neue Überraschungen erwarten, so dass sich immer wieder ein Besuch lohnt. Was als nächstes ansteht? Womöglich der historische Landschaftspark, so Herr van Bel, den er gerne zu einem Kulturpark erweitern möchte.

Museum Schlosspark

Dessauerstraße 49

55545 Bad Kreuznach

Tel.: 0671 - 92077-7

museum-schlosspark-kasse@badkreuznach.de

www.museum-schlosspark.de

AUDIOGUIDE MUSEUM SCHLOSSPARK BAD KREUZNACH

www.museum.de/m/3188

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Einladend für Besucher. Der neue Außenbereich um das Museum Schlosspark Foto: W. Lhotzky © Museum Schlosspark

Die Welt der leichten Gestaltung

17.– 19.11.2021

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Die Stadt Aub und das Auber Spital

Vom Leben in einem Landspital

Die Kleinstadt Aub liegt am Flüsschen Gollach im südlichen Ochsenfurter Gau, zentral zwischen Würzburg, Bad Mergentheim und Rothenburg o.d. Tauber. Mit der vollständig erhaltenen Stadtmauer aus der Zeit des beginnenden 15. Jahrhunderts, der Stadtpfarrkirche, dem historischen Rathaus, dem ehemaligen fürstbischö ichen Jagdschloss und vielen weiteren Baudenkmälern hat Aub sein historisches Ortsbild bewahrt.

Ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte ist das Auber Pfründnerspital. Spitäler zählten am Ende des Mittelalters zum geläu gen Erscheinungsbild einer Stadt. Wie in Aub lagen diese sozial-caritativen Einrichtungen meist am Rande der Stadt, oft an einem Stadttor und damit in der Nähe einer großen Fernverbindungsstraße.

Unter dem Eindruck der Großen Pest hatte um 1350 ein adeliger Stifter das Spital in

Aub gegründet. Es entwickelte sich zum größten Landspital des ehemaligen Hochstifts Würzburg und beeindruckt am Rande der Altstadt gelegen noch heute durch sein großes Hofareal mit Spitalkirche, Pfründnerund Verwalterbau, großer Scheune, kleinen Nebengebäuden und dem Spitalgarten.

Zunächst für Arme, Kranke und Pilger gegründet, war das Landspital Aub über mehr als 600 Jahre eine soziale Fürsorge-

einrichtung und ermöglichte einen sicheren Lebensabend. Es bot bei einer allumfassenden Versorgung ein Leben in Geborgenheit und Würde.

Linke Seite, oben: Stadtmauerturm im Spitalgarten

Rechte Seite, unten: Werke der Barmherzigkeit Fotos © Manfred Igers

Rechte Seite, oben: Spitalhof mit Spitalkirche und Pfründnerbau © C. Schmitt

Rechte Seite, Mitte: Spitalküche © Fotostudio Menth

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Das Auber Spital

Das Fränkische Spitalmuseum Aub

Das fränkische Spitalmuseum Aub eröffnet den Blick auf historische Perspektiven der sozialen Sicherung und Fürsorge. Als einziges Spezialmuseum seiner Art in Bayern widmet es sich einem weit verbreiteten Phänomen der spätmittelalterlichen Stadt: einer sozial-caritativen Einrichtung, dem Spital.

Im Jahr 1998 gab die große Spendenbereitschaft der Bevölkerung des ca. 1.000 Einwohner zählenden Städtchens den Startschuss für die Sanierung des Spitalalreals. In der Folgezeit entstand das museale Nutzungskonzept für den gotischen Kernbau. 2004 konnte das Museum eröffnet werden und wird von Beginn an ehrenamtlich geführt und betreut.

Inzwischen ist es auch räumlich und inhaltlich erweitert worden. Heute zeigt das Museum auf 1500 m 2 Ausstellungsfläche mit 33 thematischen Stationen die Geschichte des Spitalswesens und bringt den Museumsgästen das Leben in einem Spital näher .

Die „Sieben Werke der Barmherzigkeit“ –Hungrigen zu essen geben, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde

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beherbergen, Kranke heilen, Gefangene besuchen, Tote begraben – führen in die Idee des Spitals und seine religiöse Grundlage ein. Pfründner, Magd, Spitalmeister oder Köchin informieren als Holz-Silhouetten über Mahlzeiten, Hygiene, Hausordnung, religiöses und soziales Leben im Spital.

Neben den vielen interessanten Ausstellungsstücken und den Texttafeln dokumentieren auch die beeindruckenden Aufnahmen des Auber Fotographen Adam Menth (die ältesten davon aus den 1920er Jahren) den Alltag und die Arbeit im Auber Spital. Das Leben der Pfründnerinnen und Pfründner folgte einem klosterähnlichen Rhythmus. Im Wechsel von Gebet, Arbeit und Mahlzeit sollten die Bewohner gemäß der Spitalordnung „in guter Ordnung leben“.

Ein Grundprinzip des Spitals war die Verbindung von Bett und Altar. Noch heute zeugen davon die Fenster zwischen den Krankenstuben und der Kirche sowie die Ausrichtung der Flure auf den Altar.

Als Glücksfall ist es zu bezeichnen, dass sich im Archiv das „Gedächtnis des Spitals“ mit Inventaren, Standbüchern und Rechnungen des 16.–20.Jahrhunderts erhalten hat. Diese sind wichtige Quellen zur lebendigen Beschreibung der vergangenen Lebenswelt eines Landspitals.

Oben: Krankenstube

Unten: Spitalarchiv Fotos © C. Schmitt

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Blick aus der Krankenstube in die Kirche © C. Schmitt
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Als Brückenschlag in die Gegenwart entstand 2007 in Zusammenarbeit mit der Hospizbewegung der Malteser in Würzburg ein Raum der Stille, der das Thema „Sterblichkeit“ und „Leben bis zuletzt“ aufgreift und durch seine Gestaltung ein Ort des Innehaltens und Nachdenkens ist.

2016 wurde das Museum mit dem Ausbau der Spitalscheune erweitert. Dort vermitteln Objekte, Texttafeln, Bilder und haptische Stationen die wirtschaftlichen Grundlagen des Spitals. Das Spital herrschte und diente zugleich. Die materielle Basis der frommen Stiftung bildete die umfangreiche Grundherrschaft mit Feldern, Wiesen und Wald.

Der Kräutergarten des Museums – angelegt nach Plänen des 18. Jahrhunderts – ist bep anzt mit einer Auswahl klösterlicher Arznei- und Heilp anzen und lädt zum Verweilen ein.

Rundgang Spital und Stadt

Im Spitalhof beginnt der Rundgang „Spital & Stadt“. Er führt zu 15 historischen Orten und Gebäuden des Städtchens und zeigt die über Jahrhunderte gewachsene Verbundenheit der frommen Stiftung mit der Stadt an der Gollach.

Museumspädagogisches Konzept „Kaspar und Kathrine – zwei Pfründner im Spital“

Mit Hilfe der beiden Leit guren, die die Namen früherer Spitalbewohner tragen, geht es um das Verstehen des historisch gewachsenen Gebäudekomplexes, das Kennenlernen eines Spezialmuseums der Region, die Beschäftigung mit dem Alltagsleben einer Fürsorgeeinrichtung der Vergangenheit und um die Auseinandersetzung mit christlichen Werten. Eine Schülerin und ein Schüler schlüpfen in Kostüme und damit in die Rollen einer Pfründnerin und eines Pfründners. Sie begleiten einen Teil der Führung und haben dabei einige Aufgaben zu erfüllen. So wird durch sie der Alltag im Spital anschaulich und zugleich spielerisch erfahrbar.

Linke Seite, oben: Spitalscheune

Rechte Seite, unten: Kräutergarten

Fotos: © C. Schmitt

Linke Seite, Mitte: Pfründnerin und Pfründner, um 1930

Rechte Seite, oben: Wald- und Feldwirtschaft

Fotos: © Fotostudio Menth

Linke Seite, unten: Schüler mit Spitalmodell © Petra Maidt

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Kultur im Spital

Der Förderverein Fränkisches Spitalmuseum Aub e.V sorgt laut Satzung für den Unterhalt des Museums und die P ege seiner Räumlichkeiten und Exponate. Darüber hinaus unterstützt er wissenschaftliche Forschungen zur Geschichte des Spitalwesens, der Geschichte der Stadt Aub sowie zur Heimat- und Landesgeschichte.

In Zusammenarbeit mit dem Heimatverein Aub e.V. sind Bürgerinnen und Bürger in ehrenamtlicher Tätigkeit an der Betreuung des Museums beteiligt. Die Aufsicht zu den Öffnungszeiten, Museumsführungen für Gruppen und auch die Leitung des Museums geschehen im Ehrenamt. Heimatverein, Förderverein und der Kulturverein Ars Musica Aub e.V. p egen ein reiches kulturelles Leben mit Sonderausstellungen, Konzerten, Vorträgen und Exkursionen.

Das Areal des Fränkischen Spitalmuseums in Aub verfügt über eine ganze Anzahl von akustisch hervorragenden Spielstätten. Neben der Spitalkirche mit ihrer Orginalausstattung aus dem 19. Jahrhundert und der neu renovierten Schlimbach-Orgel von 1865 gibt es den Spitalkeller unter der

Scheune, einen historischer Gewölbekeller mit einer Kleinkunstbühne. Eine Besonderheit ist die mit Glas überdachte große Spitalbühne im grünen Ambiente des Spitalgartens, die mit ihrem ebenfalls überdachtem Zuschauerbereich auch bei schlechtem Wetter Veranstaltungen ermöglicht.

Das Museum verfügt seit einigen Jahren auch über einen Saal für Sonderausstellungen. Er wird genutzt für regelmäßige Ausstellungen zu historischen Themen aber auch für Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst.

Fränkisches Spitalmuseum Aub Hauptstraße 33 97239 Aub Tel. 09335 - 97100

ggroegerstein@aol.com

www.spitalmuseum.de

AUDIOGUIDE FRÄNKISCHES SPITALMUSEUM AUB

www.museum.de/m/4779

Mitte:

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Oben: Spitalkirche © Fotostudio Menth Spitalbühne © Georg Grimm

Für mehr Draußen

Mit den neuen Outdoor-Wänden von MBA lassen sich neue Räume erschließen Autorin: Stefanie Paul

Markus Militzer weiß, manche Räume kann man nur öffnen, indem man Wände baut. Er nennt das: „Architektur mit der Wand pur.“ Mit seinem Unternehmen, der MBA-Design & Display Produkt GmbH, entwickelt und vertreibt Markus Militzer nachhaltige und modulare Wandsysteme für Museen und Galerien. Durch die hochwertigen und optisch extrem ansprechenden Wandsysteme bekommen Ausstellungen Form und Struktur, Besucherströme können unauffällig und elegant durch die Räumlichkeiten gelenkt werden und die präsentierten Objekte und Gemälde erhalten die ihnen gebührende Plattform.

Der Clou dabei: Die MBA-Wandsysteme lassen sich immer wieder neu kombinieren und mithilfe einer speziellen Folie jeweils frisch gestalten. Selbst das Tapezieren und Streichen der Wandmodule ist möglich. „Nachhaltigkeit ist für uns ein zentrales Thema“, erklärt Markus Militzer. Daher bietet MBA exible und wiederverwendbare Architekturlösungen, die insbesondere für Wechsel- und Sonderausstellungen geeig-

net sind. Davon pro tieren nicht nur die Museen, sondern auch die Besucher. Bei diesen wird der Eindruck erweckt, in einer jeweils komplett neuen Ausstellung zu sein.

Neben den Raum-in-Raum-Lösungen mit der klassischen Mila-wall bietet das Reutlinger Unternehmen mittlerweile auch spezielle Akustikwände, die den Schall ab -

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sorbieren und damit den Nachhall in den Museumsräumen reduzieren. So entsteht eine angenehm gedämpfte Atmosphäre, in der sich die Besucher wohlfühlen können und nicht durch Nebengeräusche gestört werden. Ebenso gehört die selbstleuchtende Mila-wall LED mittlerweile zum Portfolio des Familienunternehmens.

Die Wandsysteme überzeugen aber nicht nur durch ihre Flexibilität, sondern auch durch ihre einfache Montage und ihre besonders lange Lebensdauer. Dabei sind alle Wandsysteme der MBA miteinander kompatibel. „Alte“ Wände lassen sich problemlos mit neuen Modellen kombinieren. So haben Museen jederzeit die Möglichkeit, ihre Ausstellung durch neue Trends zu erweitern. „Wir bauen unsere Produktpalette stetig aus und prüfen genau, welche Bedürfnisse unsere Kunden haben“, sagt Markus Militzer.

Neue Bedürfnisse kamen auch im Zuge der Corona-Pandemie auf: Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln erschwerten den Museumsbesuch in den vergangenen Monaten enorm, geschlossene Häuser und abgesagte Ausstellungen haben ihn im schlimmsten Fall sogar komplett unmöglich gemacht. Museen mussten kurzfristig neue Konzepte entwickeln, neue Wege gehen, sich neue Räume erschließen. Für diesen Zweck hat MBA eine neuartige Outdoor-Stellwand entwickelt. Diese können sowohl im Außenbereich eingesetzt werden als auch im Innenbereich.

Dadurch hätten Museen die einmalige Gelegenheit, sich bereits im Außenbereich den Besuchern zu präsentieren – und so Lust auf einen Museumsbesuch zu machen. „Unsere Stellwände können also als eine Art Appetizer dienen“, sagt der MBA-Chef. Überhaupt werde der Außenbereich von vielen Museen noch zu wenig genutzt und oftmals nicht in das Ausstellungskonzept integriert. Dabei biete gerade das Außenareal vielfältige Möglichkeiten und Vorteile, ist sich Markus Militzer sicher. Die neu entwickelten Outdoor-Wände bestehen dabei aus robusten, wetterfesten Materialien, gestaltet werden sie, je nach Bedarf, mit einer Folie im Digital-Druck-Verfahren.

Aber nicht nur Museen pro tieren von den Outdoor-Wänden. Auch Innenstädte können damit aufgewertet und neu belebt werden – zum Beispiel, indem man die Stellwände für Kunstaktionen nutzt.

„So können wir unsere Innenstädte neu

entdecken und attraktiver gestalten – und sie im wahrsten Sinne des Wortes wieder zu einem echten Lebensraum machen“, erklärt Markus Militzer.

MBA erleben: Vom 17. bis 19. November ndet in den Kölner Messehallen die 10. EXPONATEC Cologne statt. Natürlich ist auch die MBA-Design & Display Produkt GmbH live auf der Fachmesse vertreten. Schauen Sie doch einmal vorbei! Sie nden MBA in Halle 2.2, Stand D020.

Linke Seite, oben: Vitra Design Museum © Michael Dolejš, unsplash.com

Linke Seite, unten: Palacio Real © Paulo Victor, unsplash.com

Rechte Seite: Schloß Belvedere © Angel Ceballos, unsplash.com

MBA-Design & Display Produkt GmbH

Siemensstrasse 32

72766 Reutlingen

Tel. +49 7121 1606-0

info@mba-worldwide.com

www.mila-wall.com

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Die Welt der „schwarzen Kunst“ erleben

Das Druckereimuseum Weiss in Monschau-Imgenbroich

Autorin: Melanie Rapsilber

Nur wenige Autominuten von der Monschauer Altstadt entfernt, be ndet sich das Druckereimuseum Weiss im Ortsteil Imgenbroich. Auf dem Betriebsgelände der Weiss-Druck GmbH & Co. KG bewahrt das Museum auf rund 600 qm alte Schätze rund um die Geschichte des Buchdrucks auf. Die meisten davon stammen aus dem Besitz der Familie Weiss und waren viele Jahre in der Druckerei eingesetzt.

Im Jahr 2000, zum 125. Firmenjubiläum der Unternehmensgruppe Weiss, gründete der damalige Inhaber Hans Georg Weiss die Weiss-Druck-Stiftung. Laut der

Stiftungsurkunde wurden 3 Ziele gesetzt: Die Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Druckereigewerbe, die sich aus-, fort- oder weiterbilden möchten, die Unterstützung von in Not geratener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Errichtung und Unterhaltung eines Museums, in dem die Entwicklung des Druckereigewerbes von den Anfängen bis zur Gegenwart dargestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Nach einem Jahr Planung und Einholung der Baugenehmigung wurde im Februar 2002 der Grundstein für das Gebäude ge-

legt. Nach nur 8-monatiger Bauzeit wurde das Druckereimuseum Weiss feierlich eröffnet.

Besonders hervorzuheben ist die außergewöhnliche Architektur: Die Rundform des Gebäudes ist ein echter Blickfang, genauso wie die großen Glas ächen, die für eine Lichtdurch utung sorgen und von außen einen ersten Einblick gewähren. Das Museum ist barrierefrei konstruiert und geht über 2 Etagen – ein Aufzug ist vorhanden.

Oben: Außenansicht des Druckereimuseums Weiss

Rechte Seite: Firmenhistorie

Fotos: © Weiss-Druck-Stiftung

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1875 kauft Peter Weiß in Monschau den „Stadt- und Landbote“, einen kleinen Verlag mit Druckerei. Peter Weiß stirbt 1898, im Alter von erst 50 Jahren. Witwe Jose ne übernimmt allein die Verantwortung für das Unternehmen und für die Erziehung ihrer fünf Söhne.

Jose ne Weiss ist zu verdanken, dass 1919 Sohn Jacob die Druckerei übernehmen und zu einem respektablen Betrieb ausbauen kann.

Nachdem 1960 in der Monschauer Innenstadt eine große Druckhalle bezogen wurde, überträgt Jacob Weiß das Unternehmen an seinen Sohn Hans Georg. Durch bauliche Erweiterungen 1964 und 1967 entsteht eine Betriebs äche von 700 m2, die schnell mit zusätzlichen Schnellpressen und einem „Heidelberger Tiegel“ gefüllt ist.

2004: Georg Weiss wird allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer bei WEISS-Druck und macht es sich zur Aufgabe, das Lebenswerk seines Vaters im neuen Jahrtausend fortzusetzen.

2008: Ein trauriges Ereignis erschüttert die Unternehmensgruppe: Hans Georg Weiss verstirbt kurz nach Vollendung seines 81. Lebensjahres. Georg Weiss übernimmt in vierter Generation alleinverantwortlich die Geschäfte des Familienunternehmens Weiss.

2021: Leonard Weiss beendet seine Ausbildung zum Medientechnologen Druck mit Bestnoten – die 5. Generation des Familienunternehmens steht somit in den Startlöchern.

Schloss Mannheim, Space4

29 Die Firmenhistorie
MüllerKälber GmbH | Daimlerstraße 2 | D-71546 Aspach | Tel.: +49 (0) 7191 - 36 712 0 Fax.: +49 (0) 7191 - 36 712 10 | E-Mail: info@muellerkaelber.de | www.muellerkaelber.de
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Halle 2.2 | Stand D48 KÖLN 2021
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Oben: Drehbare Geschichtsbücher

Unten links: Beschreibstoffe

Unten Mitte: Nachbildung vom Stein von Rosette

Unten rechts: Papier-Druckpresse

Fotos: © Weiss-Druck-Stiftung

Was Sie im Druckereimuseum Weiss erwartet? Wir haben großen Wert darauf gelegt die Druckkunst von Beginn an bis zur Gegenwart darzustellen – von den über 5.000 Jahre alten chinesischen Schriftzeichen über die ägyptischen Hieroglyphen bis hin in die Neuzeit, dem modernen Rollenoffsetdruck.

Sie erfahren im Erdgeschoss zunächst wie die Schrift entstanden ist und auf welchen Materialien geschrieben wurde – auf 3 großen Geschichtsbüchern, die man per Knopfdruck herumdrehen kann. Im ersten Buch geht es um die Er ndung der Schrift – von Wandmalereien bis zu den Buchschriften des Mittelalters. Das zweite Buch handelt von der Geschichte der Beschreibstoffe wie Papyrus und den Tontafeln. Das dritte Buch liefert Informationen zum Buchdruck. Vor den Büchern gibt es verschiedene Ausstellungsstücke zu begutachten: Beispielsweise eine Nachbildung des Steins von Rosette, der 1799 entdeckt wurde und wesentlich dazu beitrug die Hieroglyphen zu entschlüsseln. Außerdem nden Sie hier Papiersieb und Druckpresse, mit deren Hilfe Papier hergestellt wurde.

Weiter geht es mit der Geschichte von Johannes Gutenberg aus Mainz, der um 1450 in seiner eigenen Druckerwerkstatt den Buchdruck erfunden hat: Wo Mönche bisher in Klöstern zeitaufwendig Bibeln und Bücher per Hand geschrieben und kopiert haben, hat das neue Druckverfahren für eine Revolution gesorgt –plötzlich waren Schriftstücke erschwinglicher, womit die Bildung der Menschen schneller vorangetrieben wurde.

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Unser Maschinenpark © Weiss-Druck-Stiftung

Im Maschinenpark zeigen wir Ihnen unsere „Schätze“, die Herzstücke der Ausstellung. Für den manuellen Buchdruck sind dies beispielsweise eine Tiegeldruckpresse mit Fußbetrieb (Baujahr Anfang 1900), die von einem Drucker bedient wurde und eine Stoppzylinderpresse der Firma

Koenig & Bauer (Baujahr 1855), bei der 2 Drucker benötigt wurden.

Etwas moderner geht es mit der Schnellpresse Rex II weiter, die bereits vollautomatisch und mit Elektroantrieb ausgestattet war (Baujahr 1950).

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1962 kaufte Hans Georg Weiss eine Offset-Druckmaschine aus Schweden, die auf Grund einer anderen Drucktechnik wesentlich schneller arbeitete als die vorherigen Maschinen. Sehr beeindruckend ist auch die Rotationsmaschine der Firma MAN aus dem Jahr 1926.

Die Treppe ins Obergeschoss führt vorbei an Info-Tafeln, die verschiedene Ausdrücke aus der Zeit der Buchdrucker darstellen. Sie erfahren zum Beispiel was es mit den Begriffen „Gautschen“, „Mönch“ und „Zwiebel sch“ auf sich hat.

Linke Seite, oben: Zeitungsrotationsmaschine

Baujahr 1926

Linke Seite, unten: Infotafeln mit Ausdrücken aus der Zeit der Buchdrucker

Rechte Seite, oben: Lambretta von Hans Georg Weiss

Rechte Seite, Mitte: Setzkasten, der in der Druckerei Weiss in Gebrauch war

Rechte Seite, unten: Der Multimediaraum „Im Tiegel“

Fotos: © Weiss-Druck-Stiftung

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Oben angekommen erwartet Sie ein „Schmuckstück“ von Hans Georg Weiss: eine Lambretta, mit der er in den 50-er Jahren nach Bonn gefahren ist, um Druckaufträge in den Bundesministerien einzuholen. Dies gelang ihm auch und so erfolgten die ersten Schritte zu einem mittelständischen Unternehmen.

Jetzt geht es in den Bereich des Handsatzes, zu den um 1960 angeschafften Handsetzregalen. Hier werden die damaligen Arbeitsmaterialien der Setzer gezeigt, wie Winkelhaken und Setzschiff.

Außerdem zu sehen ist eine LinotypeZeilensetzmaschine aus den 50-er Jahren. Jacob Weiss kaufte sie 1957 und sein Sohn, Hans Georg Weiss, lernte an dieser Maschine sein Handwerk.

Im Bereich Fotosatz gibt es ebenfalls Spannendes zu entdecken: eine DiatypeSetzmaschine (Baujahr 1961), mit der im Hause Weiss bis 1975 u. a. Anzeigen gestaltet wurden. Imposant ist die Reprokamera, die aus Platzgründen etwas verkürzt werden musste. Mit ihr wurden Zeitungsseiten und Bilder abfotogra ert und somit für die Druckplattenbelichtung vorbereitet.

In einer großen Vitrine geht es speziell um den Fotosatz. Bis 1980, als Computer noch nicht die Arbeitsplätze erobert hatten, wurden Zeitungsseiten manuell wie eine Collage aufbereitet, einzelne Artikel und Bilder aufgeklebt und anschließend abfotogra ert. Danach folgte die Belichtung und Installation auf einer Offsetdruckplatte, damit sie schließlich gedruckt werden konnte.

Daneben zeigen wir in einer weiteren Vitrine die ersten Macs, die in der Druckerei zum Einsatz kamen und mit denen die Digitalisierung ihren Lauf nahm.

Neben den historischen Sammlungen verfügt das Druckereimuseum über einen Bistrobereich und einen technisch modern eingerichteten Multimediaraum „Im Tiegel“. Hier wird nach einer Museumsführung der Image lm der Unternehmensgruppe Weiss gezeigt, der den modernen Rollenoffsetdruck eindrucksvoll präsentiert, oder nach einem Kinder-Workshop ein informativer Kurz lm mit Peter Lustig („Löwenzahn“).

