Historischer Strudengau

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markus pöcksteiner

Historischer Strudengau

Alltägliches und Kurioses aus einer vergangenen Welt

band 1


impressum 1. Auflage: 2021 Verlag: Historischer Verein Sarmingstein ISBN: 978-3-9505082-0-8 Konzept, Text und Fotoauswahl: Markus Pöcksteiner Redaktion: Karl Hohensinner, Christoph Lettner, Markus Pöcksteiner Lektorat: Lucia Schneider Layout und Druckvorstufe: b2 Werbeagentur, Bad Kreuzen Bildbearbeitung und Satz: Markus Pöcksteiner, Sarmingstein Verwendete Schriften: FF Scala, Futura, Minion und Zallman Caps Druck: Druckerei Sandler, Marbach an der Donau Papier: Claro bulk matt, 135 g/m² Copyright: Alle Rechte vorbehalten Titelbild: St. Nikola an der Donau, 1910


Inhalt ein kurzes vorwort

.................................................

Spezial: Der historische Strudengau

7

sarmingstein

52

...........................................................

................................

8

Das Schiffmeisterhaus der Schalberger

54

........................................

11

Märchenschloss mit Donaublick: Die Villa Karger

56

Schlepitzka: Die Pflasterer Wiens

12

Vom Schlangenanker und Kaiser-Auszug

58

Vom Strindberg-Haus zum Schloss Dornach

14

Die Malschule des Rudolf Klingsbögl

16

Ein hartnäckiges Stift am Schlossberg

62

Eine Natural-Verpflegsstation in Neustadtl

18

Der Domherr und das Forsthaus Hinteredt

64

20

Ein Elektrizitätswerk für die Region

66

von dornach nach grein

Spezial: Überfuhren

.....................................................

waldhausen im strudengau

60

....................................

23

Spezial: Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Der schönste Donauquai Österreichs

24

zwischen sarmingstein und ybbs

Vom Zauber des alten Schlossgartens

26

Der stille Charme des Erholungsdorfes Nöchling

72

Ein Schlüssel zum eigenen Theatersitz

28

Die Holztrift an der Ysper

74

Der Männergesangsverein »Liederkranz« Grein

30

Die Bergl-Fresken im Schloss Donaudorf

76

Sandkellerfeste im Lettental

32

Die Kaltwasser-Heilanstalt Bad Kreuzen

34

grein und umgebung

..............................................

persenbeug und ybbs

............................

..............................................

71

79

Die Marktlinde von Persenbeug

80

Spezial: Die Strudengaubahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Vom Kloster zum Therapiezentrum

82

struden und st. nikola

38

»Waden sehen« im Ybbser Strandbad

84

Von der Gießenbachmühle zur Aumühle

40

Matthias Feldmüller: Der Admiral der Donau

86

Gefürchtet über Jahrhunderte: Strudel und Wirbel

42

Die kleinste Straßenbahn der Welt

88

Burg Werfenstein mit dem Schusterstein

44

dank

Vom Marienbad zur Dimbachmündung

46

literaturverzeichnis

Die Nikolauskirche und die Wassersammlung

48

abbildungsverzeichnis

Spezial: Holzschifffahrt

...........................................

................................................

50

........................................................................ .............................................. ...........................................

91 92 94



von dornach nach grein

Beginn mit Steinbruch, Schloss und Malerei In Dornach beginnt der historische Strudengau. Während der heutige Besucher seine Blicke auf das stilvoll restaurierte Schloss Dornach richtet, lenkte im 19. Jahrhundert ein gewaltiger Steinbruch alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Arbeiter kamen nicht nur aus der näheren oberösterreichischen Umgebung – auch von Ardagger und Tiefenbach setzten sie mit Zillen über die Donau. Der landschaftlichen Schönheit indes widmeten sich die Teilnehmer der Malschule Klingsbögl und in Neustadtl versorgte eine Natural-Verpflegsstation Mittellose und Arbeitssuchende.

Eine Szene wie aus dem Wilden Westen: Der Steinbruch in Dornach um 1900; Abertausende von Granitblöcken wurden in mühevoller Arbeit aus dem Berg gebrochen und zu Pflastersteinen verarbeitet. Mit Plätten nach Wien verfrachtet, dienten sie unter anderem dem Bau der Ringstraße und der Befestigung zahlreicher Wiener Plätze.

11


von dornach nach grein

Das ›Große Haus‹ war ein Gutshof, den der schwedische Dichter August Strindberg bei einem seiner Aufenthalte 1894 mit einer selbst hergestellten Kamera fotografierte.

Vom Strindberg-Haus zum Schloss Dornach

I U

rsprünglich war es ein Gutshof –

schen Schriftsteller August Strindberg

das »Große Haus«, wie es gerne

kennen und heiratete ihn kurz darauf.

genannt wurde. Bereits 1455 wird der

Das junge Paar hielt sich von 1893

Hof erwähnt – über viele Besitzer ge-

bis 1896 mehrmals auf dem Anwesen

langte er schließlich in das Eigentum

auf. Der Ehe war allerdings keine lange

des Greiner Notars Cornelius Reischl.

Dauer beschieden. Mit der Geburt der

Dieser hatte eine Enkelin mit dem Na-

Tochter Kerstin 1894 nahmen die Strei-

men Maria Friederike Cornelia Uhl, die

tigkeiten zu. Als sich das Ende der Be-

spätere Frida Strindberg-Uhl.

ziehung abzeichnete, verfiel Strindberg

Und mit dieser jungen Frau beginnt

in eine düstere Phase – seine »Inferno-

eine Geschichte, mit der die Gegend

Krise« – mit Wahnvorstellungen und

um Saxen – allerdings anonym – in die

Realitätsverlust. Mit den beiden Ro-

Weltliteratur einging:

manen »Inferno« und »Der Weg nach

Frida Strindberg-Uhl war die Tochter von Friedrich Uhl, dem Chefredakteur

14

Damaskus« gelang es ihm indes, seine Seele wieder freizuschreiben.

der Wiener Zeitung. 1892 ging sie mit

Und dabei schilderte er die Gegend

20 Jahren als Literaturkorrespondentin

von Saxen und Klam in seinen land-

dieses Blattes nach Berlin. Hier lernte

schaftlichen Szenen auf eindeutig wie-

sie 1893 den 23 Jahre älteren, schwedi-

dererkennbare Weise…

Anbau des zinnenbekrönten, achteckigen Turmes an das Große Haus, 1899


Als neue Besitzerin ließ Maria There-

Der heutige Eigentümer erwarb das

sia Prinzessin von Thurn und Taxis

Schloss 2003 und sanierte es aufwän-

1898/99 das Große Haus in neobaro-

dig. Den dringend benötigten Hoch-

ckem Stil zum Schloss Dornach um-

wasserschutz löste er architektonisch

bauen. In den vormals offenen Hof

elegant mit kleinen, verglasten Mau-

setzte man eine Terrasse auf Pfeilerar-

ereinsparungen, die wie Zinnen einer

kaden. Kleine Erker und Giebel wurden

Burg wirken.

geschoßversetzt angebracht und an der

Und so wird das aparte Gebäude

Ostseite ein achteckiger, von Zinnen

vielleicht ein weiteres halbes Jahrtau-

gekrönter Turm angebaut.

send bestehen und betören.

1898 bis 1899 ließ Maria Theresia Prinzessin von Thurn und Taxis das Große Haus zum heutigen Schloss Dornach umbauen. Es markiert – heute vorbildlich restauriert – den Beginn des historischen Strudengaus. Im Vordergrund Zillenfahrer mit selbstgebauten Rahsegeln, um bei Ostwind gegen die Strömung fahren zu können

!

15


zwischen dornach und grein

Die Teilnehmer der Malschule von Rudolf Klingsbögl arbeiteten auf ihren Staffeleien häufig in der freien Natur. An ihren typischen Baskenmützen, die durch Paul Cézanne und Auguste Rodin einst gesellschaftsfähig wurden, konnte man sie unschwer erkennen.

Die Malschule des Rudolf Klingsbögl

I U

m die Wende zum 20. Jahrhundert

nommen hatte. In seinem Œvre domi-

waren Malschulen in Mode. Ambi-

nieren Porträts und Charakterköpfe,

tionierte Amateure konnten hier ihre

Werkstattinterieurs sowie Wirtshaus-

Fähigkeiten bei den Meistern in unter-

und Kellerszenen.

schiedlichen Kursen verfeinern. Oft wurden die Schulen in großen

schule, die sich schnell eines wach-

Städten wie Berlin, München, Wien

senden Zuspruchs erfreute. Bis zum

oder Paris gegründet, da hier genügend

Ausbruch des Ersten Weltkriegs ver-

interessiertes Publikum zu finden war.

brachten die Teilnehmer der Malschu-

Im Sommer fuhr man gerne aufs Land,

le jeden Sommer in Ardagger. Neben

um Motive aus der Natur auf die Lein-

Rudolf Klingsbögl selbst standen u.a.

wand zu bannen. In Österreich fuhren

Marie Bauer [1870–1945], Oswald Grill

die Künstler etwa an den Neusiedler-

[1878–1964] und Karl Fuss [1889–1955]

see, ins Salzkammergut, in die Tiroler

als Lehrer zur Verfügung.

