MFG - Das Magazin / Ausgabe 47

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MFG URBAN

DIE GROSSE LIEBE. 1966 heiratet Weidinger seine Emmi. Noch heute leuchten seine Augen, wenn er von ihr erzählt. „Sie war nicht nur unheimlich hübsch, sondern v. a. blitzgescheit!“

den für ihn, wie er es formuliert, auch die ersten Nachkriegsjahre. „Ich musste ja plötzlich alles mit links machen – links zeichnen, links schreiben lernen – das kann ich bis heute nicht sehr gut.“ Trotzdem beißt sich der junge Mann auf der technischen Hochschule durch und avanciert 1956 zum staatlich geprüften Baumeister. Dass er trotz seiner Behinderung nicht vor „Selbstmitleid“ zerfließt, verdankt er seiner robusten, stets lebensbejahenden Art. „Ich war immer ein positiver Mensch! Außerdem gab es doch so viele schöne Mädchen und Vergnügungen“, lächelt er verschmitzt. Die schönste von allen war aber Emmi, die er gegen Ende der 50’er Jahre bezeichnenderweise in der „Kurvenbar“ – auch diese selbstredend in seinem Wagramer Grätzel situiert – kennen und lieben lernt. „Emmi war die große Liebe meines Lebens“, schwärmt er, und noch heute beginnen seine Augen zu leuchten, wenn er von seiner verstorbenen Gattin erzählt. „Sie war nicht nur unheimlich hübsch, sondern vor allem blitzgescheit.“ Die ehemalige RAVAG Journalistin, die späterhin selbst zur St. Pöltner Ikone avancierte, weil sie mit ihrer Boutique EMMI quasi die Haute Couture in St. Pölten einführte, bringt drei Kinder in die Beziehung 36

mit ein – für damalige Verhältnisse, wir befinden uns im SechzigerjahreMief einer prüden Provinzstadt, Grund genug für echauffiertes Getuschel hinter vorgehaltener Hand. Die Nonkonformisten Sepp und Emmi lassen sich davon aber nicht entzweien, und heiraten schließlich – wenngleich geheim – 1966 in Salzburg. Der Beginn einer lebenslangen Ehe. Als Emmi 2002 überraschend stirbt, ist das „der größte Schmerz meines Lebens“, wie Weidinger gesteht. Wieder ist es seinem lebensbejahenden Naturell zu danken, dass er die tiefe Trauer schließlich überwindet. „Ein Mensch muss das aushalten“, sagt er heute fatalistisch, und seine „Bibi“, wie er seine Frau nannte, scheint nach wie vor allgegenwärtig. Nicht nur, dass bereits das Haus selbst, das zum Großteil von ihr geplant worden war, Ausdruck ihres weltoffenen und großzügigen Charakters darstellt, hat Weidinger zudem überall Bilder des gemeinsamen Lebens aufgehängt. Auch ihr Zimmer hat er so belassen, wie es war. Der „rote“ Baumeister Emmi hat auch Weidingers gesamtes Berufsleben, alle Höhen und Tiefen, von Anfang an miterlebt und mitgelebt. Als Weidingers Vater 1959

stirbt, übernimmt der Sohnemann gemeinsam mit seiner Schwester den väterlichen Betrieb. Was wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, ist vor allem eine Herzensangelegenheit. „Am Bauen hat mich eigentlich alles interessiert: Das Handwerk, die Baustoffe, das Planen, die zwischenmenschlichen Prozesse.“ In seinem Buch, und das gibt durchaus Einblick in seinen Zugang zum Beruf, hat er dem Kapitel über das Bauunternehmen folgendes Zitat vorangestellt: „Du musst geben, bevor du nimmst, und bauen, bevor du wohnst.“ Bauen als Prozess, „in dem es immer um ein Miteinander geht.“ Und auch um Netzwerken, Umgarnen, Einkochen – eine Klaviatur, die der gesellige und leutselige Baumeister ausgezeichnet zu spielen versteht: „Das war sicher eine Stärke von mir. Im Grunde genommen war ich ja mein Leben lang auf Auftragssuche.“ Aufträge, die er mit Fortdauer der Jahre mit zunehmendem Maße vor allem von SPÖ-nahen Institutionen, Genossenschaften, Gemeinden und Betrieben bekommt, was ihm alsbald den Titel „roter Baumeister“ einträgt. Eine politische Punzierung, die aber weniger parteipolitischer Überzeugung, denn kühler Pragmatik geschuldet scheint. „Ich bin in Wahrheit kein politischer Mensch! Tatsächlich ist die ganze Parteipolitik ja kindisch. Es geht immer nur ums Gewinnen, nie ums Teilen. Aber durch die Politik haben sich Zugänge erschlossen. Und da die schwarze Hemisphäre damals schon von Julius Eberhardt besetzt war, blieb mir nur die rote“, schmunzelt er. Club 45 In dieser steigt er bis in die höchsten Kreise auf. Parteisekretäre, Gewerkschaftsbosse, Spitzenfunktionäre, Bürgermeister, Genossenschaftspräsidenten, ja selbst Bundeskanzler Kreisky und sein Stab zählen zu Weidingers Gästen und Freunden. Auch im berühmt-berüchtigten Club 45 von Udo Proksch wird er Mitglied,


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