Migros Magazin 13 2011 d ZH

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16 | Migros-Magazin 13, 28. März 2011

«Wir machen unsere Arbeit nicht, um die Autofahrer zu ärgern.» Josef Bommer (46), Mitarbeiter des Nationalstrassenunterhalts.

Das hat Rösli Urmi geschmerzt. «Sie hätten wenigstens warten können, bis die Nüsse reif geworden wären.»

Raststättenalltag: Todesfälle und Sturzgeburten

Pratteln im Baselbiet, A3, 126 000 Fahrzeuge pro Tag. «Hier sind alle in Eile», sagt Silvia Klumpp (39), die auf der Autogrill-Shoppingbrücke Souvenirs, Zeitungen und Kioskartikel verkauft. Das stetige Kommen und Gehen, die unterschiedlichen Mentalitäten machen die Arbeit in der Raststätte für sie reizvoll. «Jetzt bin ich schon mein halbes Leben hier», sinniert sie und lacht dabei so vergnügt wie verwundert. Als gelernte Kleintierpflegerin kam sie vor 19 Jahren für einen Aushilfsjob in die Raststätte, die dank ihrem futuristischen Bullaugendesign aus den 70er-Jahren rasch legendär wurde. Ein paar Wochen wollte sie bleiben – und ist nie mehr gegangen. Silvia Klumpp ist eine von 185 Mitarbei-

terinnen und Mitarbeitern. Die Raststätte hat jahraus, jahrein von 5 bis 23 Uhr geöffnet. Hier machen pro Tag 115 000 Autos halt – für einen WC-Besuch, für eine rasche Mahlzeit oder ein hübsches Souvenir. Alles mit Schweizerkreuz drauf ist heiss begehrt», weiss die Verkäuferin. Die Shoppingbrücke ist für viele Touristen das Tor zur Schweiz. Französisch, Englisch und Italienisch hat Silvia Klumpp während der Arbeit gelernt, auch ein paar Brocken Finnisch und Japanisch, «und ich weiss, was Briefmarke auf Holländisch heisst, nämlich postzegel.» Draussen, an der Zapfsäule, füllt ein sparsamer Zürcher günstiges Schweizer Benzin als Reserve für die Reise gen Norden in seinen 25-Liter-Militärkanister im Kofferraum. Das Innere der Brücke ist eine gemütliche Insel im Getöse des Verkehrs, der bei Pratteln so dicht ist wie auf keiner anderen Autobahn im Land. Vieles hat Silvia

Klumpp hier schon erlebt, von der Sturzgeburt im Sanitätszimmer bis zum Todesfall auf dem Parkplatz. In die Schlagzeilen geriet vergangenen Sommer ein britisches Ehepaar, das den zwölfjährigen Sohn hier vergass. Einst liess eine Busgesellschaft eine über 80-jährige Brasilianerin zurück. «Sie vergnügte sich seelenruhig den ganzen Tag auf der Brücke, bis sie am Abend abgeholt wurde», erinnert sich Silvia Klumpp.

Gefährliches Leben auf dem Mittelstreifen

Sennwald im Kanton St. Gallen, A13, 33 000 Fahrzeuge pro Tag: Ähnlich wie Silvia Klumpp ergeht es im St. Galler Rheintal Josef Bommer (46): Die Autobahn hat ihn in ihren Bann gezogen und nie mehr losgelassen. Als Fernfahrer lieferte er mit dem Lastwagen einst Güter bis nach Rom oder Mittelengland. «Als die Kinder grösser wurden, wollte ich nicht mehr so lange weg sein», sagt Bommer. So wurde er


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