Berge oder die Wachau – und in den Strudengau.

16

1910 gründete er in Wien eine Mal-

Ein heimisches Mitglied der Malschule war Georg Daniser [1876–1966],

Rudolf Klingsbögl [1881–1943] war

ein kunstbegeisterter Lehrer aus Markt

ein Wiener Maler, der selbst Studien-

Ardagger, der mehrere Ölgemälde von

reisen nach München und Paris unter-

Gebäuden der Umgebung schuf.

Die meist wenig begüterten Lehrer der Malschule Klingsbögl vergalten Kost und Logis gerne mit Portraits von Familienmitgliedern; hier eine Xylographie des Künstlers Karl Fuss von 1910: ›Maria Prinz vom Brandhof in Sonntagstracht‹


Die Lehrer und Studenten quartierten

Nicht nur in der Gaststube im Schiff-

sich gerne in gastfreundlichen Bürger-

meisterhaus Ardagger findet sich ein

häusern oder günstig in Bauernhöfen

Ölbild der Malschule – viele Gouachen,

ein. Anstelle eines Kostgeldes hinter-

Aquarelle und Holzdrucke zieren noch

ließen die wenig begüterten Künstler

heute die Wohnzimmer der ehemali-

meist einige ihrer Werke. So kamen

gen Vermieter. Und in der Apsis der

Portraits von Familienmitgliedern der

Pfarrkirche erinnert ein Bild des Ge-

Gastgeber oder Ansichten von Häusern

kreuzigten an Rudolf Daniser, das der

sowie der Pfarrkirche zustande.

Künstler 1910 gemalt hatte.

Die Aulandschaft am Eingang des Strudengaus zog immer wieder Maler an. Im Sommer 1910 startete in Ardagger die Malschule des Wiener Künstlers Rudolf Klingsbögl. Die alte Hochau-Brücke befand sich an Stelle der heutigen Ortseinfahrt; von den drei Häusern stehen noch zwei: Markt 82, links sowie Donaulände 1, in der Mitte.

!

17



grein und umgebung

Die Perle am Donaustrand Wenn der Strudengau in Dornach beginnt und in Ybbs endet, so kann man Grein getrost als das Herz der Region bezeichnen. Das kleine Donaustädtchen weist eine reiche historische Vergangenheit auf. Seine Lage am Beginn der ehemals gefährlichen DonauStrecke mit Strudel und Wirbel brachte dem Ort Wohlstand und besondere Rechte. Damals wie heute waren Schloss Greinburg, der Stadtplatz mit dem Stadttheater und der Donaukai zentrale Motive für Besucher. Vor hundert Jahren indes wirkte noch der Männergesangsverein Liedertafel Grein bei den legendären Sandkellerfesten mit und die nahegelegene Kaltwasser-Heilanstalt Bad Kreuzen versprach ihren Kurgästen Linderung und Heilung.

Der elegant geschwungene Sporn wurde 1866 gebaut und bot als ›steinerner Laufsteg‹ eine fantastische Möglichkeit zu sehen und gesehen zu werden…

23


grein und umgebung

Das Foto aus dem Jahre 1904 zeigt die Donaulände vor allem als Arbeitsplatz für Holzhändler und Schiffmeister sowie als Lande- und Ablegeplatz für Flöße und Plätten.

Der schönste Donauquai Österreichs

DI

ie Überschrift ist keine Übertrei-

seinem maßgeblichen Einfluss gelang

bung: Der 1908 fertigestellte, neue

es, die alte Donaulände zu einer weit-

Donaukai (damals noch: Quai) galt als

läufigen, prachtvollen Promenadenan-

der schönste entlang der gesamten alt-

lage umzubauen.

österreichischen Donaustrecke.

24

Mit großen, unregelmäßigen Granit-

Die Donaulände, wie sie zuvor ge-

steinen wurde eine senkrechte Kaimau-

nannt wurde, war über Jahrhunderte

er errichtet. Mehrere Abgangstreppen,

vorrangig Arbeitsraum. Hier wurden

eigene Rampenanlagen für Fuhrwerke

Schiffe ausgebessert, Holz gestapelt

sowie gusseiserne Schutzgeländer ver-

und Waren verladen. Flöße und Plät-

mittelten einen mondänen Eindruck.

ten legten an und nahmen, mit Greiner

Vermehrt wurde Grein nun von Mo-

Lotsen verstärkt, die Weiterfahrt durch

torschiffen und -booten aller Art ange-

den gefährlichen Struden auf.

laufen. Wie auch am 24. Mai 1910, als

Mit der Zunahme des Fremdenver-

Hunderte von neugierigen Zusehern

kehrs begannen zu Beginn des 20.

den neuen Donaukai bevölkerten. Drei

Jahrhunderts Überlegungen, den Grei-

Tage zuvor waren in Regensburg 30

ner Kai attraktiver zu gestalten.

Motorboote zu einer »Dauerfahrt ohne

Oberingenieur Karl Perl war zu die-

jede Schnelligkeitskonkurrenz« nach

ser Zeit Strombauleiter in Grein. Unter

Wien gestartet. Alle Gebäude am Kai

Promenieren, Schlendern und Rasten waren die bevorzugten Tätigkeiten am neuen Kai ab 1908. Hier konnte man die neue Mode bewundern, Leute treffen und Neuigkeiten austauschen.

Am neuen Kai mit den steinernen Abgangstreppen und gusseisernen Geländern kam die 1864 fertiggestellte Hiebl-Villa besonders zur Geltung.


waren reich mit Flaggen geschmückt,

Der heutige Kai wurde als Hochwasser-

um die Teilnehmer, darunter Erzher-

schutzmaßnahme konzipiert und 2012

zog Heinrich Ferdinand Habsburg-

vollendet. Obwohl das Bauwerk keinen

Lothringen, gebührend zu empfangen.

direkten Zugang zur Donau mehr er-

Knapp 50 Jahre lang bestand der

möglicht, übt es vor allem auf junge

schönste Donaukai Österreichs. Als

Leute eine besondere Faszination aus.

mit dem Kraftwerksbau Ybbs-Persen-

Zu Hunderten sitzen sie im Sommer

beug die Bundesstraße Nr. 3 geplant

auf der Kaimauer und lassen sich das

wurde, wich er einem schmalen Fuß-

vielgerühmte Eis der nahen Konditorei

gängerweg.

schmecken.

In Grein befand sich der schönste Kai entlang der gesamten altösterreichischen Donaustrecke. Diese 300 Meter lange und bis 20 Meter breite Ruhezone war mit Grünanlagen und massiven Sitzbänken ausgestattet – Linden- und Kastanienbäume säumten die Promenade zum Ufer hin. Das Bild zeigt den festlichen Empfang der ›Deutsch-Österreichischen Donau-Motorbootfahrt‹ von Regensburg nach Wien 1910.

!

25


grein und umgebung

An der mittleren, südlichen Ecke des Schlosses stand der Pavillon und rechts davon, an der östlichen Schlossmauer, der steinerne Springbrunnen. Nach der Besatzungszeit wurden beide Bauwerke entfernt, da sie Schaden genommen hatten.

Vom Zauber des alten Schlossgartens

I W

eithin

sichtbar

steht

Schloss

1827 wurde der Schlosspark mit Eiben,

Greinburg auf dem Hohenstein,

Lärchen, Linden und Bergahornbäu-

einem mächtigen Felsen hoch über der

men angelegt. Dazwischen wand sich

Stadt. Das spätmittelalterliche Gebäude

die sandige Zufahrtsstraße für Pferde-

ist das älteste Wohnschloss Österreichs

fuhrwerke, Fußgänger gelangten über

und seit 1826 im Besitz der Herzöge

eine breite Steintreppe nach oben.

von Sachsen-Cobug und Gotha.

26

Knapp unterhalb des Schlosses legte

Kaiser Friedrich III. genehmigte den

man eine weiträumige Aussichtsterras-

Gebrüdern Prueschenk 1488 den Bau

se an, die das Areal mit der 1823 erbau-

eines Herrschaftssitzes. Innerhalb von

ten Kegelbahn erweiterte. Der darüber

fünf Jahren bauten die Prueschenk das

liegende Herzogliche Schlossgarten

gewaltige Schloss mit drei Meter di-

war privat – ein Teil jedoch öffentlich

cken Außenmauern, fünf Türmen und

zugänglich.

einem imposanten, zwei Geschosse

Besucher konnten den steinernen

einnehmenden Rittersaal mit 14 Me-

Brunnen bewundern, der entlang der

tern Höhe. Der spätere Besitzer Graf

östlichen Mauer stand. Die Figuren-

Meggau ließ 1625 ein einzigartiges

gruppe stellte einen Putto dar, der ein

steinernes Theater, die Sala Terrena mit

wildes Pferd zügelt. Aus den Nüstern

Mosaiken aus Donaukieseln einbauen.

des sich aufbäumenden Rosses stieg

Der zweistöckige Pavillon war öffentlich zugänglich und bei Alt und Jung ein beliebter Treffpunkt.


eine Wasserfontäne, deren fallender

gen Holzspitze ab. In der oberen Etage

Strahl das gelockte Haar des Engels be-

eröffnete sich ein weiter Blick über das

netzte.

