Fraktionsinfo Nr. 9/ Herbst 2020
fraktionlundp.de
Wir ziehen Bilanz! FĂźnf Jahre im Wiesbadener Stadtparlament
Inhalt
„Umweltfreundlich gedruckt auf 100% Recyclingpapier, mit Farben auf Basis nachwachsender Rohstoffe.“
S.3 Eine Stadt für alle! - Vorwort des Fraktionsvorsitzenden Hartmut Bohrer S.4 Sozialpolitik mit Ausstrahlung! S.6 Erhöhung der städtischen Mittel für die Sanierung von Schulen S.8 Gute Arbeit für alle! S.9 Frauen-Themen im Blickpunkt behalten! S.10 Gegen maßlose Steuer- und Gebührenerhöhungen! S.11 Unverzichtbare Beteiligung von Ortsbeiräten oft erst nach Intervention unserer Fraktion S.12 Wer hat das Sagen in der Stadt? S.14 Hartmut Bohrer spricht zur „Causa Schüler“ S.15 Wir wollen Mobilität für alle! S.16 Solidarisch für ein demokratische Kultur! S.18 Sport und Freizeit sind kein Luxus! S.19 Digitalisierung ist Chefsache! S.20 Umweltpolitik? Kommt in Wiesbaden zu kurz! S.22 Wohnen ist ein Menschenrecht! S.24 Aktuell: Videoüberwachung in Wiesbaden
Impressum
Kontakt zur Fraktion Geschäftsstelle der LINKE&PIRATEN Rathausfraktion Wiesbaden: Rathaus, Zimmer 305 Schlossplatz 6 65183 Wiesbaden Tel.: 0611 31-5426 Fax: 0611 31-5917 Mail: hallo@fraktionlundp.de Web: fraktionlundp.de FB: fb.com/fraktionlundp Twitter: twitter.com/fraktionlundp Instagram: linkeundpiratenwiesbaden
S.2
Wann sind wir erreichbar?
Abbildungen und Lizenzen:
Montag bis Donnerstag: 10-13 Uhr Freitag: 10-12 Uhr In den Schulferien: 10-12 Uhr
Bildquellen: Titel, S.2,4,20: Ann-Christine Sparn-Wolf; S.4,5,21: Ingo von Seemen; S.6,7,10:Bodo Kaffenberger; S.8: Mechthilde Coigné; S.9: AdobeStock_308470942; S.11: AdobeStock_312198215; S.12/13,18, 19: pixabay.com; S.15: Bürger ProCitybahn; S.16/17: AdobeStock_318527069; S.17: AdobeStock_242514454; S.20: AdobeStock_321858368; S. 22/23: AdobeStock_298030173; S.24: Jörg Sobek
Diese Zeitung ist kostenlos – wir freuen uns über Spenden: LINKE&PIRATEN Rathausfraktion Wiesbaden DE65 5105 0015 0277 0037 45 Gestaltung: Ann-Christine Sparn-Wolf V.i.S.d.P.: Hartmut Bohrer
Eine Stadt für alle!
Vorwort des Fraktionsvorsitzenden Hartmut Bohrer Liebe Leser*innen, Als Stadtelternbeirat treten wir für die Belange von mehr als 40000 mit diesem Fraktionsinfo Nr. 9 wolWiesbadener SchülerInnen und deren Eltern ein. Wir bedanken uns len wir wieder über die Arbeit unseinsbesondere dafür, dass durch Hartmut Bohrer immer wieder ein rer Fraktion im Rathaus berichten. Forum für den offenen Austausch an Bildung interessierter Gruppen Wir verstehen das als Teil unserer geboten wird. Die Diskussion mit SchülerInnen, LehrerInnen und poRechenschaftspflicht gegenüber litisch Wirkenden in Wiesbaden ist uns außerordentlich wichtig, um denjenigen, die uns im März 2016 die öffentliche Wahrnehmung bildungs- und schulpolitischer Ziele hoch zu halten. Neben dem Thema Sanierung von Schulen, gab es ein Mandat gaben. Am 14. März z.B. auch fruchtbare Diskussionen zur Schulentwicklung in Wies2021 findet die nächste Kommubaden insgesamt und zur technischen / digitalen Ausstattung von nalwahl statt und mit ihr endet Schulen und SchülerInnen. Der neue Arbeitskreis Schule & Kultur unser Mandat bzw. es kann durch setzt den Gedanken des Austausches und der Vernetzung fort. die Wahlberechtigten erneuert werden. Wer sich über unsere IniSabine Fuchs-Hinze, Vorsitzende Stadtelternbeirat Wiesbaden tiativen informieren will, findet auf unserer Internetseite www.fraktionlundp.de alle unsere Anträge und Anfragen in der Stadtverordnetenversammlung und ihren Ausschüssen sowie die Anfragen an die Verwaltung und deren Antworten. Unsere Pressemitteilungen zu wichtigen Themen sowie Reden unserer Stadtverordneten können sie dort ebenfalls nachlesen. Neben Facebook, Twitter und Instagram setzen wir weiterhin auf Gedrucktes, um möglichst viele Menschen in unserer Stadt zu erreichen. So erscheinen alle unsere Fraktionsinfos gedruckt Der Cyperus 1901 e.V. pflegt ein Biotop am Petersberg in Mainz-Kastel wie online. und sorgt sich um die Quellen dort, von denen das Cyperus-Gelände und der benachbarte Tierpark Kastel abhängig sind. Die geplante Dieses Mal ist unser Fraktionsinfo Bebauung im Ostfeld wird hunderte Hektar naturnahe, landwirtetwas umfangreicher, weil wir anschaftlich genutzte Fläche zerstören und den Lebensraum seltener, gesichts des sich nähernden Endes vom Aussterben bedrohter Tierarten wie z.B. Bilche, Fledermäuse, der Wahlzeit auf den verschiedenen Feldlerchen, Unken und zahlreiche Insektenarten vernichten. Die LINKE&Piraten Rathausfraktion unterstützt das Engagement zur Politikfeldern Bilanz ziehen wollen. Existenzsicherung des Cyperus 1901e.V. Mit ihren Stadtverordneten Viele Themen durchziehen die geaus Mainz-Kastel (Hartmut Bohrer) und Mainz-Kostheim (Mechthilsamte Wahlperiode und finden sich de.Coigné) arbeiten wir von Anbeginn in der „Aktionsgemeinschaft deshalb auch in diesem FraktionsHände weg von Os/Ka!“ und im „Bündnis Stadtklima“vertrauensvoll info wieder: die sich verschärfende und verlässlich zusammen. „soziale Frage“, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der SanieIrmi Jungels, Vorsitzende des Cyperus 1901 e.V. rungsstau an städtischen Schulen, kritikwürdige Arbeitsverhältnisse bei der Stadt, maßlose Gebührenerhöhungen, Untätigkeit gegenüber der Benachteiligung von Frauen, von Menschen in besonderen Bedarfslagen wie z.B. Geflüchteten, krankmachende Verkehrsverhältnisse und Behinderung demokratischer Beteiligung. Wir legen als „Opposition“ den Finger in die Wunde, begnügen uns damit aber nicht, sondern zeigen Alternativen auf und haben damit bisweilen Erfolg, wie auch die Beiträge in diesem Fraktionsinfo zeigen. Wir unterstützen außerparlamentarisches Engagement von Initiativen und EinzelperWir, die Bürgerinitiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ treten für den sonen und verstehen uns als „parErhalt öffentlichen Eigentums in Wiesbaden ein. Die Versorgung der Mieter mit bezahlbaren Wohnungen wird angesichts der geselllamentarischen Arm“ von sozialen, schaftlichen Spaltung in Arm und Reich zum zentralen Kampffeld ökologischen, demokratischen für die Sicherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Stadt Bürgerbewegungen. In diesem Sinsollte für mehr Sozialwohnungen sorgen, der Spekulation und dem ne wünschen wir Ihnen eine anreLeerstand begegnen und sich gegen die Inflationsrate übersteigende gende Lektüre unseres FraktionsMieterhöhungen auch bei den städtischen Wohnungsgesellschaften infos. wenden. Grund und Boden sollten langfristig in Gemeineigentum überführt werden. Hartmut Bohrer Hans-Georg Heinscher, Sprecher von „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ Fraktionsvorsitzender der LINKE&PIRATEN Rathausfraktion
S.3
Demonstration Seenotrettung
Sozialpolitik mit Ausstrahlung! Trotz eines Rekordergebnisses der LINKEN bei der letzten Kommunalwahl 2016 hat es für Rot-RotGrün leider nicht gereicht. Seitdem sitzt Die LINKE. gemeinsam mit dem Piraten Jörg Sobek in der Rathaus-Opposition. Dass Opposition mehr heißt als „dagegen zu sein“, hat diese Fraktion bewiesen. Wie auch in den Jahren zuvor haben wir uns konstruktiv in den parlamentarischen Prozess eingebracht. Darüber hinaus haben wir es aber nicht versäumt, ein Sprachrohr für viele außerparlamentarische Gruppen zu sein. Fridays for Future, der Flüchtlingsrat, der Stadtjugendring, das Jugendparlament, der Stadtschüler*innenrat und viele weitere Organisationen arbeiten inzwischen eng mit unserer Fraktion zusammen. Gemeinsam kämpfen wir gegen die drängendsten Probleme unserer Stadt. Und das sind mehr, als man es in einer reichen Stadt vermuten würde. Geld ist nicht das Problem in Wiesbaden. Die Stadt hat über 250.000.000 Euro an Rücklagen. Die Gewerbesteuer ist niedrig und trotzdem erzielt Wiesbaden in fast jedem Jahr neue Überschüsse. Sogar in der Zeit als das RheinMain Congress Center (RMCC) für 200.000.000 Euro (ohne Zuschüsse von Bund oder Land) gebaut wurde, hat die Landeshauptstadt noch S.4
Geld zurücklegen können. Das RMCC kostet die Steuerzahler*innen nun im Unterhalt zwischen 13 und 15 Millionen jährlich. Des Weiteren leisteten wir uns hoch subventionierte Veranstaltungen für die oberen 10.000. Das Pfingstturnier oder der Ball des Sports kosten Unsummen an Steuermitteln. Gleichzeitig leistet sich Wiesbaden aber auch anderes. Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt jedes Jahr ab. Jedes vierte Kind ist arm, in manchen Stadtteilen sogar jedes zweite Kind. Die Arbeitslosenquote ist, nach Offenbach, die höchste
Veranstaltung zu Wohnungslosigkeit
aller Städte in Hessen. Ein Sozialticket für den ÖPNV gibt es nicht. Jugendräume sind Mangelware. Es gibt kaum aufsuchende Sozialarbeit. Die Wohnungslosen werden von der Stadt weitgehend im Stich gelassen. Flüchtlinge müssen in Massenunterkünften auf engstem Raum hausen. Diese Aufzählung ließe sich leider noch viel weiter führen. All diese Probleme werden von der SPD-CDU-Grünen Stadtregierung entweder verharmlost oder ignoriert. Auch die anderen Oppositionsparteien wie FDP oder AfD möchten an diesen Missständen
