Programmeft Don Giovanni

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der Aufführung zu Papier. «Mit dem lautesten Beyfall» wird, so Mozart selbst, die Premiere bedacht. Zu den Zuschauern soll sogar Giacomo Casanova gehört haben, in dessen Nachlass eine Textänderung des Sextetts im ersten Akt zu finden ist. Anders dagegen in Wien, wo die Oper auf Wunsch des Kaisers Joseph II. im Mai 1788 Premiere hat: Der Kritik und dem Wiener Publikum schmeckt dieser Stoff des neuen kaiserlichen Kammermusikus nicht – zu vulgär und zu irritierend. Dabei hat Mozart erhebliche Änderungen vorgenommen. Unter Anderem weicht Don Ottavios Arie «Il mio tesoro» im zweiten Akt der melodiöseren, mit weniger Koloraturen verzierten Arie «Dalla sua pace». Für die Sängerin Caterina Cavalieri ergänzt Mozart Donna Elviras musikalische Konturen um eine zwischen Rache und Liebe zerrissene Arie: «Mi tradì quell’alma ingrata». Trotz Anpassungen wird die Oper nach fünfzehn Aufführungen von den Spielplänen genommen und der Kaiser sagt: «Die Oper ist göttlich, vielleicht noch schöner als der Figaro. Aber sie ist keine Speise für die Zähne meiner Wiener.» (Aus Da Ponte: Geschichte meines Lebens.) Unbeeindruckt hat Mozart dem nur folgendes entgegenzusetzen: «Lassen wir ihnen Zeit, sie zu kauen.» Der Beifall aber steigt von Aufführung zu Aufführung und, wenn auch nicht zu Mozarts Zeiten und nicht nur E.T.A. Hoffmann erkennt in «Don Giovanni» die «Oper aller Opern». Mozarts Oper schlägt aus dem

«Zünd»-Stoff des Don Juan Funken und entfacht den Mythos eines Antihelden, der sich nicht von unten, sondern von oben, aus der Position eines Dons, gegen die soziale Ordnung stellt. Die Oper führt zu vielen dichterischen Echos. Charles Baudelaire verfasst ein Gedicht über Don Juan in der Hölle und Ödön von Horvárth entwirft einen Don Juan, der nach dem 1. Weltkrieg in eine Heimat zurückkehrt, der die Männer verloren gegangen sind. Max Frischs Held in der Komödie «Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie» ist von den Frauen gelangweilt und versucht sich durch die Höllenfahrt seinem eigenen Mythos zu entziehen. Sogar in Hollywood bahnt sich die Geschichte Don Juans in Joseph Gordon-Levitts Film «Don Jon» ( 2013 ) oder in Jim Jarmuschs «Broken Flowers» ( 2005 ) ihren Weg auf die grosse Leinwand. Film- und Bühnenkunst begegnen sich auf unserer Luzerner Opernbühne und es gilt, was schon Kierkegaard in seinem Werk «Entweder-Oder» feststellte: «Höre der Leidenschaft zügelloses Begehren, höre das Rauschen der Liebe, höre das Raunen der Versuchung, …  höre des Augenblicks Stille – höre, höre, höre Mozarts Don Juan!»


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