Scio IV/IX

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SCHWERPUNKT.

«Die Arbeits- belastung für das Praxisteam wird reduziert.» text | Dirk Schnack

foto s | Jörg Wohlfromm

Politische Änderungen, neue Verträge, andere Entscheider – das Jahr 2010 wird für das Gesundheitswesen Veränderungen bringen. In den Praxen dagegen herrscht Kontinuität. Auch Dr. Sven Soecknick aus Lübeck will an seinem Praxisalltag nicht viel ändern. Ein ganz normaler Montagabend am Lübecker Meesenring. Gegen 18 Uhr stehen Patienten in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Sven Soecknick und Dr. Peter Melloh am Tresen und berichten der Mitarbeiterin, weshalb sie heute noch einen Arzt sehen müssen. So wie in Tausenden anderen Praxen im Norden versorgen die beiden Allgemeinmediziner ihre Patienten auch noch abends, obwohl ihre Sprechzeiten eigentlich vorbei sind. Für Soecknick ist das Routine, die er aber nach sechs Jahren Niederlassung hinterfragt. Im kommenden Jahr, hat er sich vorgenommen, sollen die Sprechzeiten leicht verkürzt werden. Täglich, von 8 bis 12 Uhr, und an drei Nachmittagen von 15 bis 18 Uhr, sind die beiden Ärzte für ihre Patienten bislang da. Im kommenden Jahr wird die Sprechzeit nur noch bis 11.30 Uhr dauern, auch an den Nachmittagen wird eine halbe Stunde verkürzt. Für Soecknick ist dieser Schritt konsequent, weil er die hohe Arbeitsbelastung des gesamten Praxisteams (fünf Angestellte und zwei Auszubildende) spürt. Zugleich liegt die Praxis rund 30 Prozent über dem Regelleistungsvolumen, d.h. die Leistungen werden nicht alle vergütet. Die Verkürzung klingt logisch, ist aber auch mutig. Denn in der Nachbarschaft entsteht ein neues Stadtteilzentrum, in das auch Arztpraxen einziehen werden. Vielleicht auch ein MVZ. „Das weiß derzeit niemand“, sagt Soecknick. Neue Konkurrenz vor der eigenen Praxistür, die künftig seltener geöffnet hat – eine gefährliche Mischung, vor der Soecknick aber keine Angst hat. Und wenn es tatsächlich zu einem MVZ mit angestellten Ärzten und Sprechzeiten bis in den späten Abend kommt? „Ich habe da wenig Bedenken. Die ambulante Medizin durch selbstständige Ärzte ist günstiger und erfolgt engagierter als durch andere Modelle“, sagt Soecknick. Auf einen Wettkampf um die Patientenzahl will er sich ohnehin nicht einlassen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir unser Standbein Naturheilmedizin stärker ausbauen“, sagt der 42-jährige Allgemeinarzt. Für 2010 ist geplant, dass sich der Anteil der Naturheilmedizin am Gesamtumsatz der Praxis von derzeit rund einem Drittel erhöht. Weitere Änderungen in der Praxisorganisation sind genauso wenig geplant wie große Anschaffungen. scio. Magazin rund um das ärztliche Leben

Soecknick und Melloh arbeiten seit ihrer „Fusion“ zur Gemeinschaftspraxis vor zwei Jahren in einer modern ausgestatteten, weitgehend papierlosen Praxis. Vor ratlose Gesichter stellt die Ärzte aber trotz moderner Organisation die immer weiter zunehmende Bürokratie. Wie die bekämpft werden könnte, weiß Soecknick angesichts zahlreicher Nachfragen durch Krankenkassen und Medizinischen Dienst zum Behandlungsstand nicht. Fest steht für ihn aber, dass diese Nachfragen die Zeit, die er gerne für seine Patienten aufbringt, einzuschränken drohen. Mehr Bewegung erhofft er sich dagegen im kommenden Jahr von der Zusammenarbeit zwischen Kliniken und Praxen. Nach seiner Beobachtung müssen beide Seiten gemeinsam Behandlungspfade entwickeln: „Da verschenken wir noch zu viele Ressourcen.“ Die Voraussetzungen, damit niedergelassene Ärzte in seiner Stadt gemeinsam mit den Kliniken in diese Arbeit einsteigen können, hat er schon in diesem Jahr als Gründungsmitglied und Vorstand des Lübecker Ärztenetzes maßgeblich beeinflusst. Im neuen Jahr will er dazu beitragen, dass sich das Netz etabliert. Ein Begleiteffekt der Netzarbeit wird sein, dass sich die Kollegen untereinander besser kennen lernen. Weniger Bürokratie und Druck bei der Arbeit, mehr Kooperation und Kollegialität – so könnte 2010 für Soecknick zu einem erfolgreichen Jahr werden.

Dr. Sven Soecknick ändert die Öffnungszeiten für seine Praxis, um die Arbeitsbelastung zu senken. Ein Rezept gegen die zunehmende Bürokratie hat er nicht.

Das Team in der Gemeinschaftspraxis am Lübecker Meesenring arbeitet mit hoher Motivation, Angst vor neuer Konkurrenz hat Soecknick keine.

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