108 Besser leben
Migros-Magazin 8, 18. Februar 2008
Kinder im Sandwich
Erstgeborene, Mittelkinder, Nesthäkchen: Forscher behaupten, dass die ältesten Geschwister mehr Erfolg hätten, während die Jüngsten charmante Familienclowns seien. Und die Zweitgeborenen seien oft Problemkinder.
N
icolas Bürgi (6) aus Kirchdorf AG spielt mit seinem fünfjährigen Bruder Florian und seiner dreijährigen Schwester Alina «Vater, Mutter, Kind». Als Ältester übernimmt er die Rollenverteilung. «Ich bin der Vater, Alina ist das Kind, und du bist die Mutter», sagt er zu seinem jüngeren Bruder. Aber Florian ist damit nicht einverstanden. «Ich will nicht schon wieder die Mutter spielen. Ich will der Hund sein», schlägt er vor. «Nein, wir spielen eine Familie, und in dieser Familie gibt es keinen Hund», betont Nicolas mit Nachdruck und entscheidet kurzerhand: «Dann spielst du eben nicht mit.» Weinend versucht Florian, sich bei seiner Mutter Rückendeckung zu holen: «Der Nicolas lässt mich nicht mitspielen», beklagt er sich. Maya Bürgi, die Mutter der Dreierbande, beruhigt ihren mittleren Sohn und ermahnt Nicolas, den Bruder auch mal den Hund spielen zu lassen. Murrend gibt dieser schliesslich nach und sagt: «Wenns unbedingt sein muss.» Eine Viertelstunde später hört man nur noch vergnügte Stimmen aus dem Kinderzimmer, unterbrochen von wiederkehrendem lautem Hundegebell. «Manchmal ist es nicht ganz einfach, die
Vermittlerrolle zwischen drei Kindern zu spielen», sagt die vierzigjährige Mutter, die sich vor der Geburt ihrer Kinder ausgiebig mit dem Thema der Geschwisterkonstellation beschäftigt hat. «Unsere beiden Grossen sind nur elf Monate auseinander und wuchsen fast wie Zwillinge auf. Das ist in der ersten Zeit sehr anstrengend, aber für das weitere Leben der beiden von Vorteil», ist die Mutter überzeugt. Nach den beiden Söhnen legte die Familie Bürgi einen Babystopp ein, um sich klar zu werden, ob sie wirklich noch ein drittes Kind möchte. «Wir haben uns intensiv mit der Sandwichsituation auseinandergesetzt – Bücher zum Thema gelesen und zwischendurch immer wieder Bedenken gehabt, ob wir unserem Zweitgeborenen dies antun wollen. Schliesslich, das sagen Forscher, kämen die Mittleren häufig zu kurz», so die Überlegung der Eltern.
Rebellisches Mittelkind Erziehungswissenschafter sind sich einig, dass die mittleren Kinder überdurchschnittlich oft Schwierigkeiten bereiten. «Sie gelten als rebellisch und entwickeln sich oft zum Problemkind», bestätigt auch Erwachse-
Geschwisterfolge und ihre Wirkung Die Ältesten: Da sie in den ersten Jahren die Aufmerksamkeit der Eltern für sich alleine genossen haben, reagieren sie oft eifersüchtig auf jüngere Geschwister und wollen die Aufmerksamkeit der Eltern durch gute Leistungen in Schule und Sport zurückerobern. Eigenschaften: selbstsicher, fürsorglich, pflichtbewusst, gut organisiert. Tun sich schwer, Gefühle zu zeigen. Geben eigen Fehler ungern zu. Die Mittleren: Die SandwichKinder sind meist besonders kompromissbereit und finden leicht Freunde, da sie den Umgang sowohl mit jüngeren als auch mit älteren Kindern gewohnt sind. Meistens fühlen sie sich jedoch zu wenig beachtet und reagieren mit auffälligem Verhalten, können bockig sein. Eigenschaften: optimistisch, ausgeglichen, umgänglich, bescheiden. Geraten leicht in Reibereien, sind oft zu gutmütig. Die Jüngsten: Sie sind meist besonders einfallsreich und haben ein sonniges Gemüt, weil sie besonders verwöhnt wurden. Gibt es allerdings sehr viele Kinder, dann kann es sein, dass die Jüngsten kaum noch beachtet werden und nur noch so mitlaufen. Eigenschaften: gescheit, lebhaft, selbstsicher, lustig, grosszügig.
Nicolas (6), Florian (5) und Alina (3) sind Geschwister, jedes Kind weist andere Charakterstärken auf.
nenbildnerin Andrea Chalverat (47), welche die Probleme der Familienkonstellation in Kursen und Vorträgen behandelt. «Die Ursache hierfür liegt darin, dass Sandwichkinder nicht so viel Aufmerksamkeit wie die Erstgeborenen erhalten.» Den mittleren Kindern schenke man aber auch