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Oben: Das eigene Druckerdiplom auf der historischen Nudel drucken

Unten: Gänsekiel, Schilfrohr und Tinte Fotos: © Weiss-Druck-Stiftung

Druckereimuseum Weiss Am Handwerkerzentrum 16 52156 Monschau Tel. 02472 - 982 982 info@druckereimuseum-weiss.de https://weissgruppe.de/unternehmen/ druckereimuseum/museum.html

Das Museum bietet auch für private und geschäftliche Veranstaltungen eine ganz besondere Atmosphäre. Die Vermietung erfolgt je nach Kundenwunsch mit oder ohne Catering.

Als außerschulischer Lernort anerkannt, bieten wir für Kindergarten- und Schulkinder spezielle Workshops an. Nach einer altersgerechten Führung fertigen die Kinder ihr eigenes kleines Buch mit verschiedenen Drucktechniken an. Der Buchumschlag wird eigenständig auf unserer historischen „Nudel“ gedruckt. Auch Papyrus-Papier wird in einem Workshop selbst hergestellt und anschließend mit Gänsekielen, Schilfrohren und Tinte verziert.

Ein besonderes Highlight ist die alljährli-

che Kinosaison im Kino Weiss X’tra: Hier treffen sich Donnerstagsabends Kinogäste, um in außergewöhnlicher Atmosphäre einen Filmabend zu erleben. „Im Tiegel“ werden Komödien, Dramen und Dokumentationen gezeigt. Vor dem Film kann man sich im Bistro mit Getränken und Knabbereien eindecken, damit der Abend ein wahrer Filmgenuss wird. Die kleinen Gäste kommen hier auch nicht zu kurz, denn sonntags dürfen sie ihre Zeichentrick-Helden auf großer Leinwand bewundern, im Kinderkino.

Gruppenführungen für Vereine, Familien, Wandergruppen etc., können das ganze Jahr über gebucht werden. Für Einzelbesucher haben wir von Oktober bis März sonntags geöffnet – eine kostenlose Führung ist im Eintrittspreis enthalten.

AUDIOGUIDE

DRUCKEREIMUSEUM WEISS

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www.museum.de/m/5876
Karthäuser-Breuer GmbH Schanzenstraße 6-20 info@kb-art.de Kupferzug 1.23 www.kb-art.de 51063 Köln (Mülheim) Tel. 0221 95 42 33 - 0 Passepartouts • Museumskarton • Archivkarton • Juwelier-Seidenpapier Seit über 85 Jahren Kartons und Papiere für Museen Archive Restauratoren und Einrahmer

Ein Heimatmuseum für die Zukunft gestalten

Wie Ehrenamtliche in Waltrop die Geschichte ihrer Stadt bewahren

Autor: Norbert Frey

In der rd. 30.000 Einwohnerstadt Waltrop, gelegen zwischen Dortmund und Recklinghausen, zugehörig zum Ruhrgebiet und an der Grenze zum Münsterland, unterhält der Heimatverein Waltrop seit 25 Jahren mit ehrenamtlichen Kräften ein Heimatmuseum, den Riphaushof.

Nach der Gründung des Heimatvereins im Jahre 1935 wurden gesammelte Gegenstände der örtlichen Geschichte in den verschiedensten Räumlichkeiten gelagert, bis 1971 im Kellergeschoss des hiesigen Gymnasiums ein erstes eigenständiges Heimatmuseum eingerichtet werden konnte.

Die Stadt hatte zwischenzeitlich einen alten Bauernhof gekauft, der 1903/1904 nach einem Brand gebaut wurde. Das Gymnasium hatte seinerzeit großen Raumbedarf,

das Museum musste weichen und dem Heimatverein 1994 wurde dafür der Riphaushof für ein neues Heimatmuseum zur Verfügung gestellt.

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Nach einer längeren Umbau- und Einrichtungsphase konnte am 29. Juni 1996 das jetzige Museum of ziell der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Nach diesen 25 Jahren stellten sich mehrere Fragen. Angefangen mit der grundsätzlichen Frage, „sind wir ein angestaubtes Museum“, dass noch in diese Zeit passt? Sehen die Besucher es als „Flohmarkt“ an, in dem alles übereinander, nebeneinander gestapelt, gestellt ist? Wo die Kaffeemühle, das Bügeleisen, das gusseiserne Waffeleisen neben dem schwarzgekleideten Brautpaar stehen, und darüber noch historische Urkunden hängen.

In solch einem Sammelsurium verlieren die Besucher schnell den Überblick – und wohl auch die Ehrenamtlichen. Eine klare Gliederung muss her. Die Qualität muss gesteigert werden und der Anspruch zur Vermittlung von Wissen und Bildung ist zu stärken. Das Heimatmuseum soll nicht Hort der Ewiggestrigen sein, aber es soll dennoch die historische Perspektive unserer Stadt aufzeigen. Es soll zu sehen sein, dass das, was heute da ist, Ergebnis eines jahrhundertelangen Prozesses ist. Wir wollen unser Heimatmuseum als ein anschauliches, dreidimensionales Gedächtnis unserer lokalen Lebenswelt verstehen. Wir wollen ausstellen, was die Eigenart unseres Ortes ausmacht und den Besucherinnen und Besuchern eine persönliche Begegnung mit der Geschichte unseres Ortes ermöglichen. Das kann ein großer Vorteil gegenüber großen Museen sein, wie ich nde.

Hinzu kamen drei weitere Faktoren, die diese Überlegungen beschleunigten. Nach über 100 Jahren waren die Neueindeckung des

Daches, eine Isolierung und neue Fenster im Dachgeschoss mehr als überfällig. Ein Projekt von 180.000 €, dass die Stadt zu stemmen hatte und Ende 2020/Anfang 2021 erfreulicherweise durchgeführt wurde.

Hinzu kam, dass das am Ort ansässige LWL- (Landschaftsverband Westfalen-Lippe-) Museum „Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop“ eine Neukonzeption verwirklichte und dadurch 14 Glasvitrinen in den Besitz des Heimatvereins gelangten. Also ein willkommener Anlass, die eigene Ausstellung neu zu sortieren und zu gestalten.

Als dritter Punkt kam „Corona“ hinzu mit einem geschlossenen Heimatmuseum seit März 2020. Baumaßnahme, neue Vitrinen und mit dem Konjunkturprogramm für den Kultur- und Medienbereich „NEUSTART KULTUR“ der Bundesregierung ergaben sich neue Chancen und ( nanzielle) Möglichkeiten für den Heimatverein als Träger des Museums.

Konkret gesagt, die Erstellung eines Audioguides. Das heißt praktisch eine Museumsführung mit einem internetfähigen Handy durch QR-Codes (Quick Response, „schnelle Antwort“). In „normalen“ Zeiten für einen Verein kaum leistbar, mit einer 90%igen Förderung eher erschwinglich.

Linke Seite, oben: Heimatmuseum Riphaushof in Waltrop

Linke Seite, unten: Eingang zum Heimatmuseum

Rechte Seite, oben: Eingangsraum, Tenne, Deele, Heimatmuseum

Rechte Seite, Mitte: Standuhr

Rechte Seite, unten: Standuhr Figuren

Fotos: Gunnar Frey © Heimatverein Waltrop

Und wie sieht nun das Heimatmuseum aus?

Gegliedert in unterschiedlichen Räumen und nach Sachgebieten mit zum großen Teil neuen Glasvitrinen. Der Eingangsraum zum Museum ist gleichzeitig offizielles Trauzimmer der Stadt und zeigt bereits einige Kostbarkeiten.

Der erste Blick fällt auf eine alte Standuhr aus den Jahren 1885 bis 1888 mit einem wunderbaren Musikspiel! Oberhalb des Ziffernblatts ist eine kleine Kloster-Kirchenanlage., Die zwölf Apostel wandern im Halbkreis von der einen zur anderen Seite. Dabei öffnet sich ein Türchen, in dem Jesus Christus steht, der segnend die rechte Hand hebt.

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Natürlich gehört die Geschichte des Riphaushofes in diesen Raum. Ein schwarzes Klavier mit schönen Schnitzereien von der Weltausstellung in Wien 1873 hat ein örtlicher Spender zur Verfügung gestellt.

Ein Bergmann empfängt die Gäste in unserem Geschichtsraum. Denn hier stellen wir die vier Bereiche dar, die Waltrop geprägt haben: Frühzeit, Landwirtschaft, Kirche und Bergbau. Zu sehen ist auch ein frühes Grafti aus der Waltroper Zeche von der 2. Sohle in ca. 610 Meter Tiefe. Es wurde dort 1953 von einem Unfallzeichner gemalt. Früher gab es Unfallzeichner, weil man Untertage nicht mit Blitzlicht fotogra eren durfte.

Erstaunen ruft ein Mammutstoßzahn hervor, tatsächlich gefunden in Waltrop. Vor 140.000 Jahren lebten in unserer Region noch Mammuts, eine heute ausgestorbene Gattung der Elefanten.

Linke Seite, oben links: Bergmann

Linke Seite, oben rechts: Wandbild von Untertage

Linke Seite, unten: Mammutstoßzahn

Rechte Seite, oben: Geschichtsraum

Rechte Seite, unten: Kanzel der Kirche St. Peter

Fotos: Gunnar Frey © Heimatverein Waltrop

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Die Messe las der Priester bis 1968 von der schönen eichenholzgeschnitzte Kanzel. Sie wurde in Köln angefertigt, als man die alte Petruskirche in den Jahren 1892 bis 1895 erweiterte. Jesus Christus ist mit einem aufgeschlagenen Buch dargestellt. Auf den Buchseiten sind ein „A“ und ein „O“ zu sehen. Angelehnt an das griechische Alphabet, dessen erster Buchstabe Alpha und letzter Buchstabe Omega ist, symbolisieren die Buchstaben „Jesus Christus ist der Anfang und das Ende“. Links und rechts neben Jesus Christus sind die vier Apostel Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

Tief in die Vergangenheit tauchen die Relikte der ersten Menschen in Waltrop ein. Professor Albert Baum aus Dortmund fand 1897 am Fluss „Lippe“ Zeugen der ersten Besiedlung zwischen 2.800 bis 2.200 v. Chr.: Urnen von einem Urnenfriedhof, Rasiermesser, Gewandnadeln, Tonscherben; sie belegen in unserer neuen Ausstellung die Anwesenheit unserer Vorfahren als Jäger und Fischer zur damaligen Zeit. Genauso wie den weiteren bedeutenden Zeugen

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für unsere älteste Vergangenheit: Der Zechensteiger Johann vor der Wülbecke fand 1927 auf dem ehemalige Gelände der Zeche Waltrop eine Germanensiedlung aus der Zeit von etwa 200 v. Chr. bis 400 n. Chr. Es war ein Zufallsfund. Schon seit Jahren förderte ein kleiner Eimerbagger Sand für Grubenzwecke. Im Februar 1927 brachte der Bagger eine römische Handmühle aus Lavastein ans Tageslicht – Beleg für die Handelsbeziehungen zwischen Römern und Germanen.

Der Gliederung nach folgt der „Druckerei-Raum“; tausende Bleibuchstaben, Setzkästen, eine Druckerpresse - hier wird eine ehemalige Druckerei vor Ort präsentiert. Zu sehen ist auch eine sog. Adrema (Adressiermaschine) der Verwaltung aus der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts, sozusagen aus der Vor-Computerzeit, um z. B. wiederkehrende Anschriften für den Postversand oder Steuerkarten zu drucken.

Das Handwerk hat in Waltrop eine jahrhundertelange Tradition. Verständlich, dass Schuster, Schreiner, Drechsler, einen gebührenden Platz als eigene Werkstatt im Museum nden. Es war schon früher so und hat sich bis heute nicht geändert: Zum Feierabend gehörte ein Bier in der Kneipe. Über 60 Gaststätten konnten die knapp 30.000 Einwohner in ihren Hochzeiten der 1960er Jahre erfreuen. Was lag also näher, als mit einer „Klönstube“ in einem eigenen Raum an die Vielzahl und Vielfalt der Kneipenkultur zu erinnern.

Im Obergeschoss des Museums vertiefen weitere Themen in Extraräumen die Geschichte unserer Stadt. Der Kirchenraum belegt, dass die katholische Kirche seit Jahrhunderten das Leben am Ort bestimmt hat, während die evangelische Kirche erst ab 1900 durch die vielen Neubürger im Bergbau stärker vertreten war. Eine „gute Stube“ gehörte im Bürgertum zum Vorzeigen dazu, und wir zeigen sie auch. „Wie hat Muttern früher gekocht?“ und wie eine Küche früher ausgesehen hat, das zeigen wir in unserer alten Küche den Besucherinnen und Besuchern. Und das nicht, um ein antiquiertes Weltbild zu verfestigen, sondern sie soll den Betrachter auch daran erinnern, dass sich die Zeiten geändert haben.

Als ehemalige Bergbaustadt bis 1979 war es ein „Muss“, die Bergbauepoche ab 1903 mit all ihren Facetten und Bergbaugegenständen darzustellen. Hatte der Ort um 1900 noch 4.000 Einwohner, machte erst die Industrialisierung ein größeres Bevölkerungswachstum möglich.

Und dann erinnert ein Ausstellungsraum an die Zeit des Nationalsozialismus und an das dunkelste Kapitel der Stadt: Waltrop hatte das größte Entbindungs- und Abtreibungslager für Ostarbeiterinnen im Deutschen Reich. Die erhaltenen Lagerbücher verzeichnen 1.991 Frauen aus Polen, der Ukraine und Russland. Allein im Jahr 1944 wurden 748 Geburten beim Standesamt angezeigt. Mindestens die Hälfte der hier geborenen Kinder kam ums Leben, 490 sind namentlich nachgewiesen.

Auch die jüdische Bevölkerung in Waltrop litt unter dem Nazi-Regime. Stellvertretend für ihr Schicksal erzählen wir die Geschichte der Marta Baum, die 1942 nach Polen deportiert wurde.

Linke Seite, oben: Druckerei

Linke Seite, Mitte: Frauenlager

Linke Seite, unten: Adrema

Rechte Seite: Vogelwelt

Fotos: Gunnar Frey © Heimatverein Waltrop

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Besonders attraktiv für Kinder ist unser museales Naherholungsgebiet, das im nächsten Zimmer folgt. Blaumeisen, Grünfinken, Fasanen, ein Bussard, Wildkaninchen, ein Fuchs, ein Dompfaff, ein Bachstelze und ein Wildschwein … Doch was macht der Wolf hier? In unserer Region ist er schon gesichtet worden und von daher fasziniert er unsere jungen Besucher.

IMMER AUF ABSTAND

DER NEUE CONSERVO-DISTANCE MAGNETRAHMEN

Der neue Museums-Bilderrahmen bietet jetzt noch perfektere Rahmenbedingungen für die konservatorische Einrahmung: mit magnetischen Abstandhaltern, eloxierter Aluminium-Rückwand, Klug Kartons und Bildsicherung – für besonders schützenswerte plastische Papierarbeiten oder schwebende Bildmontagen.

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Zum Abschluss besuchen wir noch drei Räume und beginnen mit der Ausstellung für das Handwerk, die Landwirtschaft und den häuslichen Bereich. Im Mittelpunkt steht der 160 Jahre alte imposante Kontermarsch-Webstuhl aus einer hiesigen Handweberei mit einer Webbreite von 160 cm.

Ein Heimatmuseum ohne eine alte Schulklasse? Wohl nicht denkbar! Originale Schülerbänke mit Klappsitzen, Tintenfass und Griffelkasten für die Schiefertafeln, alles ist da und die Kinder dürfen es auch anfassen. Bei einer Führung will dann jeder die Lehrerin oder den Lehrer mit dem vorhandenen Rohrstock spielen.

Sport wird nicht nur heute groß geschrieben, sondern auch vor hundert Jahren. Ein Kugelstoßer mit der damals „sagenhaften“

Weite von 13,66 m war 1926 der erste Deutsche Meister aus Waltrop. Ihm sollten noch etliche im Rudern, Rollkunstlauf und Boxen folgen, und sogar Weltmeister, Europameister und Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen sind dabei. Nur eine Goldmedaille fehlt. Na ja, das ist so nicht ganz richtig. Vielleicht ein wenig kurios, aber wahr: Ein Pferd aus Waltrop ist der einzige Goldmedaillengewinner. 1956 gewann das

Pferd „Ala“ unter Alfons Lütke-Westhues zusammen mit der legendären „Halla“ unter Hans-Günther Winkler und „Meteor“ unter Fritz Thiedemann den Nationenpreis.

Der Rundgang im Obergeschoss unseres Museums endet hier und wir kehren zum Erdgeschoss zurück und beenden eine Führung mit der alten Waschküche. Was für eine Arbeit unsere weiblichen Vorfahren doch hatten, um die Wäsche sauber zu halten. Ein „Waschtag“ war das, was er war: Ein voller Tag, nur um Wäsche zu waschen. Neben originalen Waschbrettern, Wäschestampfern und Zinkwannen sind auch eine alte Mangel und weitere Utensilien aus den Waschküchen zu sehen, die meist im Keller eines Hauses waren.

Die Gäste des Heimatmuseums können nun entscheiden, ob sie sich in diesem Haus wohlgefühlt haben, der Charme der Stadt sich aufgetan hat und die Geschichte des 1147 erstmals erwähnten Ortes ein wenig deutlich geworden ist.

Was noch fehlt, ist der Sprung in das digitale Zeitalter für das Museum. Ein eigener Internetauftritt (www.heimatverein-waltrop.de) seit ein paar Jahren vorhanden, aber eine

moderne Museumsführung per Audioguide würde das Angebot komplett machen. Ein deutlich vierstelliges Angebot lag vor und schon konnte die Antragstellung für den „Neustart Kultur“ beim Deutschen Verband für Archäologie e.V. in Berlin erfolgen. Wenn da nicht noch viele bürokratische Hemmnisse gewesen wären. Wieso ein Antrag online gestellt werden kann und dann zusätzlich dieser Antrag als Päckchen Papier nach Berlin zu schicken ist, erschließt sich vielleicht nur einigen geneigten Lesern. Sei`s drum, der Antrag wurde bewilligt, die Firma museum.de in Xanten beauftragt, einen Audioguide mit 20 Stationen zu erstellen.

Die Erstellung eines Manuskriptes durch Mitarbeiterin Dagmar Trüpschuch Ende Juli d. J. und der „letzte Schliff“ in einem Berliner Tonstudio durch zwei professionelle Sprecher Ende August führten zur Installierung der Audioguides im September 2021.

Heimatmuseum Riphaushof Riphausstr. 31 45731 Waltrop Tel. 02309 - 72759

www.heimatverein-waltrop.de info@heimatverein-waltrop.de

AUDIOGUIDE HEIMATMUSEUM RIPHAUSHOF

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www.museum.de/m/2937
Oben: Kontermarsch-Webstuhl | Mitte: Presse, museum.de-Mitarbeiterin Dagmar Trüpschuch, Vorsitzender Norbert Frey Fotos: Gunnar Frey © Heimatverein Waltrop
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Römerkastell Saalburg –

Maximale Anschaulichkeit

Autoren: Dr. Carsten Amrhein, Römerkastell Saalburg, Archäologischer Park, Kurt Ranger, Ranger Design

Ein Reiter führt sein Pferd am Zügel. Er kehrt von einem Patrouillenritt am Limes zurück und gibt seinem Kameraden vor dem Tor des Saalburgkastells einen ersten Bericht. Der in halber Originalgröße rekonstruierte Limesturm vermitttelt ein detailgetreues Bild des Limes

Der Kaiser und sein Museum

Das Römerkastell Saalburg bei Bad Homburg im Taunus war in römischer Zeit Teil der Grenze des Römischen Reiches in Deutschland, die heute als Obergermanisch-Rätischer Limes bekannt ist und 2005 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde.

Die während der Ausgrabungen seit der Mitte des 19. Jhs. ans Licht gekommenen Fundstücke werden in dem auf Initiative Kaiser Wilhelms II. zwischen 1897 und 1907 wieder aufgebauten Kastell in historischen Museumsräumen präsentiert. Die Konzeption des ersten Direktors Louis Jacobi zur musealen Präsentation der Funde zeigte einen durchaus modernen didaktischen Ansatz: Einzelfunde wurden durch Rekonstruktionen in ihrer Funktionsweise erläutert und mit Hilfe von Modellen in den historischen Zusammenhang gestellt. Anschaulichkeit der musealen Präsentation war in dieser Konzeption oberstes Ziel.

Neue Ausstellung und bewährtes Konzept

Von 2014 bis 2021 wurde in drei Bauabschnitten eine neue Dauerausstellung eröffnet, die sich archäologischen Funden von der Steinzeit bis in die römische Kaiserzeit widmet. Der Ausstellungsbereich, der die Gliederung, Ausrüstung und die Aufgaben der römischen Grenztruppen am Limes zeigt, wird noch dieses Jahr eröffnet. Die Grundkonzeption dieser Ausstellung sollte die Gestaltungsidee Jacobis weiterentwickeln und in eine moderne Didaktik überführen, um den Sehgewohnheiten und Erwartungen des Publikums im 21. Jahrhundert zu entsprechen. Dazu gehört neben der Erläuterung originaler Funde durch möglichst kompakte Texte auf verschiedenen Vermittlungsebenen und anschaulichen Gra ken auch ein vertiefendes Medienangebot.

Linke Seite, oben: Blick in die historischen Museumsräume um 1900. Foto: Archiv Saalburg

Linke Seite, unten: Vor dem Tor begrüßt heute die Bronzestatue des Kaisers Antoninus Pius den Besucher

Rechte Seite, oben: Blick in den Ausstellungsraum „Armamentaria“

Rechte Seite, unten: Der vergoldete Pferdekopf von Waldgirmes

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Der Soldat am Limes

Die Rekonstruktion eines Wachturm im Maßstab 1:2 gibt einen sehr realistischen Eindruck eines solchen Bauwerks, das unsere Vorstellung des Limes bestimmt. Die Figuren eines Reitersoldaten mit Pferd und seines Kameraden zu Fuß, zeigen die Ausrüstung der Grenztruppen in Nachbildungen. Der Besucher kann so die in den begleitenden Vitrinen ausgestellten originalen Fundstücke unmittelbar in ihrem Funktionskontext erfahren.

Ein besonderes Exponat

Im Zentrum der Ausstellung steht der Pferdekopf aus vergoldeter Bronze aus der römischen Siedlung bei Lahnau-Waldgirmes, der vermutlich zu einer Reiterstatue des Kaisers Augustus gehörte. An zwei Hörstationen sind Interviews mit der Ausgräberin des Pferdekopfs und der Restauratorin zu hören, die über ihre erstaunlichen Entdeckungen berichten.

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Technische Wunderwerke

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Aufstellung der Sammlung von Nachbauten römischer Geschütze. Diese Maschinen geben einen anschaulichen Eindruck von den Kenntnissen der mechanischen Gesetze, die den Konstrukteuren zur Verfügung standen. Hands-On-Stationen ermöglichen den unmittelbaren Kontakt mit Ausrüstungselementen und machen das mechanische Grundprinzip der Torsionsgeschütze begreifbar.

Die Gestaltung der Vitrinen zielt auf die größtmögliche Anschaulichkeit zur Präsentation der archäologischen Funde. Als Beispiel kann die Vitrine mit der Zusammenschau typisch germanischer und römischer Gefäße dienen, die in ihrer äußeren Form die Schnittmenge bezeichnet, in der durch Ein üsse beider Seiten neue handwerkliche Formen entstehen.

Linke Seite: Die Ausstellung zeigt die Entwicklung antiker Geschütze. Ein drehbares Modell demonstriert die Funktionsweise der Torsionstechnik. Die Zeichnung entspricht der Originalgröße des Geschützes

Rechte Seite: Blick in die Ausstellung „Vor- und Frühgeschichte“ der Saalburg

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Ausstellung und Museumspädagogik

Die neuen Dauerausstellungen wurden in enger Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Museumspädagogen und Gestaltern konzipiert. Neben der Möglichkeit, zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, bietet die Gestaltung völlig neue Zugänge zu den Ausstellungsstücken. Die Objekte zum Anfassen vermitteln den Besuchern durch den physischen Kontakt ein Gefühl für die Beschaffenheit der antiken Gegenstände und der verwendeten Materialien. Nachbildungen originaler Fundstücke ermöglichen eine genauere Betrachtung als die Originale und bieten Menschen mit Sehbehinderung die Gelegenheit einer direkten haptischen Annäherung an die Exponate. Die neuen Ausstellungsbereiche erlauben damit in Zukunft eine Ausweitung des museumspädagogischen Vermittlungsprogramms der Saalburg und bieten den Besuchern neue Dimensionen in der Betrachtung und Erfahrung archäologischer Funde.

