MARIE RUPRECHT
TAG & NACHT
Es ist der Wechsel in der Beständigkeit, die Beständigkeit des Wechsels, der konsequent gesetzte Rhythmus, der zur Veränderung führt: die Spuren des Lebens als formende Beschreibungen der andauernden Bewegung der Beständigkeit. Diese manifestieren sich in der Haut der Lebewesen, den Rinden der Bäume, den Geländefurchen. Sie zeigen sich als Verwerfungen, Eingrabungen, Schichtungen, als teilweise geöffnete Bedeckungen und Aufstülpungen, die - unter anderem - dem Licht erst ermöglichen, Schattenzonen entstehen zu lassen und somit auch Unterscheidungen. Es ist die Beständigkeit des Wechsels von Tag und Nacht - so eine der zentralen thematischen Überschri�en zur begrifflichen Annäherung an das künstlerische Werk von Marie Ruprecht. In sensibler Verbindung von Materialauswahl und gestaltender Intervention entstehen Objekte als Zeichensetzung der Spurensuche, als Wegmarkierung zur weiteren Findung. Als behutsamer Impuls zur Kontemplation feiner Energieverschiebungen können diese Kunstwerke ebenso den Anspruch erheben, wie auch als Weg bestimmende Interpretation grundsätzlicher kultureller Haltungen des Menschen. Bei aller Fragilität und Zartheit präsentieren sie sich dennoch sehr selbstbewusst und durchaus bestimmend - dies vor allem aufgrund ihrer formalen Präzision und einer grundgelegten Sauberkeit der künstlerischen Aussage: eine Haltung, die fernöstliche Kulturschulungen deutlich erkennbar macht.
In diesem Sinne können die Interpretationsbögen zu diesen Werken durchaus größer gezogen werden: "Wenn du die Absicht hast, dich zu erneuern, tu es jeden Tag" (Konfuzius) - und wohl auch jede Nacht, wäre hier wohl zu ergänzen. Das künstlerische Denken und Handeln als konsequente Synthese wie es Marie Ruprecht vorstellt, ist punktgenaue Konzentration und zugleich stets umfassender erfahrbarer Zusammenhang des prinzipiell Lebendigen. Diese Werke sind Landscha�en als summarischer Zusammenhang, der für etwas Größeres steht als für die Summe der Einzelspur, es sind Existenzen zwischen Erfahrung und Bestimmung, die den Menschen beständig im Wechsel von Tag und Nacht als Lebenspartner herausfordern und doch von ihm selbst stets mitgestaltet werden: als Umwelt und Innenwelt zugleich. Die Wegmöglichkeit einer künstlerischen Berührung des Lebens wird in diesen Werkstücken genau so deutlich wie die große Herausforderung, Kunst in diesen Lebenswegrhythmus möglichst tief und direkt einzusetzen.
Dr. Peter Assmann - Kunsthistoriker, Museumsleiter, Schriftsteller und bildender Künstler
IN DER ZEIT ZU HAUSE SEIN / NACHT / Tusche und Acryl auf alten Leinenstücken / 24 cm x 24 cm gerahmt / MARIE RUPRECHT / 2021
IN DER ZEIT ZU HAUSE SEIN / NACHT / Tusche und Acryl auf altem Leinenstück MARIE RUPRECHT / 2021 Rechts: Ausstellungsansicht Galerie Lebzelterhaus / 2021
IN DER ZEIT ZU HAUSE SEIN / TAG / Tusche und Acryl auf altem Leinenstück / 27 cm x 27 cm gerahmt / MARIE RUPRECHT / 2019 Rechts: IN DER ZEIT ZU HAUSE SEIN / NACHT Tusche und Acryl auf altem Leinenstück / 103 cm x 130 cm / MARIE RUPRECHT / 2021
IN DER ZEIT ZU HAUSE SEIN / TAG / Tusche und Acryl auf altem Leinenstück MARIE RUPRECHT / 2021
SCHLÄFT EIN LIED IN ALLEN DINGEN, DIE DA TRÄUMEN FORT UND FORT / Tusche und Aquarell auf Büttenpapier / 27 cm x 21 cm gerahmt / MARIE RUPRECHT / 2021 / Rechts: UNTER ALTEN BÄUMEN / Japanische Tusche auf Karton / 40 cm x 50 cm gerahmt / MARIE RUPRECHT / 2020
Der Mond bleibt hell, wenn er die Nacht nicht meidet. Rumi
DER MOND BLEIBT HELL / Karbonisierter Holzstaub auf Büttenpapier / 22 cm x 22 cm gerahmt / MARIE RUPRECHT / 2021
FEUER IN DER NACHT / Japanische Yakisugi Technik / Karbonisiertes Holz / 10 cm x 10 x 10 cm / MARIE RUPRECHT / 2021