nichts ändern. Hier ist es die Aufgabe der LINKEN, den Finger in die Wunde zu legen. Gemeinsam mit außerparlamentarischen Gruppen üben wir Druck auf die Stadtpolitik aus. Und das zeigt Wirkung. An zwei Beispielen sieht man gut, wie linke Oppositionsarbeit funktionieren kann. Die Folge der Grenzabschottung Europas ist, dass jedes Jahr tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken. Private Seenotretter*innen versuchen dies zu verhindern. Oft haben sie aber das Problem, dass die am Mittelmeer angrenzenden Staaten diese Schiffe nur dann in die Häfen einlaufen lassen, wenn sie die Zusicherung bekommen, dass die Flüchtenden von anderen Staaten aufgenommen werden. Daher hat sich die Initiative „Sichere Häfen“ entschlossen, genau diese Perspektive zu bieten. Kommunen in ganz Deutschland können sich damit zum sicheren Hafen erklären und zeigen, dass sie bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen. Unsere Fraktion hat in der Stadtverordnetenversammlung genau das zum Thema gemacht. Wiesbaden sollte auch ein sicherer Hafen werden. Die Wiesbadener CDU war allerdings strikt dagegen. Auch FDP und natürlich die AfD wollten nicht, dass Wiesbaden ein sicherer Hafen wird. Nach unserem Antrag und der dazugehörigen Pressearbeit, haben sich aber SPD und Grüne bereit erklärt, unseren Antrag zu unterstützen. Trotz ihres Bündnisses mit der CDU. Weil bei der Abstimmung einige CDU’ler nicht anwesend waren, konnte „Rot-RotGrün“ unseren Antrag beschließen. Leider ist dieser Beschluss vor allem symbolischer Natur, da die Bundesregierung (CDU+SPD) eine Aufnahme von Geflüchteten behindert. Das zweite Beispiel ist wesentlich wirkmächtiger. Nach langen Verhandlungen und auf Druck der Jugendlichen und ihrer Verbände hin, wurde das „Handlungsprogramm Jugend“ entwickelt. Dieses Programm umfasst mehr als 50 Einzelmaßnahmen, die Wiesbaden für seine jungen Bewohner*innen attraktiver machen soll. Insgesamt würde die Umsetzung dieses Programmes etwa fünf Millionen Euro
Am Rande der Demonstration gegen den Pflegenotstand
kosten. Aus Kreisen der Stadtregierung wurde verlautbart, dass aus diesem Programm nur die wichtigsten Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Vorgesehen war eine Million Euro. Durch viele Gespräche, den Druck von Jugendparlament, Stadtschüler*innenrat, Stadtjugendring und unserer Fraktion wurden aus der einen Million in den Haushaltsverhandlungen vier Millionen Euro, verteilt auf zwei Jahre. Dieser Erfolg auch unserer Fraktion ist vor allem ein Erfolg für die Jugendlichen in Wiesbaden. Er zeigt, dass es sich lohnt, Druck auf die Stadtregierung aufzubauen. Auch in Zukunft wird unsere Fraktion sich für die Belange der Bürger*innen einsetzen. Egal ob in einer rot-grün-roten Stadtregierung oder weiter in der Opposition. Unsere Fraktion hat gewirkt. Und es gibt noch viel zu tun. Einige unserer parlamentarischen Initiativen sind leider am Widerstand der konservativen Rathausmehrheit gescheitert. Wir wollten die KiTa-Beiträge abschaffen, eine Teilhabekarte für wirtschaftlich Schwächere einführen, die Schwimmbäder für Kinder kostenlos gestalten, einen Cannabis-Social-Club errichten, Sozialarbeiter*innen einstellen, Geflüchtete besser unterbringen und vieles, vieles mehr. Am Geld ist das nicht gescheitert, sondern am politischen Unwillen der konservativen Mehrheit im Stadtparlament. Auch konnten wir nicht alle unsozialen Projekte der Stadtregierung abwehren. So hat unsere Fraktion leider nicht verhindern können, dass die Schwimmbadpreise für Kinder und Jugendliche verdoppelt wurden. Auch die Verdopplung des
Essensgeldes in KiTas wurde von der SPD-CDU-Grünen-Regierung durchgedrückt. Um solch sozialpolitischen Kahlschlag in Zukunft zu verhindern, müssen vor allem zwei Dinge geschehen: 1. Die LINKE. muss stärker werden. 6,2% bei den letzten Wahlen waren zwar ein gutes Ergebnis, aber es reicht nicht aus, um gemeinsam mit SPD und Grünen, eine linke Mehrheit zu bilden. Nur eine linke Mehrheit im Stadtparlament wird eine moderne und gerechte Politik zur Folge haben. 2. Wir brauchen eine stärkere Öffentlichkeit. Immer dann, wenn laute und gut organisierte Bürger*innen gegen die unsoziale Stadtpolitik gewettert haben, konnten wir Erfolge erzielen. So wurde zum Beispiel die Straßenreinigungssatzung durch eine Bürgerinitiative gestoppt. Dr. Franz (CDU) musste sich am Ende geschlagen geben und eine Satzung akzeptieren, die von den Bürger*innen selbst geschrieben wurde. Dieses tolle Engagement haben wir als Fraktion voll unterstützt. Mit dieser Zeitung halten Sie bereits ein Mittel in der Hand, mit dem wir versuchen, die Bürger*innen zu informieren. Mit Infoständen, einer Homepage, Sozial-Media-Accounts, Pressemitteilungen, öffentlichen Fraktionssitzungen und öffentlich tagenden Arbeitsgemeinschaften versuchen wir möglichst viele Bürger*innen zu erreichen. Helfen Sie uns dabei und werden sie aktiv. Zusammen können wir Wiesbaden gestalten. Sozial, gerecht, für alle! Ingo von Seemen Mitglied im Ausschuss für Soziales, Gesundheit , Integration, Kinder und Familie S.5
Erhöhung der städtischen Mittel für die Sanierung von Schulen
Wiederholter Erfolg zeigt den richtigen Weg Im Bündnis mit Stadtelternbeirat, Stadtschüler*innenrat, der örtlichen GEW u.a. konnte sowohl bei den Beratungen für den städtischen Haushalt 2018/19 als auch zwei Jahre später für 2020/21 eine Steigerung um zweistellige Millionenbeträge im Verhältnis zu den zunächst von der Magistratsmehrheit vorgesehenen Beträgen für Instandhaltung und Investitionen an Schulen erreicht werden.
Verwaltung meldete einen zusätzlichen Bedarf von 19,9 Millionen. Gar nicht erst angemeldet oder als „weiterer Bedarf” benannt wurden zahlreiche notwendige Sanierungen, die – meist aufgrund von Eingaben aus Schulen und Anträgen unserer Fraktion – Thema im Schulausschuss waren. Schulleitungen beklagten marode Dächer, nicht einsetzbare Heizungen, defekte Fenster und vieles mehr.
Da wurde das „Bündnis für Schulsanierungen” wieder aktiv und startete eine Petition. Bis zur Übergabe vor den Beratungen im Ausschuss hatten über 4.000 Menschen diese Petition gezeichnet. Im Ausschuss wurden dann rund 20 Millionen Euro für Schulbau „zugesetzt”. Außerdem verkündeten SPD/CDU/ GRÜNE, dass über 70 Millionen von der stadteigenen „WiBau GmbH” zusätzlich in den Schulbau inves-
Über Jahrzehnte haben die verschiedenen Koalitionen den Sanierungsstau anwachsen lassen. Er dürfte immer noch bei einer Größenordnung von mehreren hundert Millionen Euro liegen. Im Haushaltsentwurf des Magistrats waren 9,9 Millionen für 2018 und knapp 8 Millionen Euro für 2019 an Instandhaltungsmitteln vorgesehen. Die Fachverwaltung selbst meldete „weitere Bedarfe” von über 26 Millionen z. B. für die Beseitigung von Unfallgefahren, von elektrotechnischen und Brandschutzmängeln so wie gesundheitsgefährdenden Schadstoffen und wegen hoher Ausfallquoten bei alten Heizungsanlagen. So waren z. B. im Winter 2016 diese an 44 Schulen ausgefallen, wie die Antwort des Schulamts auf eine unserer Anfragen ergab. Auch die im Entwurf vorgesehenen Investitionsmittel wurden mit 24,8 bzw. 15,8 Millionen Euro viel zu niedrig angesetzt. So fehlten z. B. jegliche Mittel für den Neubau der „aus den Nähten platzenden” Fritz-Gansberg-Schule und selbst für die Mieten und Unterhaltskosten der behelfsmäßigen Container. Zu „weiteren Bedarfen” zählten laut Amt auch der 2. Bauabschnitt der Johannes-Maaß-Schule, räumliche Erweiterungen am Berufsschulzentrum, an der Hebbelschule, Martin-Niemöller-Schule und Grundschule Bierstadt. Die S.6
Helene-Lange-Schule
Wilhelm-Leuschner-Schule
tiert werden. Unsere Fraktion vertrat als Teil des Bündnisses kontinuierlich und konsequent dessen Forderungen in den Gremien und der Öffentlichkeit. Bei den Beratungen zum aktuellen Haushaltsplan 2020/21, der „Corona bedingt“ nur für das Jahr 2020 genehmigt wurde, zeigte sich ein ähnliches Bild. Auch hier waren die Ansätze im Magistratsentwurf viel zu niedrig (4,2 Millionen € für 2020 und 6,8 Millionen € für 2021) und mussten auf 21,1 bzw. 21,9 Millionen € „nachgebessert“ werden. War es 2017 eine Petition, so besuchten dieses Mal Mitglieder des Bündnisses für Schulsanierungen in einer Art „Halloweenaktion“ den Schulausschuss. Die Berichterstattung über das Bündnis und Pressemeldungen der in ihm zusammengeschlossenen Interessenvertretungen beförderten dann bei der Rathauskoalition die Einsicht, dass die Gelder für die bald 80 städtischen Schulen erhöht werden
müssen. Die seitens des Kämmerers gegen die entsprechende Forderung unserer Fraktion vorgebrachten Argumente, es fehle an Personal, um die Maßnahmen abzuwickeln, und an Betrieben, die beauftragt werden können, erwiesen sich in der Folgezeit als nicht stichhaltig. So wurde wenige Monate später erklärt, man habe die für das vergangene Jahr vorgesehenen Finanzmittel in vollem Umfang einsetzen können. Bei den anstehenden Spatenstichen, Richtfesten und Einweihungen an Schulen werden wir wieder die stolzen Reden hören, die ohne den immer wieder organisierten politischen Druck vieler Engagierter gar nicht gehalten werden könnten. Am Beispiel der Haushaltsdiskussion ist zu sehen, wie unverzichtbar eine demokratische Debatte in der Öffentlichkeit und in den Gremien ist. Durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie wurden demokra-
tische Debatten sehr erschwert. Unsere Fraktion hat sich deshalb auch sehr dafür eingesetzt, dass in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) verankerte demokratische Gremien nicht weiter ausfallen, sondern – halt unter Beachtung von Abstandsregeln – wieder öffentlich stattfinden. Und wenn es jetzt um „nachhaltige Konjunkturprogramme“ geht, dann ist hier vor allem an das Gesundheitswesen, an Bildung und Kultur zu denken. Deshalb hat unsere Fraktion auch ein Sonderinvestitionsprogramm für Schulen und Kindertagesstätten gefordert, mit dem es in der Finanzkrise vor zehn Jahren gelang, spürbar etwas gegen den Sanierungsstau zu tun.