In einer zusätzlichen Medienstation erhalten die Besucher Informationen zur Ausgrabung und Rekonstruktion des Fundplatzes, zur antiken Bronzegießerei und zur römischen Urbanistik. Aktiv können Besucher an dieser Station eine römische Stadt nach den erlernten Grundregeln des römischen Städtebaus zusammenstellen.

In den Armamentaria, den Waffenkammern des römischen Kastells stellen 600 Playmobilfiguren die auf der Saalburg stationierte Truppe und ihre Gliederung in Untereinheiten dar. Grabsteine von Angehörigen der Saalburgbesatzung lassen einzelne Personen mit Namen und Lebenslauf aus der Masse der namenlosen Soldaten hervortreten.

Linke Seite: Auf dem zweigeteilten Touchscreen werden die archäologischen Fundstätten in Waldgirmes kartiert und rekonstruiert. Die zweite interaktive Fläche lädt ein, spielerisch eine römische Stadt zu bauen

Rechte Seite: Eine Achse ordnet Leitexponate der Saalburg chronologisch ein. Davor gestellt sind Objekte zum Berühren: Die Vergrößerung einer Münze, fünf Barren mit unterschiedlichen Bronzelegierungen und ein steinzeitliches Steinbeil

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Ein besonderes Gewicht wurde auf HandsOn-Stationen mit originalgetreuen Nachbildungen archäologischer Objekte gelegt. So gibt die Hands-On-Station mit der Nachbildung eines steinzeitlichen Steinbeils eine unmittelbare sinnliche Erfahrung der Materialien und ermöglicht im Ertasten auch Menschen mit Handicap eine Vorstellung des Originals.

Alle Fotos: © Ranger Design

Römerkastell Saalburg

Archäologischer Park

Am Römerkastell 1

61350 Bad Homburg

Telefon 06175 - 9374-0

info@saalburgmuseum.de www.saalburgmuseum.de

Ausstellungsgestaltung und Planung:

Ranger Design

Happoldstraße 71

70469 Stuttgart

Telefon 0711 99 31 63 - 0

contact@ranger-design.com

www.ranger-design.com

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Lernort Demokratie –

Das DDR-Museum Pforzheim

Autoren: Birgit Kipfer und Volker Römer

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Eingang mit Mauerstück und Soldatenskulptur © DDR-Museum

Ein DDR-Museum in Pforzheim? Geograsch und mental weit entfernt vom Osten Deutschlands und dessen Geschichte, tief im Südwesten gelegen ist dies wahrlich kein authentischer Ort der DDR-Geschichte – und doch besteht es – einzigartig im Westen der Republik – seit 1998 als private Einrichtung. Sein Gründer Klaus Knabe, der aus der Nähe von Dresden stammte, war kurz vor dem Mauerbau mit seiner Frau in den Westen ge üchtet und als selbstständiger Fernsehmechanikermeister in Pforzheim hängen geblieben. Nach der Friedlichen Revolution hatte er begonnen, alles „was über Nacht wertlos geworden war“ zusammen zu tragen. So entstand eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte der DDR.

Als sein Dachboden voll war und die Fülle der Gegenstände nicht mehr beherbergen konnte, stellte ihm die Stadt Pforzheim Räume auf dem Buckenberg im ehemaligen Kindergarten der französischen Streitkräfte zur Verfügung. Hier konnte er die Absicht seiner Sammelleidenschaft verwirklichen: die Erinnerung an die zweite Diktatur auf deutschem Boden im 20. Jahrhundert für die Öffentlichkeit wach zu halten in einer Region, in der wenig Konkretes an die Jahre des geteilten Deutschlands erinnerte. Besonders junge Menschen wollte er für den Wert von Freiheit und Demokratie sensibilisieren, - ihnen zeigen, dass andere Herrschaftsformen möglich sind, die die Menschenrechte mit Füßen treten.

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Eingangsbild und Zeitleiste © Carsten Fertig

Im Juli 2012 – der Gründer war Anfang des Jahres verstorben – wurde mit Unterstützung des späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck und des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Eberhard Diepgen die vollständig ehrenamtlich geführte gemeinnützige Stiftung „Lernort Demokratie – Das DDR-Museum Pforzheim“ zum Erhalt des Museums gegründet. Danach konzipierte eine Gruppe engagierter Mitglieder und Museumsfreunde zusammen mit einer Kulturhistorikerin sowie eines Ausstellungsdesigners die Dauerausstellung neu und passte sie in Form und Inhalt an die sich im Laufe der Zeit wandelnde Zielgruppe der Jugendlichen an. So zeigt sich das Museum seit 2015 professionell neugestaltet als „Lernort Demokratie“ und zieht erfolgreich etliche Schulklassen sowie Besucher, auch Zeitzeugen der ehemaligen DDR in seinen Bann. Ehrenamtliche Unterstützung des Museumsbetriebs leisten die Mitglieder des noch von Klaus Knabe gegründeten Museumsvereins „Gegen das Vergessen e.V.“.

Zu sehen ist kein Heimatmuseum der Alltagskultur im herkömmlichen Sinne. Statt einen enzyklopädischen Ansatz aus allen Lebensbereichen der ehemaligen DDR zu verfolgen, werden exemplarisch Objekte zum Sprechen gebracht, die die Umwand-

lung der sowjetischen Besatzungszone in einen sozialistischen Staat nach sowjetischem Muster kennzeichnen. In der Konfrontation mit der Geschichte der SEDDiktatur mit Mauer und Stacheldraht wird so das Bewusstsein für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Gegenwart geschärft. Dabei erinnert auch der Zugriff auf lokale Ereignisse in Pforzheim während der Jahrzehnte der deutschen Teilung daran, dass auch der Westen betroffen war.

Neun Abteilungen auf zwei Stockwerken erzählen aus dem Leben und Wirtschaften im Herrschaftssystem einer sozialistischen Diktatur, über Jugendkultur und die Erziehung zum „sozialistischen Menschen“, über die innerdeutsche Grenze, über Flucht- und Knasterfahrung und Menschenhandel im geteilten Deutschland. Aber auch das Ankommen der Geüchteten im Westen Deutschlands, die Politik der Annäherung sowie die andauernden Kontakte zwischen Ost und West sind Bereiche, die so noch nirgends in einem DDR-Museum thematisiert wurden. Die Reise in die Vergangenheit beleuchtet das Erstarken der oppositionellen Kräfte, das schließlich zur Friedlichen Revolution führte. Der politische Weg in die Deutsche Einheit bildet den Abschluss.

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Oben: Stück eines Grenzsignalzauns

Linke Seite, unten: Erinnerungen an die DDR

Fotos: © DDR-Museum

Rechte Seite, unten: Ost-West-Kontakte © Carsten Fertig

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Linke Seite: Nachbau einer Stasi-Untersuchungshaftzelle

Rechte Seite: Original Knasttüren aus DDR-Gefängnissen

Fotos: © DDR-Museum

Leicht gruselig wird es den Besuchern im Untergeschoss. Dort befinden sich authentische Einrichtungen von DDR-Haftanstalten und ein originales Stasi-Vernehmerzimmer aus Berlin-Hohenschönhausen. An einem großen Bildschirm können Informationen über Schicksale der in der Nachkriegszeit von der sowjetischen Besatzungsmacht in Schnellprozessen verurteilten Menschen abgerufen werden.

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Klaus Knabe hatte keine Mühe gescheut, um auch Im Außenbereich des Museums Sinn und Zweck dieses von ihm geschaffenen Geschichts-Ortes sichtbar zu machen. Seit 1999 steht dort ein originales Stück vom Potsdamer Platz der Berliner Mauer und erinnert an die Menschenfeindlichkeit eines Regimes, das den Bürgern im Staat des „real existierenden Sozialismus“ die Freiheit nahm.

Zwei Räume im UG dienen der Präsentation von Wechselausstellungen. In unregelmäßigen Abständen wechselt auch das „Besondere Objekt“. In einer mobilen Vitrine im Eingangsbereich dürfen sich einzelne Objekte aus dem Depot mit ihrer Geschichte dem Publikum zeigen.

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Im Obergeschoss ermöglicht ein Vortragsraum mit Beamer, Rednerpult und Mikrofon sowie eine gut ausgestattete Küche private und öffentliche Veranstaltungen für 30 bis maximal 60 Personen. Hier können Schulklassen ihre Geschichtsprojekte gestalten. Auch nden mehrmals im Jahr inhaltlich auf die DDR bezogene Vorträge und Lesungen statt.

Das Museum beherbergt in seinem Depot über 6000 Objekte aus der ehemaligen DDR, die in einem digitalisierten Inventarverzeichnis geführt werden. Eine Bibliothek mit rund 5000 „volkseigenen“ Büchern und Schriften aus fast allen Themenbereichen der DDR vervollständigt das Angebot des DDR-Museums Pforzheim.

Als außerschulischer Lernort deckt das Museum mit seinem pädagogischen Angebot alle Themenbereiche ab, die in den Lehrplänen aller Schularten Baden-Württembergs enthalten sind.

Die ehrenamtliche Arbeit im DDR-Museum Pforzheim wird von der Abteilung Gedenkstätten der Landeszentrale für po-

litische Bildung Baden-Württemberg gefördert. Auch werden jährlich Fördergelder für Projekte zur Weiterentwicklung des Angebots akquiriert. So wurde erst kürzlich mit dem Bundesprogramm „Neustart Kultur“ im Museum ein Audioguide, also ein digitaler Museumsführer eingerichtet. Demnächst werden die Museumstexte auch in Einfacher Sprache für kognitiv eingeschränkte Personen verfügbar sein.

2017 erhielt das DDR-Museum Pforzheim den Toto-Lotto Museums-Extrapreis.

DDR-Museum Pforzheim

Hagenschießstraße 9 75175 Pforzheim

Tel. 07231 - 424 33 40

info@pforzheim.ddr.museum www.pforzheim-ddr-museum.de

AUDIOGUIDE

DDR-MUSEUM PFORZHEIM

Oben: Vortragsraum © DDR-Museum

www.museum.de/m/3871

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Weltbesonderheiten auf dem Lande

Musikinstrumentenmuseum Lißberg präsentiert welteinmalige und seltene Musikinstrumente

Autor: Kurt Racky

Linke Seite, oben: Kurt Racky an der Vorführleier

Linke Seite, unten: Lißberg mit Stausee - Das Museum ist hinter der Kirche

Rechte Seite: Kurt Racky am Ausprobiertisch

Fotos: © Musikinstrumentenmuseum Lißberg

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Das Lißberger Musikinstrumentenmuseum wird nicht, wie in größeren Städten, als eines von vielleicht vielen Museen besucht, weil man sowieso gerade in dieser Stadt ist, sondern meistens umgekehrt: Wer Lißberg aufsucht, kommt in erster Linie wegen dieses Museums und stellt dann vielleicht fest, dass Lißberg und seine Umgebung noch mehr Attraktionen bis hin zur schönen Landschaft am südlichen Rand des Vogelsberges zu bieten hat. Schon von der Notwendigkeit der meist längeren Anreise her, hat der Besuch des Museums bereits einen gewissen Ausugscharakter. Interessierte kommen und wollen einen schönen Tag erleben, von dem der Museumsbesuch oft nur ein Teil ist.

Wer besucht das Museum?

Zum einen natürlich die Gruppe der fachlich und oft einschlägig Interessierten, deretwegen das Museum letztlich überhaupt nach Lißberg kam: Die Freunde der Alten Musik, sowie Drehleier- und Dudelsackmusik, die sich jahrzehntelang alljährlich über Christi Himmelfahrt auf der Lißberger Burg trafen und die den Namen Lißbergs schon vorher im Grunde international bekannt gemacht hatten, als „Stadt der Alten Musik“. Ist es doch tatsächlich die zweitkleinste Stadt Hessens, inzwischen eingemeindet zu Ortenberg. Diese Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt machten das Festival und – letztlich daraus hervorgegangen – auch das Museum in diesen Kreisen bekannt. Viele musikalische Freunde Kurt Reichmanns sind selber Instrumentensammlerinnen und -sammler und im Museum mit Leihgaben vertreten.

Es gibt immer wieder Durchreisende oder zielstrebige Besucherinnen und Besucher, die spontan oder lange geplant das Museum aufsuchen, weil es ihnen aus der musikalischen Fachliteratur bekannt ist oder weil es einige Weltbesonderheiten bietet, die sonst niemand hat: So kam das Museum über Kalifornien zu einer seiner besten Internetadressen durch einen Bagpipesammler, der die Lißberger Dudelsacksammlung mit in seine Internetseiten aufnahm. Oder: Die Brüsseler Musikinstrumentensammlung, die als größte Europas auch als einzige neben Lißberg noch ein „Nürmbergisch Geigenwerk“ besitzt, das aber unspielbar ist, brauchte eine Aufnahme des Lißberger einzig spielbaren Exponates, die 1999 in Lißberg erstellt wurde.

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Eine weitere Schwerpunktzielgruppe ergab sich dadurch, dass der Vorsitzende des Fördervereins zugleich 30 Jahre lang der Ortspfarrer war: Es sind Chöre, Posaunenchöre oder andere Instrumentalgruppen, die im Rahmen ihres Choraus uges – etwa sonntags – im Lißberger Gottesdienst singen oder musizieren, anschließend das Museum besichtigen, zu Mittag essen und danach noch einen schönen Nachmittag in Büdingen, Glauberg oder auf dem Hoherodskopf verbringen. Sie stellen mengenmäßig die größte Besuchergruppe, die meist mit Bus oder Bussen anreist und dann auch in mehreren Gruppen durchs Museum geführt wird, während die jeweils anderen Teilgruppen derweil die Burg oder die Kirche besichtigen, die eine der ältesten evangelischen Kirche Hessens und baugeschichtlich interessant ist, weil sie zum Vorbild späterer Dorfkirchen wurde.

Eine dritte Schwerpunktzielgruppe ergibt sich aus dem pädagogischen Konzept des Museums fast von selber: Schulklassen, wie überhaupt Kinder und Jugendliche. Für sie ist der Eintrittspreis besonders attraktiv und es gibt spezielle Angebote, die unten noch näher beschrieben werden.

Im übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch gerade die Besucherinnen und Besucher, deren erstes Hobby nicht unbedingt die Musik ist, wie Wandergruppen oder Kegelclubs, besonders fasziniert sind, weil sie in Lißberg viel Interessantes und Neues über zum Teil seltene oder sonst völlig unbekannte Instrumente nicht nur erfahren, sondern auch hören, selber ausprobieren können und dabei ihren Spaß haben.

Die beim Betreten des Museums fast erschlagende Instrumentendichte mag auf den ersten Blick nicht sehr pädagogisch anmuten, wohl aber erklärt sich dieses Nebeneinander auf engstem Raum schon aus dem Grundthema der Sammlung, das

beim Betreten des Ausstellungsraumes auf ein Fanfarenfähnchen geschrieben ins Auge fällt:

„Die Entwicklung der Musikinstrumente von Michael Praetorius bis heute“

Praetorius erfasste in seinem „Syntagma Musicum“ 1619 die Musikinstrumente seiner Zeit in Texten und Abbildungen für damalige Verhältnisse akribisch genau und gab ihnen eine Ordnung. Die stark vergrößerten Abbildungen aus diesem verdienstvollen Werk zieren die Rückwände der Vitrinen. Von ihnen ausgehend kann man in Lißberg sehen, wie sich seit dieser Zeit, also etwa in den letzten 400 Jahren,

der Musikinstrumentenbau weiterentwickelt hat. Die von Praetorius vorgegebenen Klassi zierungsmerkmale werden übernommen und die später aus ihnen hervorgegangenen Instrumente entsprechend eingeordnet. Ist dieses Grundkonzept bereits von Praetorius her pädagogisch ausgerichtet, so wird es in Lißberg aufgegriffen und ausgeweitet dadurch, dass es bewusst möglich sein soll, die Instrumente in den einzelnen Vitrinen nebeneinander und auf engstem Raum miteinander zu vergleichen. So kann man beispielsweise direkt sehen, wie sich aus der Schalmei die Oboe entwickelt hat oder wie die Klappensysteme der Queröten in ihrer Baugeschichte immer komplexer werden.

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Diese Ausprobierinstrumente liegen auf einem nach einem Renaissancegemälde von Kurt Reichmann nachgebauten Musiziertisch und machen den Erwachsenen natürlich gleichermaßen Spaß. Musikinstrumente will man ja nicht nur sehen, sondern auch hören, sonst bleibt ein Teil der Sinne ähnlich unbefriedigt, wie bei einem erzählten Mittagessen. Bei der Auswahl der Probierinstrumente wurde darauf geachtet, dass sie so selten sind, dass man neue, vielleicht noch nicht gehörte Klänge vernimmt. Unter pädagogischem Aspekt ist es noch kein großer Gewinn, allgemein bekannte Klänge vorzuführen, denn wie eine Geige oder Trompete klingt, hat jedes Kind schon gehört. Stattdessen kann man in Lißberg, um bei diesen Beispielen zu bleiben, statt der Geige eine Nagelgeige, statt der Trompete eine Engelstrompete oder auch Schofare ausprobieren.

Daneben reicht das Testangebot vom nubischen Änun bis zur Nasenpfeife. Damit selbst Kleinkinder oder musikalisch gänzlich unbegabte Erwachsene schon ein Erfolgserlebnis haben, gibt es Ratschen und Klappern, denen Jeder ohne Vorübung Krawall entlocken kann.

Interessante Parallellösungen werden aufgezeigt, wie die unterschiedlichen Nachahmungsversuche für Blechblasinstrumente durch Zinken und Serpent oder gar mit Hilfe eines Streichinstrumentes wie Trumscheit, auch Marientrompete oder Engelstrompete genannt.

Zungenstimmen haben eine Entwicklung vom Regal bis hin zu den Volksinstrumenten Zieh- und Mundharmonika oder Harmonium durchgemacht, wobei die chinesische Mundharmonika etwas ganz anderes ist, als unsere bekannte „Hohner“. Flöte kann man auch auf Gemshörnern spielen, usw....

Linke Seite, oben: Grünes Clavikanon, darauf das Vorgängermodell

Linke Seite, unten: Drehleierwerkstatt Maingonat-Vitrine

Rechte Seite: Uli Ritter am Trumscheit

Fotos: © Musikinstrumentenmuseum Lißberg

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Für Kinder (und Medien!) erfahrungsgemäß besonders interessant sind auch die Instrumente aus der „Gruselkammer“ des Museums, wie Schlangenhaut- oder Menschenknochen öte; ebenso die umfangreiche Musikminiaturensammlung, für die es bei Bedarf eine eigene Führung gibt.

Für alle interessant sind natürlich die zahlreichen Weltbesonderheiten, vielfach Nachbauten nachweislich ausgestorbener Instrumente durch Kurt Reichmann: Allem voran die weltgrößte Drehleier- und Dudelsacksammlung, Drehleiervarianten wie Orgelleier, Akkordeonleier, eine welteinmalige „Sinfonia“ (ein Vorläuferinstrument der Drehleier aus dem 13. Jahrhundert), oder das „Nürmbergisch Geigenwerck“, zwei Streichklaviere, eins davon nach Leonardo da Vinci erstmalig von Kurt Reichmann gebaut.

Ein Highlight ist der Nachbau eines Saz Dulap, eines ausgestorbenen Drehzupfinstrumentes aus der mongolischen Wüste aus dem 8.(!) Jahrhundert. Sehr speziell für Freunde historischer Stimmungen ist das „Clavikanon“ des Er nders Werner von Strauch, mit dem man historische Stimmungen mit Hilfe eingelegter Schablonen nicht nur hörbar, sondern anhand der Verschieberegler auch sichtbar machen kann. Auch das Vorgängerinstrument mit noch einigen Unzulänglichkeiten kann im Museum studiert werden. Ein welteinmaliges Beispiel der Entwicklung eines besonderen Instrumentes!

So ist es letzten Endes von der pädagogischen Grundkonzeption nicht vordringlich, wertvolle Originale zu präsentieren. Dem angestrebten Lernziel kann ein Nach-

bau auch genügen, zumindest wenn es sich um gängige Musikinstrumente handelt, die man auch woanders in schönen Originalen besichtigen kann. Bei seltenen oder gar einmaligen Instrumenten, die man sonst nirgends sehen oder gar hören kann, ist das etwas anders: Da möchte man den einmaligen Klang natürlich möglichst auf Originalinstrumenten vorführen können. So wird sich das Lißberger Musikinstrumentenmuseum auch in Zukunft darauf konzentrieren, nach diesen Vorgaben seine Sammlungsthemen zu komplettieren, nicht aber unnötig Platz zu verbrauchen für allgemein bekannte Instrumente. Als Beispiel hierfür mag die „Geigenbauvitrine“ stehen: Es erschien nicht sinnvoll, neben den ausgestellten Geigen eine weitere Vitrine mit Geigen zu bestücken, wenn doch allgemein bekannt ist, wie eine Geige aussieht und funktioniert. Statt dessen wird der Platz genutzt, anhand von Geigenbauwerkzeugen und entsprechenden Plänen eine Geigenbauwerkstatt anzudeuten, die den Interessierten mehr Informationen zur Geige vermittelt, als ein paar Exponate mehr. Oder aber es werden Sonderformen von Streichinstrumenten wie Viola d‘Amore oder Trumscheit gezeigt und vorgeführt und – allen voran in Lißberg – natürlich die Drehleiern präsentiert. Pädagogisch wichtig ist dabei, gerade bei einem solchen, weniger bekannten Instrument auf zahlreiche Originalinstrumente aus ganz Europa verweisen zu können, und auf die interessante Tatsache, dass dieses Instrument, bedingt durch die Naturmode des 18. Jahrhunderts, durch alle Schichten hindurch gespielt wurde. Dazu zeigt im Museum das rote Walker-Cembalo, mit der diese Mode darstellenden Bemalung

mit Schäferidyll und Chinamotiven („hinaus in die Natur, hinaus in die Ferne“), wie es kam, dass das ehemalige Bettler- und Spielleuteinstrument im 18. Jahrhundert auf einmal bei Hofe gespielt wurde. Solche Verbindungslinien zu ziehen ist auch ein Anliegen des pädagogischen Konzeptes des Museums. Instrumente erklären sich so manchmal gegenseitig.

Bei über zweitausend Instrumenten im Museum kann bei einer Führung nicht auf alles hingewiesen werden. Zur Pädagogik gehört auch die Erkenntnis, dass die Besucherinnen und Besucher nicht unbegrenzt aufnahmefähig sind. Eine normale Grundführung muss sich daher darauf beschränken, einen Gesamtüberblick zu geben, dann vor allem die Instrumente vorzustellen, die man sonst nirgends sehen oder hören kann und ansonsten vielleicht spezielle Interessen der jeweiligen Gruppe zu berücksichtigen. Gelegentlich gibt es auch Einzelne, die sich nur für eine bestimmte Vitrine interessieren und sonst nicht links, nicht rechts gucken wollen. Auch das ist möglich. Es soll aber niemand das Museum verlassen, der nicht einige interessante, wissenswerte oder auch amüsante Erkenntnisse dazugewonnen hätte.

Musikinstrumentenmuseum Lißberg Schloßgasse

63683 Ortenberg Tel. 06046 - 958 4 968 kontakt@museum-lissberg.de www.museum-lissberg.de

AUDIOGUIDE

MUSIKINSTRUMENTENMUSEUM LISSBERG

www.museum.de/m/3349

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Foto: Kurt Racky am Saz Dulap © Musikinstrumentenmuseum Lißberg

Individuell bedruckbarer Vinylboden

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Textilgeschichte begegnet Kunst

Autoren: Rita Augstein, Eckhard Marquardt

Im Süden Deutschlands, ganz in der Nähe der Schweiz, liegt ein wunderschönes Museum, in dem sich Textilgeschichte und Kunst begegnen.

Schon die Gebäude selbst sind ein Stück regionaler Industriegeschichte. Bereits im

13. Jahrhundert wurde hier Eisenerz geschmolzen und verarbeitet – seit dem 18. Jahrhundert geschah dies fabrikmäßig. Damals entstanden auch das Herrenhaus und das Wohnhaus für die Arbeiter, das Laborantenhaus. Beide beherbergen heute das Textilmuseum.

Im 19. Jahrhundert gingen die kleinen Eisenwerke zugrunde – an ihre Stelle trat die aufstrebende Textilindustrie. Sie übernahm dabei die Produktionsstätten, die Wasserrechte und vor allem das Personal. Die Geschichte der BRENNET begann auf dem Hotzenwald in Görwihl mit Hand-

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webstühlen, auf denen die Bauern in ihren Stuben sog. Zeuglestoffe webten, die dann von einem der Firmengründer, Anton Denk, ins Schwäbische verkauft wurden.