Donautal und die Stadt Grein. Der Pa-

Am Südturm stand in einer gemau-

villon wurde von Gästen wie Einheimi-

erten Rotunde ein eleganter, achtecki-

schen gerne besucht und auch in Zei-

ger Holzpavillon. Der Pavillon war um

tungen und Reiseführern beworben.

einen Mittelbaum zweistöckig gebaut,

Außerdem eignete er sich nach Son-

das Dach schloss mit einer spiralförmig

nenuntergang ganz wunderbar für so

gedrechselten, mehr als vier Meter lan-

manch heimliches Tête-à-Tête…

Der Springbrunnen hatte eine Steineinfassung mit gusseisernem Geländer und zeigte in der Mitte eine allegorische Skulptur mit Putto und wildem Pferd.

!

27


grein und umgebung

In den Sommermonaten pachteten Greiner Wirte das Areal und betrieben hier eine von Einheimischen, Ausflüglern und Sommerfrischlern gut besuchte Waldschänke.

Sandkellerfeste im Lettental

DI

as Schallerhofergut im Greiner Let-

Ein legendäres Wald- und Wiesenfest

tental verfügt über eine geologische

begab sich am Sonntag, dem 25. Au-

Besonderheit. Auf einem Teil einer

gust 1901. Schon vor Beginn des Festes

15 Hektar großen Wald- und Wiesen-

wanderten ganze Scharen zu den Sand-

fläche finden sich in der Tiefe Quarz-

kellern, sodass die vorbereiteten 700

sandvorkommen. In früherer Zeit grub

Eintrittskarten rasch vergriffen waren

man zur Sandgewinnung tiefe Stollen,

und weitere besorgt werden mussten.

durch die ein Kellersystem entstand.

Insgesamt kamen über 1000 Besucher

Die Sandkeller im Lettental wurden

32

zu diesem herrlichen Sommerfest.

vielfältig genutzt. Den Besitzern dien-

Am Eingang des Festplatzes stand

ten sie als Most- und Vorratskeller.

ein hoher Kletterbaum mit hübschen

Schon bald aber bildeten sie die Kulisse

Preisen und danach ein Riesenwein-

für eine Waldschänke und Veranstal-

fass à la Klosterneuburg. Akrobaten

tungslokalität. Hier gab es eine Kegel-

zeigten ihre Kunststücke und sogar

bahn und eine Anlage für Kugelschüt-

ein dressierter Elefant wurde vorge-

zen. In den Sommermonaten fanden

führt. Gekürt wurde u.a. die schönste

Theateraufführungen, Feuerwerke und

Herrennase – Wettbewerbe im Sack-

»zweigetheilte Rennen für Jagdhunde und

hüpfen, Topfschlagen und Eierlaufen

andere Köter« statt.

brachten Stimmung und Spannung.

Die bis zu sechs Meter hohen Stollen dienten ursprünglich als Most- und Vorratskeller – waren aber bald eine besondere Attraktion, mit der auch öffentlich geworben wurde.


Die Greiner Musikkapelle sowie eine

Weltkriegs wurden die Sandkeller von

auswärtige Virtuosenkapelle spielten

den Vereinigten Flugzeugwerken Wels

tüchtig auf und »es fielen sehr viele lieb-

genutzt und weiter ausgebaut. Nach

reizende Mädchen durch ihre Tracht auf«.

Kriegsende räumte die russische Besat-

Den Abschluss bildete ein Hunde-

zungsmacht die Anlagen und sprengte

rennen, worauf dutzende Luftballons

1947 alle unterirdischen Räume.

in den Greiner Himmel aufstiegen.

Die Sandkeller im Lettental wurden für private und öffentliche Veranstaltungen genutzt. Hier fanden über Jahrzehnte Sommerfeste, Geburtstags- und Jubiläumsfeiern statt.

Heute wird vor Ort Sand im Tagbau

Auch nach dem Ersten Weltkrieg

gewonnen – und absolut nichts deutet

fanden hier noch Feste und Veranstal-

mehr hin auf die wunderbare Zeit der

tungen statt. Während des Zweiten

Sandkellerfeste …

!

33


grein und umgebung

Eine besonders feine Art der An- und Abreise war die Fahrt mit dem Fiaker nach vorheriger Bestellung bei der Kurverwaltung.

Die Kaltwasser-Heilanstalt Bad Kreuzen

I L

udwig Haberkorn, Verwalter auf

1865 erwarb der Linzer Kaufmann Edu-

Burg Kreuzen, litt an Schwindelan-

ard von Nagel die Anstalt. Er ließ einen

fällen und Neurosen. Mehrere Bera-

Speisesaal, ein Billardzimmer, einen

tungen mit dem Kreuzner Wundarzt

Musiksalon sowie eine Wandelbahn er-

Maximilian Keyhl führten schließlich

bauen. 1867 kamen das Große Kurhaus

zur Idee, in Kreuzen eine Wasserheil-

im Schweizerstil sowie die Prießnitz-

anstalt – wie sie Vincenz Prießnitz in

Villa hinzu. Damit verfügte die Kur-

Gräfenberg führte – zu errichten.

anstalt mit den gemieteten Räumen in

Sein Herr, Ernst II. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha ließ sich rasch

34

Im 1898 eröffneten, prächtigen ›Großen Cursaal‹ fanden Theateraufführungen und Kurkonzerte statt. Der große Luster erhellte den Saal damals schon mit elektrischem Licht.

der Burg Kreuzen über 140 Zimmer sowie eine Reihe schöner Salons.

überzeugen. 1845 gestattete er den Bau

Die Blütezeit begann, als der Kur-

von Badeanlagen, Duschen und Wel-

arzt Dr. Otto Fleischanderl nach dem

lenbädern in der romantischen Kemat-

Tode Eduard von Nagels 1880 die An-

Schlucht. In der Burg Kreuzen und der

stalt übernahm. Er errichtete ein neues

Hoftaverne richtete man Zimmer für

Bäderhaus, einen herrlichen Garten-

die ersten Badegäste ein und bereits

salon und den »Großen Cursaal«. Auf

am 10. Mai 1846 wurde die Herzog-

Wunsch wurden anreisende Gäste nun

lich-Coburg’sche Kaltwasserheilanstalt

auch mit Fiakern aus Grein und sogar

Kreuzen feierlich eröffnet.

Amstetten zum Kurhaus gebracht.

Die berühmte ›Prießnitz’sche Schweißpresse‹ war eine trockene Einpackung, der heilende Wirkung bei Nieren- und Hautkrankheiten sowie Gicht und chronischer Bleivergiftung zugesprochen wurde.


Angeboten wurden Wasserkuren, Mas-

In den Wirren der Zwischenkriegszeit

sagen, schwedische Heilgymnastik und

blieben viele ehemalige Kurgäste aus.

vor allem die berühmte »Prießnitz’sche

Verschiedene Besitzer versuchten, den

Schweißpresse«, ein Kaltwasserwickel,

Niedergang der Heilanstalt abzuwen-

der den gesamten Körper umschlang.

den – indes wurde 1935 das Ausgleichs-

Linderung und Heilung brachten die

verfahren angemeldet.

Kuren u.a. bei Erkrankungen des Ner-

Was aber blieb, war der Kurgedanke.

vensystems, der Verdauungsorgane,

Seit 1971 lebt er im neuen Kneipp-Kur-

der Gelenke und des Herz-Kreislauf-

haus der Marienschwestern vom Kar-

Systems.

mel weiter.

Über Jahrzehnte wuchs die 1846 gegründete Kaltwasser-Heilanstalt Bad Kreuzen zu einer prächtigen Kuranlage. Das Stammhaus war mit dem Bäderhaus durch einen hölzernen Gang verbunden. In der Mitte führte ein mit durchbrochenen Ornamenten versehenes Portal in den Kurpark. Einer der bekanntesten Kurgäste war Anton Bruckner, der hier acht Wochen zur Erholung verbrachte.

!

35


struden und st. nikola

Zwischen Strudel und Wirbel Wie viele Schiffleute und Reisende auf der Donau haben wohl vor der Durchfahrt an Strudel und Wirbel das Kirchlein von St. Nikola herbeigesehnt? Mit Skylla und Charybdis, den beiden Meeresungeheuern, wurden die gefürchteten Hindernisse gar verglichen – rissen sie doch hunderte Schiffe ins Verderben. Fast beschaulich lagen dagegen die beiden Märkte Struden und St. Nikola mit Burg Werfenstein und der Nikolauskirche hoch über dem Strom. Spannend war eine Wanderung durch die Stillensteinklamm von der Gießenbach- zur Aumühle. Und der Dimbach brachte elektrische Energie sowie manch kühle Badefreuden…

Erinnert mit seinem landschaftlichen Flair an die oberitalienischen Seen: St. Nikola am weißen Donaustrand um 1900, als noch kein Kraftwerk den Wasserspiegel angehoben hatte.