HartmutBohrer Mitglied im Ausschuss für Schule, Kultur und Städtepartnerschaften S.7
Gute Arbeit für alle! Die Stadt trägt Verantwortung! Mehr als 10.000 Menschen arbeiten als Bedienstete der Stadt oder sind in ihren Gesellschaften beschäftigt. Auf ihre Dienstleistungen sind alle angewiesen und erwarten gute Arbeit. Krankmachende Arbeitsbedingungen schaden den Beschäftigten und sind für die Erbringung der Dienstleistungen nicht von Vorteil. In vielen Bereichen müssen deshalb endlich Veränderungen stattfinden, was die Situation an den Arbeitsplätzen betrifft. Deshalb haben wir immer wieder den Stress aufgrund von Personalmangel und auch Schadstoffe in Gebäuden und Anlagen zum Thema gemacht. Auf unsere Initiative berichteten Ämter im Ausschuss von Unterbesetzung, sich häufenden Überstunden und Überlastungsanzeigen. Das bis dahin öffentlich unbekannte Ausmaß führte immerhin dazu, dass mehr Geld für Einstellungen bereit gestellt wurde. Es ist doch klar: Wenn zusätzliche Aufgaben angeordnet werden und Wiesbaden wächst, braucht es auch mehr Personal. Immer wieder kämpfen wir dafür, dass auch bei den städtischen Gesellschaften Tariflöhne gezahlt werden, wie das vor Jahren beschlossen wurde. Ein Antrag unserer Fraktion, bei der stadteigenen WJW endlich nach „TVöD“ zu zahlen, fand zunächst in den Ausschüssen eine Mehrheit, seine Umsetzung wurde aber durch das „Umfallen“ von SPD, GRÜNEN und BLW/FW vereitelt, die sich dann doch wieder an CDU, FDP und AfD orientierten. Es ist ein Skandal, dass bei der städtischen WJW für die über 200 regulär Beschäftigten und 400 Auszubildenden immer noch nicht einmal der notwendige Inflationsausgleich gesichert ist. Gegen den Widerstand der rechten Fraktionen machte unsere S.8
Fraktion Schwarzarbeit (auch auf städtischen Baustellen), Lohndumping und scheinselbstständige Arbeitsverhältnisse zum Thema und ließ trotz monatelanger Verhinderungstaktik nicht locker. Es konnte erreicht werden, dass sich weiter mit der Einrichtung einer effektiveren Kontrolle beschäftigt wird, wie sie in Köln existiert, die sich aus den Bußgeldern von Firmen finanziert, die das Recht missachten. Immer wieder kritisierten wir auch den unangebrachten Einsatz von Leiharbeit bei der Stadt und forderten die Umwandlung in reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Es wurde sogar durch Gerichtsurteil bestätigt, dass Leiharbeit in der Verkehrsüberwachung gesetzeswidrig ist. Die Privatisierung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge lehnten wir immer ab und auch so genanntes „PublicPrivatePartnership“. Die Erfahrungen zeigen, dass es besser und kostengünstiger ist, wenn die Kommune selbst investiert, statt Gebäude über Jahrzehnte viel teurer zu mieten. Zukünftige Generationen sollten nicht mit der Erwirt-
schaftung privater Profite belastet werden. Auch kann die Stadt mit einem Auftragsvolumen von mehreren hundert Millionen Euro in einem „Doppelhaushalt“ auf die Wirtschaftsentwicklung Einfluss nehmen. So können regionale, kleinere Unternehmen gefördert werden statt möglichst viele Aufträge an Großunternehmen zu vergeben, die oft die Arbeit intransparent durch „Sub-sub-Unternehmen“ erledigen lassen. Mit diesen Forderungen standen wir im Stadtparlament oft alleine oder hatten große Mühe, gemeinsam mit Gewerkschaften und Belegschaften Erfolge zu erzielen. Zunehmend wird aber von diesen unsere Arbeit wertgeschätzt. Während die Lobby der Reichen ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen immer wieder als Kompetenz zu verkaufen versucht, halten wir im Interesse der Mehrheit der Wiesbadener*innen dagegen. Mechthilde Coigné Mitglied im Ausschuss für Frauen, Wirtschaft und Beschäftigung und im Haupt- und Finanzausschuss
Wunschbaum zum 1.Mai
Frauen-Themen im Blickpunkt behalten! Im 2016 neugebildeten Ausschuss für Frauen-, Wirtschaft und Beschäftigung ist es mit unserer Unterstützung gelungen, frauenspezifische Themen nach vorne zu bringen. Noch immer gilt es, sich auch in der Wiesbadener Stadtgesellschaft für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Dem „hauptamtlichen Magistrat“ gehört keine Frau an. In den Aufsichtsräten und Betriebskommissionen wurde und wird die angestrebte Quote von 50 % insbesondere von den großen Faktionen nicht erreicht. In unserer Fraktion entspricht die aktuelle Besetzung der Aufsichtsräte und Betriebskommissionen dem Verhältnis von Frauen und Männern in der Fraktion: Jeweils zwei Frauen und zwei Männer der LINKEN und ein Mitglied der PIRATENPARTEI. Die Quotierung bleibt zumindest bei den LINKEN gemäß Parteisatzung weiterhin fester Bestandteil bei der Aufstellung von Listen und der Besetzung von Gremien. Mit unserer Unterstützung durch Anträge ist es uns gelungen, die personelle Ausstattung der kommunalen Frauenbeauftragten und der Frauenbeauftragten nach dem Hessischen Gleichstellungsgesetz im Haushalt 2020/21 wieder zu verankern. Die Zusammenarbeit des kommunalen Frauenreferats mit den Mädchen- und Frauenorganisationen in Wiesbaden ist maßgeblich für eine geschlechtergerechte Stadtgesellschaft in Wiesbaden. Das ehrenamtliche Engagement von Frauen für
Frauen ist unerlässlich und braucht weiterhin einen Ausbau der Rahmenbedingungen und stärkerer finanzieller Unterstützung. Erst recht wenn Aufgaben ehrenamtlich nicht mehr zu leisten sind, muss die Stadt finanzielle Ressourcen bereitstellen, damit in den Organisationen Stellen geschaffen werden können. Für den Erhalt und Ausbau dieser Einrichtungen setzen wir uns weiterhin ein und lassen keine Kürzungen unter dem Druck von Corona zu. Im Rahmen der Umsetzung des Prostituierten-Schutzgesetzes hat sich die Szene in Wiesbaden verändert. Wohnungsprostitution ist teilweise aus dem Stadtbild verschwunden. Die Einrichtung eines Edelbordells in der Toleranzzone konnte mit unserer Unterstützung vereitelt werden. Die Prostituierten können sich beim Gesundheitsamt beraten lassen. Dennoch bleibt die wahre Situation der jungen Frauen in den Bordellen im Dunklen. Wir bringen uns weiterhin in der entsprechenden AG ein. Es gilt weiterhin, den uneingeschränkten Zugang zu Wiesbadener Beratungsstellen für Familien und Schwangere zu gewährleisten. Auch in Wiesbaden, so wie in Frankfurt, versuchten fanatische Personen die Betroffenen mit „Infoständen“ vor der Beratungsstelle in Bedrängnis zu bringen. Hier muss die Stadt als Genehmigungsbehörde für Infostände in die Pflicht genommen werden. Das gleiche gilt für die Genehmigung von Demonstrationen, die zum Ziel haben, das Recht der
Frau auf ihren Körper in Frage zu stellen. Es kann auch nicht hingenommen werden, dass der Sternengarten auf dem Wiesbadener Südfriedhof diskreditiert wird. Darüber schweigend hinweg zu gehen, hilft nicht. Damit den Schwangeren ein Beratungs- und Versorgungsangebot zur Verfügung steht, ist es nach wie vor nötig, sich insbesondere für die Verbesserung der Rahmen- und Arbeitsbedingungen der Hebammen einzusetzen. Die Ausbildungsplätze konnten hier mit Hilfe der Stadt erweitert werden. Es gilt aber dafür zu sorgen, dass diese auch bleiben. Auf Grund unseres Antrags erhielt der Ausschuss für Frauen, Wirtschaft- und Beschäftigung einen ausführlichen Bericht der kommunalen Frauenbeauftragten zu Maßnahmen, die im Rahmen des „Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul-Konvention)“ umgesetzt wurden. In diesem Zusammenhang wurde auch auf unseren Antrag hin beschlossen, die Versorgung mit Frauenhausplätzen in Wiesbaden auszuweiten und damit im Hinblick auf den Bedarf das Angebot anzupassen. Wir werden weiter aktiv die Umsetzung der Istanbul-Konvention auf Wiesbadener Ebene begleiten. Mechthilde Coigné Mitglied im Ausschuss für Frauen, Wirtschaft und Beschäftigung
S.9
Gegen maßlose Steuer- und Gebührenerhöhungen! Es ist schlechte Tradition der Rathausmehrheit, dass wenige Monate nach einer Kommunalwahl kräftig an der Gebührenschraube nach oben gedreht wird. Hier konnte sich unsere Fraktion zum Teil erfolgreich durchsetzen. Bei der Verdopplung der Hundesteuer gelang dies gegen die „Kooperation aus SPD/CDU/GRÜNEN“ leider nicht, auch wenn dann später wenigstens für Menschen mit sehr niedrigem Einkommen eine Ermäßigung eingeführt wurde. Aber bei der von Bürgermeister Dr. Franz (CDU) geplanten neuen Satzung zur Gehwegreinigung erreichte die Bürgerinitiative „Gehwegreinigung in Bürgerhand (GiB)“ einen großen Erfolg. Mit der massiven Ausweitung der städtischen Reinigung auf Gehwegen wären die Gebühren für sehr viele Menschen in den badgebühren sind als unsozial zu bezeichnen. Es wird doch stets beklagt, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr schwimmen lernt bzw. betont, wie gesundheitsfördernd das Schwimmen für Jung und Alt ist. Auch der Vorschlag, dass wie in Frankfurt der Schwimmbadbesuch für Kinder kostenlos wird, wurde nur für die Ferien aufgegriffen.