Mit der Mechanisierung entstanden wesentlich leistungsfähigere Maschinen – die

Linke Seite: Eine Idylle auf altem Industriegelände: Der rauschende Brunnen, Schatten spendende Bäume und drei Musikanten auf Granitblöcken heißen die Besucher des Textilmuseums willkommen.

Gründerväter kauften daher in Brennet im Rheintal eine Weberei auf und hatten damit auch besseren Anschluss per Eisenbahn an die Märkte.

Im Laufe der Jahrzehnte entstand ein vollstu ger Textilkonzern mit Spinnerei,

Rechte Seite: Musterwebstuhl: Auf ihm wurden in BRENNET nach den Stuttgarter Anweisungen Carl Denks neue Muster erprobt.

Fotos: © 2021 Brennet GmbH, Wehr

Weberei und Veredelung, mit Kunden auf der ganzen Welt und acht Werken (Brennet, Hausen I, Hausen II, Berlin, Wehr, Bad Säckingen, Lampertsmühle, Dreiländereck).

Das Museum wurde 2002 im Laborantenhaus eröffnet: Vier Generationen der

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Linke Seite, links: Kartenschlagmaschine zum Anfertigen von Lochkarten für Webmaschinen, 1950er Jahre

Linke Seite, oben rechts: Ein originaler Handwebstuhl vom Hotzenwald: Auf solchen Webstühlen entstanden die „Zeuglestoffe“, die Anton Denk von Görwihl aus ins Schwäbische verkaufte.

Linke Seite, Mitte rechts: Verbunden mit dem Hochrhein und der Trompeterstadt Bad Säckingen: Zahlreiche Gemälde des bekannten Bernauer Malers Hans Thoma

Linke Seite unten: Musterbuch aus dem 19. Jahrhundert

Rechte Seite: Spiel mit verschiedenen Ebenen: Das verbindende Moment sind die farbigen Medaillons des Basler Designers Donald Brun.

Fotos: © 2021 Brennet GmbH, Wehr

Unternehmerfamilie Denk haben etwa 130 Jahre lang die Geschicke der Firma entscheidend geprägt. In jedem Stockwerk ist eine Generation untergebracht.

Das Gebäude wurde beim Umbau teilweise entkernt und mit einem kühnen Treppenaufgang versehen.

Das Herrenhaus wurde 2015 umgestaltet, hier liegt der Schwerpunkt bei sakraler und bildender Kunst.

Über dem schön restaurierten Treppenhaus erreicht man die wertvolle Musterbuchsammlung, in Umfang und Qualität wohl einzigartig.

Sehr bemerkenswert ist auch die stetig wachsende Kunstsammlung, die neben bedeutenden regionalen Malern auch regelrechte Museumsschätze umfasst:

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So auch die Originalgraphik von Käthe Kollwitz „Aufstand der Weber“ und die Kopie des Gemäldes „Judengasse in Amsterdam“ von Max Liebermann aus dem Jahre 1909. Das Original wird an einem sicheren Ort aufbewahrt. Auch Hans Thoma aus Bernau ist zahlreich vertreten.

Dr. Valenta, einst Kulturamtsleiter der Stadt Wehr, schreibt: „Wer die Treppe zum ehemaligen Dachboden hinaufgeht, hat den Eindruck, als würde er sich dem Himmel nähern. Das Licht wird intensiver und lässt das alte Gebälk im Kontrast malerisch hervortreten.“ Hier sind zahlreiche sakrale Exponate aus dem Fundus der Familien Denk untergebracht.

Zum Schluss noch ein Wort zum Mäzenatentum der BRENNET und der Familien Denk: Im Dachgeschoss sind zahlreiche Modelle ausgestellt, die großzügige Spenden dokumentieren. Beispiele sind die St. Josefskapelle im Enkendorf, die Rotzeler St. Borromäuskapelle und die Mariengrotte mit Kreuzweg am Humbel, einem Ausläufer des Dinkelbergs. Außerdem unterstützt die BRENNET großzügig das Haus der Diakonie in Wehr-Ö ingen, z. B. bei Bene zkonzerten der weltberühmten Geigerin Anne-Sophie Mutter in Wehr.

Brennet Textilmuseum

Im Hammer 2

79664 Wehr/Baden

Tel.: 07761 - 55 21 00 museum@brennet.de www.textilmuseum-der-brennet.de

AUDIOGUIDE BRENNET TEXTILMUSEUM

www.museum.de/m/5602

Oben: Max Liebermann: Judengasse in Amsterdam, 1909 (Kopie, das Original wird an einem sicheren Ort aufbewahrt.)

Mitte: Das Dachgeschoss im Herrenhaus beherbergt viele sakrale Exponate aus dem Fundus der Familien Denk. Glockenturm mit Originalglocke des Kindergar-

tens in Bad Säckingen.

Unten: Ein Porträt von Anne-Sophie Mutter, der weltberühmten Geigerin. BRENNET unterstützte mit namhaften Spenden ihre Bene zkonzerte für das Haus der Diakonie in Wehr-Ö ingen.

Fotos: © 2021 Brennet GmbH, Wehr

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Kern Studer AG | Weberrütistrasse 9 | CH – 8833 Samstagern Telefon +41(0)44 783 22 22 | www.art-store.com | info@art-store.com Kern Studer GmbH | Gewerbering Süd 12 | D – 97359 Schwarzach am Main Telefon +49(0)9324 97860-0 | www.art-store.de | info@art-store.de GEMÄLDE-DEPOTANLAGEN SCHAUDEPOTS STATISCHE GEMÄLDELAGERUNG TRANSPORT- UND ARBEITSHILFEN ARBEITSTISCHE LAGERTRENNWÄNDE Foto © Norbert Tukaj MUSEEN, GALERIEN, K UNS T DEPO T S Für jedes Gemäldedepot die massgeschneiderte Lösung. Wir sind an der Exponatec in Köln Halle 2.2, Stand D-041

Jüdisches Museum Berlin

Mit neuen Schwerpunkten und neuer Szenografie präsentiert sich die Dauerausstellung

Jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland

Autorin: Marike van der Ben

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Kinoraum im Jüdischen Museum Berlin © Daniele Ansidei
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Ausstellungsmöbel im Jüdischen Museum Berlin © Daniele Ansidei

Seit August 2020 hat das Jüdische Museum in Berlin (JMB) eine neue Dauerausstellung. NÜSSLI hat aktiv bei der baulichen Umsetzung dieser facettenreichen und interaktiven Ausstellung mitgewirkt und war für verschiedene Vitrinen und Ausstellungsmöbel sowie das Kino und den «Debattenraum Antisemitismus» zuständig.

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Auf mehr als 3.500 Quadratmetern zeigt die neue Dauerausstellung jüdische Geschichte und Gegenwart in Deutschland. Die Ausstellung gliedert sich in fünf Epochen und acht thematische Räume. Präsentiert werden Original-Objekte, audiovisuelle Medien, Virtual Reality, Kunst-Installationen sowie zeitgemässe Handson-Stationen.

Für einen Teil der mehr als 1.000 gezeigten Objekte plante und produzierte das Team von NÜSSLI unterschiedlichste Vitrinen und Ausstellungsmöbel im ersten Obergeschoss des JMB. So galt es, von klassischen Wand- und Ganz-Glasvitrinen über Hochvitrinen mit Stoffverkleidungen bis hin zu doppelkonischen Vitrinen in einem kurvigen Vitrinenband in höchster Qualität umzusetzen.

Auch die speziell entworfenen Ausstellungs- und Sitzmöbel waren anspruchsvoll und so zu konzipieren, dass die Anschlüsse für Licht, Elektrik sowie die Medientechnik unsichtbar integriert waren. Dies erforderte eine enge Abstimmung mit den quali zierten Subunternehmern, die

das Team von NÜSSLI bei der Umsetzung unterstützten.

Das Kino im zweiten Obergeschoss und der «Debattenraum Antisemitismus» waren zwei Sonderkonstruktionen, die NÜSSLI für das JMB umsetzte.

Linke Seite: Doppelkonische Vitrinen in einem kurvigen Vitrinenband im Jüdischen Museum Berlin Rechte Seite, oben: Acht thematische Räume laden Besucher ein, sich in jüdische Kultur und Tradition zu vertiefen

Linke Seite, unten: Blick in den Epochenraum «Katastrophe»

Fotos: © Daniele Ansidei

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In dem vollständig aus warmem Holz gestalteten «Debattenraum Antisemitismus» entstand eine Sitzgruppe gegenüber den zwei nebeneinander eingebauten Bildschirmen. Zwischen den Plätzen sind die Tasten für das Bildschirmspiel elegant in den Sitzstufen eingebaut. Von aussen erhielt der Raum eine konträre Gestaltung aus lochgestanzten Metallplatten.

Besonders eindrücklich ist der Epochenraum «Katastrophe», der sich mit der Zeit des Holocaust beschäftigt. Der Raum ist bestimmt von unterschiedlich tief von der Decke hängenden Wänden, die mit speziell bearbeitetem Aluminium verkleidet wurden. In den Wänden sind Vitrinen und Präsentations ächen eingearbeitet.

Linke Seite: «Debattenraum Antisemitismus»

im Jüdischen Museum Berlin

Rechte Seite, oben: Epochenraum «Katastrophe»

im Jüdischen Museum Berlin

Fotos: © Daniele Ansidei

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Die Ausstellung wurde von einem Team mit 20 Kuratoren und Kuratorinnen des JMB konzipiert und von der Arbeitsgemeinschaft chezweitz GmbH/Hella Rolfes Architekten BDA gestaltet.

NÜSSLI Gruppe

Hauptstrasse 36

CH-8536 Hüttwilen

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Tel. +41 (0)52 748 22 11

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Stölln – der Ort der Fluggeschichte

Autorin: Johanna Schulze

Sagenhaftes Erleben

Wem eigentlich ist es zu verdanken, dass man heute, „einem Luftsprung gleich“, wie die Vögel von Kontinent zu Kontinent iegen kann?

Der IKARUS einst hatte es der Sage nach versucht und in den Fluren Stöllns war es die heidnische Gebietspatronin „Frau Harke“, die ihr Schutzgebiet – das Westhavelland bis zum Elb-Havel-Winkel – im seidenen „Flugtuch“ übersegelte, dessen Zipfel je einer in ihrem Dienste stehenden Zugschwäne im Schnabel verspannt unter kräftigen Flügelschwingen durch die Lüfte trug. Das war nicht so einfach, es gab selbstverschuldete Hindernisse. Voller Zorn dem Bau der christlichen Dome in ihrem Gebiet ein Ende gebieten wollend, schaufelte sie Sand in ihre Schürze, stolperte, bevor sie hätte die Dome vergraben können, und die Ladung rieselte durch die gerissene Schürze und türmte Sandberge auf. Der aus Frau Harkes Sandgrube entstandene Gülper See“ ganz in der Nähe, eine Frau Harke Wegmarke „Der Schwanenzug“ in der Ortsmitte Stöllns sowie der große Granitstein am Hang des Gollenbergs als ihre Flugtuch-Haltestelle „Frau Harke-Stein“ bezeugen, wie tief diese Legenden in die Ortsgeschichte verwurzelt sind. Romantiker sind eingeladen zur beschaulichen Rast an diesen markanten Punkten.

Schon im 12. Jh. siedelten Einwanderer aus Flandern und dem Elsaß zu Füßen dieser Sandverschüttungen. Eine gesprühte „Graf ti-Dorfchronik“ an einer Scheunengiebelwand in der Ortsmitte Stöllns führt

Besuchern vor Augen, welchem Geschichtspotential sie an diesem Ort gegenüberstehen. Lassen Sie sich einladen, den Ursprung für die heutige Luftfahrt in der überaus interessanten, weltbewegenden Geschichte einer kleinen Gemeinde mit ihrem Berg im wald- und wasserreichen Ländchen Rhinow zu ergründen.

Der Gollenberg - der Berg, der der Welt das Fliegen lehrte

Mit seinen 109,4 m über dem Meeresspiegel ragt nun Frau Harkes Missgeschick als höchste Erhebung im Hügelhöhenzug der Rhinower Berge und des Havellandes

selbst heraus. Die längste Zeit seit der Besiedelung zu seinen Füßen war der Berg unbewaldet. Heute schweift der Blick bis zu den Domspitzen Havelbergs, über das weite einstige Meliorationsgebiet des Rhinluchs und Dossebruchs und sogar bis zu den Spitzen des Brandenburger Doms – ein Wandern auf dem Pfad „Blick ins Land“ macht darauf aufmerksam.

Frau Harke schuf die Voraussetzung für die Flugentwicklung, selbst hat sie aber keinen Anteil an den Forschungen. In ihrem Flugtuch ließ sie sich „Fliegen“ und geht wohl damit als der erste Passagier in die Fluggeschichte auf dem Gollenberg ein.

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IKARUS und Otto Lilienthals Forscherdrang

Als Otto Lilienthal einst durch das Ländchen Rhinow auf der Suche nach Störchen für seine Flugforschungen kam, faszinierten den Forscher die Rhinower Berge. In den Jahren seiner Versuche mit selbstgebauten Flugapparaten erinnerte er sich deren Vorzüge und bezog den Gollenberg in seine Experimente ein. Hier konnte Lilienthal vom Gipfel aus nach allen Seiten gegen den Wind starten und in den Jahren 1893 bis 1896 seine größten Erfolge erzielen. Flüge von 250 Meter Weite waren keine Seltenheit. Hier gelang ihm auch die erste Flugkehre, dem bedeutenden Schritt im Übergang vom Gleit ug zum Segelflug. Aber, dem Schicksal IKARUS ähnelnd, wurde auch Lilienthal ein Opfer seines Forscherdrangs – er stürzte am 9. August 1896 ab und verstarb am nächsten Tag.

Der erste Flugplatz der Welt

Doch Lilienthals weltweit bestaunte Flugerfolge am Gollenberg machten den Berg und sein Gelände zum Ersten Flugplatz der Welt, der auch heute noch mit der Kennung „EDOR“ international anerkannt ist.

An der Absturzstelle erinnert ein Gedenkstein an Lilienthals Leistungen in der Flugentwicklung. Seine damalige Absprungstelle auf dem Berggipfel markiert die Stele „Die Windharfe“, ein Werk des Künstlers Ernst Baumeister. Gleich daneben erfährt man auf Infotafeln die vielfältige Nutzung des Gollenberges: Für einen Rundblick über das Rhinluch und Dossebruch nach vollendeter Melioration und der dadurch möglich gewordenen Besiedelung, dessen sichtbares Ergebnis der „Alte Fritz“ im Juli 1779 aus dieser Perspektive mit großer Zufriedenheit bestaunte, als Übungsberg der in Rathenow stationierten Zietenhusaren, als Flugberg Lilienthals und weiterer Flugpioniere usw. Ein weiterer Gedenkstein von der einst zur Überwachung des Luftraumes BerlinHamburg in den Jahren 1963 bis 1994 hier stationierten sowjetischen Armee würdigt Lilienthals Leistungen. Er wurde dem abhandengekommenen Original nachgestaltet und 2008 an seinen angestammten Platz auf dem Berg wieder aufgestellt.

Der Gestalt des IKARUS wurde in Stölln 1986 innerhalb einer Aktion der „Akademie der Künste der DDR“ in einem großen Mosaik nach dem Entwurf von Erhard Grüttner zu Füßen des Lilienthalgedenksteins gedacht und Bezug auf die sich gleichenden Fliegeträume und Schicksale der Forscherakteure genommen. Das Mosaik ist in den örtlichen Aktionspfad „Kunst im Dorf“ eingebunden.

Linke Seite, oben: Lilienthals Flug mit Doppelgleiter Rechte Seite, links oben: Portrait Otto Lilienthals Rechte Seite, rechts oben: Blick zum Gollenberg um 1913 Fotos: © Archiv Otto-Lilienthal-Verein Stölln e.V.

Linke Seite, unten: gesprühte Dorfchronik Rechte Seite, rechts Mitte: Windharfe Rechte Seite, unten: Mosaik „Ikarus“ Fotos: © J. Schulze

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Das Fliegen entwickelt sich

Nach Lilienthals Absturz nutzte ein weiterer Pionier der Flugentwicklung die guten Voraussetzungen des Gollenbergs.

Ab 1910 erprobte hier der Berliner Dr. med. Waldemar Geest seine S-Flügel bis zur Funktionalität in seinem Flugmodell „Weih“. Seine weiteren Aktivitäten ließen ihn in der Entwicklung von motorbetriebenen Flugmodellen, insbesondere mit seinen „Möwen“, die er in Rathenow fertigen ließ, erfolgreich werden.

Die „Weih“ verkaufte Dr. Geest an den Berliner Hans Richter, der damit und mit eigenen Gleitern ab 1910 den Gollenberg in seine bahnbrechende Entwicklung des Segel iegens einbezog.

Ab 1923 wurde der Berg seinem bedeutenden Ruf gerecht – Flugsportvereine, insbesondere aus Berlin, nutzten das einstige Übungsgelände Lilienthals – am Gollenberg begann die über 100-jährige Segel uggeschichte Stöllns. Sie wird heute vom aktiven Flugsportverein Otto Lilienthal fortgeschrieben.

Landeplatz für die „Lady Agnes“

Eine weltweite Einmaligkeit kam als Attraktion auf dem westlichen Gollenberg-Ausläufer in einem waghalsigen Flugmanöver im Jahr 1989 zum Stehen –die Lady Agnes, eine IL 62 aus dem einsti-

gen Bestand der INTERFLUG genießt nun hier, nach geglücktem Landemanöver des Piloten Heinz-Dieter Kallbach und seiner INTERFLUG-Crew, als Museum, Kulturund Veranstaltungsort sowie Standesamt ihren vielbestaunten, aber wohlverdienten Lebensabend.

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Zur BUGA 2015 – Am blauen Band der Havel – wurde der „Fliegerpark Stölln“ als 4. Standort zu einem der meistbesuchten unter den 5 Kulissen. Aufwertungen des einstigen Gutsparks in den Bürgerpark sind heute Bestandteil des hochinteressanten „Flug- und Kunstpfades“, der die vielfälti-

gen Kulissen im Dorfkern mit den Bergkulissen verbindet. Das Gelände der „Lady Agnes“ konnte durch den „AIRPORT“ als Empfang, Kaffee und der sehr interessanten INTERFLUG-Ausstellung von Personal- und Inventaraustattungen dieser legendären Fluggesellschaft bereichert werden.

Linke Seite, oben: Segel iegen 1925 mit Richter Linke Seite, unten: Segel ieger „Havelland“

Rechte Seite, unten: Landestaub bei der Landung

Fotos: © Archiv Otto-Lilienthal-Verein Stölln e.V.

Rechte Seite, oben: „Lady Agnes“ mit AIRPORT

Foto: © J. Schulze

Unterwegs auf dem Flugpfad

Hinunter in den Ort führt uns der verbindende Flugpfad. Unterweg wollen wir eine Sicht auf die Veränderungen wagen, die sich mit den jeweiligen Aktiven auf dem Berg auch auf das Leben im Dorf auswirkten. Denn als mit Lilienthal Großstadtgetriebe in das kleine Örtchen kam, der Gollenberg in die Weltgeschichte einging und die Segel ieger den Ort umschwirrten, als die Landung der „Lady Agnes“ für Aufsehen sorgte und zum Besuchermagnet wurde – die Stöllner mussten sich deren Besonderheiten unterordnen und ein Baustein derer jeweiligen Geschichte werden. Sie haben stets das Beste daraus gemacht, boten Fuhr- und Transportdienste, handwerkliches Können,

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angemessene Bewirtung und Unterkunft sowie ärztliche Versorgung. Immer wieder sind sie Neuem mit Toleranz und Besonnenheit begegnet.

Der Pfad führt entlang kleiner Siedlerbebauung, erläutert Sitz und Geschichte des Segelsportvereins, leitet am Sportplatz mit dem Richterturm vorbei, gibt an den pfadbegleitenden Infotafeln eine Menge über die Akteure sowie der Flugentwicklung auf dem Gollenberg Auskunft, lässt selbstgebaute Flugmodelle bestaunen und richtet den Blick schweifend über die nach der Kolonisierung und Melioration des Dossebruchs ertragreich gewordenen Feld uren, so auch die des einstigen Ritter- und Gutsbesitzes der Fam. von der Hagen, die bis 1945 wohlwollend die Landwirtschaft und Viehzucht in der Region wie auch in Stölln zur beispielgebenden Wirtschaftlichkeit entwickelte. Aufbauend auf diesen Erfahrungen konnte die heutige örtliche Agrarwirtschaft ihren Bewohnern in zeitgemäßen Bewirtschaftungsformen immer wieder eine gute sichere Lebensgrundlage bewahren. Der Gang durch den folgenden naturnahen, mit Kunstelementen aufgewerteten einstigen Gutspark, verdeutlicht aber auch die Aufteilung des Besitzes zur Bodenreform.

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Erhalten blieb dem Ort die Kartoffelbrennerei, die gegenüber der Ev. Kirche 1843 von Otto Bernhard von der Hagen erbaut wurde und in der Folge sich zu einem hochwirtschaftlichen Unternehmen in Stölln etablierte. Heute befindet sich in der „Alten Brennerei“ das LilienthalCentrum Stölln – wir sind am Ziel unserer Wanderung entlang des Flugpfades.

Lilienthal erleben und begreifen –Geballtes Wissen und Inspiration

Nach der Wende ver el das ungenutzte Gebäude der einstigen Brennerei zur Ruine. Nach Antrag zum Ausbau konnte 2011 hier das Lilienthal-Centrum Stölln eingeweiht werden, wo der Besucher Lilienthal als sich entwickelnden Menschen, als Forscher, Tüftler, Familienvater, Schauspieler, Arbeitgeber kennenlernt, die Zusammenarbeit mit dem Bruder überblickt, die Flugentwicklung verfolgen und spielerisch begreifen kann – geballtes Wissen über und durch die Fluggeschichte – einmalig –und im Ort der Fluggeschichte Stölln.

In Verantwortung des Erbes –Der Otto-Lilienthal-Verein Stölln e.V.

Ein Ort mit Weltruf ist in der P icht, die Geschichte an die folgenden Generationen weiterzugeben. Der unter diesem Aspekt 1990 gegründete Verein setzt seitdem mit überaus großem Engagement seine Zielsetzungen im Bewahren des Erbes Otto Lilienthals sowie das Bekanntmachen der Fluggeschichte Stöllns unermüdlich um. Der Verein ist Träger des Lilienthal-Centrums Stölln, der IL-62 mit Gelände und Airport, des Flugpfades, aller weiteren Pfade sowie sämtlicher Gedenkorte und er zeichnet verantwortlich für deren Werterhaltung und Erweiterung sowie dem steten Erhalt als touristische Attraktion.

Otto-Lilienthal-Verein Stölln e.V.

Otto-Lilienthal-Str. 50

14728 Gollenberg / OT Stölln

Tel. 033875 - 90690

info@otto-lilienthal.de

www.otto-lilienthal.de

AUDIOGUIDE

OTTO-LILIENTHAL-VEREIN STÖLLN E.V.

Linke Seite, oben: Das Lilienthal-Centrum Linke Seite, unten: INTERFLUG Ausstellung

Fotos: © J. Schulze

www.museum.de/m/44893

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Fossilien treffen auf Audio-Guide

Die Wiedereröffnung nach Corona

Autor: Marek Walde

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Viele große Museen haben ihn schon lange, nun dringt er auch in kleinere Museen vor: Der Audio-Guide. Und gerade in kleineren Museen gibt es unfassbar viel Spannendes zu entdecken. Dieser Artikel nimmt die Lesenden mit ins Heimatmuseum in Lette. Lette ist ein Ort mit gut 6000 Einwohnenden im Münsterland mit einer über 1000jährigen Geschichte. Der Audio-Guide verwebt geschickt historisches mit lokalem.

Oben: Handy am Tisch – ausnahmsweise erlaubt!

V. l. Martha Elsbecker, Birgit Redweik, Heinz-Herbert Gausepohl, Gerold Wilken, Gertrud Quiel haben den neuen Audioguide

Foto: © Marek Walde

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„Schön, dass Sie bei uns reinhören. Willkommen in unserem Audioguide.“ Eine wohlklingende Stimme begrüßt die Museumsbesucher. „Lassen Sie sich durch unser Museum führen – und erfahren Sie beispielsweise mehr über den Milchstoßzahn eines Mammuts, über die Trichterbecherkultur, die geheimnisvolle Jansburg oder den Schustermeister Krechting.“ All diese Geschichten sind nicht etwa in einem großen Museum in Münster zu entdecken, sondern im Heimatmuseum im Letteraner Heimathaus. Dies war durch die Corona-Pandemie über ein Jahr geschlossen und ist erst seit Herbst 2021 wieder geöffnet. Die Ehrenamtlichen des Heimatvereins betreuen die Ausstellung und sind in der Zeit der Schließung nicht untätig gewesen. „Wir haben in der Zeit im Team einen Audio-Guide für unsere Ausstellung konzipiert“, berichtet Gerold Wilken, Vorsitzender des Heimat- und Verkehrsvereins, stolz.