38



struden und st. nikola

Am 4. Dezember 1909 war es soweit: Zum ersten Mal fuhr ein Dampfzug über das fertiggestellte Dimbach-Viadukt. Hinter den beiden linken Bögen lugt die Plochmühle hervor.

Vom Marienbad zur Dimbachmündung

D I

46

er Dimbach ist ein kleines Bäch-

Bevor der nunmehr schon breite Bach

lein, das im gleichnamigen Ort ent-

die Donau erreicht, durchfließt er noch

springt und nach etwa 13 Kilometern in

ein eindrucksvolles Bauwerk: das 18

St. Nikola in die Donau mündet. Zahl-

Meter hohe, fünfbogige Eisenbahnvia-

reiche Wasserräder drehten sich hier in

dukt. Knapp 80 Meter weit überspannt

alter Zeit, während heute nur noch ein

es den Dimbach und trägt seit 1909

paar Elektrizitätswerke surren.

sicher die Geleise der Donauuferbahn.

Fünf kleine Venezianersägen, mit

Hinter dem Dimbach-Viadukt stand

einem oder zwei Sägeblättern und eine

über Jahrhunderte die Plochmühle.

große Vollgattersäge, die einen ganzen

Wie der Name vermittelt, wurden in

Stamm auf einmal schneiden konnte,

der Säge neben dem Wohnhaus Bloche

standen entlang der letzten Steilstufe.

geschnitten.

Mittendrin lag das Marienbad, eine

Als um 1900 der Bau von Elektri-

im Sommer gerne genutzte Abküh-

zitätswerken im Strudengau begann,

lung in Form eines Felsenbades, direkt

errichtete Josef Frohwent 1919 hier

im Bache. Diese Art der Bäder gab es

das erste E-Werk in St. Nikola. Und so

früher in den meisten großen Bächen,

konnte am 20. Mai 1920 die Nikolaus-

zudem wurden auch die Wehre zum

kirche zum ersten Mal im Lichte von

Baden genutzt.

45 Lampen erstrahlen.

Die Plochmühle wurde vom Dimbach angetrieben und war eine kleine Venezianersäge. Hier entstand 1919 das erste Kraftwerk, das St. Nikola mit Strom versorgte.

Das Marienbad war ein Felsenbad im kühlen Dimbach; es befand sich etwa einhundert Meter hinter der Plochmühle.


An der Mündung des Dimbachs lag

Bastei gelegene Salettl. Hier konnten

linkerhand der einladende Gasthof

Gäste mit freiem Blick auf die Donau

Fannenböck. Mit seinem ausgefallenen

speisen oder den Nachmittagskaffee

Mansarddach und der Biedermeier-

genießen.

fassade repräsentierte das stolze Haus

Aber auch dieses Gebäude existiert

den Wohlstand der Holzhandlung und

nicht mehr. Nachdem es über Jahrhun-

Gastwirtschaft Fannenböck.

derte an Hochwässern gelitten hatte,

Eine besondere Attraktion war das direkt an der Donau, auf einer eigenen

Bevorzugt gelegen und einladend auf Gäste von hüben wie drüben wartend: der Gasthof Fannenböck an der Dimbachmündung mit charmantem Salettl direkt an der Donau

wurde es baufällig und musste 2003 abgetragen werden.

!

47


struden und st. nikola

Blick auf die Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus mit Pfarrhof, den Gasthof Fannenböck und die alte Volksschule im Jahre 1875

Die Nikolauskirche und die Wassersammlung

A I

uf einem kanzelförmig vorgescho-

im Strudel oder Wirbel Verunglückten

benen Felsblock, am Südhang des

aufgenommen und gepflegt.

Kirchenbergs, liegt die Pfarrkirche

Dem Hospiz wurde dazu gestattet,

»zum Heiligen Nikolaus«. Gemeinsam

von Schiffern und Reisenden Spenden

mit dem Pfarrhof wird sie von der alten

einzuheben. Vom Sammlerhäusl in

Friedhofsmauer umschlossen, durch-

St. Nikola Nr. 20 fuhr der sogenannte

brochen von einem geschwungenen

»Daunifahrer« mit seiner Überfuhrzil-

Portal, zu dem man nach steilem An-

le zu den heranfahrenden Schiffen und

stieg über 102 Stufen gelangt. Der Auf-

erbat eine Gabe. Gleichzeitig holte er

stieg lohnt sich allemal – hat man von

auch die Greiner Lotsen aus und brach-

hier doch einen wunderbaren Blick auf

te sie an Land. Diese Form der Wasser-

das »kommende« Wasser der Donau.

sammlung war noch bis 1913 in Betrieb,

Die Nikolauskirche hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. 1141 stiftete

48

bis sie aufgrund der aufkommenden Kraftschifffahrt eingestellt wurde.

Beatrix von Clam, Gemahlin des Wal-

Die mit einer Statue des Heiligen

chun von Machland die Kirche und da-

Nikolaus versehene, historische Almo-

neben das Spital »Hospitale de Pahin«.

sen-Sammelbüchse existiert übrigens

In diesem Spital, das heute als Pfarrhof

immer noch – sie ist im Pfarrhof aus-

dient, wurden über Jahrhunderte die

gestellt.

Das Kircheninnere kurz nach der Renovierung 1904 mit neuen Altären des akademischen Bildhauers Ludwig Linzinger – und neuem Pflaster


Hoch über der Donau gelegen: die Pfarrkirche zwischen Pfarrhof und alter Volksschule; im Vordergrund links das Gasthaus ›Donauhof‹ und rechts das sogenannte ›Karlhaus‹ gefolgt vom Kaufhaus Fischer an der Fischerbrücke; direkt an der Donau ist die neue Volksschule zu sehen.

Kirche, Pfarrhof und die alte Volksschule bildeten ein gefälliges Ensemble, das mit dem Kaufhaus Fischer an der Fischerbrücke, der Bäckerei im Karlhaus und dem Gasthaus Donauhof noch weiter belebt wurde. Die Tradition der Nikolausverehrung hat sich im Ort übrigens bis heute erhalten. Alljährlich am schulfreien 6. Dezember findet hier ein großes Nikolausfest statt. Ein stattlicher Nikolaus landet an, worauf Schiffsleute einen Kranz für ihre in der Donau verunglückten Kollegen ins Wasser legen. Im

Sonderpostamt

lassen

sich

Glückwunschkarten mit Sonderstempel in alle Welt versenden, während die Kinder Gaben und Geschenke in Empfang nehmen.

!

49


sarmingstein

Historischer Mautort und Handelsmarkt Seit über 1000 Jahren liegt an der Mündung des Sarmingbaches der kleine Ort Sarmingstein. Als kaiserliche Mautstelle für Salz und Wein erlangte er 1511 das Marktrecht. Schiffmeister kamen mit dem Holzhandel zu Wohlstand, indem sie Bloche und Schnittwaren aus dem Sarmingbachtal donauabwärts verschifften. Ein Gemeindearzt schuf hier ein Märchenschloss, während am Sarmingbach kunstvoll Mehl gemahlen und Schlangenanker geschmiedet wurden.

Reges Treiben um 1900 in dem kleinen Markt Sarmingstein: Hier wurde mit Pferdefuhrwerken Holz aus dem Sarmingbachtal angeliefert und auf Plätten zum Weitertransport nach Wien verbracht. Die Donau war um sechs Meter tiefer, da das Kraftwerk Ybbs-Persenbeug noch nicht gebaut war.

52



sarmingstein

Der Nutzgarten des Schiffmeisterhauses mit dem Lusthaus am sogenannten Wehrgang

Das Schiffmeisterhaus der Schalberger

I I

m Jahre 1511 zeichnete der Donau-

Die Lage des Schiffmeisterhauses war

maler Albert Altdorfer die Donau

einzigartig. Es stand direkt an der Län-

bei Sarmingstein. Bereits hier gut zu

de, wobei der ummauerte Hof in die

erkennen ist das markante Schiffmeis-

Donau hinein ragte. Zur Donau um-

terhaus mit seinen Türmchen und dem

schloss ein Wehrgang mit pittoreskem

befestigten Wehrgang.

Lusthäuschen den großen Garten, in

Die genaue Entstehung des Schiffmeisterhauses ist nicht gesichert – es

54

Gediegener Wohlstand spiegelte sich im Interieur des Wohnzimmers wider.

dem Gemüse und Früchte für Familie und Bedienstete gezogen wurden.

mag wohl im 14. oder 15. Jahrhundert

Die Innenräume waren großzügig

entstanden sein. 1602 wurde es auf-

ausgestattet mit edlen Schränken, Bil-

grund der drohenden Türkengefahr

dern, Lustern und einem Pianoforte.

neu befestigt und erweitert.