Vorortstadtteilen drastisch gestiegen. Unsere Fraktion unterstützte von Anfang an die „GiB“, bis schließlich eine SPD/GRÜNE/ FDP/L&P-Mehrheit den Franzschen Entwurf kippte und das von der GiB erarbeitete Modell beschloss. Die Kritik an den maßlosen Erhöhungen der Friedhofsgebühren hingegen führte nur zu minimalen Änderungen, obwohl Sachkundige aus der Bürgerschaft schon die Struktur der Satzung scharf kritisierten. Und auch die zum Jahreswechsel vorgenommenen Erhöhungen bei den SchwimmS.10
Mechthilde Coigné Mitglied im Ausschuss für Frauen, Wirtschaft und Beschäftigung und im Haupt- und Finanzausschuss „Unsere Initiative gegen die neue Straßenreinigungssatzung von 2016 ist ja schon eine Weile her. Aber die Erinnerung ist noch ganz frisch. Denn die BI „Gehwegreinigung in Bürgerhand (GiB)“ hat dank der Unterstützung durch viele Bürger, Ortsbeiräte und alle Fraktionen außer der CDU - eine ungerechte Satzung verhindern können. Und sie hat - einmalig für eine BI zumindest in Wiesbaden - sogar eine neue, rechtssichere und gerechte Satzung erstellt und gegen den hartnäckigen Widerstand des damaligen Ordnungsdezernenten Dr. Franz - nach langwierigen Debatten dafür im Dezember 2017 die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung gewonnen. Wir wurden seit den ersten Anfängen in 2015 von der Fraktion der Linken und Piraten politisch, fachlich und juristisch von Rechtsanwalt Strauch begleitet. Nochmals vielen Dank für diese bürgernahe und unbeirrbare Unterstützung.“ Monika Schnabel Ehemalige Sprecherin der GiB
Unverzichtbare Beteiligung von Ortsbeiräten oft erst nach Intervention unserer Fraktion
Die kommunale Selbstverwaltung hat Verfassungsrang (Art. 28 GG). Die Ortsbeiräte sind hierbei ein wichtiges Element und nach der Hessischen Gemeindeordnung zu allen wichtigen Angelegenheiten, die den Ortsbezirk betreffen, zu hören (§ 82). Das geschah aber oft erst, nachdem wir die zunächst nicht erfolgte oder sogar nicht vorgesehene Beteiligung monierten. In den auf der Homepage der Stadt eingestellten Richtlinien steht, dass die Ortsbeiräte z.B. bei Verkehrsplanungen anzuhören sind. Das von uns gewählte ehrenamtliche Magistratsmitglied, Stadtrat Bodo Kaffenberger, mahnt solch ein Versäumnis regelmäßig bereits bei der Beratung im Magistrat an – so auch geschehen bei der Sitzungsvorlage „Verkehrsentwicklungsplan Wiesbaden 2030 – Integriertes Handlungskonzept“. Auch bei Verkehrsberuhigungsmaßnahmen, die vom Ortsbeirat (bisweilen Jahre zuvor) vorgeschlagen wurden, halten wir die Vorlage der Ausführungspla-
nungen im Ortsbeirat für rechtlich geboten. So erhalten die vor Ort Betroffenen vor Ausführung Gelegenheit zur Stellungnahme. Neben den Mitgliedern der verschiedenen Fraktionen können nämlich bei der Sitzung des Ortsbeirats auch Sachkundige ohne Mandat zu Wort kommen. Solche Planungen unter öffentlicher Bürgerbeteiligung noch einmal zu prüfen, ist gewiss besser, als sich im Nachhinein über Fehlinvestitionen zu ärgern. Auch Grundsatzplanungen beim Wohnungsbau, die für den Ortsbezirk von besonderer Bedeutung sind, sind dem Ortsbeirat zur Beratung zuzuleiten. Immer wieder kommt es aber vor, dass städtische Baugesellschaften zu Informationsveranstaltungen einladen oder den Ortsbeirat erst informieren, nachdem die Entscheidungen in der Gesellschaft längst gefallen sind. Als im Mai 2018 der Magistrat die seit 1977 geltende Beteiligung der Ortsbeiräte bei den Bauleitverfahren aufheben und diese ganz in die Hände des Stadtplanungsamtes legen
wollte, ohne die Betroffenen überhaupt zu informieren, stimmte nur unsere Fraktion in den Ausschüssen dagegen. Aufgrund des Protests der empörten Ortsbeiräte zog der Magistrat diese Vorlage dann zurück. Im Dezember 2018 wurde schließlich mit der Rathausmehrheit gegen die Stimmen unserer Fraktion beschlossen, dass zur Beschleunigung von Bebauungsplanverfahren auf einen „Entwurfs- und Offenlagebeschluss“ und damit auf eine Stufe der Beteiligung von Öffentlichkeit und Ortsbeirat verzichtet werden kann. Unsere Fraktion wird weiterhin Wert darauf legen, dass die Beteiligungsrechte der Ortsbeiräte und der Bürgerschaft gewahrt bleiben und Missachtungen monieren. Entsprechende Verstöße hat die Fraktion in den Niederschriften der Gremien festhalten lassen, so dass sie nachvollzogen werden können. Mechthilde Coigné Mitglied im Ausschuss für Frauen, Wirtschaft und Beschäftigung und im Haupt- und Finanzausschuss S.11
Wer hat das Sagen in der Stadt? In dieser Wahlperiode hat sich unsere Fraktion immer wieder mit der Frage beschäftigen müssen: Wer hat eigentlich das Sagen in der Stadt? Der Oberbürgermeister? Würde Sinn machen, zumal er direkt von den Bürgern gewählt wird. Die „Geschäftsführung“ von Städten obliegt in Hessen aber dem Magistrat. Er setzt sich zusammen aus Oberbürgermeister, haupt- und ehrenamtlichen Stadträten.
tik an der damit herbeigeführten Intransparenz führte zunächst zur Einrichtung eines speziellen Ausschusses –dem Beteiligungsausschuss– und 2017 zum Beschluss der Grundsätze guter Unternehmensführung der Landeshauptstadt Wiesbaden. Dieser so genannte Beteiligungskodex regelt das Zusammenwirken von Unternehmensführung, Aufsichtsgremien, Magistrat und Stadtverordnetenversammlung.