20 Stationen sind im Museum zu nden. Jede dauert zwischen zwei und drei Minuten. Eine Frauen- und eine Männerstimme erzählen abwechselnd. Auch auf Englisch ist die Museumsführung abrufbar. „Eigentlich fehlt aber noch Plattdeutsch als Sprache“, schmunzelt Wilken. Der Audioguide ist technisch auf dem letzten Stand. Alle Audiodateien sind online mit dem eigenen Smartphone abrufbar. Im ganzen Museum verteilt sind

QR-Codes, die mit dem Handy gescannt werden können, um zu den digitalen Stationen zu kommen. Darüber hinaus sind sogenannte NFC-Chips vorhanden. Die Technik ist dabei ähnlich wie die beim kontaktlosen Bezahlen mit der Bankkarte. Das Smartphone muss einfach an einen solchen NFC-Chip gehalten werden und direkt öffnet sich die digitale Erklärung zum angewählten Ausstellungsstück. Wer technisch nicht auf dem neuesten Stand ist, bekommt von den Ehrenamtlichen im Heimatmuseum eine kleine Hilfestellung und kann mit dem eigenen Smartphone auch über eine Internetseite ganz ohne QR-Code auf die Ausstellung zugreifen. „Ein paar Kopfhörer haben wir zwar bei uns im Heimathaus, allein aus hygienischen Gründen ist es aber besser, wenn jeder seine eigenen mitbringt“, so Wilken. Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, sich die Texte des Audioguides online ohne Ton durchzulesen.

Im Museum gibt es eine spannende Zeitreise. Nicht nur die über 1000jährige Geschichte des Ortes, der einst ein Rittersitz war, wird bereist, es geht noch viel weiter in der Zeit zurück. Zum Beispiel in die Jungsteinzeit, aus der bei historischen Ausgrabungen eine Vielzahl an Exponaten im Erdreich gefunden wurde. Aus diesen lassen sich aufschlussreiche Rückschlüsse auf das Leben in Bäuerlichen Gemeinschaften, Ackerbau und Viehzucht in der

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Rechte Seite, oben: Heinz-Herbert Gausepohl ist fasziniert von der historischen Schusterwerkstatt im Heimatmuseum

Linke Seite, unten: Martha Elsbecker liest auf ihrem Handy die Geschichte hinter den Fossilien

Rechte Seite, unten: Erstmal in die Technik ein nden: Im Eingangsbereich des Museums gibt es eine kleine Einweisung

Fotos: © Marek Walde

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damaligen Zeit ziehen. Die Reise ist damit aber noch nicht zu Ende: Sie führt die Besucher zu großen Fossilien aus der Zeit, als die heutige Fahrradregion noch unter dem Meeresspiegel lag. Nachdem das Meer verschwunden war, wurde das Münsterland aber nicht direkt zur Fahrradregion, zuvor waren hier noch Mammuts beheimatet. Auch von diesen nden sich Spuren im Museum, in Lette wurde nämlich der Milchzahn eines Mammuts gefunden.

Doch wer nun glaubt, dass das Heimatmuseum in Lette ein Naturkundemuseum ist, der hat sich gewaltig geirrt. Geschickt verwebt die Ausstellung historische Details mit der lokalen Geschichte. Zum Beispiel kann in die Welt der Schule des 20. Jahrhunderts eingetaucht werden. Auch eine historische Schusterwerkstatt kann besichtigt werden. Ein ganz besonderes Ausstellungsstück kann wenige Meter weiter entdeckt werden. Ein vollständiger Frisörsalon mit historischer Haube und Holzausstattung, wie er heute kaum noch zu nden ist.

Wen dieser kurze Aus ug in die Ausstellung neugierig gemacht hat, kann in der Realität noch viel mehr entdecken. Und zwar haptisch und eben mit dem Audio-Guide zum Anhören. Gefördert wurde diese Neuanschaffung durch das Programm ‚Neustart Kultur‘ vom Bund. „Ohne diese Unterstützung hätten wir uns das nicht leisten können.“ Nach den Vorgaben eines fünfköp gen Teams des Heimatvereins hat die Firma ‚museum.de‘ die Museumsführung erstellt. Ein 30 Seiten langes Audio-Skript ist so entstanden, welches anschließend professionell vertont wurde. Wilken sieht das Geld sinnvoll für die Zukunft investiert. „Unser Museum wird demnächst umgebaut. Die neue Technik ist ein guter Schritt zur Modernisierung. Beim Umbau werden die Stationen des Audio-Guide neu angeordnet.“

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Linke Seite: Von der historischen Schulbank (oben) bis zum antiken Frisörsalon (unten) kann in Lette alles entdeckt werden. Fotos: © Marek Walde Helgoland – Die wunderschöne Nordseeinsel. Foto: © Ralf Steinbock

Mit Helgoland im Herzen die Welt umarmen

Wie ein kleines Museum auf einer Insel in der Nordsee die Höhen und Tiefen deutscher Geschichte bündelt

Autorin: Stephanie von Neuhoff

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Auf Forschungs- und Entdeckungsreise im Museum Helgoland. Foto: © Ralf Steinbock

Die Wellen. Keine gleicht der anderen. Sie kommen und gehen. Jede einzigartig in ihrer Art. Einzigartig wie die Insel. Einzigartig, wie die Menschen, die hier leben. Einzigartig wie das kleine Museum mit seinen bunten Hummerbuden, das die Schätze der Insel sammelt, bewahrt und nach einer aufwändigen Renovierung jetzt neu präsentiert.

Position 54° 11’ Nord, 7° 53’ Ost: Vor

gut zwei Millionen Jahren war hier, wo sich Helgoland heute aus dem Meer erhebt, nur Wasser. Mächtige geologische Kräfte drückten Salzkissen mit den darüber liegenden roten, grauen und weißen Schichten empor. Die Insel aus Buntsandstein, Muschelkalk und Kreide war geboren. „Irgendwo ins grüne Meer“, schrieb James Krüss, „hat ein Gott mit leichtem Pinsel – lächelnd, wie von ungefähr, einen

Fleck getupft. Die Insel.“ James Krüss, der Geschichtenerzähler und Sprachzauberer, Helgoländer und einer der bekanntesten Kinderbuchautoren. Hier im Museum Helgoland können die Besucher:innen ihm noch einmal begegnen. Ebenso wie vielen anderen Dichtern, Denkern, Forschern, und Persönlichkeiten der Weltgeschichte, die auf der Insel Ruhe suchten, sich inspirieren ließen, die Weite fühlten.

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Helgoland – schon immer ein außergewöhnlicher Sehnsuchtsort. Ein Denkmal zwischen Fügung, Aufbegehren und Visionen für die Zukunft. Eine große Herausforderung bei der Neukonzeption des Museums. „Wir haben gemeinsam mit Ausstellungsexperten ein Gesamtkonzept für unsere Räume hier im Nordostland der

Insel, für die Hummerbuden im Museumshof und für einen noch nicht zugänglichen Bunkerstollen im Unterland erstellt, um unsere Sammlung und damit die Geschichte Helgolands neu zu präsentieren“, erklärt Jörg Andres. Für den Museumsleiter und sein Team eine Mammutaufgabe, denn alle Exponate mussten aus dem Museum

geräumt und eingelagert werden. Die Wände bekamen eine neue Farbgebung. Eine Horizontlinie verbindet die einzelnen Themen und führt durch die Geschichte der Insel. Leuchtkästen mit Fotografien von Franz Schensky, Helgoländer und einer der Pioniere der Schwarz-Weiß-Fotogra e, schaffen optische Ruhepunkte.

Oben: Helgoland – Eine Insel zum Verlieben

Unten links: Die bunten Hummerbuden des Museums in der Abenddämmerung

Unten rechts: Blick in die Ausstellung

Fotos: © Ralf Steinbock

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Reise durch die Zeit

Über den Köpfen der Besucher:innen spannt sich in den neu gestalteten Räumen eine Brücke durch die Zeit und setzt Schlaglichter. Seeräuber, Lotsen, Fischer, wechselnde Herrschaftsverhältnisse. 1714

eroberten die Dänen die Insel, im Jahr 1807 kamen die Briten. Sie erklärten Helgoland zur britischen Kronkolonie. Erst mit dem „Vertrag über Kolonien und Helgoland“ von 1890 wurde Helgoland an Deutschland übergeben. Der Dichter Hoffmann von Fallersleben brachte hier auf

der Insel das Gefühl einer ganzen Nation auf den Punkt und „Das Lied der Deutschen“ zu Papier. Die dritte Strophe ist heute unsere Nationalhymne.

Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel wurde aber nicht nur gedichtet, sondern

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auch geforscht: Vor 130 Jahren gründeten Wissenschaftler die Königliche Biologische Anstalt Helgoland. Forscherpersönlichkeiten von internationalem Rang wirkten auf der Insel. Es waren dann auch die Erben des Naturwissenschaftlers Nathanael Pringsheim, die 25.000 Mark

stifteten, um ein Museum zu gründen. Das Haus wurde am 20. August 1899 eröffnet. Die Königliche Biologische Anstalt war Träger der Einrichtung. 45 Jahre später wird das Museum am 18. Oktober 1944 während eines Großangriffs im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört.

Erst im Jahr 1996 gelingt es der Stiftung Nordseemuseum durch das große Engagement eines Fördervereins wieder ein Museum auf Helgoland zu gründen.

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Leben und arbeiten auf Helgoland Foto: © Ralf Steinbock

Helgoland – Heimat auf hoher See

„Unsere Tradition ist immer auch der Anker für unsere Zukunft. Sie dient gleichzeitig als innerer Kompass, der eine Richtung für neue Wege vorgeben kann. Wir möchten zeigen, wie sich der Mensch im Laufe der Zeiten im Naturraum mit seinen Fähigkeiten bis heute entwickelt hat“, sagt Museumsleiter Jörg Andres. Also eintauchen in die Zeit der Fischer, das Leben und die Arbeit auf der Insel. Die Fischerei sicherte über Jahrhunderte die Einkünfte und den Speiseplan der Insulaner. Ebenso wichtig war das Lotsenwesen. Die Helgoländer kannten ihr Meer besser als jeder andere. Als Seelotsen boten sie vorbeifahrenden Schiffen ihre Dienste an und verdienten damit noch bis ins 15. Jahrhundert ihr Geld. Die Menschen wohnten in kleinen, einstöckigen Häusern aus Stein. Der Wohnraum war eng. Auf den Teller kam Fisch. Nachdem der Heringssegen versiegte, wurde vor allem Kabeljau, Rochen, Scholle, Hai und Schell sch gegessen, aber auch Seetiere wie Wellhorn- und Strandschnecken bereicherten den Speiseplan. Drossel und Schnepfe galten als Delikatesse. Die Frauen tranken Tee, den sie mit Zucker und Safran verfeinerten. Die Männer liebten das sogenannte Hausmacherbier.

Ein einfaches Leben mit und von dem Meer in immer wieder stürmischen Zeiten. Mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail fängt die neue Ausstellung diese Zeit ein. Es riecht sogar noch ein wenig nach Teer in der „Tiinerbud“, die den Gästen des Museums zeigt, wie und wo die Fischer früher ihre Werkzeuge, Hummerkörbe, Netze und Angeln lagerten. Spannend, wie sich die Insel seit der Zeit der Fischer entwickelt hat. Die Besucher:innen können mit Seebadgründer Jacob Andresen Siemens durch die Jahrhunderte reisen und eintauchen in die Blütezeit des Seebädertourismus. Sie können über Texte, Bilder und Exponate spüren, wie die Insel, gezeichnet durch Krieg und Zerstörung, Kraft zum Neuanfang und Wiederaufbau schöpfte.

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Helgoland heute? Unbeirrbar auf Wachstumskurs. Ein einzigartiges Naturparadies und gleichzeitig eine Insel der Energiewende, gestärkt durch die Offshore-Windkraft. Auf drei Monitoren zeigt die Ausstellung, wie der Weg in die klimaneutrale Zukunft mit der Wasserstoff-Initiative AquaVentus gelingen kann. Wieder einmal ist Helgoland Impulsgeber, Inspirationsort und ein Laboratorium für neue Wege. Und die Wellen? Sie kommen und gehen. Keine wird je der anderen gleichen. Jede wird einzigartig sein. So einzigartig, wie die Menschen, die hier auf dieser kleinen, oft Sturm umpeitschten Insel leben. Ihnen und ihren Geschichten im Museum Helgoland zu begegnen, gibt Hoffnung und Zuversicht. Ein kleines Stück Heimat, dass man im Herzen mit sich tragen kann, auch wenn man schon längst wieder auf dem Festland ist.

Linke Seite: Helgoland – Heimat der Fischer Rechte Seite: Hummerbuden im Museumshof mit kleinen Themenausstellungen

Fotos: © Ralf Steinbock

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Zu den Originalschauplätzen der Geschichte

Weit verzweigte Bunker wurden in den Jahren 1890 bis 1944 in den Felsen der Insel getrieben. Diese Zivilschutzanlagen retteten den Helgoländer:innen bei dem schwersten Schlag in der Geschichte der Insel am 18. April 1945 während der Bombardierung durch alliierte Kampf ugzeuge das Leben. Mit dem sogenannten Big Bang am 18. April 1947 wurden die militärisch genutzten Anlagen in die Luft gesprengt und das Mittelland Helgolands entstand.

Ein Teil der verbliebenen zivilen Luftschutzbunker im Oberland kann heute besichtigt werden. „Wir können die Besucher allerdings nicht alleine durch die Bunker laufen lassen, deswegen ist die Besichtigung nur mit einer festen Führung möglich“, so Museumsleiter Jörg Andres. Der großen Nachfrage nach einer Bunkerführung kann das kleine Team

des Museums nicht immer nachkommen. Deswegen wird ein Bunkerstollen im Unterland für die Öffentlichkeit erschlossen. Die Historiker und das Beraterteam der Museumsleitung haben es sich bei dem Grundprinzip zur Gestaltung des Bunkers zur Aufgabe gemacht, tief emotionale Kerne des historischen Geschehens herauszuarbeiten. Dabei soll die Historie Helgolands im europäischen Kontext und im Spiegel unserer heutigen Zeit aufgearbeitet werden. Die Eröffnung des Bunkerstollens ist für das Jahr 2022 geplant.

Museum Helgoland

Kurpromenade 1430

D-27498 Helgoland

Tel. 04725 - 1292

info@museum-helgoland.de www.museum-helgoland.de

Oben: Bunkeranlagen im Oberland

www.museum.de/m/641

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AUDIOGUIDE MUSEUM HELGOLAND Foto: © Ralf Steinbock

TALE – Taktiles Lernen

Wie taktile Exponate zu lebendigen Wissens-Speichern werden

Künstliche Intelligenz (KI) in Museen? Bisher wird KI eher als Thema von Ausstellungen gedacht: Menschen erfahren, wo ihnen Formen von maschinellem Lernen und KI im Alltag begegnen und welche Zukunft uns erwartet: Vom Autonomen Fahren bis hin zum Sprachassistenten. Wie aber kann KI die Gestaltung von Exponaten zum Anfassen verbessern? Für das Deutsche Museum Nürnberg wurde erstmalig ein Exponat entwickelt, das durch KI und Sensorik eine neue Form des taktilen Lernens möglich macht – für den Mensch, die Maschine und das Museum.

Brutal digital – die Pandemie als Digitalisierungsbeschleuniger

Die Digitalisierung lotste die Museen durch die stürmischen Zeiten des Lockdowns. Dass trotz geschlossener Türen die Exponate online sichtbar waren, kam gut an und der virtuelle Blick in die Depots entschädigte teilweise für das fehlende Erlebnis eines Live-Besuchs. Doch auch wenn Museen wieder öffnen und Menschen in den Genuss kommen, Kunst zu betrachten, Geschichte zu entdecken und den Museumsbesuch partizipativ mitzugestalten – das Angebot für Menschen mit Beeinträchtigung bleibt ausbaufähig.

Als Orte der demokratischen Wissensvermittlung und des gesellschaftlichen Diskurses können Museen einen wichtigen Beitrag zu mehr Empathie und Sichtbarkeit leisten, indem sie das enorme Potential des „Design-For-All“ auszuschöpfen und neue Kommunikationswege zu beschreiten.

Multi-Sense-Exponate für alle

Hierbei spielen Exponate zum Anfassen eine entscheidende Rolle. Denn Menschen mit Seh-Beeinträchtigung fehlt es an taktilen Angeboten, obwohl mittels leistungsstarker 3D-Scanner originalgetreue Replikate günstig und hochwertig umsetzbar sind. Selbst reflektierende oder emp ndliche Ober ächen können

mühelos gescannt und in hochwertigem CORIAN ® oder PU-Blockmaterial reproduziert werden. Durch ergänzendes Audiofeedback wird ein taktiles Exponat zu einem Multi-Sense-Exponat: Denn Menschen lernen leichter durch 2-Sinnes-Erfahrungen. Das Audiofeedback wird über eine Berührung von sensorischen Punkten auf dem Exponat ausgelöst, spielt passgenaue Inhalte ab und ermöglicht so ein eigenständiges Erkunden von Inhalten.

Sensorik ist keine Zauberei

Etwas mit einer Berührung an- oder auszuschalten begegnet uns im alltäglichen Leben überall: Kaffeemaschine, Lichtschalter und Telefon erleichtern uns das Leben mit Sensorik. Die Generation Smartphone tippt, wischt und zieht sich über digitale Ober ächen und hat die zugehörigen Mensch-Maschine-Gesten längst verinnerlicht. Doch wie können Gesten bei einem musealen Tast-Exponat Inhalte steuern? Die Kosten für den technischen Aufwand und die Größe des Exponats beschränkten bislang die Möglichkeiten der Gesten-Erkennung: Ein Sensorpunkt spielte genau eine Information aus. Dead-End?

Taktiles lernen

Eine einfache KI zieht die Daten nicht aus einzelnen Tast-Punkten, sondern aus innenliegenden Sensor-Feldern, die so auch Bewegung messbar machen. In beinahe beliebigen Objekten integriert, erkennt die Sensorik verschiedene Gesten – vorausgesetzt man bringt sie ihr bei. Dazu sind rund 100 Wiederholungen einer einfachen Geste nötig, die im TEACH-Modus mit einer Position auf dem Objekt und der gewünschten Information verknüpft werden. So wie Ihr Smartphone Ihren Fingerabdruck nach mehrmaligem Au egen aus verschiedenen Positionen erkennt, „weiß“ das Objekt, wo es wie berührt wird.

Erst diese Technik ermöglichte die Entwicklung des intelligenten Multi-SenseExponats zur Veranschaulichung des LormAlphabets, das im Deutschen Museum Nürnberg ab dem 18.09.2021 gezeigt wird.

Beim Lormen werden Buchstaben durch Gesten in die linke Hand „geschrieben“ und ermöglichen so taub-blinden Menschen die Kommunikation. Im Auftrag des Deutschen Museum Nürnberg und am Beispiel erster Untersuchungen von Dr. Tom Bieling (Design Research Lab), entwickelte werk5 zusammen mit interactive-scape (beide Berlin) ein Multi-Sense-Exponat, das mithilfe eines Lern-Algorithmus Gesten zum „Sprechen“ bringt.

Wenn Mensch, Maschine und Museum voneinander lernen

Über zwei Modi lernen Besucher*innen des Deutschen Museums Nürnberg das Lorm-Alphabet kennen und sehen auf einem Screen, was sie schreiben. Im Modus „Schreiben lernen“ wird ein Wort

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mittels Gesten nachgeschrieben, während im Modus „Freies Schreiben“ ausprobiert werden darf. Hierzu musste jeder der Buchstaben von der Sensorik „erlernt“ werden. Im TEACH-Modus wiederholten werk5-Mitarbeiter*innen die Gesten des Lorm-ABC so lang, bis die Gesten-Bibliothek komplett war. Über das ContentManagement-System (CMS) können auch die Museumsmitarbeiter*innen das Exponat im TEACH-Modus trainieren, um die Reaktionsfähigkeit und Präzision der Gestenerkennung weiter zu steigern.

Daten - das neue Gold

Welcher Modus ist beliebter? Möchten die Menschen angeleitet werden oder selbst schreiben? Sind manche Bereiche besonders interessant oder werden sie vernachlässigt? Die gewonnenen Daten können

anonym gesammelt und über das CMS ausgelesen werden. Die Museumsmitarbeiter*innen können daraufhin die verknüpften Informationen über das CMS selbstständig aktualisieren. Mehr noch, die Gesten-Bibliothek ist unbegrenzt erweiterbar: Denn die Sensorik kann im TEACH-Modus neue Gesten erlernen. So bleibt das Exponat anpassungsfähig und kann auch in anderen Ausstellungen und Kontexten eine Rolle spielen.

Vorteile lernender Exponate

KI unterstützte Tastobjekte und Reproduktionen schützen Originale und vermitteln den Besucher*innen Inhalte direkt, flexibel und barrierefrei – als lebendige Wissens-Speicher oder interaktive Erlebnis-Station. Zusätzlich ermöglichen intelligente Multi-Sense-Exponate die anonyme

Datenerhebung über das Nutzerverhalten und erleichtern Museen dadurch ihr Angebot nachhaltig zu erweitern und zu verbessern.

Bringen Sie Besucher*innen in den Dialog mit Ihrer Sammlung. Wir zeigen Ihnen wie.

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Das ganze Jahr Weihnachten

Ein Krippenmuseum an der Mosel Autor: Mathias

Geht man in Klüsserath an der Mosel von der Kirche an den alten Winzerhäusern vorbei, ndet man am Fuße der berühmten Weinlage Klüsserather Bruderschaft ein sehr schön renoviertes Winzerhaus.

„Domus Praesipiorum – Haus der Krippen“ ist dort angeschlagen. Und ist das da oben im Giebel, an der Mosel passend mit Schiefer eingedeckt, ein Stern? Was mag sich hinter dem Tor mit der Glasmalerei be nden?

Weihnachtskrippen im Weindorf

Wir treten neugierig ein, von der rechten Seite schallt ein fröhliches „Herzlich willkommen!“ zu uns. Vor uns in einer Glasvitrine, eine Holz gur, ein segnendes Jesuskind. Auf unsere Frage „Was ist das hier?“ macht der nette Museumsmitarbeiter ein ungläubiges Gesicht: „Sie sind in Klüsserath unterwegs und haben noch nicht von unserem Krippenmuseum gehört?“ Er erklärt es uns: „Etwa um das Jahr 2007 stand dieses um 1680 gebaute Haus kurz vor dem sprichwörtlichen Verfall. Bevor es dazu kam, haben wir, die Klüsserather Krippenfreunde, das denkmalgeschützte, ehemalige Winzergebäude gekauft und mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz neu aufgebaut und renoviert. So ist es mit viel Eigenleistung und der Förderung gelungen, bis 2010 einen Platz für etwa 100 ganz unterschiedliche Weihnachtskrippen zu schaffen, die ganzjährig angeschaut werden können.“

Okay, das kam jetzt unerwartet: In dieser schönen Weingegend hätten wir ein sol-

ches Museum nicht vermutet. Von außen ist das Winzerhaus sehr schön renoviert und hat einen Fassadenwettbewerb gewonnen. Auch innen setzen sich alte Mauerreste und original Holzbalken ab und schaffen so eine Verbindung zwischen Gebäude und Ausstellungsstücken. Ein Personenaufzug macht den Besuch barrierefrei. Wir bezahlen den Eintritt und beginnen unseren Rundgang ...

Jede Krippe erzählt ihre Geschichte

Nach etwa zwei Stunden sind wir ganz überwältigt von den vielfältigen Eindrücken, die jede dieser Krippen bei uns hinterlässt. Keine Spur von Langeweile, jede Krippe ist anders und lässt jeweils ihren Anteil an dem reichen Schatz der Weihnachtskrippe wirken. Wir haben gelernt, dass es Weihnachtskrippen in unterschiedlichen Settings gibt: Heimatliche Krippen versetzen die Geburt Jesu in unsere kulturelle und oftmals auch örtliche Nähe, während orientalische Krippen mit ihrem Baustil das Geschehen im Israel der römischen Zeit darstellen. Neben zeitgenössischen Krippen haben wir historische,

weit mehr als hundert Jahre alte Krippen gesehen. Diese Krippen hatten damals aufgrund des verbreiteten Analphabetismus noch Missionscharakter – eben das visuelle Darstellen des Wort Gottes. In einem weiteren Teil der Ausstellung haben wir erlebt, dass Krippenbauen und -schauen nicht nur in unserem Kulturkreis Eingang gefunden hat, sondern in aller Welt zuhause ist. Und in welch unterschiedlichen Formen Weihnachtskrippen gebaut werden können: Kasten- und Dioramenkrippen fangen mit ihrer perspektivischen Bauweise den Betrachter regelrecht ein und vermitteln den Eindruck mittendrin zu stehen. Simultankrippen mit mehreren Szenen oder ein Krippenblock stellen das Leben Jesu in mehreren Szenen gleichzeitig dar. Krippen aus unterschiedlichen Materialien, wie zum Beispiel Papierkrippen, Krippen in Tiffany-Art oder Weihnachtsikonen sind ebenfalls zu sehen.