Ein interessantes Detail am Rande:

Schiffmeister waren zur Zeit der

Babette Ployer [1765–1811], Toch-

Holzschifffahrt Unternehmer, die das

ter des Kirchenmäzens Jodok Ployer,

alleinige Recht hatten, Waren auf Flüs-

wuchs hier auf, bevor sie 1781 nach

sen zu verschiffen. Meist waren sie rei-

Wien ging und dort zu einer gefeierten

che und angesehene Bürger, was sich

Pianistin avancierte. Wolfgang Amade-

sichtbar auch in ihren Häusern wider-

us Mozart selbst schrieb zwei Klavier-

spiegelte.

konzerte für sie.

Die steinernen Gewölbe im Eingangsbereich stammten noch aus der Erbauungszeit des 14. oder 15. Jahrhunderts.


Die Schalberger aus Marbach kamen

doppelte Handel brachte den Familien

1684 durch Heirat in den Besitz des

Wohlstand, bis der letzte Sohn 1930

vormaligen Mauthauses und legten mit

ohne Nachkommen starb.

Geschick und Ausdauer die Grundlage für die entstehende Schiffmeisterei.

Der Bau des Kraftwerkes Ybbs-Persenbeug läutete das Ende des Hauses

Mit schweren Kehlheimern verfrach-

ein. Nach vielen Verhandlungen mit

teten sie Holz in Form von Stückgut,

den Eigentümern und dem Bundes-

Scheitern und Schindeln nach Wien

denkmalamt wurde es 1958 trotz hefti-

und Budapest. Im Gegenzug brachten

gen Widerstandes gesprengt. Ein histo-

die Pferdezüge Wein aus der Wachau

risches Wahrzeichen an der Donau war

mit, der hier verkauft wurde. Dieser

hiermit unwiederbringlich verloren. !

In seinem Aufsatz ›Patrizierhäuser an der Donau‹ schreibt Robert Braun 1938 über das Schiffmeisterhaus: »Da ist außerdem seitwärts von der Straße das prächtige Tor, das der Zufahrt eines Wiener Palais nachgebildet scheint. So wechselt hier das Bäurische, kräftigen Erdensinn Bezeugende mit dem Anspruch auf Vornehmheit, den wir von den Landschlössern her kennen. Aber beides verfließt in einer glücklichen Mischung ineinander und dies macht wohl den Zauber dieses Gebäudes aus.«

55


sarmingstein

Märchenschloss mit Donaublick: Die Villa Karger

W I

ie lassen sich Arbeit und Muße

Giebeln und Erkern vermittelt dem Be-

am angenehmsten miteinander

trachter einen ausgesprochen maleri-

verbinden? Diese Frage beschäftigte

schen Gesamteindruck, der seinerzeit

zu Ende des 19. Jahrhunderts den Ge-

durch die farbig glasierten Dachziegel

meindearzt Dr. Adolf Karger.

noch verstärkt wurde.

Dr. Karger hatte seine Patienten zu-

Der Bauherr bezog mit seiner Fami-

nächst im ehemaligen Spital St. Niko-

lie die Bel Ètage im ersten Stock, wäh-

la Nr. 1 empfangen. Im Laufe der Zeit

rend das Erdgeschoß in den Sommer-

entstand die Idee, ein kleines Haus in

monaten regelmäßig an auswärtige

Sarmingstein zu einer prächtigen Villa

Gäste vermietet war.

auszubauen und dort sowohl Ordination als auch Wohnung einzurichten.

56

Anbau der Villa Karger an das bestehende kleine Haus 1896; der Schiffsanker im Vordergrund entstand in der Hammerschmiede Exenberger.

Nachdem die Söhne von Dr. Karger kinderlos geblieben waren, begann an

1895 entwarfen die Gebrüder Drexler,

dem mittlerweile unbewohnten Bau-

beide Wiener Architekten, das kleine

werk der Zahn der Zeit zu nagen. Die

Märchenschloss. Die typische Gründer-

Villa verfiel mehr und mehr – bis eines

zeitvilla entnahm ihre Formensprache

Tages im Jahre 2009 ein deutscher

einer Mischung aus Heimatstil und

Unternehmer mit seiner Gemahlin aus

Deutscher Renaissance. Insbesondere

der Wachau kommend das Gebäude

die Anhäufung von kleinen Türmchen,

passierte.

Bau des emporstrebenden Holzturmes, der den wuchtigen Hauptturm abschließt


Die Villa des Arztes Dr. Adolf Karger zählte zu den anmutigsten Gebäuden im Strudengau. Sie wurde 1895 von den Architektenbrüdern Drexler aus Wien entworfen und diente dem Besitzer als Praxis und Wohnung.

Zu Hause angekommen, meinte er zu seiner Frau: »Ich habe am Rückweg von der Wachau ein interessantes Objekt gesehen!«. Seine Frau erwiderte: »Ich auch, in Sarmingstein!« Beiden war die Villa Karger ins Auge gesprungen. Zwei Monate später war das Objekt gekauft und nach einem Jahr erstrahlte das vormals baufällige Gebäude in neuer Pracht. Als der Besitzer 2012 starb, stand die Villa einige Zeit zum Verkauf, konnte aber aufgrund der Hochwassergefährdung keinen neuen Eigentümer finden. 2017 suchte ein chinesischer Filmmusikkomponist ein Domizil in Österreich und fand die Villa Karger. Seitdem verbringt er immer wieder Wochen der Arbeit und Muße in diesem schönen Hause an der Donau…

!

57


waldhausen im strudengau

Engagement in den Bergen Von der Donau nicht zu sehen ist der Schlossberg in Waldhausen. Heute lässt sich im ehemaligen Stiftsgebäude betreut wohnen und urlauben und die barocke Stiftskirche zählt zu den schönsten im Lande. Dabei wäre sie nach der Auflösung des Stiftes 1792 um ein Haar abgerissen worden, hätten sich nicht zehn unerschrockene Bauern zum Kaiser begeben und dies gerade noch verhindert. Der Stiftsforst hingegen ging seinerzeit an das Linzer Domkapitel, das am Schwarzenberg ein idyllisches Forsthaus errichtete. Und an der Kleinen Ysper entstand das zweitgrößte Kraftwerk des gesamten Mühlviertels.

Ein ungewöhnlicher Blick auf den Schlossberg von Norden: Weder Badesee noch Kanzlerteich existierten damals und der Kirchturm trägt noch das nach dem Brand 1855 aufgesetzte Pyramidendach.

60



waldhausen im strudengau

Die das Stiftsgebäude umschließenden Arkaden verfielen ebenso wie der Pavillon des alten Stiftes. Nach dem pfarrlichen Engagement der Nachkriegszeit brachte die Landesausstellung 2002 neue Impulse für das schön gelegene Areal.

Ein hartnäckiges Stift am Schlossberg

D I

62

ass am Schlossberg in Waldhausen

Dies war für Joseph II. ein willkom-

überhaupt noch Stiftsgebäude exis-

mener Anlass, das überschuldete Stift

tieren, ist ein Musterbeispiel beherzten

dem Propst von St. Florian zu überge-

Engagements. Doch der Reihe nach:

ben, bis es schließlich unter Leopold II.

Otto von Machland gründete 1147

1792 aufgehoben wurde. Der Großteil

ein Augustiner-Chorherrenstift – nicht

des Stiftes wurde geschliffen und dien-

in Waldhausen, sondern auf der Burg

te den Gründern der Franzensburg in

Säbnich in Sarmingstein. Nach dessen

Laxenburg als Baumaterial. Der kostba-

Tod verlegten die Chorherren das Klos-

re Brunnen wanderte in das Stift Melk

ter nach Waldhausen und gaben ihm

und alle Besitzungen wurden dem Lin-

ab 1162 den Namen »silva domus«.

zer Domkapitel übergeben.

Seine Hochblüte erlebte das Stift

Dass die Stiftskirche nicht abgeris-

unter der Regierungszeit des Propstes

sen wurde, ist dem tapferen Eingreifen

Laurentius Voss von 1647 bis 1680.

von zehn Bauern zu verdanken, die

Dieser schuf neue Einnahmequellen

beim Kaiser persönlich vorsprachen

und begann einen großen, barocken

und den Abbruch verhindern konnten.

Neubau. Die luxuriöse Ausstattung mit

Dennoch war die Erhaltung der Gebäu-

Stuck und Fresken überstieg allerdings

de ein nahezu aussichtsloses Unterfan-

bald die Zahlkraft des Bauherrn.

gen und das Areal verfiel zusehends.

Noch gänzlich unverbaut zeigt sich der Ettenberg in den 1930er Jahren. Der Turm der Stiftskirche trägt noch das nach dem Brand von 1855 provisorisch errichtete Pyramidendach.


