Megawelle 02/2011

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Leser für Leser Wir reis(s)en vor Weihnachten aus! Gedanken und Erinnerungen einer stressgeplagten Mutter ( Teil 3) nachdem wir beschlossen hatten, Weihnachten mal frei vom deutschen Feiertagsstress zu verbringen, hatte es mein Göttergatte geschafft, einen Tag vor Weihnachten, eine Reise nach Teneriffa zu buchen. Was wir dabei schon so alles erlebt haben, können Sie in der Dezember- und Januarausgabe der Megawelle lesen . . . (Fortsetzung)

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eute haben wir den 2. Weihnachtsfeiertag in Deutschland, hier auf Teneriffa gibt es diesen zusätzlichen arbeitsfreien Tag nicht. Nur wenn der 25. Dezember auf einen Sonntag fällt, dann wird am darauffolgenden Tag die verloren gegangene Freizeit nachgeholt. Wir werden mit einem doppelstöckigen Bus, der noch ganz leer ist, vom Hotel abgeholt. Um nichts zu verpassen, sichern sich unsere Kinder die Logenplätze ganz vorne, direkt hinter dem Busfahrer. Jetzt geht es erstmal auf eine einstündige Einsammeltour, kreuz und quer durch Los Cristianos und Playa de las Americas, solange bis der letzte Platz im Bus belegt ist. Es ist jetzt schon für mich Blutdruck steigernd, wenn ich sehe, wie Enrico, unser Busfahrer, dieses doppelstöckige Monstrum durch die engen Gassen der Touristenmetropole manövriert. Manchmal geht es etwas lautstark zu, wenn er versucht, die in zweiter Reihe parkenden Autofahrer von seiner Route zu verscheuchen. Aber so wirklich scheint es die Autofahrer nicht zu stören, dass Enrico zigmal rangieren muss, um dann zentimeterweise an den Hinternissen vorbei fahren zu können. Jetzt begrüßt uns auch die noch etwas verschlafen wirkende deutsche Reiseleiterin mit den Worten, „ Alle Passagiere sind an Bord . So,- nun geht es endlich los. Mein Name ist Schaglien, ich komme aus Nürnberg, lebe nun schon ein Jahr auf Teneriffa und werde Ihnen unsere wunderschöne Insel zeigen. Lehnen Sie sich zurück und lassen Sie sich überraschen“.

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„Auf Überraschungen kann ich gerne verzichten und nach einem Jahr Teneriffa als „unsere“ Insel zu bezeichnen zeigt vom Eroberungswahn der Franken“ – meint nun mein Franke Heiner etwas mürrisch. Nicht weit weg von Nürnberg geboren und aufgewachsen hat er bei dieser Rundreise einen gravierenden Vorteil, er versteht den Dialekt seiner Landsgenossin problemlos, während andere Mitreisende tuscheln, sie hätten doch eine Rundfahrt in Deutsch gebucht. Ein Wegweiser zeigt an, dass wir Richtung Guia de Isora fahren, was bei unserer Reiseleiterin aber keinerlei Kommentar hervorruft. Nun meldet sich das erste Mal Georg, unser Ältester, lautstark quer durch den Bus rufend „Was sind das denn für komische Pflanzen die hier überall wachsen, sehen aus wie viele grüne Kerzen“ – „Ahh , der kleine Mann interessiert sich für die Natur?“ griff Schaglien sofort das Gespräch auf. „Das sind Kaktusse, da wirst du auf unserer Fahrt heute noch sehr viele sehen“. Nun würde es sicherlich an ein Wunder grenzen, wenn bei einer Exkursion mit über fünfzig Deutschen nicht mindestens ein Lehrer an Bord wäre, der bei solch unqualifizierten Aussprüche sofort seine akademischen Weisheiten mit dem Charme eines erloschenen Streichholzes, an den Mann oder in unserem Fall an Schaglien bringen muss.

„Gnädiges Fräulein, das ist mit Verlaub gesagt geistiger Dünnschiss. Erstens heisst es nicht Kaktusse, sondern Kakteen, und zweitens sind das keine Kakteen, sondern Euphorbien, die Kanarische Wolfsmilch, wegen ihres Aussehens auch Kandelaber-Wolfsmilch genannt. Der weiße austretende Saft ist besonders beim Menschen für die Augen gefährlich, kann bei Berührung zur Blindheit führen. Den Guanchen, den Ureinwohner der Insel, diente der Saft als chemische Keule beim Fischfang. Sie gossen die weiße Milch ins Meer und betäubten die Fische damit, die trieben an die Oberfläche und mussten nur noch eingesammelt werden. Darf ich mich vorstellen, Professor Oskar Schmalenbach ....“. Während seines Redeschwalls stellt sich unser Oberlehrer beifallheischend in Positur. Niemand reagiert. Totenstille im Bus. „Mama, schnell eine Tüte!“ – Unsere Johanna rettet mal wieder die Situation, indem sie die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich hab es geahnt. „Hast du doch in deinem Rucksack, mein Schatz“ – „Der liegt aber oben im Gepäcknetz, da komm ich nicht


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