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Seite, oben: Das Krippenmuseum von außen Rechte Seite: Das Jesuskind aus dem 18. Jahrhundert segnet jeden Besucher © Klüsserather Krippenfreunde e.V.
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Hilfreiche Erklärungen

Nach den ersten Exponaten haben wir uns Unterstützung genommen, wir lassen uns führen. So erhalten wir hilfreiche Erklärungen, die ansonsten fehlen. Es fängt an mit der eben schon erwähnten Glasmalerei im Eingangstor, die ganz viel Symbolik bereithält, und dem segnenden Jesuskind aus dem 18. Jahrhundert. Ebenfalls wird der Träger des Museums, der Verein der Klüsserather Krippenfreunde, näher vorgestellt: Etwa 300 Mitglieder haben sich zusammengeschlossen, um Krippendarstellungen auf religiöser, künstlerischer und volkskundlicher Grundlage zu fördern und weiter zu verbreiten. Das nicht nur durch das Museum, sondern auch durch Kurse rund um den Krippenbau.

Wir erhalten anhand von unterschiedlichen Krippen Informationen zu Material oder zu bekannten Krippenkünstlern, aber auch zu entsprechenden Traditio -

nen. Anhand von Anekdoten und diesen Hintergrundinformationen merken wir: In Krippen steckt sehr viel Arbeit, eigentlich hat jedes Detail einer Krippe durch den Erbauer einen tieferen Sinn erhalten. Und wir merken auch: Krippenbauen verbindet. Wie viele unterschiedliche Personen am Museum und an den Krippen mitgewirkt haben, haben sie doch alle eine gemeinsame Basis. Sogar wenn die Sprache als Barriere wirkt, wie beispielsweise die zahlreichen italienischen Krippenmeister, die künstlerisch sehr hochwertige Krippen für das Museum gefertigt haben.

Linke Seite, oben: Eine moselländische Schneekrippe bringt das Weihnachtsgeschehen ins Museumsgebäude Rechte Seite, oben: Eine zeitgenössische, alpenländische Heimatkrippe

Linke Seite, unten: Die Passionskrippe von Probst aus dem Jahre 1790 ist eines der ältesten Exponate © Klüsserather Krippenfreunde e.V.

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Dioramenkrippe in perspektivischer Bauweise © Klüsserather Krippenfreunde e.V.

Achtung: „Krippen-Virus“

Uns kribbelt es jetzt in den Fingern: So eine eigene, selbst gebaute Krippe würde sich doch in unserem Wohnzimmer gut machen? Wir fragen den Experten an der Kasse. Der erklärt uns, dass eigentlich jeder eine Krippe bauen kann. Das haben unzählige Kurse des Vereins gezeigt, und meistens bleibt es nicht bei einer Krippe. Diese Leute sind dann vom „Krippen-Virus“ infiziert. Und die selbst gebaute Krippe kann mit Zubehör oder Krippenguren aus dem Verkaufsraum bevölkert werden.

Wir treten hinaus auf die Straße und ziehen Resümee: Ein tolles Erlebnis. Man bemerkt im Gespräch mit den Mitarbeitern die Leidenschaft für ihr Hobby, und das Bedürfnis anderen Personen dies näher zu bringen. Im Museum sind nicht nur die Exponate selbst künstlerisch wertvoll und professionell präsentiert, z.B. in Ausleuch-

tung und mit der Liebe zum Detail. Die Exponate sind in ihrem Ensemble in diesem alten Gemäuer perfekt abgestimmt, um in das weite Feld der Weihnachtskrippe heranzuführen. Und wenn man dann noch Fragen hat, stehen mit dem Verein der Klüsserather Krippenfreunde ein unerschöp iches Reservoir an Möglichkeiten offen. Kurzum: Ein Besuch, der lange in Erinnerung bleibt und der unbedingt zu empfehlen ist, nicht nur zur Weihnachtszeit! Er weckt Weihnachtsgefühle in jeder Jahreszeit.

Haus der Krippen –Domus Praesepiorum

Hauptstraße 83

54340 Klüsserath

Tel. 06507 - 93 92 04

info@krippenmuseum.info

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Die Kranken und Schwachen zu schützen, ist die Würde der Gesunden

Gedenkstätte Wehnen – historisch-politischer Bildungsort für das Oldenburger Land

Autorin: Sina Pollmann

Die Gedenkstätte Wehnen – gelegen auf dem Gelände des psychiatrischen Krankenhauses Karl-Jaspers Klinik am Rande der Stadt Oldenburg – ist ein Ort der Erinnerung, Dokumentation und Aufklärung über die oldenburgischen Krankenmorde und Medizinverbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus.

Im Zentrum der Gedenkstättenarbeit steht die historisch-politische Bildung. Besucherinnen und Besucher können sich in der Ausstellung am historischen Ort einen Überblick über die geschichtlichen Zusammenhänge verschaffen. Zum Bildungsangebot zählen außerdem Führungen, Projekte und Veranstaltungen, in denen die Möglichkeit be-

steht über das Thema der Ausgrenzung, Abwertung und Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in den Dialog zu treten. Anknüpfend an die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wird auch das Nachdenken über Bezüge zur Gegenwart und die Zukunft angeregt.

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Linke Seite: Die Gedenkstätte Wehnen be ndet sich in der sogenannten Alten Pathologie, einem kreuzförmigen Backsteinbau aus dem Jahre 1890. Er diente der Heil- und P egeanstalt Wehnen als Leichenhalle

Foto: © Gedenkkreis Wehnen e.V.

Rechte Seite: Auf dem Gelände der Karl-Jaspers-Klinik, nahe der Gedenkstätte be ndet sich das Mahnmal der Künstlerin Traudl Knoess mit der Inschrift Die Schwachen und Kranken zu schützen ist die Würde der Gesunden. Oben: © Sina Pollmann | Unten: © Gedenkkreis Wehnen e.V.

Dadurch trägt die Gedenkstätte zur Sensibilisierung für gesellschaftliche Problemfelder wie Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung bei und fördert die Re exion über Werte und Vorstellungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Bedeutung von Inklusion und Teilhabe.

Zu den grundlegenden Aufgaben zählt außerdem das Informationsangebot für Angehörige. Diese haben die Möglichkeit sich an die Gedenkstätte zu wenden, um Auskunft über das Schicksal ihrer in Wehnen verstorbenen Vorfahren zu erhalten. Rund 300 Familien haben das Angebot bereits genutzt.

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Auch außerhalb der Gedenkstätte konnten im öffentlichen Raum weitere Orte der Erinnerung eingerichtet werden: historische Informationstafeln, Erinnerungsstätten und Denkmäler. Ein weiterer Beitrag zur Erinnerungskultur wird anhand der Durchführung von Gedenk- und Informationsveranstaltungen geleistet.

Die Arbeit erfolgt hauptsächlich auf ehrenamtlicher Basis und im Rahmen von Projektstellen. Die Gedenkstätte Wehnen ist zur Erfüllung ihrer Aufgaben somit auf Spenden angewiesen.

Die Gründung

Die Gründung der Gedenkstätte beruht auf der Initiative Angehöriger, die ihren verstorbenen Familienangehörigen ein würdiges Andenken schaffen wollten. Gemeinsam eröffneten sie 2004 die Gedenkstätte, als einen Ort der Erinnerung und Dokumentation, an dem ein wichtiger Aufklärungsbeitrag über einen Teil der Oldenburgischen NS-Geschichte geleistet wird, der der Öffentlichkeit bislang unbekannt war.

Bis in die 90er Jahre war die Auffassung verbreitet, dass sich die Heil-und P egeanstalt Wehnen nicht am Krankenmord-Programm der Nazis beteiligt hat. Grund für diese Annahme war, dass von Wehnen aus keine Abtransporte in die zentralen Tötungsanstalten in Brandenburg, Grafeneck, Bernburg, Hadamar, Hartheim oder Pirna-Sonnenstein organisiert wurden.

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Nachforschungen des Oldenburger Historikers Dr. Ingo Harms ergaben jedoch, dass die Heil- und P egeanstalt Wehnen ein eigenes Krankenmord-System an Ort und Stelle verfolgte. Seine Erkenntnisse, die er 1997 in seiner Dissertation veröffentlichte, riefen die erste öffentliche Auseinandersetzung zu den Vorgängen in Wehnen hervor. Harms fand heraus, dass die Patientinnen und Patienten durch den Entzug von Nahrungsmitteln ermordet wurden. Mindestens

1500 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen erlitten den Hungertod.

Die Untersuchung bestätigte die dunkle Ahnung vieler Angehöriger. Sie gründeten den Gedenkkreis Wehnen e.V. zunächst als Gesprächskreis für die Erinnerung an die Opfer und für die Aufarbeitung der historischen Vorgänge. Mittlerweile zählt der Verein über achtzig Mitglieder.

Die Motive

Die Motive für den Massenmord waren sowohl rassenbiologischer, als auch ökonomischer Art. Im Vordergrund stand die Erwirtschaftung von Pro ten durch Einsparungen von Ressourcen in der Psychiatrie. Die Gewinne wurden zur Finanzierung der völkischen Kultur, der Energieversorgung und anderer Staatsausgaben eingesetzt.

Linke Seite: Die in der Gedenkstätte ausgestellten Roten Bücher enthalten Geschichten über Einzelschicksale, Erinnerungen von Angehörigen, Berichte aus den Krankenakten, sowie weitere zeitgeschichtliche Informationen

Rechte Seite: Die Erinnerungsgalerie in der Ausstellung gibt den Opfern ihre Identität zurück und ermöglicht ein würdiges Andenken

Fotos: © Sina Pollmann

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Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen galten im Nationalsozialismus als „Ballastexistenzen“ oder „unnütze Esser“, die keinen produktiven Beitrag leisten und somit kein Recht auf Leben haben. Das deutsche Volk sollte somit vom „lebensunwerten Leben“ befreit werden.

1939 verfasste Hitler ein Schreiben, mit welchem er bestimmte Ärzte ermächtigte „unheilbar Kranken den Gnadentod zu gewähren“ – ein Euphemismus für den Mordauftrag an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Das Krankenmord-Programm der Nazis, auch bekannt unter dem Namen „Aktion T4“, hat seinen Ursprung in der Eugenik, einer menschenverachtenden Ideologie, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Schriftstellern, Philosophen und Ärzten vertreten und diskutiert wurde.

Der Fokus der Ausstellung

Der Fokus der Ausstellung liegt auf den Hungermorden in der Heil- und P egeanstalt Wehnen sowie auf einem Teil der damit zusammenhängenden Geschichte des Oldenburger Landes während der Zeit des Nationalsozialismus. Besonders deutlich wird gezeigt, dass die NS-Verbrechen inmitten der Gesellschaft mithilfe eines komplexen Netzwerkes von Akteuren verübt wurden. Besucherinnen und Besucher können in der Ausstellung mehr über diese Zusammenhänge sowie über den ideologischen Hintergrund und die ökonomischen Motive erfahren.

Im Zentrum stehen die Geschichten der Opfer, die mit der Hilfe von Erzählungen Angehöriger sowie Informationen aus den Krankenakten in sogenannten „Roten Büchern“ niedergeschrieben wurden. Dadurch bekommen die Opfer wieder einen Namen, ein Gesicht und ihre Identität zurück.

Links: Stolpersteine erinnern im öffentlichen Raum, an das Schicksal verstorbener Patientinnen und Patienten

Rechts: Auf dem Erinnerungsfeld auf dem nahgelegenen ehemaligen Anstaltsfriedhof be nden sich zahlreiche auf Thymian gebettete Gedenksteine für die mehr als 1500 Opfer der oldenburgischen NS-Krankenmorde. Angehörige haben einige Steine gravieren lassen

Fotos: © Sina Pollmann

Gedenkstätte Wehnen

Hermann-Ehlers Straße 7

26160 Bad Zwischenahn/Wehnen

Tel. 0441 - 999 2770

info@gedenkkreis.de

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AUDIOGUIDE GEDENKSTÄTTE WEHNEN

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Foto: David Brandt

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Der GlasRatgeber: Ruhe und Sicherheit

Folge 5: Die Ausstellung als geschützter Raum

Autorin: Rebecca Mückenheim

Die Gestaltung von Ausstellungen sieht sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Von der Gebäudehülle, zum Beispiel Fenster, Fassaden sowie dem Eingangsbereich bis hin zum Innenbereich als Gemäldeverglasung oder Vitrine sind vielfältige Anforderungen zu berücksichtigen. Neben der optimalen Darstellung der Exponate muss ganz besonders an die Sicherheit sowohl der Besucher als auch der ausgestellten Kunstwerke gedacht werden.

Glas ist ein wesentlicher Bestandteil von Museen und Ausstellungen. In punkto Schutz und Sicherheit gibt es individuelle Lösungen, um den Besuch einer Ausstellung harmonisch und sicher zugleich zu gestalten. Hierzu lassen sich ganz spezielle Gläser kombinieren.

Glas als Vitrine und Gemäldeverglasung

Vitrinen sind in der Museumslandschaft sehr oft zu sehen. Neben einer optimalen Durchsicht für den Betrachter sollen sie das Exponat vor Vandalismus und Diebstahl schützen. Wird die Vitrine dennoch beschädigt, dürfen die Glassplitter weder Besucher verletzen noch dem Kunstwerk Schaden zufügen. Als Vitrinenverglasung eignen sich besonders Gläser mit einer Antire exionsbeschichtung, die zu Verbundsicherheitsglas verarbeitet werden. Bei Verbundsicherheitsglas werden zwei oder mehr Scheiben durch eine innenliegende Folie zusammengehalten. In diesem Fall ist es auch möglich, so genanntes Weißglas zu verwenden, das eine besonders farbneutrale Durchsicht bietet. Es werden damit mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Besucher erhält einerseits eine spiegelungsfreie und farbechte Sicht auf das Exponat. Das Exponat selbst ist

durch das Verbundsicherheitsglas gegen physische Einwirkungen geschützt und zusätzlich reduziert Verbundsicherheitsglas die Durchlässigkeit von UV-Strahlen auf weniger als einen Prozent. Wird die Vitrine beschädigt, bleiben die Glassplitter an der innenliegenden Folie haften, wodurch das Verletzungsrisiko minimiert wird. Bei so genannten Multilaminaten werden sogar mehr als zwei Scheiben miteinander verbunden, der Aufbau kann fast beliebig dick werden. Allgemein gilt: Je dicker der Aufbau aus Verbundsicherheitsglas, desto besser ist das Exponat vor Vandalismus oder Diebstahl geschützt.

Durchsicht und Schutz vor Vandalismus. Bei sehr großen Kunstwerken ist es sogar möglich, übergroße Gemäldeverglasungen anzufertigen. Die „Schule von Athen“ in der Pinacoteca Ambrosiana in Mailand (s. Foto) wird durch eine einzige 25 Quadratmeter große Scheibe geschützt, die aus zwei Scheiben Weißglas mit Antire exionsbeschichtung besteht.

Ähnlich verhält es sich bei der Verglasung von Gemälden. Wie bei Vitrinen ist auch hier ein Aufbau des Glases denkbar, der mehrere Funktionen miteinander vereint, wie zum Beispiel Antire exion mit UV-Schutz, farbneutraler

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Foto: Raffael: „Schule von Athen“ in der Pinacoteca Ambrosiana, Mailand. Gemäldeverglasung mit Pilkington OptiView™ OW Foto: Piermario Ruggeri © Pilkington Deutschland AG

Glas in der Gebäudehülle

Nicht nur das Interieur, sondern auch die äußeren Bereiche eines Museums können zu einem optisch harmonischen und gleichzeitig sicheren Ambiente beitragen. Außerdem lassen sich Funktionsgläser je nach individuellen Anforderungen kombinieren. Verschiedene Spezialgläser mit je einem unterschiedlichen Mehrwert können zum Beispiel zu Sicherheits- oder auch zu Schallschutzglas zusammenlaminiert werden. Sinnvoll ist das, wenn besonders emp ndliche Bereiche oder Mobiliar im Museum vor dem Ausbleichen geschützt werden möchten. Mit der Verwendung einer besonderen Schallschutzfolie zwischen den Glasscheiben kann Umgebungslärm, zum Beispiel durch naheliegende viel befahrene Straßen, ausgeschlossen werden. Die Besucher des Museums können auf diese Weise voll und ganz in die Welt der Kunstwerke eintauchen, ohne durch eine Geräuschkulisse abgelenkt zu werden. Aber auch eine gute Wärmedämmung sowie ein geeigneter Sonnenschutz können helfen, die Ausstellung zu schützen, da sich einerseits Klimalasten reduzieren lassen, andererseits Temperaturschwankungen im Innenraum besser kontrolliert werden können. Möglich ist eine Schallschutzoder Wärmedämmverglasung auch in Verbindung mit einer antire ektierenden Beschichtung und mit Weißglas. Die Fassade oder der Eingangsbereich verkörpert auf diese Weise Offenheit und Transparenz und wirkt besonders einladend.

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Alte Turmuhrwerke haben oft ein trauriges Dasein gefristet, bevor sie im Turmuhrenmuseum fachgerecht restauriert und wieder in Betrieb genommen werden.

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Fotos: © Turmuhrenverein Seehausen

Turmuhrenmuseum Seehausen in der Altmark

Eine lebendige Ausstellung über die Zeitmessung

Autor: Henning Zühlsdorff

Am 3. Oktober 2004 ging in der kleinen Stadt Seehausen in der Altmark ein Traum in Erfüllung: 14 Mitglieder des Turmuhrenvereins Seehausen eröffneten damals ein tickendes Museum. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte.

Idee und Geschichte

Heutzutage haben öffentliche Uhren an Bedeutung verloren, weil jeder über einen eigenen Zeitmesser an seinem Handgelenk oder in seinem Telefon verfügt. Noch zum Beginn des vergangenen Jahrhunderts war die Situation aber eine andere: Die Zeitanzeigen auf Kirchtürmen, Rathäusern, Postgebäuden oder Gutshöfen boten den Menschen eine wichtige Orientierung im Alltag. Man hörte auf die Glockenschläge, die von den Turmuhrwerken ausgelöst wurden, um sich in seinem Tagesablauf zu orientieren. Die wenigsten Menschen allerdings hatten eine Vorstellung davon, wie aufwendig die präzise Mechanik der Uhrwerke gearbeitet sein musste, um eine exakte Zeitangabe zu ermöglichen.

Viele der alten Zeitmesser, die zum Teil über Jahrhunderte zuverlässig ihren Dienst versehen haben, sind in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Moderne, funkgesteuerte und elektrisch betriebene Uhrwerke haben ihren Platz eingenommen. Der Turmuhrenverein Seehausen hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, das Kulturgut Turmuhr zu bewahren und durch den Betrieb eines Mu-

seums den Menschen die Möglichkeit zu geben, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und sich selbst einen Eindruck zu verschaffen von den großen und kleinen mechanischen Wunderwerken, die einstmals so großen Ein uss auf unser Leben gehabt haben.

Uhrenbe - geisterte

um der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Besondere an dem gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen ehrgeizigen Projekt: die Uhren sollten so hergerichtet werden, dass sie in Funktion gezeigt werden können.

Nach nur zweijähriger Vorbereitung konnte die Eröffnung der Ausstellung gefeiert werden und das, obwohl der Aufbau eines Turmuhrenmuseums in mehrfacher Hinsicht eine große Herausforderung darstellt: Einerseits werden anspruchsvolle, funktionsfähige Exponate benötigt, andererseits braucht es tatkräftige Unterstützung und Spendenbereitschaft, um ein solches Projekt zu realisieren. Mit der Möglichkeit, die Turmuhrensammlung des Seehäuser Uhrmachermeisters Günther Haut präsentieren zu können, war eine erste wichtige Voraussetzung erfüllt.

um den See- häuser Uhrmacher - meister Günther Haut gründeten im Jahr 2003 den Turmuhrenverein Seehausen (Altmark). Sie setzten sich zum Ziel, die umfangreiche Turm- und Hausuhrensammlung des in der dritten Generation tätigen Uhrenenthusiasten in einem eigenen Muse-

Aber auch engagierte Menschen aus der kleinen Stadt in der Altmark, die einst zu den berühmten Hansestädten gehörte, unterstützten die Museumsgründung nach Kräften. Innerhalb kurzer Zeit konnte es so gelingen, geeignete Räumlichkeiten zu nden und herzurichten: Die Halle einer ehemaligen Brauerei wurde als Ort für das Museum instandgesetzt und für die besonderen Anforderungen einer Turmuhrenausstellung nutzbar gemacht. Viele helfende Hände und großzügige Spenden von Bürgerinnen, Bürgern und örtlichen Unternehmen haben das Projekt rasch vorangebracht.

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Lebendige Ausstellung

Den Museumsbetreibern war es von Anfang an wichtig, die Uhren in einem lebendigen Museum zu präsentieren, und so werden nahezu alle ausgestellten Uhrwerke in Betrieb gezeigt. Besucherinnen und Besucher können sich so selbst einen Eindruck verschaffen von der besonderen Ausstrahlung der wunderbaren Mechanik und der eigentümlichen Wirkung, die das ruhige, gut hörbare Ticken der großen Uhren auf die Menschen ausübt: das gleichmäßige Schwingen der Pendel, das Tick-Tack-Geräusch der Hemmungen, das exakte Ineinandergreifen von Zahnrädern und Trieben, die Funktion der Schlagwerk-

mechanismen – alles das vermittelt den Besuchern ein Gefühl für die besondere Anziehungskraft, die mechanische Zeitmesser bis heute auf die Menschen ausüben.

Die Präsentation ist bewusst so angelegt, dass nicht nur Turmuhren-Experten auf ihre Kosten kommen. Freunde mechanischer Zeitmessung und Menschen, die bisher noch keinen näheren Kontakt mit dem Thema Uhren hatten, sind immer wieder begeistert von der Möglichkeit, die Funktionen eines Uhrwerks an einem ‚lebenden‘ Objekt beobachten, studieren und verstehen zu können.

Die Sammlung

Im Uhrenmuseum wird ein umfassender Einblick in die Geschichte der Turmuhr gegeben: von der schmiedeeisernen Uhr aus den Anfängen des Turmuhrenbaus bis hin zu den industriell gefertigten Werken des 20. Jahrhunderts. Neben den unterschiedlichen Fertigungstechniken werden auch technische Besonderheiten erläutert und die bekanntesten Produzenten von Turmuhrwerken vorgestellt.

Insgesamt werden derzeit mehr als 80 Exponate gezeigt. Prunkstück ist eine große, mit Schlagwerken für die Stunden und Viertelstunden ausgerüstete Kirch-

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turmuhr der Firma Weule aus Bockenem (Harz). Aber auch kleinere, besondere Stücke aus der vielfältigen Produktion öffentlicher Uhren erwarten die Besucher: So zum Beispiel ein Exemplar einer in Deutschland äußerst selten gezeigten sog. „Plantagenuhr“, die ebenfalls von der Firma Weule hergestellt wurde.

Andere bekannte Hersteller wie Rochlitz, Korfhage oder Bayes sind ebenfalls vertreten. Zu sehen ist auch das letzte in der Magdeburger Turmuhrenfabrik Meyer gefertigte Gangrad für eine Turmuhr. Es wurde bei der Museumseröffnung von Richard Meyer, dem letzten Nachfahren des Gründers, persönlich dem Museum übergeben.

Die Sammlung von Turmuhrwerken wird ergänzt durch interessante Wand- und

Standuhren, die vorwiegend aus Frankreich (Comtoise) und dem Schwarzwald stammen. Eine Besonderheit stellt die kleine Sammlung von Bodenstanduhren dar, die im achtzehnten Jahrhundert von dem in Seehausen ansässigen Uhrmachermeister Ottsen gefertigt worden sind.

In einem weiteren Raum gibt es eine kleine Sammlung von elektrisch betriebenen sogenannten ‚Mutteruhren’, die zum Beispiel in Schulen oder Fabriken Nebenuhren mit Zeitimpulsen versorgten oder Klingeltöne auslösten.

