Ljke infodienst 2008

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Theaterarbeit mit Jugendlichen an den Münchner Kammerspielen von Elke Bauer

Theaterarbeit mit Jugendlichen hat die Aufgabe, die Initiation in diese Welt zu begleiten. Es geht darum, das Faszinosum, das Lebendige, das Wunderbare, das das Medium Theater in seinem Zugriff auf Welt, Gesellschaft, Leben des Einzelnen in der direkten Begegnung mit seinen Zuhörern, Zusehern ausmacht, rüberzubringen und zu ermöglichen. Ich wähle bewusst ermöglichen, nicht vermitteln. Gerade Jugendliche sind hochsensibel und hochresistent gegen den pädagogischen Imperialismus. Theater soll ja nicht belehren, sondern auf das Erringen des eigenen, autonomen Urteils und Standpunktes Lust machen. Theater-Spiel ist für Jugendliche ein aufregendes Abenteuerland, in dem sie sich ausprobieren, an ungelebte Seiten ihrer Persönlichkeit herantasten, sich erforschen und die grundlegende Erfahrung machen: ich habe Fantasie, ich kann sie auf der Bühne verwirklichen, ich bin aus mir heraus meiner selbst mächtig. D. h.: Ich kann Bedingungen schaffen, Umstände ändern, letztlich: ich kann mein Leben selbst in die Hand nehmen. Bei Jugendlichen ist heute oftmals eine große Unselbständigkeit festzustellen, eine Abhängigkeit von Leitung und Wertung. Insbesondere die Merkmale gut und schlecht haben sich durch das Zensurensystem eingeprägt.

dem Schlüssel “Eintrittskarte” hin und wieder für drei oder vier Stunden betritt. Es geht um das Grundprinzip Öffnung. Zentrales Anliegen der Münchner Kammerspiele ist eine gesellschaftsreflektierende Kommunikation zwischen dem Theater und dem Publikum. Ziel ist dabei sowohl die Kunstvermittlung, als auch die Ermöglichung von Kunst. Wir machen Theaterarbeit mit Jugendlichen, um bei ihnen die Leidenschaft fürs Theater zu wecken, um ihnen eine künstlerische Möglichkeit des Selbstausdrucks zu bieten. Wir machen es, um Jugendliche bei der Kunst des Zuschauens, bei der Entschlüsselung der Theaterbildsprache zu unterstützen. Wir wollen ihnen nicht sagen, wie sie etwas zu sehen haben, sondern sie darin unterstützen, dass sie es sehen. UND Wir machen es, um in Kontakt zu neuen jugendlichen Sichtweisen auf Welt zu bleiben.

M8MIT! ist das Label für unsere Theaterjugendclubs. M8MIT! ist die Aufforderung sich einzumischen und mitzumachen. Und mitmachen kann jeder zwischen 15 und 21, der neugierig auf Theater ist, ohne Begabtenprüfung, Casting und Beitragszahlungen. In den Theaterjugendclubs werden die Jugendlichen bei ihrer Auseinandersetzung mit der Kunstform Theater Eigenständigkeit und Lust am Erfinden, Bauen, Unternehmen, Verändern der Welt, (auf der Bühne zumindest) von Theaterschaffenden professionell unterstützt. Dabei geht es um einen Umgang mit Wirklichkeit sowie mit also die Welt als eine veränderbare erfahren, sind Ziele bei der Theaterarbeit mit Jugendlichen. Kreativität ist der Sehnsüchten, Utopien und Illusionen. Es geht um Theater Weg, bei dem alle einen Teil ihrer Persönlichkeit entfalten das Ausdruck und Einmischung ist. können. Theater ist Ensemble-Kunst und führt zu einem In den Jugendclubs findet künstlerische Arbeit statt, bei der Themen und Inhalte genauso wichtig sind, wie die konstruktiven Miteinander. Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen. In diesem Theater ist dann nicht mehr Konsumobjekt – sondern es Sinne, fordern wir die Jugendlichen dazu auf, sich gemeinleistet das, was eine Aufführung allein nicht immer leisten sam mit uns, mit einem Thema auseinander zu setzen, kann: es beeinflusst Leben und Denken nachhaltig, erwei- dass für uns aktuelle gesellschaftspolitische Relevanz hat. In dieser Spielzeit war unser Spielzeitthema MIGRAtert und bereichert. TION/DA KANN JA JEDER KOMMEN. Die inhaltliche Folie dient als Hintergrund bzw. Ausgangspunkt für ein Die Münchner Kammerspiele sind keine sozialpädagogivielfältiges Formenspiel. sche Einrichtung. Am Anfang geht es darum, den Konsumenten den ProduWir machen Theaterarbeit mit Jugendlichen um des zenten in sich zu zeigen, anfassen zu üben also HemmunTheaters willen. Es ist unsere feste Überzeugung, dass Theater dialogisch angelegt sein muss, um legitim zu blei- gen abzubauen und das funktioniert über den Aufbau von ben. Das Theater ist kein hermetischer Ort, den man mit Vertrauen. D.h. wir machen Spiel und Spaß, reden viel

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