Um 1900 begannen Restaurierungen

Wohnen und Urlauben und ein regio-

und nach dem Zweiten Weltkrieg setzte

nales Leader-Büro zog ein.

eine intensive Denkmalpflege ein. Der

Alles in allem also Engagement, das

1855 abgebrannte Kirchturm erhielt

sich lohnte: Die Stiftskirche ist heute

1962 einen stilgerechten Zwiebelhelm.

ein Juwel und zählt zu den schönsten

Schließlich konnten mit der Landes-

Barockkirchen Österreichs. Und all-

ausstellung 2002 die Gebäude saniert

jährlich um den 8. Dezember glänzt im

und modernisiert werden. Es entstan-

Stiftshof der stimmungsvollste Advent-

den innovative Angebote für Betreutes

markt des gesamten Strudengaus!

Der Schlossberg um 1920: Auf dem Wege zur Stiftskirche standen u.a. ein Gasthaus mit Fleischerei, ein Schneiderhaus und das ebenerdige Kaufhaus Hirsch. Im angrenzenden Haus Schlossberg Nr. 15 führten die Kreuzschwestern ein Armenhaus und bis 1972 ein Entbindungsheim, in dem auch der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader das Licht dieser Welt erblickte.

!

63


waldhausen im strudengau

Bauarbeiten an der 460 Meter langen Druckrohrleitung ab der Fahrnersäge, in der später 300 Liter Wasser pro Sekunde zum Kraftwerk flossen

Ein Elektrizitätswerk für die Region

U I

m 1900 kam der elektrische Strom

Der Bau des Kraftwerkes begann am

in den Strudengau. Die ersten klei-

12. August 1924. Parallel dazu wurde

neren Generatoren – meist in wasser-

das Ortsleitungsnetz in Waldhausen

getriebenen Mühlen eingesetzt – konn-

und Dimbach errichtet. Um die damals

ten allerdings nur wenigen Häusern

bereits elektrischen Bohr- und Bauma-

Licht bringen.

schinen antreiben zu können, setzte

Um ganze Gemeinden mit elektri-

man von Grein über Waldhausen eine

scher Energie versorgen zu können,

Freileitung nach Kaltental. Der später

bedurfte es größerer Kraftwerke. Diese

überschüssige Strom konnte hierüber

entstanden ab 1920 entlang der Bäche

auf die Sammelschiene Grein–Maut-

und Flüsse des Mühl-, Wald- und Most-

hausen geleitet werden.

viertels. Am 24. August 1922 gründete sich

sodass bis zu 120 Personen im Schicht-

in Waldhausen die Elektrizitätsge-

betrieb arbeiten konnten. Der milde

nossenschaft Kaltental. Zweck dieser

Winter ermöglichte es zudem, dass die

Vereinigung war die Errichtung eines

erste Turbine bereits nach 16 Wochen

Kraftwerkes an der Kleinen Ysper, das

Strom nach Schlossberg lieferte.

zwischen der Fahrner Säge und der Anhalmsäge entstehen sollte.

66

Die Baustelle war nachts beleuchtet,

Am 15. Februar 1925 wurde das Kraftwerk Kaltental eröffnet. Nach dem

Das Kraftwerk Kaltental kurz vor der Eröffnung: Ein ausgesprochen milder Winter ermöglichte es, dass bereits am 1. Dezember 1924 in 50 Häusern am Schlossberg die Glühbirnen leuchteten.


Speicherkraftwerk Partenstein an der

Knapp 50 Jahre lang stand das Kraft-

Großen Mühl war dies das zweitgrößte

werk im Besitz der Genossenschaft.

Elektrizitätswerk im Mühlviertel. Zwei

Als sich 1974 jedoch die Versorgung

Francis-Turbinen mit 120 und 240 PS

der niederösterreichischen Gemein-

Leistung lieferten 1,5 Millionen KwH

den durch landeseigene Kraftwerke

pro Jahr und versorgten neben Wald-

abzeichnete, beschloss die Genossen-

hausen und Dimbach bald auch die

schaft den Verkauf an die ESG Linz.

Gemeinden Dorfstetten, St. Oswald, Nöchling, Altenmarkt und Ysper.

Das zweitgrößte Kraftwerk im Mühlviertel wurde in nur sechs Monaten errichtet. Bis zu 120 Personen arbeiteten teils in Nachtschichten auf der Baustelle. Die sichtbaren Stromleitungen wurden von Grein über Waldhausen zur Baustelle gespannt.

Das E-Werk steht heute immer noch und läuft und läuft und läuft…

!

67



zwischen sarmingstein und ybbs

Zwischen Sarmingstein und Ybbs Hunderte Wiener zog ein kleines Erholungsdorf Jahr für Jahr in seinen Bann, obwohl es dort nichts gab außer einem kleinen Bad – und viel Ruhe. Durchaus geschäftig ging es hingegen an der Ysper zu. 350 Jahre lang wurde hier Holz vom Weinsberger Wald zur Donau getriftet, bevor es in mächtigen Plätten die Hauptstadt Wien erreichte. Und dass der kleine Ort Donaudorf inklusive prachtvollem Schloss durch den Kraftwerkbau vollständig geflutet wurde, zählt selbst bei kundigen Strudengauern nicht zum Allgemeinwissen.

Kurz vor dem Ende des Strudengaus in Ybbs liegt auf der rechten Donauseite der Ort Donaudorf. Im Zuge des Kraftwerkbaus wurde der Großteil der einst drei Dutzend Häuser abgerissen – auch das prächtige Schloss Donaudorf mit weitläufigem Park und eigener Traberzucht musste dem Staudamm weichen.

71


zwischen sarmingstein und ybbs

Die Ortseinfahrt von Osten her, mit blühenden Obstbäumen, wie sie noch bis in die 1950er Jahre bestand

Der stille Charme des Erholungsdorfes Nöchling

N I

ur damit beim Begriff »Erholungs-

Kandelaber am Marktplatz; Bänke wur-

dorf« kein falscher Eindruck ent-

den aufgestellt und Wegmarkierungen

steht: Nöchling ist seit 1842 Markt und

neu angelegt. 1927 bekamen Nöchling

kein Dorf mehr. Dennoch wirkt der

und Mitterndorf das elektrische Licht –

kleine Marktflecken auch heute noch

und auch für die Straßenbeleuchtung

wie ein kleines Dorf, in dem jeder je-

kam der Verschönerungsverein zum

den kennt und grüßt.

Teil auf.

Der heute älteste Nöchlinger war

So war alles bereitet und die »Wie-

schon auf der Welt, als 1928 das erste

ner« konnten kommen. Und sie kamen

Freibad, das »Fritz-Bad« gebaut wurde.

scharenweise. Mitte der 1930er Jahre

»Es war wirklich unglaublich, dass so viele

gab es praktisch kein Haus in Nöch-

Wiener kamen, wo es doch bei uns nichts

ling, das nicht zumindest ein Zimmer

gab, außer das Bad!« erinnert sich der

vermietet hätte.

95-jährige ehemalige Fabrikant.

72

Das 1928 errichtete ›Fritz-Bad‹ war rundum aus Holz gebaut und verfügte über ein eigenes Kinderbecken (im Bild links unten).

Die Sommergäste hatten seinerzeit

Bereits im Jahre 1911 war der Ver-

geringe Ansprüche. Sie genossen die

schönerungsverein für Nöchling und

schöne Gegend mit dem herrlichen

Umgebung gegründet worden. Der Ver-

Alpenblick, Ausflüge führten sie in das

ein führte 1912 die Marktbeleuchtung

Yspertal, nach Waldhausen oder Sar-

ein und errichtete einen freistehenden

mingstein. In Nöchling und Mittern-

Das Gasthaus Kirchhofer stand an der Kreuzung nach Mitterndorf. Das kleine Bauernwirtshaus wurde nicht nur von Einheimischen, sondern auch von den Sommerfrischlern gerne besucht.


dorf gab es zusammen fünf Gasthäu-

An den Wochenenden inszenierte die

ser, in die die hungrigen Wanderer am

Volksliederrunde gut besuchte Heimat-

Abend einfielen. Sehr zum Leidwesen

abende, in denen gesungen und musi-

des Pfarrers veranstalteten sie ausge-

ziert wurde und sogar kleine Theater-

rechnet an Freitagen ihre Bratwürstel-

stücke zur Aufführung gelangten.

oder Saumeisen-Essen – »für die hiesige

Aber auch ohne diese Darbietungen

Bevölkerung das schlechteste Beispiel!«

wären die Sommergäste vermutlich ge-

wie er in seinem Memorabilienbuch

kommen – suchten sie ja eigentlich nur

1932 anmerkte.

Eines: Erholung!

Ein wenig anders als vor 80 Jahren sieht er heute aus, der Marktplatz von Nöchling: Die große Linde und die drei Kastanienbäume fehlen ebenso wie der Brunnen dahinter. Und nach einem Regen laufen keine kleinen Bäche mehr rechts und links der Straße entlang, in denen Kinder Holzschiffchen schwimmen lassen. Indes existiert ein Kaufgeschäft nach wie vor und auch eine neue Linde wurde 2014 gepflanzt.