Der Verein

Die Menschen, die sich im Turmuhrenverein zusammengeschlossen haben, widmen sich nicht nur dem Betrieb des Museums. Sie alle verbindet eine Leidenschaft für

Uhren, Mechanik und Handwerk. Deshalb arbeiten sie regelmäßig und gemeinsam an der fachgerechten Restaurierung alter Turmuhrwerke, die dem Museum zur Verfügung gestellt wurden. Dafür beschäftigen sie sich mit Fragen der Mechanik, wenden alte Handwerkstechniken an und bewahren so ein wertvolles Kulturgut: Sie tragen dazu bei, alte handwerkliche Traditionen zu p egen und das Wissen früherer Generationen zu erhalten.

Linke Seite: Ein am Uhrwerk angebrachtes Kontrollzifferblatt ermöglichte die korrekte Einstellung der Uhrzeiger

Rechte Seite: In neuem Glanz erstrahlen die Teile eines restaurierten großen Turmuhrwerks der Firma Weule aus dem Jahr 1905

Fotos: © Turmuhrenverein Seehausen

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Der Verein freut sich nicht nur über viele Museumsbesucherinnen und -besucher, sondern auch über neue Mitglieder, die entweder die Leidenschaft für die alten Turmuhren teilen oder auch nur die Arbeit des Vereins oder des Museums unterstützen wollen. Denn Unterstützung braucht das Museum: Sowohl in Form von Geldspenden, die die Fortsetzung und Verbesserung des Museumsbetriebs ermöglichen, als auch in Form von Exponaten, die aufgearbeitet und in die Ausstellung aufgenommen werden können.

Das Museum ist übrigens barrierefrei gestaltet: Besucher, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, können das Museum dank einer entsprechenden Rampe problemlos befahren. Ein behindertengerechtes WC steht ebenfalls zur Verfügung. Ein kleines Museumscafé lädt zum Verweilen bei Kaffee und Kuchen ein.

Für die Besucherinnen und Besucher steht auch ein Audioguide zur Verfügung, der ihnen die Ausstellung an 15 ausgewählten Stationen näher erläutert.

Wenn Sie sich für eine Führung anmelden wollen, Fragen zum Museumsbetrieb haben oder etwas zur weiteren Arbeit des Vereins beitragen möchten, können Sie sich gerne wenden an:

Turmuhrenverein

Seehausen/Altmark e.V.

Uhrmachermeister Günther Haut

Am Markt 2, 39615 Seehausen/Altmark

Tel. 039386 - 51006

uhren-haut@web.de www.turmuhrenmuseum-seehausen.de

Oben: Im großen Ausstellungsraum des Turmuhrenmuseums nden sich Exponate aus drei Jahrhunderten Foto: © Turmuhrenverein Seehausen

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Schloss Langenburg, das Aus ugsziel für die ganze Familie!

Hoch über dem idyllischen Jagsttal, inmitten des Hohenloher Landes, liegt Schloss Langenburg, eines der schönsten Schlösser Süddeutschlands

Autorin: Andrea Marek

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Schloss Langenburg ist noch heute ständiger Wohnsitz der Fürsten-Familie zu Hohenlohe-Langenburg. Foto: skywerk.net © Schloss Langenburg

Das großartige Flair von Schloss Langenburg lässt sich auf vielfältigste Weise entdecken. Ob Groß oder Klein, Jung oder im besten Alter, hier wartet jede Menge Sehens-, Wissens- und Erlebenswertes.

Schlossanlage und Museum

Bekannt als Juwel der Renaissancebaukunst ist das Schloss, das seine Wurzeln aber bereits im 12. Jahrhundert hat, noch heute Wohnsitz der fürstlichen Familie zu Hohenlohe-Langenburg. Es bestehen enge verwandtschaftliche Beziehungen zu europäischen Königs- und Adelshäusern

und der ein oder andere royale Gast beehrte bereits Schloss Langenburg mit seinem Besuch.

Das Schloss, eines der schönsten und traditionsreichsten in Süddeutschland, öffnete vor mehr als 60 Jahren seine Tore für die Öffentlichkeit. Seither bietet das Schlossmuseum abwechslungsreiche und spannende Einblicke in die Wohn- und Lebenskultur früherer Tage und den Alltag im Schloss. Je nach Führung kann man auch Privatgemächer bewundern und kommt dabei in den Genuss manch amüsanter Anekdote.

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Impressionen aus den Führungen

Linke Seite, oben: Lindenstammzimmer

Linke Seite, unten: Vierjahreszeitensaal

Rechte Seite, oben: Ein besonderes Schmuckstück ist der prächtige und schöne Renaissance-Innenhof, der mit seiner einzigartigen Akustik zu Deutschlands bedeutendsten Schlosshöfen gehört

Rechte Seite, unten: Gelber Salon

Fotos © Schloss Langenburg

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Deutsches Automuseum

Im ehemaligen Marstall von Schloss Langenburg ist das Deutsche Automuseum beherbergt. Das 1970 von Fürst Kraft zu Hohenlohe-Langenburg und dem berühmten Rennfahrer Richard von Frankenberg eröffnete Museum ist eines der ersten deutschen Automuseen.

Durch die Unterstützung bedeutender Automobilhersteller sowie deren Zulieferrmen, gelingt es dem Museum, ständig wechselnde Ausstellungen nach Langenburg zu holen und damit immer wieder aufs Neue die Herzen von Autofans höher schlagen zu lassen.

Unter dem Motto: „Menschen, Autos & Geschichte“ stehen sowohl Persönlichkeiten der Automobil-, Motorrad- und Zulieferindustrie als auch Raritäten aus Chrom und Blech im Mittelpunkt. Besonderer Wert wird auf die Entwicklung wichtiger und interessanter Fahrzeuge und auf die Anfänge der Mobilität in Hohenlohe gelegt. Aber auch moderne Entwicklungen wie die E-Mobilität werden präsentiert. Das Deutsche Automuseum gewährt somit spannende Einblicke in die Automobilgeschichte, die nicht nur die Augen von Automobilfreunden zum Leuchten bringt.

Linke Seite, oben: Neue Tafelstube

Linke Seite, unten: Im stuckverzierten Barocksaal ist alljährlich der Hohenloher Kultursommer mit renommierten Künstlern aus Nah und Fern zu Gast

Rechte Seite: Das Deutsche Automuseum ist ein Muss für Oldtimer-Fans

Fotos © Schloss Langenburg

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Schlosspark und Barockgarten

Auch ein Spaziergang rund ums Schloss lohnt sich. Es gibt neben uraltem Baumbestand ein verwunschenes Teehäuschen, einen Hundefriedhof, und einen Laubengang zu entdecken.

Das Gelände steht jedem offen, Tafeln informieren über die Geschichte des Parks. Im Anschluss an den Rundgang kann man noch einen Blick in den Barockgarten mit der Orangerie werfen, die beide aber nur bei Veranstaltungen oder Führungen zugänglich sind.

Schlosscafé im Rosengarten

Mit einem traumhaften Ausblick und der einzigartigen Lage hoch über dem Jagsttal ist das bereits vor über 70 Jahren gegründete Schlosscafé, eines der schönsten Cafés in der Region. Köstliche Kaffeespezialitäten, Eisvariationen, Kuchen und Torten aus eigener Bäckerei, aber auch zahlrei-

che herzhafte Hohenloher Spezialitäten und Gerichte sorgen für die genussvolle Abrundung des Schlossaufenthaltes. Weit über die Region hinaus ist auch das Fürstliche Frühstück an den Sonntagen bekannt und entsprechend begehrt.

Linke Seite, oben: Schloss Langenburg in der Abenddämmerung

Rechte Seite, oben: Barockgarten

Rechte Seite, unten: Genießen inmitten von Rosen … Fotos © Schloss Langenburg

Linke Seite, unten: Schlosscafe mit mit herrlichem Blick ins Jagsttal. Foto: Roland Bauer © Schloss Langenburg

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Feiern und Tagen

Schloss Langenburg bietet aber auch eine einzigartige Kulisse für Feiern jeder Art. Eine Vielzahl von historischen Räumlichkeiten steht dazu zur Verfügung. Sehr beliebt ist das Schloss auch bei Brautpaaren aus Nah und fern.

Übernachten

Mitten in der zauberhaften Altstadt von Langenburg und doch in unmittelbarer Nähe zum Schloss liegen das ehemalige „Kutscherhaus“ und der ehemalige „Marstall“. Die darin be ndlichen insgesamt vier Ferienwohnungen wurden von der Fürstin selbst liebevoll mitgestaltet. So vereinen sich nun in diesen denkmalgeschützten Gebäuden historischer Charme mit Behaglichkeit und modernem Komfort.

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Fürstliche Gartentage

Jährlich, am ersten Septemberwochenende, verwandelt sich Schloss Langenburg in ein Mekka für Gartenliebhaber. 170 exklusive Aussteller präsentieren Ideen für den Garten und stilvolles Wohnen. Mit umfangreichem Rahmenprogramm und regionaler Gastronomie ein echtes Fest für die Sinne. Drei Tage lang lässt es sich herrlich durch die Schlossräume, die Parkanlage und den wunderschönen Barockgarten flanieren. Und nicht nur das Einkaufen steht hier im Vordergrund. Man sollte Zeit mitbringen, um auch die ganze Vielfalt des umfangreichen kulinarischen und kulturellen Zusatzangebots genießen zu können. Vielleicht verbunden mit ein oder zwei Übernachtungen in den schlosseigenen Ferienwohnungen oder bei anderen Vermietern im malerischen Städtchen.

Schloss Langenburg und Deutsches Automuseum

Schloss 1 74595 Langenburg

Tel. 07905 94 190 34 museum@schlosslangenburg.de www.schloss-langenburg.de

AUDIOGUIDE SCHLOSSMUSEUM LANGENBURG

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www.museum.de/m/5893
Fotos: Die Fürstlichen Gartentage: immer wieder einen Besuch wert © Schloss Langenburg
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Die Lohgerberei des Friedrich Francke

Ein sehenswertes Technisches Schaudenkmal in Weida

Autor: Erkan-Joachim Müller

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Technisches Schaudenkmal – die Lohgerberei am Fuße der Osterburg. Foto Marcus Daßler, Bildfeuer © Archiv der Stadt Weida

Das Gerberhandwerk in Weida

In der Osterburgstadt Weida hat das Gerber- und Schuhmacherhandwerk eine lange Tradition. Aus den Stadtstatuten der Vögte von 1377 geht hervor, dass das Gerben von Häuten und Fellen dazumal noch von den Schuhmachern betrieben wurde.

1581 trennten sich die Schuhmacher und Gerber und gründeten jeweils ihre eigenen Innungen. Im späten Mittelalter schwankte die Zahl der Gerbermeister in Weida zwischen sieben und vierzehn.

Die Gerbereien waren immer auf viel Wasser, möglichst ießendes Wasser angewiesen, denn bei den einzelnen Arbeitsgängen mussten die Felle immer wieder gewässert werden, um sie von den für die Gerbung notwendigen Zusätzen zu befreien. Bevor Häute also in Gerbgruben eingelegt wurden, hängte man sie früher direkt in Flüsse, Bäche oder Gräben. Aus der Zeit stammt wohl auch das Sprichwort: „Jemandem schwimmen die Felle davon.“ Dies passierte bei Hochwasser oder einem Unwetter so manchem Gerbermeister.

Mit der 1708 von Johann Christoph Francke gegründeten Lederfabrik kam langsam, aber unaufhaltsam die Zeit, wo aus Gerbermeistern Lederfabrikanten wurden. Über Generationen wurde in dieser Fabrik schweres Sohlenleder nach der Methode der altdeutschen Grubengerbung hergestellt.

Auf der Grundlage jahrhundertealter handwerklicher Tradition entwickelte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Stadt Weida zu einem Zentrum der Lederherstellung und -verarbeitung. Das Rohmaterial für die Gerbereien wuchs längst nicht mehr im eigenen Umfeld heran. Mehr und mehr wurden Felle und Häute aus anderen Ländern importiert. Das in Weida hergestellte Leder erfreute sich auf Grund seiner guten Qualität stets einer großen Nachfrage.

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Die Lohgerberei „Friedrich Francke“

So begann vor fast 180 Jahren auch die Gerberei Francke in der Unteren Straße 6 mit der Lederherstellung. Johann Friedrich Francke gründete 1844 seine Lohgerberei direkt an der Weida. Die Produktion von Sohlenleder für Stiefel und Schuhe wurde über vier Generationen fortgeführt und erst nach der Wende endgültig eingestellt.

Als Anfang der 90er Jahre des 20. Jh. der letzte Besitzer der Lohgerberei, Friedrich Francke, die Produktion aus Altersgründen einstellte, bemühte er sich bei verschiedenen Behörden um den Erhalt der technischen Anlagen. Friedrich Francke war sehr daran interessiert, das traditionsreiche Handwerk zumindest als Schauobjekt für spätere Generationen zu erhalten.

1995 wurde das Werkstattgebäude mit den Einrichtungsgegenständen in das Denkmalbuch eingetragen. Seither genießt es den staatlichen Schutz, der allen Kulturdenkmalen als Quellen und Zeugnisse der menschlichen Geschichte und Entwicklung zukommt.

Als der alte Gerbermeister im Jahr 2000 verstarb, standen die Erben vor der schwierigen Aufgabe, die Arbeit in seinem Sinne fortzuführen.

Übernahme durch die Stadt Weida

Nach Verhandlungen mit der Stadt Weida zeichnete sich eine Lösung ab. Im Jahr 2001 beschloss der Stadtrat den Kauf des

Objektes für einen symbolischen Preis. Im Juli 2001 übernahm die Stadt Weida dann das Objekt von der Erbengemeinschaft, um es künftig als Technisches Schaudenkmal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit übernahm die Stadt auch die verantwortungsvolle Aufgabe, dieses Zeugnis der Industriegeschichte zu bewahren und zu erhalten.

Nach ersten Sicherungsarbeiten an der Gebäudesubstanz und umfangreichen Maßnahmen, die der Sicherheit der Besucher dienten, konnten bereits im 2. Quartal 2002 erste Führungen durch das Technische Denkmal angeboten werden. Schon im Jahr 2004 erhielt das Gerbereimuseum den Thüringischen Denkmalschutzpreis.

Betreibung als Technisches Schaudenkmal

Mit viel Engagement kümmern sich ehrenamtliche Mitarbeiter um die Betreibung des Objektes. Ehemalige Gerber und interessierte Weidaer Bürger konnten für notwendige Wartung und P ege der Anlagen, für die Gestaltung der Ausstellungen, aber auch für die Führung von Einzelpersonen und Besuchergruppen gewonnen werden.

Linke Seite: Gerber-Handwerk. Fotos: Lutz Zürnstein

© Archiv der Stadt Weida

Rechte Seite, oben: Die Lohgerberei in Weida

Foto: Marcus Daßler, Bildfeuer © Archiv der Stadt Weida

Rechte Seite, Mitte links: Rohhautlager

Rechte Seite, Mitte rechts: Echte Handwerkskunst

Fotos: © Martina Bosse

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Altdeutsche Grubengerbung. Foto: © Martina Bosse

So ist es immer wieder beeindruckend, wenn ein Mitarbeiter in Arbeitskleidung die Gäste begrüßt und ihnen die Anlagen so kenntnisreich erläutert, als steckte er mitten in der Arbeit.

Wer das Industriedenkmal der besonderen Art besucht, taucht in das 19. Jahrhundert ein. Noch immer riecht es in den Räumen nach Lohe und Leder, die alten Gerbgruben sind zum Teil noch gefüllt.

Die alten Maschinen, wie die Lohmühle und die Ent eischmaschine funktionieren noch. Die Lederwalze kann mittels beeindruckender Transmissionen in Betrieb genommen werden und die kleine Dampfmaschine von 1855 neben dem Kesselhaus mit 12 PS Leistung ist eine echte Rarität.

In der Lohgerberei kann man erfahren, wie viele Arbeitsgänge nötig sind, bis aus einem Stück Rinderhaut ein haltbares Sohlenleder geworden ist. Ein gutes Jahr dauerte das.

Die Grubenhöfe mit den alten Gerbgruben sind beeindruckende Zeugen der früheren Lederherstellung. Bei der altdeutschen Grubengerbung wurde die Rohhaut mit Rindenlohe behandelt. Lohe ist gemahlene Baumrinde. Zu 95 % verwendete man dazu Fichtenrinde. Diese Methode kam ohne chemische Zusätze aus und schonte die Faserstruktur der Rinderhaut.

Im angrenzenden Wohnhaus der Familie Francke entstand ein kleines Museum. Aus Beständen des Osterburgmuseums und mit zahlreichen privaten Expona-

ten wurde eine interessante Ausstellung gestaltet. Hier erfährt der Besucher alles Wissenswerte über das Gerberhandwerk und die Lederindustrie in Weida. Die Wohnung des letzten Gerbermeisters und eine kleine Schusterstube runden die Ausstellung ab.

Das Schaudenkmal kann nur in Begleitung durch einen sachkundigen Führer besichtigt werden. Individuelle Rundgänge sind auf Grund von Sicherheitsvorschriften nicht möglich.

So ist auch die Nutzung eines Audioguides an die Anwesenheit eines Mitarbeiters gebunden. Nach dem Rundgang lädt der „Gerberkeller“ zu einer „Weidschen Lohbrühe“ ein. Das ist ein feiner halbbitterer Kräuterlikör.

Oben: Die Lohgerberei in der Unteren Straße

Foto: Marcus Daßler, Bildfeuer © Archiv der Stadt Weida

Unten: Gerberfass zum Walken

Foto: © Martina Bosse

Technisches Schaudenkmal Lohgerberei

Untere Straße 6 07570 Weida

Tel. 03 66 03 - 713 50 info@weida.de

www.weida.de/kultur-und-freizeit/ lohgerberei

www.museum.de/m/44980

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AUDIOGUIDE TECHNISCHES SCHAUDENKMAL LOHGERBEREI

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Filterbox für Vitrinen

Optimaler Schutz für einzigartige Exponate

Autor: Volker Reier

Museen, Ausstellungshäuser und andere kulturbewahrende Einrichtungen verfügen über bedeutende Kunst- und Kulturgüter von teilweise unschätzbarem Wert. Zu ihrem Schutz werden viele dieser Exponate in Vitrinen präsentiert. Aber auch dort sind sie einer Vielzahl von Ein üssen ausgesetzt.

Dazu gehören Parameter wie Temperatur, Licht und relative Feuchtigkeit, aber auch Emissionen aus:

• den Vitrinenbaumaterialien

• den Exponaten

• den Museumsräumen

• den von außen eingetragenen

Je nach Dichtheit der Vitrinen, selbst wenn sie zu 100 % aus emissionsfreien Materialien herstellbar wären (Theorie), reichern sie sich mit Schadstoffen an.

Emissionen gelangen in diese Vitrinen aus den Baumaterialien, aus den Museumsräumen und gegebenenfalls auch aus den Exponaten.

So wird die Vitrine selbst zur Gefahr für das Kunst- und Kulturgut

Im Rahmen eines Modellprojektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zur Entwicklung und modellhaften Anwendung einer innovativen multiparametrischen Sensoriklösung wird festgestellt:

„Die Gefährdung von Kunst- und Kulturgut durch schädigende, maßgeblich anthropogene Umgebungsein üsse ist kein neues Phänomen, rückt jedoch aufgrund vermehrt bekannt gewordener Schadensphänomene verstärkt in das Bewusstsein von Entscheidungsträgern wie Restauratoren, Kuratoren und Architekten, die mit der Konzeption und Realisierung von Ausstellungen betraut sind. Der präventive, also vorbeugende Schutz des national wertvollen Kunst- und Kulturgutes vor unerwünschten anthropogenen Ein üssen kann aber nur über eine möglichst frühzeitige Erkennung der Fremdstof ast erfolgen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine objektspezi sche und eng getaktete Überwachung der Objekte in den

Ausstellungsvitrinen oder geschlossenen Aufbewahrungsorten erforderlich ist.“

Die langjährigen Forschungen der Vitrinenund Glasbau REIER GmbH auf diesem Gebiet und die Messungen verschiedenster Vitrinenbaumaterialien, insbesondere der Dichtstoffe, mit dem Photoionisationsdetektor (PID) ppbRAE3000 haben zu der Erkenntnis geführt, dass Vitrinen grundsätzlich mit einer aktiven oder passiven Luft- und Schadstoff lterung ausgestattet oder auch nachgerüstet werden sollten.

Zu diesem Zweck hat REIER Filtergeräte entwickelt (Abbildung 1), die sowohl sichtbar auf dem Einlegeboden von Vitrinen wie auch unsichtbar unter diesem angeordnet werden können (www.reier.de/ Innovationen). Sie sind preiswert sowie einfach zu handhaben und vereinen ein schlichtes Design mit einem praxisorientierten Aufbau zur werkzeuglosen Wartung. Versuche ergaben, dass innerhalb von Tagen die VOC-Werte in Vitrinen um 90 bis 95% reduziert werden konnten (Abbildung 2).

Abbildung1: Filterbox Variante A mit Lüftungsgittern und Filterbox Variante B mit Schlauchanschlüssen

Gebrauchsmuster Nr. 20 2021 001 382

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[1]
[1]
Abschlussbericht
34671/01
13. Januar
„iAIR – Lab-on-Chip VOC-Sensorik” Modellprojekt zur Entwicklung und modellhaften Anwendung einer innovativen multiparametrischen Sensoriklösung …“
AZ
vom
2021

Dazu wurden die Gesamt-VOC in zwei baugleichen Vitrinen an identischem Aufstellort mit dem Photoionisationsdetektor (PID) ppbRAE3000 gemessen, wobei nur eine der beiden Vitrinen mit einem Filtergerät ausgestattet war. Für die mit Filtergerät ausgerüstete Vitrine zeigt sich im Gegensatz zur unge lter-

ten Vitrine ein deutlicher und schnell eintretender Abfall der VOC-Belastung binnen der ersten zwei Tage, die sich in den Folgetagen stetig weiter reduziert und auf einem minimalen Wert einpegelt. In weiteren Versuchen wurde auch der Wert 0 µg/m³ Luft erreicht.

Abbildung 2: Kurzzeit lterung

Werden Filtergeräte abgeschaltet, so steigen die VOC-Werte in Vitrinen wieder stark an (Abbildung 3).

Abbildung 3: Periodenhafte Filterung über 75 Tage

Bei ungefilterten Vitrinen bleiben die Emissionen über lange Zeiträume weitgehend konstant hoch (Abbildung 4).

Abbildung 4: Langzeitversuch ohne Filterung

Abbildung 5: Langzeitversuch mit Filterboxen FB 100 A

In der Ausstellung „Weltsicht und Wissen“ der Rüstkammer im Residenzschloss Dresden, die zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gehört, wurden die Filterboxen FB 100 A erfolgreich einer Langzeiterprobung in zwei Vitrinen unterzogen. Die Ergebnisse zeigt das Diagramm in der Abbildung 5.

Die in Abbildung 5 dargestellten Kurvenverläufe wurden auf Basis der an den beiden Vitrinen vorgenommenen vier Messungen unter Berücksichtigung der Erkenntnisse und Erfahrungen, die REIER bei allen anderen durchgeführten Versuchen und VOC –Messungen gesammelt hat, interpoliert.

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Dr. Michael Mäder, SKD, Forschung und wissenschaftliche Kooperation: „Wissenschaftler der SKD bestätigen nach den ersten Tests in der Museumspraxis die ausgezeichnete Handhabbarkeit des neuen Filtergerätes und seine schnelle Wirksamkeit bei der Verringerung der VOC – Belastung in den getesteten Vitrinen. Aus ihrer Sicht ist es immer vorteilhaft, den Einsatz eines Filtersystems mit aussagekräftigen Messungen zu begleiten. Die

Gesamt-VOC-Gehaltes der Vitrinen-Innenluft im Vergleich zur Situation im umgebenden Ausstellungsraum liefert wichtige Hinweise zu den konservatorischen Bedingungen für die Objekte in der Vitrine sowie zur Funktion der Filtersysteme und der Schutzwirkung der gesamten Vitrine.“

Die objektspezifische, eng getaktete Überwachung der Luftqualität in Vitrinen

und Räumen mittels Probeentnahmen und Bestimmung im Prüfkammerverfahren ist zeitlich und nanziell aufwendig. Alternativ dazu bietet REIER als Dienstleistung die kostengünstige Messung der VOC-Summenwerte mit dem bereits genannten PID-Messgerät an (Messgenauigkeit ±1 ppb ±2,3 μg) (Abbildung 6). Mit diesem können an einem Tag 20 bis 30 Vitrinen sowie mehrere Räume messtechnisch erfasst und ausgewertet werden.