* Die laufende Verwaltung besorgt der Gemeindevorstand. Er ist kollegial zu gestalten und führt in Städten die Bezeichnung Magistrat. [§ 9 (2) HGO]
Die Beurteilung, was laufende Verwaltung ist und wann es sich um eine wichtige Entscheidung handelt, kann aber letztlich nur im Einzelfall getroffen werden. Deshalb hat unsere Fraktion eine Kommunalaufsichtsbeschwerde eingereicht. Nach unserer Überzeugung hätte die Vergabe der Restmüllverbrennung durch Bau einer Müllverbrennungsanlage der Zustimmung der Stadtverordneten bedurft. Die Vorstellung, dass es genüge, wenn einige von ihnen in Aufsichtsräten und Betriebskommissionen vertreten sind, teilen wir nicht. Umso mehr als diese Gremien nicht öffentlich tagen. Die Kommunalaufsicht hat unsere Position bestätigt. In der weiteren Folge wurde der Beteiligungskodex geändert. Ein weiterer Punkt, auf den wir ein Auge hatten, waren und sind Interessenkonflikte. Stadtverordnete sind Bürger*innen ihrer Stadt und da kann es schon mal vorkommen, dass ein Handwerksmeister, Rechtsan-
Im Gegensatz zur laufenden Verwaltung hat die Stadtverordnetenversammlung das Sagen bei allen wichtigen Entscheidungen. Dazu zählt auch die Wahl der Stadträte. * Die von den Bürgern gewählte Gemeindevertretung ist das oberste Organ der Gemeinde. Sie trifft die wichtigen Entscheidungen und überwacht die gesamte Verwaltung. [§9 (1) HGO] In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer mehr Aufgaben von Ämtern auf Gesellschaften übertragen, an der die Stadt mehr oder minder beteiligt ist. Die KriS.12
walt oder andere geschäftliche Beziehungen zur Stadt oder deren Gesellschaften unterhalten. Das ist nicht verwerflich, wenn es transparent geschieht. Klar muss aber sein, dass Mandatsträger im Stadtparlament oder in Aufsichtsgremien nichts verloren haben, wenn es um Entscheidungen geht, die Auswirkungen auf derartige Geschäfte haben. Ein besonderer Fall waren private Geschäftsbeziehungen zwischen einem Stadtverordneten und einem städtischen Geschäftsführer. Pikant dabei, dass der Stadtverordnete zugleich Mitglied des betreffenden Aufsichtsrats war, also Einfluss auf dessen Bestellung und Kontrolle hatte. Diese Konstellation konnte überhaupt nur eintreten, weil dem Geschäftsführer das Privileg eingeräumt wurde, in derselben Branche eigene Geschäfte führen zu dürfen. Der gleiche Stadtverordnete war zudem Vorsitzender einer großen Fraktion und hat im Laufe der Zeit offenbar geglaubt, „Bruce Allmächtig“ zu sein. Auf seiner Homepage liest sich das dann so: „Ich koordiniere relevante Akteure und verschaffe Ihnen Gehör bei denen, die Entscheidungen treffen oder Meinungen bilden.“ Das nenne ich Lobbyismus, und der sollte unvereinbar sein mit einem Stadtverordnetenmandat. Ein
Buchautor titelt „Die Unverfrorenen“ - rechtlich nicht * Die Gemeindevertreter üben ihre Tätigkeit nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung aus und sind an Aufträge und Wünsche der Wähler nicht gebunden. [§ 35 (1) HGO] immer greifbar aber ethisch verwerflich. Mit unserem Antrag „Vermeidung von Interessenkonflikten in Aufsichtsräten und Betriebskommissionen“ haben wir eine Stellungnahme des Magistrats angefordert, inwieweit Mitglieder der Aufsichtsgremien generell als befangen anzusehen sind, wenn darüber hinaus Geschäftsbeziehungen zu Mitgliedern der Unternehmensführungen bestehen und ob im konkreten Fall eine Befangenheit anzunehmen ist. Ziel des Antrages war eine Empfehlung an die Fraktionen, bei Vorschlägen von Mitgliedern für diese Aufsichtsgremien auf Interessenkonflikte zu achten und sie ggf. neu zu besetzen. Letzteres wollte die Ausschussmehrheit erst nach einem Hearing entscheiden, auf das wir noch heute warten. Jörg Sobek Mitglied im Beteiligungsausschuss S.13
Hartmut Bohrer spricht zur „Causa Schüler” Sehr geehrte Frau Vorsitzende, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, wie im Bericht zum Akteneinsichtsausschuss erwähnt, wurde von der Stadtverordnetenversammlung zusammen mit der Einsetzung des Ausschusses beschlossen, auf Grundlage der Erkenntnisse und Ergebnisse der Akteneinsicht und der Überprüfung durch die Konzernrevision den Beteiligungskodex und die Gesellschaftsverträge zu überarbeiten. Es ging also einerseits darum, die Entscheidungen des Magistrats vom 11.12 18 und des Aufsichtsrats der WVV vom 12.12 18 nachzuvollziehen, die in der Freistellung und fristlosen Kündigung des Geschäftsführers Ralph Schüler mündeten, andererseits sollen aber auch der Beteiligungskodex und die Gesellschaftsverträge überarbeitet werden. Ein Komplex bedarf dabei einer deutlichen Bearbeitung und Effektivierung, nämlich der Bereich der Revision, auch der so genannten „Konzernrevision“. Die Kontrollmöglichkeiten durch ehrenamtliche Aufsichtsrats- bzw. Betriebskommissionsmitglieder sind doch sehr begrenzt. Es bedarf ausreichend ausgestatteter professioneller Stellen, die das Handeln der Geschäftsführungen und der Verwaltung überprüfen. Wir haben den Eindruck, dass das Revisionsamt gute Arbeit leistet. Seine Ressourcen sind aber viel zu gering. Bei der Revision in den Gesellschaften kommt hinzu, dass sie einen ständig wachsenden Teil der städtischen Aufgaben übernehmen. Dies drückt sich in der enorm gewachsenen Zahl der Beschäftigten, der Projekte und Umsätze aus. Die zweite Konsequenz der Akteneinsicht bzw. der „Causa Schüler“ ist, dass die Möglichkeit für Beschäftigte, Überprüfungen anzuregen, ohne Repressionen befürchten zu müssen, ausgebaut werden muss. Mitarbeiter*innen, die den Eindruck haben, dass gegen rechtliche Bestimmungen oder die Grundsätze guter Unternehmungsführung der Landeshauptstadt Wiesbaden verstoßen wird, müssen sicher sein, dass ihre Kritik Gehör findet, dass ihren Hinweisen nachgegangen wird und dass sie deshalb keine Nachteile befürchten müssen. In diesem Zusammenhang ist die Institution der/des Antikorruptionsbeauftragten in den Blick zu nehmen und sind Maßnahmen zur Steigerung ihrer Wirksamkeit zu treffen. Bei der Akteneinsicht war nämlich festzustellen, dass alle Vorwürfe, die sich gegen Ralph Schüler bzw. seine Tätigkeit richteten, „von außen“ an den Oberbürgermeister bzw. Magistrat herangetragen wurden, insbesondere durch eine ehemalige langjährige Mitarbeiterin der Firma von Herrn Schüler und durch die Presse – so als habe niemand aus der Verwaltung bzw. von den Verantwortlichen in den Gesellschaften etwas von dem bemerkt, was Ralph Schüler
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dann vorgeworfen wurde. Dabei waren durchweg weitere Verantwortungsträger an den Handlungen beteiligt und es war den Akten zu entnehmen, dass es verantwortliche Personen gab, die diese Handlungen rechtfertigten wie z. B. die Sonderkonditionen für Raumvergaben bei der WJW oder ein im Nachhinein kritisiertes Grundstücksgeschäft der GWW, das nicht nur von der GWW-Geschäftsführung eingegangen, sondern auch vom Aufsichtsrat gebilligt wurde. Bei diesem spielte ein Wertgutachten eine Rolle, das den Wert des veräußerten Grundstücks nur auf einen Bruchteil des dort seinerzeit vorhandenen Bodenrichtwertes festlegte. Es war übrigens dasselbe Gutachterbüro, das das Grundstück bewertete, das für die Errichtung einer Müllverbrennungsanlage von einer Privatgesellschaft zu einem „Schnäppchenpreis“ gekauft wurde. Auch die Art und Weise der Beauftragung von Gutachten ist deshalb einer Überprüfung zu unterziehen. Ein Vorwurf gegen Ralph Schüler, der bei den Beratungen im Magistrat und im Aufsichtsrat der WVV keine Rolle mehr spielte, war der Vorwurf der unrechtmäßigen Überlassung seines Dienstwagens und einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO, der durch die Überprüfungen nicht erhärtet wurde. Dabei wurde deutlich, dass die in der „Dienstwagen-Richtlinie“ getroffenen Festlegungen durchaus problematisch sind. Nach diesen wird den Geschäftsführern der großen Gesellschaften nicht nur ein der Mercedes E-Klasse vergleichbares Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Das Fahrzeug darf auch für Privatfahrten genutzt werden und dies darf auch auf die Familienangehörigen bzw. Lebenspartner ausgedehnt werden. „Die Betriebs- und Unterhaltungskosten trägt die Gesellschaft“ – also eine „Flatrate“ auf Kosten der Stadt, wohin auch immer „die Familie“ fährt. Diese Regelung ist in Frage zu stellen, ebenso wie der Umfang, in dem die an Geschäftsführer ausgegebenen Kreditkarten, z. B. für Hotelübernachtungen und Mahlzeiten, genutzt werden dürfen. Es besteht der Eindruck, dass es hier keine klar definierten Limits gibt, so dass z. B. Hotelübernachtungen für 720 €/Nacht nicht zur Beanstandung führen! Zum Zeitpunkt der Freistellung bzw. Entlassung des Geschäftsführers Ralph Schüler spielte diese Thematik noch keine Rolle. In der Folgezeit wurde aber deutlich, dass auch hier dringender Handlungsbedarf besteht. Und so lässt sich resümieren: Es gibt noch viel zu tun, für die Konzernrevision, die Revision überhaupt und selbstverständlich für uns Stadtverordnete. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Hartmut Bohrer, Fraktionsvorsitzender der LINKE&PIRATEN Rathausfraktion in seinem Redebeitrag der Stadtverordnetenversammlung vom 02. Juli 2020.
Wir wollen Mobilität für alle!
Mobilität ist Grundvoraussetzung für soziale und kulturelle Teilhabe. Vor allem die Innenstadt Wiesbadens leidet unter einer sehr starken Feinstaub-, CO2- und Stickoxidbelastung, die vor allem durch den motorisierten Individualverkehr (MIV) verursacht wird. Unsere Fraktion setzt sich deshalb für die Reduktion des MIV durch den Ausbau eines attraktiven und kostengünstigen Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) ein. Wiesbaden ist in weiten Teilen eine Stadt mit einer ansprechenden Architektur, weitläufigen Alleestraßen und Grünanlagen. Sie ist attraktiv für Fußgänger*innen, die wir als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer*innen betrachten. Für sie sind Übergänge und Wegeverbindungen an vielen Stellen zu verbessern. Da wir in einem kostengünstigen ÖPNV bis hin zum Nulltarif eine Leistung der Daseinsvorsorge sehen, bemühen wir uns, Schüler-, Job- und Seniorentickets durch ein Sozialticket nach Berliner Beispiel zu ergänzen. Mit der CityBahn zum Nulltarif! Weil nur ein teilweise schienengebundenes Verkehrssystem der Dauerüberlastung des Bussystems abhelfen und den ÖPNV in Wiesbaden attraktiver machen kann, steht unsere Fraktion ganz klar für eine CityBahn als die umweltfreundlichste Form der Elektromobilität. Für uns ist wichtig, dass das Projekt von einer breiten Bürgerbeteiligung begleitet wird. Die Bürger*innen sollen mitreden können, wenn es um die Streckenführung, die Einrichtung von Haltstellen und die Gestaltung der Gleisanlagen geht.
dort, wo es Fahrradstreifen gibt. Wegen der Gefährdungen durch die hohe Kfz-Dichte verzichten viele, vor allem weniger geübte Radfahrer*innen, auf das Fahrrad im Stadtverkehr. Im Interesse der Ausweitung des Fahrradverkehrs und um mehr Menschen zum Umsteigen auf das Fahrrad zu bewegen, haben wir uns dafür eingesetzt, die vorhandenen Fahrradwege auf den Ringstraßen und in der Rheinstraße zu reaktivieren. Wir wollen vom fließenden Kfz-Verkehr getrennte, dem Fahrrad als Verkehrsmittel vorbehaltende Wege. Aartalbahn reaktivieren! Wegen unattraktiver Verbindungen zu hohen Fahrpreisen fahren die meisten Pendler*innen mit dem Auto nach oder durch Wiesbaden, wodurch die Ring- und die Ausfallstraßen Wiesbadens mit Stickoxiden und Feinstaub weit über die Grenzwerte belastet werden. Unsere Fraktion setzt sich dafür ein, die Aartalbahn zu reaktivieren, um ein attraktives, umweltfreundliches und schadstoffarmes Mobilitätsangebot für die Pendlerströme aus den benachbarten Taunusgemeinden zu schaffen.