!

73


zwischen sarmingstein und ybbs

Bis 1955 stand das jahrhundertalte Schloss Donaudorf an der rechten Donauseite kurz vor Ybbs. Die Katharinenkapelle und der prächtige Festsaal waren weithin berühmt.

Die Bergl-Fresken im Schloss Donaudorf

G I

ut drei Kilometer lang zog sich am

besitzer, Eugen Baron Grimmer von

rechten Donauufer bis kurz vor

Adelsbach Pferdezüchter war, fand sich

Ybbs ein kleines Straßendorf entlang. Etwa drei Dutzend Häuser lagen

Einführen junger Traber.

hier an einer Pappelreihe, dazwischen

Im Inneren gab es zwei bemer-

Gastwirtschaften und Schiffsställe. Ein

kenswerte Räume: eine Kapelle im

Bauwerk zog jedoch alle Aufmerksam-

Erdgeschoß und den fünfachsigen,

keit auf sich: Schloss Donaudorf.

donauseitig gelegenen Festsaal im

Dieses historische Gebäude aus dem

Eugen Baron Grimmer von Adelsbach war der letzte adelige Besitzer des Schlosses. Mit seinem Sulky fuhr er nicht nur auf der Trabrennbahn, sondern sonntags auch zur Messe nach Ybbs.

Hauptgeschoß.

Jahre 1462 stand etwa 1,5 Kilometer

Die Kapelle war der Heiligen Katha-

westlich von Ybbs. Es bestand aus drei

rina geweiht und besaß ein hochwerti-

Objekten – dem Schloss selbst, dem

ges Altarbild eines deutschen Künstlers

zentralen Torturm und einem Gäste-

von 1767, das die Enthauptung Kathari-

trakt, der über einen Wandelgang mit

nas zeigte.

dem Schloss verbunden war.

76

auf dem Areal auch eine Bahn zum

Der Festsaal beeindruckte durch die

In dem gepflegten, von Alleen durch-

um 1770 aufgebrachten Fresken des

zogenen Park befanden sich kleine

Trogerschülers Johann Baptist Bergl.

Lustwäldchen und stattliche Blumen-

Üppige Pflanzen- und Tierdarstellun-

anlagen. Da der letzte adelige Schloss-

gen konkurrierten auf über 250 Qua-

Der Gästetrakt rechts war über einen verglasten Wandelgang mit dem Schloss verbunden.


dratmetern mit den Landschaften der

Vor dem Abbruch des Gebäudes konn-

damals bekannten Kontinente Europa,

ten aber die einzigartigen Bergl-Fres-

Afrika, Asien und Amerika.

ken gerettet werden.

Doch weder die reiche Geschichte

Nach Wien gebracht, wurden sie

noch der wunderbare Festsaal konnte

im Bundesdenkmalamt von den alten

das Schicksal des historischen Gebäu-

Putzschichten getrennt und auf einen

des abwenden: Am 20. Dezember 1955

Juteträger aufgebracht. Im barocken

tat es einen gewaltigen Dynamitknall –

Wasserschloss Laudon in Hadersdorf

und Schloss Donaudorf existierte nicht

fanden die wertvollen Gemälde schließ-

mehr.

lich ihre neue Heimat.

Der Festsaal des Schlosses war mit wertvollen Teppichen ausgelegt, antike Möbel und prächtige Luster vermittelten gediegenen Luxus. Einzigartig waren die Fresken des Trogerschülers Johann Baptist Bergl von 1770. Auf über 250 Quadratmetern konnte man hier Tier- und Pflanzenbilder sowie die damals bekannten vier Kontinente bewundern.

!

77



persenbeug und ybbs

Am Ziel in Ybbs und Persenbeug Der historische Strudengau endet in Ybbs. Hernach beginnt der Nibelungengau, der in Melk in die Wachau übergeht. Ein lebendiges, hölzernes Wahrzeichen war – und ist immer noch die 700-jährige Marktlinde in Persenbeug. Ein ›Admiral‹ befehligte über 1000 Schiffe und in Ybbs waren ›Irrsinnige‹ in einer schlossartigen Anstalt untergebracht. Erstmals ›Waden sehen‹ konnte man im vielbesuchten Strandbad am Ybbsfluss und die kleinste Straßenbahn der Welt verband verband die Station Kemmelbach der Kaiserin-Elisabeth-Bahn mit der Stadt Ybbs.

Schloss Persenbeug steht trutzig über dem noch unverbauten Donauufer. Eine Steinplätte wartet auf ihre Fracht während sich im Hintergrund der ›Ybbser Stephansdom‹, die ›öffentliche Irrenanstalt‹ und die ehemaligen Reiterkaserne abzeichnen.

79


persenbeug und ybbs

Die alte Hauptstraße in Persenbeug in den 1930er Jahren; im Hintergrund die Marktlinde

Die Marktlinde von Persenbeug

SI

80

ie hat die Pest im Mittelalter er-

diges« Wahrzeichen – aber es gibt sie:

lebt, den Dreißigjährigen Krieg, das

die »Linde im Gries« in St. Georgen

Kommen und Gehen der Geschlechter

im Attergau etwa oder die »1000-jäh-

auf Schloss Persenbeug – Menschen,

rigen Linden« in St. Marienkirchen

die unter ihr Gericht hielten und Men-

bei Schärding und im salzburgischen

schen, die unter ihr heirateten.

Faistenau; und eben die Marktlinde in

Die »Linde auf dem Platze« ist über

Persenbeug, am heutigen Rathausplatz

700 Jahre alt. Sie wurde um 1300 ge-

stehend zwischen der alten Pfarrkirche

pflanzt, gerade als die Habsburger die

»Florianikapelle« und dem Rathaus.

Herrschaft über das Herzogtum Öster-

1733 wurde der Fuß der Linde mit ei-

reich gewonnen hatten. Seitdem hat sie

ner gemauerten Einfassung versehen,

bewegte Zeiten erlebt und wurde zum

um sie vor Beschädigungen zu schüt-

Wahrzeichen des Ortes.

zen. Als die Sommerlinde mit der bota-

Wahrzeichen bestehen aufgrund der

nischen Bezeichnung Tilia platyphyllos

nötigen Beständigkeit meist aus Stein.

1929 zum Naturdenkmal erklärt wur-

Oft handelt es sich hierbei um einen

de, maß man den Umfang des mächti-

Turm, eine Burg, einen Brunnen,

gen Baumes: Er betrug viereinhalb Me-

eine Brücke oder eine Kirche. Wenige

ter, was einem Durchmesser von etwa

Orte in Österreich haben ein »leben-

eineinhalb Metern entsprach.

Etwas deformiert zeigt sich die Marktlinde um 1900. Linden haben aber die erstaunliche Fähigkeit, sich wieder zu verjüngen, indem sie neue Innenwurzeln im Boden verankern und eine junge Krone ausbilden.


1952 wurde die Linde generalsaniert.

verjüngen sich laufend, indem neue

Entstandene Hohlstellen wurden ab-

Innenwurzeln vom alten Stamm aus

geschlossen und die Hauptäste mit

in den Boden wachsen und eine junge

dünnen Eisenstangen gegeneinander

Krone bilden.

verspreizt, sodass kein Sturm sie mehr abreißen kann.

Über 700 Jahre alt ist die um 1300 gepflanzte Sommerlinde zwischen der alten Pfarrkirche ›Florianikapelle‹ und dem Rathaus. Das Foto von 1909 zeigt auch die alte Gemeindewaage, die bis 1962 ihren Dienst tat.

Noch heute steht die Marktlinde wohlgeformt, mit ausladenden Ästen

Linden können weit über tausend

mitten am Marktplatz und spendet

Jahre alt werden. Der Volksmund sagt,

Schutz und Schatten. Vielleicht ist sie

dass Linden »300 Jahre kommen, 300

gerade erst erwachsen geworden und

Jahre stehen und 300 Jahre vergehen«. Sie

sinniert über das Altwerden…

!

81


persenbeug und ybbs

Rechts die Herren, links die Damen: Die strenge Badeordnung des Ybbser Strandbades tat dem Vergnügen keinen Abbruch – bezog sie sich in den 1920er Jahren lediglich auf die Umkleidekabinen. Im Wasser durften Männlein und Weiblein bereits zusammen plantschen!

»Waden sehen« im Ybbser Strandbad

E I

nde des 19. Jahrhunderts wurde aus

1926 schrieben Fred Raymond und

dem Baden eine beliebte Freitzeit-

Fritz Grünbaum den Schlager »Ich hab

beschäftigung – mit einem Problem:

das Fräulein Helen baden seh’n«, mit

Es war hochgradig unschicklich, sich

dem für jene Zeit recht frivolen Text:

am Badestrand zu entblößen. So wurden skurrile Kleidungsstücke

Ich hab’ das Fräulein Helen

entworfen, mit denen die Damen ins

baden seh’n, das war schön!