Gern unterbreitet REIER ein Angebot für

• ein- oder zweimalige jährliche Emissionsmessungen mit schriftlicher Auswertung und Empfehlungen zu Filtermethoden/-möglichkeiten

• Filtergeräte, ggf. Nachrüstung und Umbau von Vitrinen

• Weitere Leistungen, wie Dichtheitsmessungen und ggf. daraus abgeleitete Wartungs-/ Reparaturarbeiten

Abbildung 6: Photoionisationsdetektor (PID) ppbRAE3000

Mit diesem Monitoring (möglichst zwei mal jährlich) und der ggf. erforderlichen Nachrüstung von Vitrinen mit Filtergeräten und / oder passiv wirkenden Filtermaterialien erhält der Auftraggeber regelmäßig einen Überblick über die Luftqualität in den Vitrinen und Räumen sowie zur Wirksamkeit der Filtergeräte und Filtermaterialien.

Die Kontrolle der Umgebung, in der die wertvollen Kunst- und Kulturgüter prä-

sentiert und auch gelagert werden sowie der vorbeugende Einsatz von aktiven und auch passiven Filtern reduziert die Notwendigkeit für intensive Konservierungen und spart somit Kosten.

Gleichzeitig ist das ein Beitrag zur Einhaltung einer der fundamentalen ethischen ICOM-Richtlinien zum Kulturschutz, das Bewahren und Erhalten von schützenswerten Sammlungsobjekten.

Vitrinen- und Glasbau REIER GmbH

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FOTO: © STEFAN LEITNER

Schwalmtal – die junge und lebendige Gemeinde am mittleren Niederrhein, eingebettet in eine Wald-, Seen- und Auenlandschaft liegt im Tal der Mühlen und bietet jedem, der sich mit Natur und dem Leben auf dem Lande verbunden fühlt, viel Reizvolles. Bei einem Streifzug durch den historischen Ortskern Waldniels, vorbei an der alten Befestigungsmauer aus Feldbrandsteinen gelangt der Besucher oder die Besucherin zur Heimatstube. So wird das Haus der ehemaligen Kaplanei heute liebevoll genannt. Schon gleich beim Eintreten fühlt man sich zurückversetzt in die gute alte Zeit, um die 1920er Jahre. Mit viel Liebe zum Detail wurden viele, – inzwischen mehr als 1000 – historische Gegenstände über die letzten Jahrzehnte zusammengetragen und in Themenzimmern als vollständige Wohnungseinrichtung zusammengeführt und ausgestellt.

Von der guten Stube über die Küche, die Waschküche, und ed Schöpke bis hin zum besonderen Stolz des Heimatvereines, der Webstube - mit einem vollständig erhaltenen und funktionstüchtigen Handwebstuhl im Erdgeschoss, gelangt der Besucher in die Schlafkammer, die Teestube und das Rossbachzimmer im Obergeschoß.

Zurück in die „Vergangenheit“

Heimatmuseum Waldniel erweckt mit historischem Interieur das Gefühl von „wets do noch wie ed vroi-er wo-ar“

Autorin: Alexandra Vahlhaus

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Linke Seite, oben: Von der Schmiede Siegers als Spende Linke Seite, Mitte: Die gute Stube wurde nur Sonntags und zu besonderen Anlässen geöffnet

Linke Seite, unten: Küche – das gesellschaftliche Leben fand fast immer in der „Kü-ek“ statt

Rechte Seite, oben: alte Waschküche mit Waschkessel und verschiedenen Wannen und Kaltmangel

Rechte Seite, unten: kurzes altes Bett für zwei Personen mit Bettschere, damit keiner heraus el. Im Waschtisch sind die Waschschüsseln für die Morgentoilette verborgen

Fotos: Markus Borsch Photography

© Gemeinde Schwalmtal

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Die Dame des Hauses erledigte hier bei Grammophon Musik ihren Schriftverkehr. Foto: Markus Borsch Photography © Gemeinde Schwalmtal
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Überall nden sich Werkzeuge der Leineweber und Gerätschaften aus vergangenen Zeiten, die erst beim zweiten Hinsehen und nach Erklärungen, des 1. Vorsitzenden Klaus Müller, auf „Neller Plott“, ihren Sinn erkennen lassen. Die Vergangenheit und das harte Leben der Hausweber ist hier zu spüren. Die Leinewäscherin auf dem idyllischen Marktplatz in Waldniel wurden den Leinewebern zu ehren gesetzt. Mit dem Wasser des Kranenbaches wurde das Leinen seinerzeit blütenweiß gebleicht.

In der Heimatstube nden sich hunderte alte Bücher und Zeitdokumente, hinter denen sich spannende Geschichten verbergen, die Klaus Müller mit große Hingabe zu erzählen vermag. Mit alten Gedichten, Geschichten und besonderen Begriffen möchte er das „Neller Plott“ bekannter machen und nicht aussterben lassen. Besonders auch kleine Gäste bestaunen die ausgefallenen Gerätschaften und bei den Schülerrundführungen der Grundschulen Schwalmtals kommen die Kinder aus dem Staunen nicht heraus, wenn sie die antiken Gegenstände sehen und über das harte Leben von früher erfahren. Viele Gemälde und nostalgische Photographien erwecken die 1920er- und 1930er-Jahre zu neuer Prominenz und wurden oft aus Erblassen von UrWaldnielern überbracht. Meist sind die überlassenen Schätzchen, wie Original-Möbelstücke, die verschiedenen Werkzeuge, ein Hochrad, eine Pumpe, ein Harmonium, ein Schleifstein und zahlreiche Kleinigkeiten ordentlich in die Jahre gekommen und werden vom Heimatverein zum Teil aufwendig restauriert. Das gesamte Team betreibt die Heimatstube ehrenamtlich und mit ganz viel Herzblut, um einfach der Nachwelt die Vergangenheit visuell zu erhalten. Auf Regionalität wurde bei der Sammlung besonders Wert gelegt und so manch eifriger Bürger, brachte und bringt immer wieder neue Schätze für das Haus hervor.

Linke Seite, oben: Schaukelpferd aus Waldnieler Familie von amerikanischen Soldaten für den kleinen Jungen der Familie gebastelt

Linke Seite, Mitte: Akkordeon für die abendlichen musischen Stunden, da es noch kein Radio gab

Linke Seite, unten: Schreibmaschine von Lehrer Pötter, der viele historische Dokumente verfasste

Fotos: Markus Borsch Photography © Gemeinde Schwalmtal

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Ein Besuch im Museum: Mit Sicherheit eine gute Zeit!

Glas ist ein allgegenwärtiger Bestandteil unserer Umgebung. Besonders im musealen Kontext soll es neben besonderen ästhetischen und qualitativen Ansprüchen auch die Anforderungen an hohe Sicherheitsbestimmungen erfüllen. Mit dem richtigen Glas können mehrere Funktionen gleichzeitig umgesetzt werden – und zwar sowohl im Außenbereich als auch im Interieur. Verschiedene Kombinationen aus Weißglas, Sicherheits- und Schallschutzglas oder Antireflexionsglas machen den Museumsbesuch zu einem besonderen Erlebnis und schützen dabei sowohl die ausgestellten Kunstwerke als auch die Besucher.

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Dieses kleine, aber feine Heimatmuseum ist weit über die Kreisgrenzen Viersens bekannt. Nach einigen Ortswechseln fand die Heimatstube erst 1989 ihr festes Zuhause auf der Niederstraße 52 im Herzen von Schwalmtal-Waldniel. Bis dahin zog die komplette Sammlung mehrfach um und erlebte mit dem vorhandenen Bestand eine regelrechte Odysse.

Heute, nachdem die Welt durch die Pandemie zeitweilen auf dem Kopf gestanden hat, die Veranstaltungen zur Erhaltung des Heimatmuseums, wie zB. der Mundart-

nachmittag ausgefallen sind, die Kunst und Kultur mit Online-Angeboten die Präsenz ersetzt haben, lag es nicht fern, auf den digitalen Zug aufzuspringen und zunächst einen YouTube-Kanal zu gründen. Bestärkt durch die gute Resonanz auf dieses moderne Medium, ergab sich nachfolgend der barrierefreie Audioguide. Auch wenn die persönlichen Kontakte, mit der Geschichte und dem „Neller Plott“, der im Audioguide beschriebenen Stationen, nicht zu ersetzten sind, so wurde mit dieser Technik, die Heimatstube wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt.

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Linke Seite: Statussymbol aus vergangenen Tagen

Rechte Seite: Stolz des Hauses Zimmer mit der Familie Rossbach

Fotos: Markus Borsch Photography

© Gemeinde Schwalmtal

Heimatstube Waldniel

Niederstraße 52

41366 Schwalmtal (Waldniel) Tel. 02163 - 4224

www.heimatvereinwaldniel.de klaus.lotzemer@googlemail.com

AUDIOGUIDE HEIMATSTUBE WALDNIEL

www.museum.de/m/2857

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Ausstellungsansicht des Moduls „Kunst des Hinduismus in Südasien“ des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum © Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel

Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst

Die Museen mit Schätzen der Weltkulturen aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien haben im September im Humboldt Forum in Berlin ihre Pforten eröffnet

Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin haben am 23. September ihre ersten Ausstellungsräume im Humboldt Forum eröffnet. Im zweiten und dritten Obergeschoss des Westflügels werden bedeutende Bestände der beiden Museen zu sehen sein, die bis vor vier Jahren in Berlin Dahlem ausgestellt waren, Etliches wird aber auch erstmals gezeigt werden. Auf mehr als 8.500 m2 Ausstellungs äche und in mehr als 30 Ausstellungsmodulen werden rund 10.000 Exponate gezeigt und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Mit den Sammlungen Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Amerikas im Humboldt Forum und jenen zur Kunst- und Kulturgeschichte Europas und des Nahen Ostens auf der Museumsinsel wird die Mitte Berlins zu einem wahren Ort der Weltkulturen.

Zu den Highlights gehören u.a. besondere Objekte wie ein 50 m2 großes chinesisches Bild einer Buddhapredigt aus dem 18. Jahrhundert, ein Thron aus dem Königreich Bamum (Kamerun) aus dem 19. Jahrhundert, Boote aus verschiedenen Regionen Ozeaniens, die teilrekonstruierten Höhlen der Seidenstraße, die Kunstschätze des

Hinduismus, japanische Stellschirme und vieles mehr. In die Ausstellungen integriert sind auch zeitgenössische künstlerische Interventionen, die sich unmittelbar auf die Sammlungen beziehen oder in Auseinandersetzung mit ihnen entstanden sind, etwa die raumgreifende „Township Wall“ des angolanischen Künstlers Antonio Ole oder ein als Kunstwerk gestaltetes Kleid der namibischen Modekünstlerin Cynthia Schimming. Spektakulär sind auch die Raumgestaltungen wie etwa der elliptische Hörraum der Musikethnologie vom chinesischen Architekten und Pritzker-Preisträger Wang Shu gestaltete Raum im Museum für Asiatische Kunst.

Linke Seite: Ansicht des Hörraums innerhalb des Moduls „Klänge der Welt. Erforschung des organisierten Klanges“ des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum

Rechte Seite: Großes Auslegerboot von der Insel Luf (Bismarck-Archipel, Papua Neuguinea) im Modul „Ozeanien: Mensch und Meer. Ein Meer von Inseln“ des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum © Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Fotos: Alexander Schippel

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Die Sammlungen und die gezeigten Objekte werden aus unterschiedlichen Perspektiven präsentiert oder kommentiert. Von Beginn an war es ein Anliegen der Kuratorinnen und Kuratoren, dem multiperspektivischen Blick zu folgen. Das bedeutet, dass die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und Mitgliedern von Herkunftsgesellschaften integraler Bestandteil des Ausstellungskonzeptes war. Dabei präsentieren die Museen nicht nur aktuelle, kooperative Forschung zu den Objekten und neue Ausstellungs- und Vermittlungskonzepte, sondern stellen sich auch der eigenen Sammlungsgeschichte und aktuellen postkolonialen Fragen. Die kritische Aufarbeitung der Provenienzen und Erwerbungskontexte ebenso wie deren Einbettung in die Kolonialgeschichte sind Teil der Erzählung im Humboldt Forum und werden die Arbeit an unseren Sammlungen auch zukünftig prägen.

Linke Seite: Magaaka-Kraft gur (Kongo, Yombe, 19. Jh) im Modul „Schaumagazin Afrika. Objektaneignung und Afrika-Illusionen“ des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum

Rechte Seite: Ausstellungsansicht des Moduls „Schaumagazin Afrika. Objektaneignung und Afrika-Illusionen“ des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum © Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Fotos: Alexander Schippel

Schaumagazin Afrika – Magaaka

Sammeln als Aneignung und Konstruktion der Welt, als Form der Durchsetzung von Hegemonie wie auch der Selbstpräsentation des imperialen Deutschlands wird im Zusammenhang mit dem Schaumagazin Afrika ebenso diskutiert wie die Frage der Deutungshoheit und Verfügungsmacht über die Sammlungen.

Die Exponate zeigen nicht nur, wie die Menschen in Afrika lebten, sie spiegeln ebenso die Weltanschauungen derjenigen wider, die sie sammelten und erwarben. Deshalb wird die Präsentation durch eine mediale Ebene mit Informationen zu den einzelnen Objekten, den Sammler*innen, der Erwerbungsgeschichte und den Sammlungskontexten ergänzt.

Mangaaka-Figuren sind in der Auseinandersetzung mit dem Vordringen des westlich dominierten Kapitalismus und dem Kolonialismus an der westafrikanischen Küste des ehemaligen Königreichs Kongo entstanden. Diese Skulptur, eine der weltweit nur noch 17 erhaltenen Mangaaka-Figuren, wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefertigt. Die riesigen, handtellergroßen Porzellanaugen sind direkt auf den Betrachter gerichtet, in der Höhe des Bauchnabels be ndet sich ein Loch. Ursprünglich war es der Aufbewahrungsort für verschiedenste wirkmächtige Substanzen, die der Figur Kraft verleihen sollten, damit sie die Gemeinschaft vor feindlichen Angriffen und Kriminellen schützen konnte. Die Eisennägel und -klingen im Körper dienten zur Besiegelung von Schwüren oder Verträgen und zu anderen juristischen Zwecken. Indem man einen neuen Metallteil in die Figur hieb, aktivierte man die Furcht erregende Kratt von Mangaaka. Jeder, der Unwahrheit sprach oder einen Vertrag nicht einhielt, lieferte sich der Verfolgung durch diese Kraft aus.

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Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: ,,Das ist ein großer Tag für die Stiftung und ihre Staatlichen Museen zu Berlin, aber auch für mich persönlich, bin ich mit dem Projekt Humboldt Forum doch seit dem Architektenwettbewerb 2007 so eng verbunden wie mit kaum einem anderen Großvorhaben der SPK. Endlich sprechen die Objekte, endlich sind wir in der Lage, den Besucherinnen und Besuchern zu zeigen, wie wir Weltkultur ausstellen wollen, was mir mit dem multiperspektivischen Blick auf unsere Sammlungen meinen, und wie wir mit den Herkunftsländern und Ursprungsgesellschaften zusammenarbeiten. Es war der Ursprungsgedanke des Humboldt Forums, hier einen Ort zu schaffen, um im Humboldtschen Sinne mehr über die Welt zu erfahren und gleichzeitig sich selbst zu re ektieren; hierin liegt auch die eigentliche Kraft und Botschaft der Objekte. Dabei haben wir Verantwortung für die Sammlungsgeschichte und ihre Einbettung in den Kolonialismus zu übernehmen, indem die Wege der Objekte offengelegt werden. Von zentraler Bedeutung aber ist die immer weiter wachsende Zahl von Kooperationen mit Partnern in aller Welt, die hier mitarbeiten, kuratorische Mitverantwortung übernehmen, und von denen wir lernen. Das Humboldt Forum muss ein kontinuierlicher Prozess des Miteinanders sein, nur so kann es die große Chance nutzen, hier über die Kraft der Kultur ein grundlegend neues Verhältnis zum globalen Süden zu entwickeln.“

Linke Seite: Ausstellungsansicht des im Kuppelraum be ndlichen Moduls „Turfan Sammlung Zentralasien“ des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum

Rechte Seite: Wuzhiqi, Schutzgeist der Flüsse und Huai und Guo (China, 12. – 18. Jahrhundert) im Modul „Kunst aus Ton. Die ostasiatische Studiensammlung“ des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum

© Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Fotos: Alexander Schippel

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Göttlichkeit in Polynesien

Von Beziehungen zwischen Dingen, Menschen und Gottheiten, von der Leben gebenden und nehmenden Kraft „mana“ und vom heiligen Zustand „tapu“ erzählt das Modul ,,Göttlichkeit in Polynesien“: Die polynesischen Gesellschaften waren bis ins 19. Jh. streng hierarchisch. An der Spitze stand der Geburtsadel, aus dem auch die Herrschenden stammten.

Die herrschenden Männer und Frauen galten als göttlichen Ursprungs: Durch sie nahmen die Gottheiten und vergöttlichten Ahnen Kontakt mit den Menschen auf. Sie garantierten und wachten über Gesundheit, Erfolg und Wohlstand der Menschen. Durch Opfergaben, Zeremonien und Tribute wurden sie geehrt und wohlwollend gestimmt.

Objekte standen im Mittelpunkt dieser Beziehungen zwischen Herrschenden und Gottheiten. Eins dieser beeindruckenden Objekte kann nun im Humboldt Forum bestaunt werden: Ein Federmantel aus Hawai‘i. Federmäntel (ahu ula) gehören zu den faszinierendsten Gegenständen von Hawaii. Frauen bereiteten die Federn vor und Männer befestigten Tausende von Federn auf einer Art Fischfangnetz und verarbeiteten sie zu den seltenen Mänteln. Die Mäntel waren Symbole der Macht und Göttlichkeit der Herrschenden und wurden zumeist bei Zeremonien nur von ranghohen Personen getragen. Zusammen mit einem Helm schützten sie die heiligsten Körperteile eines Herrschers, Kopf und Rückgrat. Die Mäntel waren selten und wurden unter ranghohen Personen vererbt.

Oben: Federmantel (Hawaii, vor 1819) im Modul „Kunst aus Ozeanien. Ritual und Ausdruck“ des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum © Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Fotos: Alexander Schippel

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Michael Eissenhauer , Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, ergänzt: ,,Ich freue mich sehr, nach langjähriger, umzugsbedingter Abstinenz, die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum wieder für unsere Besucherinnen und Besuchern eröffnen zu können. Damit ist auch der einzigartige kulturelle Verbund der Staatlichen Museen endlich wieder in seiner universellen Vielfalt und Breite öffentlich zugänglich. Anders als am ehemaligen Museumsstandort Dahlem ist nun in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Sammlungen der Museumsinsel Berlin die historische Möglichkeit gegeben, Kunst und Archäologie aus den verschiedensten Regionen und Kulturen der Welt in Einklang zu bringen und in Dialog miteinander zu setzen. Dies unterstreicht nicht nur international die herausragende Bedeutung des Verbundes der Staatlichen Museen zu Berlin, sondern wird ab sofort und künftig auch für das Publikum hier im Herzen der Stadt Berlin in spannenden wie überraschenden Ausstellungen und Konstellationen sichtbar sein.“

Ziel der Ausstellung im Humboldt Forum ist es, die Multiperspektivität auf die Objekte und die Geschichten sichtbar und hörbar zu machen, und dies so partizipativ und inklusiv wie nur möglich. Im Rahmen der Neu-Präsentation der beiden Museen wird daher sehr vermittlungsorientiert gearbeitet – etwa mit einem durchgängigen Einsatz von Gra k, digitalen Medien und deutlich ausgewiesenen Flächen für Familien, Kinder und Jugendliche.

Die Inhalte der von Ralph Appelbaum Associates in Zusammenarbeit mit den Kurator*innen konzipierten und gestalteten Dauerausstellungen sollten möglichst exibel und „beweglich“ gehandhabt werden. Durchgesetzt hat sich dadurch eine sehr modulare Struktur der Ausstellung. Einerseits gibt es geräumige, hohe Säle mit gewichtigen Großobjekten. Daneben werden „klassische“ objektzentrierte Ausstellungsbereiche mit Vitrinen und Podesten eingerichtet (z.B. im Fall der „Sakralen Kunst in China und Japan“ oder der Religiösen Kunst Südasiens, ,,Kunst des Buddhismus in Südasien“).

In den Schaumagazinen und Studiensammlungen beider Museen mit ihren jeweils verdichteten Objektpräsentationen in großen Vitrinen-Konstruktionen werden die Sammlungsbestände nach unterschiedlichen Themenschwerpunkten in einer ästhetischen Magazin-Anmutung gezeigt. Sie unterstreichen dabei die Bedeutung von Sammlungen als Grundlage eines jeden Museums, aus der Ausstellungen und andere Projekte immer wieder neu entwickelt werden können. In allen werden unter anderem das Sammeln und die Sammlungsgeschichte und damit auch die Provenienz der gezeigten Exponate thematisiert.

Linke Seite: Ausstellunsansicht des Moduls „Das hösche Indien“ des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum

Rechte Seite: Parvati oder Uma, die Göttin Shivas als Prozessions gur (Südindien, 14.-16. Jahrhundert) im Modul „Kunst des Hinduismus in Südasien“ des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum

© Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Fotos: Alexander Schippel

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Lars-Christian Koch , Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst: ,,Wir sind zurück auf der Insel! Nirgendwo auf der Welt gibt es einen solchen Rundgang durch die Geschichte der Weltkulturen. Für uns spielen dabei die Gegenwartsbezüge der Sammlungen eine herausragende Rolle. Die Ausstellungsgestaltung ist spektakulär, viele unserer Objekte wurden schon lange nicht mehr oder noch nie gezeigt. Wir wissen wohl, welche Verantwortung wir gegenüber unserer Sammlungsgeschichte haben. Aber: Wir werden und wir müssen mit den Widersprüchen im Humboldt Forum leben. Wir müssen sie produktiv werden lassen. Ein großes Anliegen ist uns die Bildungs- und Vermittlungsarbeit. Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien wird mit über den Erfolg unserer Ausstellungen entscheiden.“

Vier große Familienflächen richten sich an Familien, Kinder und Jugendliche. In Aktionsräumen und Meetingpoints nden zudem verschiedene Gruppenaktivitäten oder kleinere Veranstaltungen für bis zu jeweils max. 50 Personen statt. Erste Wech-

selausstellungs ächen werden eröffnet: Diese zusammen mit der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss realisierten Ausstellungen ermöglichen durch ihren wechselnden Charakter eine raschere und exiblere Bezugnahme auf aktuelle Themen, Fragen, Entwicklungen und Herausforderungen im globalen Kontext. Die Wechselausstellungs ächen sind mit Eröffnung des Ost ügels Mitte 2022 auf 15 Räume im 2. und 3. Geschoss verteilt. Vier dieser Räume sind Introräume und geben eine allgemeine Einführung in die Themen der Geschosse.

Zahlreiche Angebote widmen sich der Vermittlung der Herkunft der Objekte in den Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst und den damit verbundenen Fragestellungen und möglichen Problematiken: So führt etwa ein Begleitheft anhand ausgewählter Sammlungskontexte und Objekte in die Vielfalt und Herausforderungen der Provenienzforschung ein und erklärt, warum es wichtig ist, die Herkunft der Stücke in kulturellen Kontexten zu erforschen und wie man dabei vorgeht. In Führungen werden

die Besucher*innen in persona von den Provenienzforscher*innen durch das Haus geführt und haben die Gelegenheit, in ein direktes Gespräch zu möglichen problematischen Provenienzen zu treten.

Auf die Geschichte des Berliner Schlosses, das auf vielfältige Weise mit den Museen und Sammlungen nicht nur über die Keimzelle der historischen Kunstkammer verbunden ist, verweisen verschiedene Objekte im Rahmen der gemeinsam mit der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss gestalteten „Spuren“. Schließlich wird das Raumprogramm der Dauerausstellung um interdisziplinäre, naturwissenschaftliche „Blickfenster“ in Zusammenarbeit mit dem Naturkundemuseum Berlin und dem Botanischen Garten, Botanisches Museum, ergänzt.

Ein Highlight dürfte ganz sicher der von Wang Shu gestaltete Saal zur chinesischen Hofkunst sein. Er beleuchtet die gegenseitigen künstlerischen Ein üsse zwischen China und Europa. Die Arbeit wurde großzügig vom Kuratorium Preußischer Kulturbesitz unterstützt. ,,Für uns war es wichtig, das Werk dieses bedeutenden Architekten zu unterstützen. Das ist ein Beispiel für shared heritage im besten Sinne. Kulturgüter tragen etwas Verbindendes in sich, das aktiviert werden muss, um seine Wirkung zu entfalten. Genau darum geht es uns“, sagt Helen Müller, die Vorsitzende des Kuratoriums Preußischer Kulturbesitz.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei einem Festakt am 22. September die Präsentationen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst eröffnet. Die Festrede hielt die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie.

Ausstellungsansicht des Moduls „Kunst und Kult. Sakrale Kunst in China und Japan“ des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum

© Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel

Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum

Schloßplatz

10178 Berlin Tel. 030 - 99 211 89 89

www.humboldtforum.org

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