Wo parken? Im Verhältnis zu den Bewohner*innen der äußeren Stadtteile verzichtet bereits ein wesentlich größerer Teil in der Innenstadt als auch der mit niedrigen Einkommen auf einen privaten PKW. Auf der anderen Seite ist gerade in der Innenstadt die Parkplatznot am größten. Wir wollen Anreize zum weiteren Verzicht auf den PKW, haben uns in unserer Stellungnahme zum Verkehrsentwicklungsplan (VEP) aber gegen Gebührenerhöhungen für Bewohnerparken ausgesprochen. Die Tatsache, dass 16 Parkhäuser in der Innenstadt privat betrieben werden, erschwert die Nutzung eines Parkleitsystems (PLS). Gerade nachts, wenn die Parkplatznot am größten ist, bleiben die meisten Parkhäuser wegen zu hoher Gebühren und nächtlicher Schließzeiten leer. Deshalb setzen wir uns für eine Rekommunalisierung der Parkhäuser und deren intensivere Nutzung ein. Brigitte Forßbohm Mitglied im Ausschusses für Planung, Bau und Verkehr
Großes Potential fürs Fahrrad! Die Studien zum Verkehrsverhalten der Wiesbadener*innen haben gezeigt, dass es in Wiesbaden ein großes Potential für den Ausbau des Radverkehrs gibt. Haupthinderungsgrund ist für viele die mangelnde Sicherheit und ein daraus resultierendes Gefühl des Unbehagens im von Kfz dominierten Straßenverkehr, selbst
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Wenn wir von der städtischen Kulturförderung in der Landeshauptstadt Wiesbaden sprechen, dann meinen wir vor allem die Bezuschussung des Staatstheaters, der Musik- und Kunstschule, der Volkshochschule und der zahlreichen kleineren Kultureinrichtungen und -initiativen. Das städtische Kulturbudget hat einen erheblichen Einfluss darauf, was an Kultur im engeren Sinne in der Stadt möglich ist. Denn nicht alles, was sinnvoll und wünschenswert ist, um eine Vielfalt des Angebots und eine Teilhabe für alle zu ermöglichen, ist auf dem am Gewinn orientierten Markt zu haben. Die Notwendigkeit der ausreichenden Finanzierung von Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen stellt niemand mehr in Frage, auch wenn es damit an vielen
Immer wieder stellen sich bei den Haushaltsdiskussionen die Fragen: Was soll die Stadt künftig für die Kultur zur Verfügung stellen? Woran sollen wir uns orientieren? Zur Beantwortung dieser Fragen helfen uns die Ergebnisse einer Untersuchung, die von Kulturbeiratsmitglied Sebastian Schäfer, vielen bekannt von der „Kreativfabrik“ (KREA), vor einiger Zeit öffentlich vorgestellt wurden. Demnach stellte die Stadtverordnetenversammlung im Bezugsjahr 2016 in der Landeshauptstadt netto 30,5 Millionen Euro an laufenden Zuschüssen für die Kultur zur Verfügung, rund 59 % davon für den Bereich „Theater und Musik“. Letzteres verwundert nicht, bezuschusst doch die Stadt mit Millionenbeträgen das Hessische Staatstheater,
sel waren es allerdings 129 € und in Darmstadt 171 €. Darüber kann man sich schon wundern, ist Wiesbaden doch eine im Vergleich reichere Stadt. Eine jüngere Studie des Hessischen Rechnungsprüfungshof kommt übrigens zu einem ähnlichen Ergebnis: Darmstadt hat bei den Kulturausgaben die Nase vorn, vor Kassel. Wiesbaden bildet das Schlusslicht unter diesen drei, vergleichbaren Städten. Es ist anzustreben, dass die Kulturförderung in Wiesbaden perspektivisch zumindest das Niveau von Darmstadt erreicht. Hochgerechnet von 2016 auf 2020/21 wäre das ein Plus in der Größenordnung von etwa 20 Millionen € im Jahr. Dies ist finanziell machbar und auch dringend notwendig, wenn z.B. den kleinen Theatern in der Stadt
Solidarisch für eine de
Stellen hapert. Bei Kulturangeboten wird oft so getan, als sei dies ein Luxus, der „nice to have“ ist, dessen öffentliche Finanzierung man immer wieder zur Disposition stellen kann. Dabei ist die Bedeutung von Kunst und Kultur für den Zusammenhalt und die Entwicklung der Gesellschaft kaum zu überschätzen. Das wussten schon „die alten Griechen“. Und in der aktuellen Krise vermissen wir schmerzlich das gewohnte breite kulturelle Angebot und beklagen den drohenden finanziellen Ruin kultureller Einrichtungen und selbstständiger Künstler*innen. S.16
das auch Landeszuschüsse erhält. Will man dies mit den Kulturausgaben anderer Städte vergleichen, bietet sich ein Vergleich mit Darmstadt und Kassel an, die ebenfalls ein Staatstheater haben und ähnlich große, kreisfreie Städte sind. Frankfurt gibt absolut und relativ sogar noch viel mehr aus als die drei genannten Städte. Und dass die Kultur einer Stadt auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor und Anziehungspunkt ist, leuchtet ein. Nun wurde für das Jahr 2016 festgestellt, dass die Stadt 110 Euro pro Einwohner*in an Zuschuss für die Kultur ausgegeben hat, in Kas-
endlich eine stabile Perspektive gegeben werden soll und wenn nicht länger prekäre Beschäftigungsverhältnisse dominieren und Altersarmut vorprogrammiert sein sollen. Ein ganz erheblicher Teil an Kulturarbeit wird ehrenamtlich geleistet. Aber auch dafür braucht es ausreichend Zuschüsse: für Material, Bauten für Aufführungen, GEMA- u.a. Gebühren. Die Stadtteilkulturtage und viele Vereinsaktivitäten sind hier zu nennen. Angesichts zunehmender beruflicher Arbeitsverdichtung und Mangel an Nachwuchs im Ehrenamt ist nachvollziehbar, dass kulturelle Angebote gefährdet sind. Es geht nicht an, dass weiter
auf „Selbstausbeutung“ von Kulturschaffenden gesetzt wird! Die Einnahmen der Stadt Wiesbaden sind für alle da! Für die Kultur muss im städtischen Haushalt mehr drin sein! Wir haben deshalb mit Erfolgdie Forderung des Kulturbeirats, das im Magistratsentwurf vorgesehene Kulturbudget im ersten Schritt um 5 Mio. € zu erhöhen, ganz entschieden unterstützt.
Auch hat es die Corona-Pandemie erheblich erschwert, z. B. bei Kulturveranstaltungen für eine Beteiligung an der Beiratswahl zu werben.
Behebung der anhaltenden Raumnot für eine Reihe von Kultureinrichtungen, die Reaktivierung der Walhalla und ganz aktuell Maßnahmen
Die Arbeit des 2018 eingerichteten Kulturbeirats betrachten wir als sehr erfolgreich. Er hat dazu beigetragen, dass die Kultur in der hessischen Landeshauptstadt ein größeres politisches Gewicht bekommen hat. So konnte z.B. die politische Mehrheit im Rathaus in der Haushaltsdiskussion die Forderung des Kulturbeirats nicht ignorieren. Auch die einmütige Forderung, dass
Schlachthof Wiesbaden
emokratische Kultur!
das Unikat Walhalla als Ort Wiesbadener Kultur „wiederauferstehen“ muss, hätte sich ohne das sich entwickelnde Selbstbewusstsein und das Wirken des Kulturbeirats kaum durchsetzen können. Durch die solidarische Zusammenarbeit im Kulturbeirat ist es gelungen, die vorhandenen Vernetzungen zwischen den „Akteur*innen“ in der Kultur weiterzuentwickeln und ihr eine größere Perspektive zugeben. Es erfordert noch viel Kreativität und Aktivitäten, die gute Arbeit des Kulturbeirats in der Öffentlichkeit deutlich und damit ihren Wert für die ganze Stadt erkennbar zu machen.
Der Magistrat muss sich im Beirat auch kritischen Fragen und Diskussionen stellen. Es darf nicht sein, dass Beschlussvorlagen, wie z.B. die zum Interessenbekundungsverfahren für die Nutzung der Walhalla, vom Magistrat am Kulturbeirat vorbei zur Beschlussfassung durch die Stadtverordneten weitergeleitet werden. Wir können resümieren: Wir haben in den zurückliegenden Jahren die Positionen des Kulturbeirats im entsprechenden Stadtverordnetenausschuss stets verteidigt und freuen uns mit ihm an den Erfolgen, auch wenn es noch viel zu tun gibt wie die
gegen die „Corona-Schäden“. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Diese Erkenntnis gab es schon in den Anfängen menschlicher Zivilisation. Gleich eine ganze Reihe von Wissenschaften beschäftigt sich mit der Entwicklung menschlicher Kulturen. Und Kultur ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht zuletzt ein bedeutender Faktor der menschlichen Produktivität, dessen „Systemrelevanz“ nicht unterschätzt werden darf. Hartmut Bohrer Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Ausschuss für Schule, Kultur und Städtepartnerschaft S.17
Sport und Freizeit sind kein Luxus! In unseren Anträgen hat unsere Fraktion in erster Linie sport- und gesundheitspolitische Ziele verfolgt. Sie hat sich für den Weiterbetrieb der Henkell-Kunsteisbahn eingesetzt als die in die Jahre gekommene Eismaschine ihren Geist aufgab. Sie beteiligte sich an den Planungen für den Sportpark Rheinhöhe mit einem neuen Hallenbad und einem Eisstadion an der Konrad-Adenauer-Allee, sparte jedoch nicht an Kritik am teilweise undurchsichtigen Vergabeverfahren. Sie hat sich für freien Eintritt in die Schwimmbäder für Kinder eingesetzt und für die Instandsetzung asphaltierter Radwege gestritten.
sportliche Teilhabe ermöglichen, denn die Schwimmbäder sind vor allem in den Sommermonaten ein wichtiger Ort sportlicher Freizeitaktivität. Für wichtig halten wir auch günstige Abendtarife, die Anreize setzen, nach Feierabend, Kita oder Hort nochmal schwimmen zu gehen. Nach Protesten seitens der Schwimmvereine und der Nutzer*innen der Bäder brachte die Kooperation aus SPD, CDU und Grünen einige Verbesserungen für den Kreis der Senior*innen und Vielschwimmer*innen auf den Weg. Dennoch ist es bei drastischen Erhöhungen geblieben und das unattraktive Rabattsystem blieb ohne Modifikation.