Wasser steigen konnten. Unter einem

Da kann man Waden seh’n,

Rüschenrock trug die Dame Hosen,

rund und schön im Wasser steh’n!

Strümpfe, Schuhe und zum Schutz vor der Sonne noch eine Badehaube.

Man fühlt erst dann

Damit sich die Röcke im Wasser nicht

sich recht als Mann,

bauschten, wurden sie mit kleinen Ge-

wenn man beim Baden geh’n

wichten behangen.

Waden seh’n kann!

In den 1920er Jahren hingegen ak-

84

zeptierte man schon ausgeschnittene

In der Zwischenkriegszeit lag an der

Kleider und Trikotanzüge mit kurzen

Ybbsmündung eine große Badeanstalt.

Beinen, die die weiblichen Oberschen-

Die Kabinen waren zwar noch nach Ge-

kel stetig mehr entblößten.

schlechtern getrennt und eigene Bade-

Übergang von der verhüllenden Bademode der Kaiserzeit zu den Badetricots der 1920er Jahre


wärterinnen achteten penibel auf die

Junge Burschen nutzten die nahe Ybbs-

Einhaltung der Badevorschriften. Im

brücke und die besonders Wagemuti-

klaren Wasser der Ybbs war indes ge-

gen kletterten zuvor noch auf die fünf

meinsames Baden erlaubt und die Her-

Meter hohe Stahlkonstruktion, um hie-

ren durften bereits kurze Badehosen

rauf mit schneidigem Kopfsprung in

ohne Oberteil tragen.

den Fluten zu verschwinden.

Neben bestaunenswerten weiblichen

Und so war im Ybbser Strandbad

Waden gab es im Strandbad noch eine

neben dem Badevergnügen auch für

zweite Attraktion: die Brückenspringer.

Fantasie und Abenteuer gesorgt…

Das Ybbser Strandbad an der Mündung des Ybbsflusses im Jahre 1925: Scharen tummelten sich hier an sonnigen Tagen, um sich im klaren Wasser des Flusses abzukühlen oder auf der hübschen Veranda zu zeigen. Das einladende Strandbad bestand bis 1945.

!

85


persenbeug und ybbs

Mit lautem Gebimmel machte die ›Kleine Elektrische‹ an der engsten Stelle in der Wienerstraße auf sich aufmerksam, um Fußgänger rechtzeitig zu warnen.

Die kleinste Straßenbahn der Welt

Z I

wischen dem Bahnhof Kemmel-

Am 11. November 1907 nahm die »Klei-

bach und dem Hauptplatz von Ybbs

ne Elektrische« ihren Betrieb auf. Die

fuhr 46 Jahre lang die kleinste Straßen-

ganze Bahn bestand aus zwei Triebwa-

bahn der Welt. Kurz die Vorgeschichte

gen, die abwechselnd, ohne Waggons

zu diesem Kuriosum:

auf der eingleisigen Bahn fuhren.

Die Kaiserin Elisabeth-Bahn von Wien nach Salzburg wurde 1860 eröff-

bahn an folgenden Haltestellen:

net. Die Bahntrasse führte drei Kilome-

Bahnhof Kemmelbach

ter an Ybbs vorbei, um Platz für einen

Wieselburger Straße

Kreuzungsbahnhof mit der geplanten

Sarlinger Auwege

Nord-Süd-Verbindung zwischen Prag

Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumsallee

und Triest entstehen zu lassen. Seitens

Städtisches Bad

der Stadt Ybbs setzte man vorerst Post-

Schießstätte/Hemmelmayer Stadel

kutschen und Stellwagen ein, um die

Fabrik Ignaz Eberstaller

Strecke zwischen Kemmelbach und

Vorstadt Angern

dem Zentrum zu überwinden.

Langegasse/Gasthof Luger

Nachdem die Nord-Süd-Verbindung

88

Im Eröffnungsjahr hielt die Straßen-

Hauptplatz Ybbs

nicht zustande kam, fiel die Entschei-

Eine besondere Herausforderung war

dung zugunsten einer Straßenbahn.

die engste Stelle in der Wienerstraße.

Die erste reguläre Fahrt der Ybbser Straßenbahn fand am 11. November 1907 statt.


Der Wagen ließ nur einen Raum von

1953 wurde die heutige Bundesstraße

knapp eineinhalb Meter zu den Häu-

Nr. 25 gehoben und verbreitert, an der

sern frei – hier mussten die Fußgänger

Bahn standen zudem teure Wartungen

darauf achten, nicht gegen die Häuser

an. Dies waren die Hauptgründe, die

gedrängt zu werden.

Straßenbahn schließlich einzustellen

Dennoch war die »Kleine Elektri-

46 Jahre lang fuhr die kleinste Straßenbahn der Welt täglich von Kemmelbach zum Hauptplatz von Ybbs und zurück. Die zwei kleinen Wagen bewältigten hierbei über zwei Millionen Kilometer und waren der ganze Stolz der Ybbser Bürger.

und durch Busse zu ersetzen.

sche« in Ybbs über vier Jahrzehnte ein

Als die zwei kleinen Wagen am 22.

Star – welche Kleinstadt hatte schon

September 1953 ihre letzte Fahrt absol-

eine Straßenbahn? Mit Wehmut erin-

vierten, hatten sie insgesamt 2,235.600

nern sich ältere Ybbser noch heute an

Kilometer absolviert und damit 56 Mal

das »Klingeling« der niedlichen Tram.

den Erdball umrundet!

!

89


90


Alpenblick bei Waldhausen in den 1930er Jahren

Dank in Buch wie dieses entsteht nicht

Pfarrer Msrg. Karl Wögerer und Josef

Buches in ein ansprechendes Layout ge-

dadurch, dass der Autor sich ins

Gruber danke ich für die vielen Infor-

gossen und meine begrenzte gestalteri-

stille Kämmerlein zurückzieht und liest.

mationen zu Waldhausen und die aus-

sche Sicht immer wieder erweitert.

Es entsteht durch Gespräche.

drucksstarken Bilder.

E

Und schließlich umarme ich meine

Mein erster Dank gilt dem Greiner

Die Geschichte der rechten Donau-

liebe Barbara, die mich mit ihrer unauf-

Stadthistoriker Dr. Karl Hohensinner.

seite war mir zu meiner Schande nahe-

dringlichen Art immer wieder auf Spur

Sein fundiertes Geschichtsverständnis

zu unbekannt. Hilfsbereit zeigten sich

gebracht hat, wenn ich müde wurde oder

hat mich motiviert, tiefer zu forschen

hier Johann Aiglinger, Dr. Heimo Cerny,

Gefahr lief, zu übertreiben…

und zweifelhafte Quellen zu meiden.

Johann Freudenberger, Kurt Weinstabl,

Christoph Lettner danke ich für seine zahlreichen historischen Geschichten, die inspirierenden Aperçus und seine wirklich außergewöhnlichen Fotos.

Dr. Margit Labuda, Mag. Kathrin Kratzer

Ein besonderer Dank…

und Josef Zwiefelhofer.

Mit Freude herausheben darf ich die

Bei allen Leihgebern von historischen Fotos bedanke ich mich sehr herzlich.

unten stehenden »Zwölf Aposteln des Strudengaus«.

Christian Leitner mag ich doppelt er-

Dieses Buch lebt durch die Emotionen,

So habe ich einmal scherzhaft die

wähnen: Er hat mitgeholfen, die Topo-

die diese wunderbaren alten Aufnah-

Sponsoren für den Druck genannt, bis

thek St. Nikola an der Donau aufzu-

men vermitteln.

ich gemerkt habe, wieviel Herzblut für

bauen und sein reiches Archiv für dieses Buch zur Verfügung gestellt.

Die b2 Werbeagentur aus Bad Kreuzen hat mit viel Gespür den Geist dieses

unser schönes Donautal tatsächlich in diesen Menschen steckt!

Ing. Heinrich Ebner

Klaus-Dieter Heilmann

Mag. Rudolf Pröglhöf

Ing. Kurt Engelmann

Henri Huang

em. Univ.-Prof. Dr. Johann Risak

Brigitte Feistl

Kons. Erhard Meindl

Ing. Alexander Wenigwieser

Ing. Michael Fröschl

Dr. Robert Menzl

Msgr. Karl Wögerer 91


»Vorhang auf für ein außergewöhnliches Werk !« Dieser Band vermittelt in seinen Bildern und Geschichten lyrische und dramatische Momente vor der Kulisse des alten Strudengaus. Längst vergangene Augenblicke werden in ein neues Licht gesetzt – die Aufmerksamkeit richtet sich auf Persönlichkeiten, Bauten und Landschaften, auf leichtes Leben und harte Arbeit, auf Kurioses und Beständiges. Die reich bebilderte Szenenfolge lässt alles Gegenwart werden, während die Geschichten Staunen und Vergnügen bereiten. Kurzum: À la bonne heure!

ROBERT MEYER Volksoperndirektor und Strudengau-Liebhaber

ISBN 978-3-9505082-0-8

9 783950 508208


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