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Wirtschaft
«Jeder Baum wirft Schatten» Marcel Walker (*1973) ist Künstleragent («Bretterwelt»), Kantonsrat (FDP AR), Verwaltungsrat (u. a. Meteomatics, OnlineDoctor, Raiffeisenbank Appenzeller Hinterland), Geschäftsführer (Fortyone AG) – und Gastrounternehmer: In St.Gallen betreibt Walker zusammen mit Geschäftspartnern die Restaurants Lagerhaus, Werkstatt und Brauwerk, ab 2021 auch die Lokremise. Im April machte die Meldung Schlagzeilen, dass Walker mit der Hotel Wiesental St.Gallen AG auch das Hotel bei der gleichnamigen Villa betreiben werde.
Marcel Walker, Sie selbst wohnen in Stein AR, engagieren sich politisch im Ausserrhodischen und managen u. a. den Appenzeller Kabarettisten Simon Enzler. Gastronomisch hingegen sind Sie in der Stadt St.Gallen tätig. Warum? Weil mir der gesamte Lebens- und Wirtschaftsraum Säntis zusagt und ich hier Chancen vorfinde, die ich dann und wann ergreife – Kantonsgrenzen spielen da keine Rolle. Ihr neuster Schachzug ist das Hotel bei der Villa Wiesental, das 2023 eröffnen soll. Braucht St.Gallen noch ein neues Hotel? Die Pensionskasse der Stadt St.Gallen ermöglicht mit dem Neubau im Garten der Villa Wiesental deren Renovation und somit Erhalt. Für das Areal «Bahnhof Nord» ist die Villa wichtig, weil wir sonst Gefahr laufen, dass die Lokremise in Zukunft das bauhistorische Feigenblatt im Quartier ist. Der Anlageausschuss der Pensionskasse liess sich von der Geschäftsführung, von uns und von externen Fachleuten davon überzeugen, dass ein Hotel wirtschaftlich vergleichbar sinnvoll ist wie ein Bürogebäude. Zusätzlich kann durch die öffentliche Nutzung für das Quartier und die Stadt eine zusätzliche «Rendite» nicht-monetärer Art erwirtschaftet werden.
wie eine WG: In den Sockelgeschossen gibt es öffentliche Restaurant-, Kaffee- und Barflächen, wo Gäste verweilen können. Das Zimmer dient in erster Linie für den Schlaf. Wir bieten Rückzugs-, Gesellschafts- und Aktivitätsmöglichkeiten und sprechen somit ein sehr heterogenes, aktives Publikum an. Das Hotel kommt neben die historische Villa zu stehen. Wird diese in irgendeiner Form integriert? In welcher Form die Villa zukünftig genutzt wird, ist Gegenstand von Studien bei der Pensionskasse. Wir sind auf jeden Fall bereit, unsere Möglichkeiten und Dienste anzubieten. Unser Engagement beschränkt sich aktuell jedoch auf den Neubau. Ein paar Schritte weiter steht die Lokremise, wo Sie ab nächstem Jahr das Restaurant betreiben werden. Keine Konkurrenz für das Hotelrestaurant? Auch wenn jeder Baum Schatten wirft, sehen wir mehr Vorteile als Nachteile in der Konstellation. Wir können die Profile der Betriebe so schärfen, dass sie sich nichts wegnehmen. Ganz im Gegenteil: Das Hotel Wiesental und die «Brasserie Lok» können sich befruchten, beispielsweise bei Hochzeiten.
«Wir bieten für St.Gallen ein komplett neues Hotelsystem an, das in verschiedenen Städten bereits etabliert ist.»
Jetzt betreiben Sie nicht nur Gastrounternehmen, sondern sitzen noch in zahlreichen Verwaltungsräten und sind als CEO bei der St.Galler Beteiligungsgesellschaft Fortyone AG engagiert. Gibt es einen gemeinsamen Nenner für Ihre höchst unterschiedlichen Tätigkeiten? Einerseits ist da der geografische Fokus als Ursprungsort: der Wirtschaftsraum Säntis. Andererseits geht es überall darum, eine Idee arbeitsteilig in einem Team zur Blüte zu bringen.
St.Gallen hinkt im Vergleich zu anderen Städten in Bezug auf die Entwicklung von Hotelzimmern hinterher … Ja, denn neue Hotelangebote geben zusätzliche touristische Impulse und sind für die Akquisition und Entwicklung von Kongressen wichtig. Wir bieten für St.Gallen ein komplett neues Hotelsystem an, das in verschiedenen Städten bereits etabliert ist – wie etwa das «25hours». Das Hotel funktioniert
Sie wurden in ein gutbürgerliches Elternhaus hineingeboren – Ihr Vater Felix war Raiffeisen-CEO – und haben eine klassische HSG-Ausbildung absolviert. Wäre da eine Bankkarriere nicht das Naheliegendste gewesen? Ist das eine Anspielung auf Ihre Abschlussfrage? ... Gegenfrage: Ihr Vater Ernst Ziegler ist ein bekannter Historiker. Warum wurden Sie nicht Historiker?
LEADER | Juni | Juli 2020