2019/2020 stand die Tarifgestaltung für die städtischen Bäder mit drastischen Erhöhungen der Schwimmbadgebühren im Vordergrund. Unsere Fraktion war bereit, einen moderat erhöhten Einzeltarif für Erwachsene (EUR 5.00) zu akzeptieren, wenn dafür ein freier Eintritt für Kinder nach Frankfurter Vorbild gewährt würde. Wir wollen damit auf die steigende Anzahl junger Nichtschwimmer*innen reagieren und das Engagement der Schwimmvereine unterstützen. Außerdem soll dies mehr gesellschaftliche und
Die Hereinnahme der Senior*innen in die Gruppe der Ermäßigten ist ein Zugeständnis an die Gruppe, die sich am lautesten geäußert hat. Aus gesundheitspolitischen und sozialen Gründen will unsere Fraktion aber auch die Bezieher*innen von Transferleistungen der Gruppe der Ermäßigten zuordnen.
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Auf der Verliererseite sind vor allem Kinder und Jugendliche von 3-17 Jahren, die nun erst bei Kauf einer 100-Euro-Karte(!) in den Genuss von 20% Ermäßigung kommen sollen,
womit der Eintritt dann 1,60 Euro kosten würde, immer noch 10 Cent mehr als bisher. Alle Erwachsenen werden nun kräftig zur Kasse gebeten, darunter auch die Bezieher*innen von Transferleistungen. Wir brauchen jedoch vor allem eine Werbekampagne für den Schwimmsport, die die vielen Verbesserungen der letzten Jahre in den Vordergrund stellt. Nur so können die sozialen, wirtschaftlichen, sport- und gesundheitspolitischen Ziele erreicht werden. Nach unserer Auffassung wäre es auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wichtig, eine Tarifstruktur zu entwickeln, die auf eine bessere Auslastung zielt. Das heißt, Anreize zu setzen, statt wichtige Kundenkreise abzuschrecken und in die umliegenden Bäder zu vertreiben wie es mit dem neuen Tarifsystem geschehen wird. Man kann einen Schwimmbadbesuch doch nicht mit völlig überhöhten Gebühren zu einem Luxusevent machen! Brigitte Forßbohm Mitglied im Ausschuss für Freizeit und Sport
Digitalisierung ist Chefsache! Um auch bei Schließung öffentlicher Einrichtungen für den Publikumsverkehr erreichbar und arbeitsfähig zu sein, wurden Mitarbeiter der Stadtverwaltung, städtischen Betriebe und Gesellschaften mit mobiler Technik ausgestattet, vernetzt und geschult. Hier haben die Kollegen in den IT-Bereichen Großes geleistet. Der Coronavirus hat gezeigt: Homeoffice funktioniert – zumindest in vielen Arbeitsbereichen. Nun wollen wir nicht immer erst auf eine Notlage warten, sondern die Stadt fortlaufend modernisieren. Warum also nicht in den Schulen beginnen? Auch wenn hier noch viel nachzuholen ist, von der Gebäudehülle bis zu den Toiletten, hat unsere Fraktion den Digitalpakt unterstützt. 22 Millionen Euro sollen bis 2024 investiert werden in Verkabelung, WLAN, interaktive Präsentationsmedien, zentrale Softwaredistribution und Patchmanagement, Lehr- und Lernplattformen, digitale Arbeitsgeräte und mobile Ausstattung.
Das Schulamt bedient sich bei der Umsetzung dieser Mammutaufgabe städtischer Gesellschaften. Dabei gibt es einen IT-Spezialisten, der nicht mit am Tisch sitzt – die WIVERTIS Gesellschaft für Informations- und Kommunikationsdienstleistungen mbH. Sie ist derzeit mit sich selbst beschäftigt, weil das PPP (Public Private Partnership) beendet werden soll und nun händeringend Strukturen und Abläufe gefunden werden müssen, die ohne den bisherigen Partner Atos funktionieren. Ein weiterer IT-Spezialist, der bislang die Bedarfe der Landeshauptstadt formuliert hat, taucht in der Sitzungsvorlage ebenfalls nicht auf – das IT-Management der Stadtkämmerei. Auch hier stehen große Veränderungen an. Zukünftig sollen die verwaltungsinternen IT-Aufgaben in einem eigenen Amt für Digitalisierung und Organisation zusammengeführt werden. Nach meiner Meinung
eine längst überfällige Entscheidung, nicht nur weil wir uns eine moderne Stadtverwaltung wünschen, sondern auch weil sich abzeichnet, dass der zukünftige Personalbedarf kaum noch zu decken ist. Hier kann die Leistungsfähigkeit nur aufrecht erhalten werden, wenn mehr technische Unterstützung zum Einsatz kommt. Alleine die Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes sind gigantisch. 575 Leistungen wurden identifiziert, die insgesamt 35 Lebenslagen von Bürgern und 17 Geschäftslagen von Unternehmen zuzuordnen sind. Bis Ende 2022 sollen alle diese Behördengänge auch online erledigt werden können. Ein ehrgeiziges Ziel. Die Ämter sind in Bewegung. Nun müssen nur noch die Stadtverordneten moderner werden. Wiederholte Vorstöße unserer Fraktion, die Stadtverordnetenversammlung online zugängig zu machen, wurden immer wieder von der Parlamentsmehrheit zurückgewiesen. Die LINKE. und die Piratenpartei sind dazu bereit! Jörg Sobek Vorsitzender im Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Netzpolitik
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Umweltpolitik? Kommt in Wiesbaden zu kurz! Sokrates hat einmal gesagt: „Wer die Welt bewegen will, soll erst sich selbst bewegen“. Genau unter diesem Motto kämpfen wir als Fraktion gegen die Bewegungslosigkeit in der Wiesbadener Umweltpolitik an. Die herrschende Rathausmehrheit aus SPD, CDU und Grünen hatte vollmundig angekündigt, bis zum Jahr 2020 mindestens 20% der Primärenergie aus erneuerbaren Energien zu beziehen und den Gesamtenergieverbrauch der Stadt um 20% zu reduzieren. Erreicht haben sie weder das eine, noch das andere Ziel! Und sie haben diese Ziele nicht einmal knapp verfehlt, sondern sind krachend
gescheitert! Weniger als 5% der Energie stammt aus erneuerbaren Energien, der Gesamtverbrauch ist sogar gestiegen. Es zeigt sich einmal mehr, dass leere Worte nicht ausreichen, um einen Wandel zu bewirken. Mehr als leere Worte haben CDU, SPD und Grüne aber in der Klimapolitik nicht zu bieten. Dies lässt sich am geplanten Bau des Ostfelds am besten erkennen. Dort sollen 100 Hektar unbebautes Land versiegelt werden. Die Folgen für Mensch und Tier wären katastrophal. Die Frischluftschneisen nach Biebrich, Mainz-Amöneburg, Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim, und Mainz werden zubetoniert. Auch die
Nistplätze zahlreicher Vögel und der Lebensraum hunderter Tiere werden vernichtet. Und wofür? Für einen neuen Stadtteil, der sich verkehrlich nicht gut erschließen lassen wird. Die Pendlerströme über die A 671, die A 66 und die B 455 werden nochmals zunehmen. Stau ist da vorprogrammiert. Das oft bemühte Argument der bezahlbaren Mieten wird auch im Ostfeld nur ein leeres Versprechen bleiben. Denn schon jetzt steht fest, dass die Stadt ein enormes Minusgeschäft machen wird. Mit mindestens 72 Millionen Euro Verlusten rechnen selbst die Planer. Und das ist ein Best-Case Szenario. Wahrscheinlich wird es noch viel viel teurer!
