MFG - Das Magazin / Ausgabe 60

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TEXT: Michael Müllner | Fotos: MARTENSEN/Orlando Florin RoSu/Blende11-Fotolia.com

Big City Lights Ein Stadtstatut ist an sich ein feines Ding. Die Bundesverfassung sieht vor, dass es Städten ab 20.000 Einwohnern verliehen werden kann. Also ein „Klub der Großen“ in einem Bundesland. Eine Bezirksverwaltungsbehörde verschafft nicht nur Dienstposten, die man besetzen muss, sondern auch einen gewissen Gestaltungsspielraum. Wie groß der ist, darüber kann man streiten, ist doch die Verwaltung sowieso an Landes- oder Bundesgesetze gebunden und der Spielraum für die Gemeindepolitik somit begrenzt. Zudem ist es sogar umstritten, ob man als Stadt denn sein Statut einfach so wieder abgeben könnte, frei nach dem Motto: „Den Aufwand tun wir uns nicht mehr an.“ Im Jahr 2011 wurde das Thema im Wahlkampf von der St. Pöltner ÖVP zur Diskussion gestellt, in die Tiefe ging dabei niemand. Verlässliche Zahlen, was sich die Stadt St. Pölten an Kosten sparen würde, fehlen. Und wie groß der Benefit für die Stadt ist, lässt sich noch schwerer beziffern. Als Bürger kann es einem ja auch egal sein, ob am Türschild des Amtsgebäudes nun Magistrat oder BH steht. Irgendwer muss den Passantrag ja abstempeln und die Ausstellung veranlassen, oder? Doch hier wird es spannend. Denn die richtige Größe der Verwaltungseinheit macht sehr wohl einen Unterschied, wenn es um Effizienz, Qualität und Sparsamkeit geht. Klein ist teuer Zumindest wenn man den Rechnungshof ernst nimmt. Dieser hat nämlich 2014 in einem Bericht mit Blick auf Niederösterreich und die Steiermark ermittelt, wie die Bezirksverwaltung im Hinblick auf die Einwohnerzahl möglichst effizient organisiert werden kann. Der wesentliche Kostenfaktor dabei ist naturgemäß der Personalaufwand. Kleine, einwohnerschwache Bezirke verursachen bei den Bezirkshauptmannschaften relativ höhere Per-

Ich sehe kein Einsparungspotential bei der Zusammenlegung von BH und Magistrat St. Pölten. Bürgermeister Matthias Stadler sonalkosten als größere Einheiten. Kleine Bezirke unter 40.000 Einwohner verzeichnen einen „um etwa zwei Drittel höheren Personalaufwand je Einwohner als große Bezirkshauptmannschaften über 80.000 Einwohner“, so der Bericht. Ab etwa 80.000 Einwohnern waren dann keine nennenswerten Größeneffekte mehr erkennbar. Der Rechnungshof rechnete auch aus, dass das Einsparungspotential bei jährlich rund zwölf Millionen Euro liegen würde, wenn in Niederösterreich sehr kleine und kleine Bezirke unter 60.000 Einwohner zusammengelegt würden. Als angenehmen Nebeneffekt für die Bevölkerung stellte der Rechnungshof auch eine „Qualitätssteigerung bei der Leistungserbringung“ in Aussicht. So wäre es für die Behörde leichter qualifizierte Urlaubsvertretungen sicherzustellen und auch bei Spitzenzeiten eine kurze Verfahrensdauer zu gewährleisten. Zudem könnten sich größere BHs leichter spezialisieren und auch seltene Aufgaben professionell bewältigen. Rechnen wir zusammen St. Pölten-Stadt kommt auf rund 53.500 Einwohner, der Bezirk St. Pölten-Land auf rund 99.100 Einwohner. Eine zusammengelegte Bezirksverwaltung aus Stadt und Land wäre für mehr als 152.000 Menschen zuständig. Ab dem Jahreswechsel, mit den sechs eingangs erwähnten neuen Gemeinden, wären wir sogar bei über 182.000 Einwohnern. Ein theoretischer Riesenbezirk, deutlich größer als der größte Bezirk Niederösterreichs derzeit: Baden hält bei stolzen 144.000 Einwohnern, gefolgt vom nun aufgelösten Bezirk Wien-Umgebung mit 120.000 Einwohnern und Mödling mit 118.000 Einwohnern.

Würde man hingegen Krems-Stadt mit 24.000 und Krems-Land mit 57.000 Einwohnern zusammenlegen, wäre man auf 81.000 Einwohner – ziemlich genau dort, wo laut Rechnungshof eine effiziente Verwaltung beginnt. Auch im Waldviertel könnte man aus zwei, drei kleinen Bezirken durch Zusammenlegungen auf 80.000 bis 100.000 Einwohner kommen. Besonders einwohnerschwach und daher aus Sicht des Rechnungshofs wenig effizient ist die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld mit nur 26.000 Einwohnern. Wagt jemand den sündigen Gedanken, Lilienfeld mit seinem Nachbarbezirk St. Pölten oder Scheibbs zusammenzulegen? Das Land NÖ jedenfalls sprach sich dem Rechnungshof gegenüber „dezidiert gegen eine Zusammenlegung von BHs aus“ und verwies auf das „auch in der Landesverfassung festgeschriebene Bekenntnis des Landes NÖ zur Dezentralisierung“. Viel eher würde man den Weg von Kompetenzzentren weitergehen. Kleine BHs, die gewisse Aufgaben selten ausführen müssen, könnten sich in diesen Dingen an kompetentere BHs wenden. Für die Bevölkerung sei laut dem Land NÖ zudem „nicht die Fahrzeit zwischen zwei Bezirkshauptorten relevant, sondern die Fahrzeit von ihrem Wohn- oder Arbeitsort zur Bezirkshauptmannschaft.“ So wäre man von Annaberg zur BH Lilienfeld derzeit 26 Minuten, zur BH Scheibbs jedoch bereits 35 Minuten und zur BH St. Pölten 53 Minuten unterwegs, rechnete man dem Rechnungshof vor. Long way home Wie oft besuchen Sie Ihre Bezirkshauptmannschaft? Der Rechnungshof kam bei einer Analyse der „Anlasszahlen“ zum Ergebnis, dass

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