MFG - Das Magazin / Ausgabe 58

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TEXT: Beate Steiner | Fotos: Ina Aydogan, krasa, Martin joppen

Spiel in die Wirklichkeit kippen. Bei der täglichen Rush und Bildungsstandort, Kultur- und Gesundheitsstandort, Hour, verursacht durch Bobby Cars, kollidierte ein älsie müssen Grünräume und Erholungsmöglichkeiten anteres Ehepaar mit einem Kinderauto, erregte sich darübieten und den gewachsenen Kern erhalten und pflegen.“ ber und wurde von der wütenden Menge beschimpft. Die Die Zukunftsforscher sprechen da von „Great Cities“ – nicht groß, aber mit dem Anspruch, großartig zu sein: meisten Einheimischen aber spielten gern mit, bauten mit Wachstum mit starken Wurzeln statt Reißbrett. Bauklötzen ihre Stadt auf der riesigen Luftaufnahme von David Mock sieht St. Pölten unter diesen Aspekten in Karlstetten, die am Sportplatz ausgebreitet war – oder sie eine positive Zukunft steuern, denn „die beschriebene suchten dort ihr Haus und ihren Garten. Das war nicht Vielfalt ist gegeben.“ Die immer leicht zu finden im in Schwerpunkte in Richtung Bezirke aufgeteilten MillioStädte mit Zukunft „Centrope Stadt“, Innovanendorf mit St. Pölten als 10. tions- und Kreativstadt und Bezirk. setzen auf ein qualitavor allem die Entwicklung Anonymität wie in der tives Wachstumsmodell. zur „Gesundheitsstadt“ U-Bahnstation, ReizüberfluDavid Mock, Trendforscher seien richtig gewählt: „Die tung und Überangebot wie Bevölkerung wird im Durchin den Konsumtempeln, Verschnitt weiter altern und will dabei gesund bleiben — kehrsinfrastruktur und kulturelle Vielfalt, mehr Bildungs­ auch das ist ein Megatrend.“ Entscheidend sei jetzt noch, angebote und größere Job-Chancen, ein vielfältigeres Freidass die Infrastruktur fit und dass die Stadt durch kluge zeitangebot und bessere medizinische Versorgung – all das Verkehrskonzepte verbunden gehalten wird, „denn das sind Phänomene, die mit Urbanisierung verbunden sind. Wachstum soll ja einen Rahmen haben.“ David Mock: Auch die steigende Kriminalität. Und die zeigte sich unge„St. Pölten ist auf einem guten Weg, auch als urbaner Anplant zum Abschluss des Großstadtspiels: Teile der Utopieziehungspunkt für die umgebende Region.“ Stadt wurden von Vandalen zerstört: „Das war der Geist von Karlopolis“, kommentierte donhofer. St. Pölten wird urbaner. Von einer Metropole wie dem erdachten Karlopolis ist Niederösterreichs Landeshauptstadt noch weit entfernt. Allerdings ist St. Pölten im österreichischen Maßstab auch keine Kleinstadt mehr. Sagt David Mock, Trend-Analyst am Zukunftsinstitut und Autor des Kapitels „Urbanisierung“ in der aktuellen MegatrendDokumentation des Zukunftsinstituts. Überhaupt greife die Kategorisierung zu kurz: „Urbanisierung, also Verstädterung, ist ein Megatrend, der weltweit wirkt, und da geht es um ganz andere Dimensionen“, erklärt der Trendforscher. Er sieht eine Auseinandersetzung zwischen dem asiatischen Modell der Megacity und den europäischen Städten als Basis unseres Kulturmodells. Als Beispiel nennt Mock Chongping, die Stadt, die in China am stärksten wächst. Fast 30 Millionen Menschen leben da. Es dominiert Einheitsarchitektur, traditionelle Stadtteile mussten Wolkenkratzern weichen, die Stadtfläche ufert aus, hat etwa die Fläche von Österreich. „Das ist ein quantitatives Modell, Wachstum um fast jeden Preis“, so Mock. Demgegenüber steht das europäische Stadtmodell: gewachsene, dicht verbundene Städte mit einem klaren Stadtkern. David Mock: „Dieses Modell wird gerade neu erfunden. Städte mit Zukunft setzen auf ein qualitatives Wachstumsmodell, dafür müssen sie nicht groß sein. Aber sie müssen einen ganzheitlichen Anspruch an die Qualität der Stadt haben, alles sein und auch alles sein wollen: Wirtschafts-

Die Karlstettner werden angeregt, gemeinsam mit den Besuchern über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihres Ortes zu reflektieren. Christina Gegenbauer und donhofer. MFG 06.16

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