Marie Ruprecht, 1975 in Oberösterreich geboren, lebt und arbeitet in Aschach an der Donau. Sie studierte Experimentelle Visuelle Gestaltung an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz und arbeitet seit 1994 in unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen wie Malerei, Fotografie, Skulptur, Film und Rauminstallation. Ein wesentliches Merkmal ihrer Arbeiten ist die unmittelbare Auseinandersetzung mit den vorgefundenen räumlichen und inhaltlichen Gegebenheiten und die themenbezogene Aneignung immer wieder neuer Kulturtechniken zur Umsetzung ihrer Werke. Die Beschaffenheit der verwendeten Materialien sowie unterschiedliche Verarbeitungsmethoden und der experimentelle Umgang damit fließen bewusst in den Gestaltungsprozess ein. Die verwendeten Materialien werden auf ihre Möglichkeiten getestet und das Verhältnis zwischen präzise Planbarem und unvorhersehbar Zufälligem wird immer wieder aufs Neue ausgelotet. Ihre Werke werden international in Galerien, auf Kunstmessen und in Museen gezeigt und sind in öffentlichen sowie privaten Sammlungen wie der Kunstsammlung des Landes Oberösterreich, der Sammlung der Stadt Linz und der Sammlung Museum Angerlehner vertreten. Sie erhielt Stipendien des österreichischen Bundeskanzleramtes, des Landes Oberösterreich, der Stadt Linz und der Association of Icelandic Artists. Marie Ruprecht ist Initiatorin und Leiterin des KUNSTSALONs gemeinsam mit Antonia Riederer. Sie ist Mitglied folgender Künstlervereinigungen: KÜNSTLERHAUS Wien - Gesellscha� bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs DIE KUNSTSCHAFFENDEN - Galerie im OÖ Kulturquartier Galerie DIE FORUM Wels forum - Kunstuniversität Linz
Foto: Starmayr
CV 2002 bis 2005 Doktoratsstudium Univ. Prof. Dr. Thomas Macho Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz 2001 Diplom mit ausgezeichnetem Erfolg Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz 1994 bis 2001 Meisterklasse Experimentelle Visuelle Gestaltung Univ. Prof. Dr. Herbert Lachmayer Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz STIPENDIEN & PREISE Juli 2020 Atelierstipendium des Landes Oberösterreich Juni 2006 & Juli 2006 LinzEXPOrt Förderstipendium der Stadt Linz Juni 2006 & Juli 2006 SIM House AIR Stipendium, Reykjavik, Island März 2003 bis August 2003 Auslandsatelierstipendium des österreichischen Bundeskanzleramtes in Fujino, Japan. April 1998 bis Juni 1998 Erasmus Studienaufenthalt an der Universität der schönen Künste, Bilbao, Spanien. August 1998 Erster Preis in der Kategorie Freie Kunst im Rahmen des internationalen Wettbewerbs Future.Vision.Work für junge ArchitektInnen, DesignerInnen und KünstlerInnen
Inmitten der Pandemie, in einer Zeit, in der wenig so geblieben ist wie zuvor, war der immer wiederkehrende Rhythmus von Tag und Nacht und die damit verbundenen Rituale und Handlungen eine wichtige unverrückbare Konstante, die für uns alle gleich geblieben ist. Den Rhythmen der Zeit folgende Rituale lassen sich als symbolische Techniken der Einhausung definieren. Sie verwandeln das IN DER WELT SEIN in ein IN DER ZEIT ZU HAUSE SEIN. Rituale machen aus der Welt einen verlässlichen Ort. Sie sind in der Zeit das, was im Raum eine Wohnung ist. Sie machen die Zeit bewohnbar. Ja, sie machen sie begehbar wie ein Haus. Sie ordnen die Zeit, richten sie ein. Byung Chul Han, Vom Verschwinden der Rituale: Eine Topologie der Gegenwart
Die in der Ausstellung TAG & NACHT gezeigten Werke sind in der Auseinandersetzung mit dem immer wiederkehrenden Rhythmus der Tag- und Nachtzeiten entstanden.
Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung MARIE RUPRECHT - TAG & NACHT in der Galerie der Stadt Vöcklabruck - GALERIE IM LEBZELTERHAUS / 20. September bis 2. Oktober 2021 / Fotos: Marie Ruprecht & Sabine Starmayr / © Marie Ruprecht-Wimmer 2021 / Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Vöcklabruck.
Mag.�art. Marie Ruprecht-Wimmer Atelier: Abelstraße 11 - 4082 Aschach - Austria - 0043 (0)676 400 62 07 office@marieruprecht.at - www.marieruprecht.at
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