Demonstration Fridays for Future
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Dabei gibt es Alternativen. Bereits versiegelte Flächen wie Kastel-Housing sollen bis Ende 2022 von der US-Army geräumt werden. Dort gibt es bereits Verkehrsanbindungen und eine funktionierende Infrastruktur. Kein Vogel muss aus seinem Nest vertrieben und kein Biotop muss zubetoniert werden, um hier Wohnungen zu schaffen. Die Politik der leeren Worte hat bei CDU, SPD und Grünen schon fast etwas Tragisches. Auf Betreiben unserer Fraktion hin hat die Stadtverordnetenversammlung 2020 den Klimanotstand beschlossen. Zwar haben sich AfD, CDU und FDP dagegen gewehrt, aber der Druck aus der Bevölkerung war für SPD und Grüne zu groß. Daher stimm-
ten sie unserem Antrag zu. Dieser Beschluss sollte dafür sorgen, dass alle Maßnahmen unter einen Klimavorbehalt gestellt werden. Doch de facto wird dieser Beschluss seitdem ignoriert. Die Rathausmehrheit hält nicht nur an dem klimaschädlichen Ostfeld fest, sie ist auch wild entschlossen, eine neue Müllverbrennungsanlage zu bauen. In einem undurchsichtigen Vergabeverfahren hat die Firma Knettenbrech & Gurdulic von der Stadt den Zuschlag bekommen. Doch diese Anlage ist überhaupt nicht nötig. Denn in der Umgebung gibt es genug existierende Anlagen. Experten gehen davon aus, dass die Müllverbrennungsanlage nur wirtschaftlich betrieben werden kann,
wenn ca. 90.000 Tonnen Gewerbeabfälle zugekauft werden. Diese werden dann per LKW nach Wiesbaden transportiert. Eine umweltpolitische Fehlplanung. Insgesamt ist die Politik von SPD, CDU und Grünen eher auf Profit und weniger auf Umweltschutz angelegt. Vor allem die CDU hat keinerlei Interesse daran, eine umweltfreundliche Politik zu gestalten. Es wird daher Zeit für einen Politikwechsel. Unsere Fraktion strebt einen Wandel in der Umweltpolitik an. Erst kommt der Planet, dann der Profit. Ingo von Seemen Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Energie und Sauberkeit
Demonstration für mehr Klimaschutz in Wiesbaden
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Wohnen ist ein Menschenrecht! Nach unserer Anfrage gab es 2016 ca. 3200 beim städtischen Wohnungsservice registrierte Wohnungsgesuche, die ca. 7.000 Menschen repräsentieren, die auf eine Wohnung mit einer günstigen Miete angewiesen sind. Besonders betroffen sind Menschen mit geringem Einkommen, kleine Selbstständige, Alleinerziehende und Menschen mit Migrationshintergrund. Wer seine ehemalige Wohnung verliert oder nicht mehr halten kann, steht vor drastisch gestiegenen Mieten. Der hohe Bedarf an bezahlbaren Wohnungen ist in der auf Antrag unserer Fraktion erstellten Wohnbedarfsanalyse 2018 bestätigt worden. 2016 galt eine Quote von 15% zu errichtenden Sozialwohnungen bei Neubauprojekten mit mehr als 25 Wohneinheiten. Viel zu wenig, um den Bedarf zu decken. Diese Quote wurde von der Kooperation von SPD, CDU und Grünen 2017 zwar auf 22% erhöht, sie gilt aber erst bei Neubauprojekten ab 60 Wohneinheiten. Obendrein sorgten viele Ausnahmeregelungen dafür, dass unter dem Strich kaum mehr Sozialwohnungen gebaut wurden wie vorher. Diese Problematik hat sich bis heute nicht grundsätzlich geändert: Insgesamt ist der Bestand an Sozial-
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mietwohnungen von ca. 28000 Anfang der 1990er Jahre auf nur noch knapp 9000 im Jahr 2014 gefallen – eine Tendenz, die sich weiter fortsetzt. Nach Anfrage unserer Fraktion beim Dezernat für Umwelt und Soziales wurde erwartet, dass von 2010 bis 2020 etwa 2688 Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen, also im Durchschnitt 266 Wohnungen pro Jahr. Allerdings waren es 2017 allein mehr als 1100! Dabei sind 40% der in Wiesbaden lebenden Menschen berechtigt, eine Sozialwohnung zu beziehen. Ein Ergänzungsantrag unserer Fraktion zum Bebauungsplan „Erbenheim-Süd“, die eingeplanten 15% an geförderten Wohnungen für Haushalte mit niedrigeren Einkommen auf 30% zu erhöhen, wurde im Planungsausschuss überraschend mit den Stimmen der Grünen, SPD und LINKEN gegen die Stimmen der CDU und FDP angenommen. Leider wurde dies im Nachhinein von Stadträtin Möricke und der Fraktion der SPD als „Abstimmungspanne“ gewertet, da es bereits rechtsverbindliche Vereinbarungen mit dem Investor gegeben habe. In der Stadtverordnetenversammlung wurde auf Antrag der CDU mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP der
Beschlusspunkt 1.7 des Bebauungsplans, der 30% geförderte Wohnungen in Erbenheim Süd vorsah, wieder gestrichen. Dennoch hat unsere Fraktion mit zahlreichen Anträgen, Anfragen und Pressemitteilungen dafür gesorgt, dass das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielt. Die vielen hochpreisigen Neubauten, die zur Zeit entstehen, fördern den Zuzug zahlungskräftiger Schichten nach Wiesbaden, können aber den wirklichen Bedarf an Wohnungen nicht decken. Nach der von der Stadtverordnetenversammlung Ende 2018 beschlossenen Grundsatzvorlage Wohnungsbau sollen zwar 1200 Wohnungen, davon 400 geförderte, pro Jahr geschaffen werden, doch die genannten Zahlen wurden in den letzten Jahren nicht mal annähernd erreicht. Planungsdezernent Kessler (CDU) räumte gegenüber der Presse ein, dass damit auch in den folgenden Jahren nicht zu rechnen sei. Darüber braucht man sich nicht wundern, wenn bei Bauprojekten bis zu 60 Wohnungen überhaupt keine geförderten dabei sein brauchen, wenn bei größeren Projekten es gerade mal 22% sein sollen und auch städtische Gesell-
schaften nicht mehr als 30% geförderte Wohnungen bauen. Im Juni 2019 beantragte unsere Fraktion deshalb bei Neubauprojekten mit mehr als 20 Geschosswohnungen eine Mindestquote von 33% geförderten Wohnungen und 33% Mietwohnungen und/oder Wohnungen nach Konzeptvergabe. Für städtische Wohnungsgesellschaften sollte die Vorgabe von 50% geförderten Wohnungen bei Neubauprojekten gelten. Dies fand keine Mehrheit. Jetzt haben wir diesen Antrag erneut gestellt.
den, was oft zu einer Verdrängung der bisherigen Mietparteien führte. Unter dem Vorwand zur „sozialen Mischung“ beizutragen, wurde weiterhin beschlossen, städtische Mittel für Eigentumsförderung von frei finanziertem Wohnraum einzusetzen. Insgesamt eine traurige Bilanz. Dennoch besteht die Hoffnung, mit besseren Ergebnissen in der nächsten Wahlperiode die investorenfreundliche Wohnungspolitik der CDU zu beenden und eine soziale Wohnungspolitik durchzusetzen.
wesen! Das sehen nicht nur wir so, auch der Mieterbund Wiesbaden, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Initiativen Wiesbaden sozial und Gemeinwohl hat Vorfahrt haben sich immer wieder für eine solche Mietpreisbremse eingesetzt. Die vergangenen Mieterhöhungen von 2016, 2018 und 2019 haben die Mieter*innen der städtischen Gesellschaften mit etwa 3 Mio. Euro belastet. Unsere Fraktion hat sich immer gegen diese Mieterhöhungen ausgesprochen und deren Rücknahme gefordert.
Unserem Antrag nach unbegrenzten Mietpreisbindungen bei städtischen Gesellschaften und von mindestens 30 Jahren bei privaten Investoren stimmten SPD und Grüne zu, er wurde aber von einer Mehrheit von CDU, FDP und AfD abgelehnt. Auch der von unserer Fraktion und den Grünen unterstützte Antrag der SPD nach Wiedereinführung der Verordnung über das Verbot von Wohnraumzweckentfremdung sowie die Einführung eines Vetorechtes für Kommunen bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, wurde mit einer Mehrheit von CDU, AfD und FDP abgelehnt. Dies, obwohl zwischen 2010 und 2018 schon knapp 2.000 Miet- in Eigentumswohnungen in Wiesbaden (z.B. im Rheingauviertel, im äußeren Westend, in der Adolfsallee/Luxemburgplatz, im Dichter- und im Bergkirchenviertel) umgewandelt wur-
Die GWW ist in Wiesbaden die wichtigste Akteurin beim Bau von Sozialwohnungen. Damit sie diese Aufgabe auf lange Sicht wahrnehmen kann, begrüßen wir die Reduktion der vorgesehenen Ausschüttung der GWW an die GWI von 3,75 Mio Euro jährlich auf 1,5 Mio Euro und den gänzlichen Verzicht auf Ausschüttungen seitens der GeWeGe.
Denn die Mieter*innen der städtischen Gesellschaften verfügen eher über mittlere Einkommen und haben oft sogar Anspruch auf eine Sozialwohnung, die aber nicht bereitgestellt kann. Bei vielen übersteigen die Mietlasten schon jetzt 30% des Einkommens.
Gegen Mieterhöhungen der städtischen Gesellschaften Unsere Fraktion unterstützte im September 2018 den Antrag der SPD zu Mietpreisbremse bei den städtischen Gesellschaften. Nach Frankfurter Vorbild sollten GWW, GeWeGe und SEG frei finanzierte Wohnungen von 2019 bis 2028(!) nur noch um 1 Prozent jährlich erhöhen. Das wäre eine wirksamere Mietpreisbremse auf dem Wiesbadener Wohnungsmarkt ge-
Dass lediglich eine Mieterhöhung von 3,3 % pro Jahr und höchstens 10% in 10 Jahren beschlossen wurde, ist den Mehrheitsverhältnissen in der Stadtverordnetenversammlung geschuldet. Aus Sicht unserer Fraktion stellt dieser Beschluss keine Mietpreisbremse mehr da. Er kann höchstens als Einstieg in eine solche gewertet werden. Brigitte Forßbohm Mitglied im Ausschuss für Planung, Bau und Verkehr
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Aktuell: Videoüberwachung in Wiesbaden Über zwei Millionen Euro für die Überwachung der Bürger*innen
In ihrem Kooperationsvertrag haben SPD, CDU und Grüne über 800.000,- Euro für Ausbau und Ertüchtigung der Videoüberwachung in Wiesbaden vereinbart. Zusätzlich steuerte das Land 1,2 Millionen Euro hinzu. Ingesamt also über zwei Millionen Euro für die neuen „Videoschutzanlagen”. So auch am Platz der Deutschen Einheit. Während Bürgermeister Dr. Oliver Franz nur Gutes erkennt, hat sich rund um das Schlachthofgelände bereits Verärgerung eingestellt. Die Anlagen erfassen nämlich nicht nur stark frequentierte Plätze, sondern auch angrenzende Bereiche bis hin zu Hauseingängen. „Das ist inakzep-
tabel“, sagt Jörg Sobek, netzpolitischer Sprecher der LINKE&PIRATEN Rathausfraktion. Moderne Überwachungsanlagen können biometrische Daten analysieren und durch Vernetzung Bewegungsprofile erstellen. Jede*r Bürger*in, die/der Bus und Bahn nutzt, unterliegt der Erfassung. Dabei ist Videoüberwachung allenfalls geeignet, um bei der Aufklärung von Straftaten zu unterstützen. Echte Sicherheit kann es nur durch Polizeistreifen und kurze Reaktionszeiten geben. Wir haben etliche Anfragen und Beschwerden erhalten. Bürger*innen
fragen uns, wie sie sich vor Missbrauch schützen können. Werden auch Ordnungswidrigkeiten erfasst und verfolgt, z.B. bei Rot über die Ampel gehen oder fahren? Wie, wo und wie lange werden die Daten gespeichert und wer hat Zugriff darauf? In der Polizeiarbeit wird immer von Verhältnismäßigkeit gesprochen. „Aus meiner Sicht sind diese martialischen Überwachungsanlagen, die man eher in einem Hochsicherheitsgefängnis vermuten würde, ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Wiesbadenerinnen und Wiesbadener“, resümiert Sobek.
Überwachungsanlage am Platz der Deutschen Einheit
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