theaterlexikon 2005

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des Kämpfens müden Mann (Thomas Thieme). Die darstellerische Zurückhaltung der Schauspieler in der schwarz-weißen Inszenierung (Bühnenbild wie meistens bei P.: Katrin Brack) kommuniziert in einer so noch nie gesehenen Weise mit der emotionalen musikalischen Begleitung durch den auf der Bühne spielenden Pianisten Jens Thomas. P.s Regiearbeiten stehen für ein zeitgemäßes, differenziertes Theater zwischen der sensiblen, eindringlichen, gänzlich auf Sprache konzentrierten Produktion Traum im Herbst und den scheinbar wüsten Shakespeare-Bearbeitungen, von denen P. und Lanoye behaupteten, sie seien „mit dem Abbruchhammer und der Kettensäge“ entstanden. Die wiederholte Auseinandersetzung mit Shakespeare stellt selbstredend keinen Zufall dar, hat P. in Shakespeare doch einen Autor gefunden, der einen ganzen Kosmos menschlicher Schicksale und Empfindungen in sensibler Beobachtung entfaltet ohne zu moralisieren. P. ist ausgesprochen an Individualität interessiert ohne psychologisch zu sein, seine Menschen sind nicht ohne „Schuld“, aber ihre Entscheidungen werden jenseits moralischer Kategorien verhandelt. Sein Theater ist politisch in seiner unverbesserlichen Hoffnung auf die Katharsis des Zuschauers und kommt doch gänzlich ohne Belehrung aus. „Ich bin nicht mehr an Geschichten interessiert die oft nicht viel mehr bieten als Anfang und Ende sowie einen Verlauf, der künstlich oder eng moralisierend ist. Meine Aufmerksamkeit konzentriert sich in erster Linie auf eine Geschichte, die ich nicht wahrnehmen, nicht begreifen kann. Die Geschichte, die mich interessiert, spielt sich hinter und zwischen den Worten, in der Stille, in der Leere ab“, sagt ein Regisseur, dessen Textbegriff von mehr Respekt vor den Autoren vergangener Jahrhunderte zeugt als manche „werktreue“ Regiearbeit. Die Inszenierungen P.s erhielten verschiedene Auszeichnungen und mehrfache Einladungen zum jährlichen Theaterfestival der Niederlande und Belgiens. Einladung zum Berliner Theatertreffen 2000 mit Schlachten!, 2002 mit Traum im Herbst. Lit.: L. P., Alles ist möglich: das Theater des Verlangens, in: Theater der Zeit 5/2000, S. 24-27; „Im Schatten von Dutroux. Der belgische Regisseur L. P. im Gespräch mit Thomas Irmer“, in: Theater der Zeit 3/2000, S. 30-33. Susanne Eigenmann


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