Holzbulletin 72/2004

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Wohnen ohne Handicap

Wenn gebaut wird, so stehen oft Zukunftsprojektionen dahinter: Wir errichten Häuser für unsere Kinder und unsere Grosskinder. Wirft man aber einen Blick auf die demographische Entwicklung in der Schweiz, so müsste vermehrt Raum für betagte Menschen entstehen. Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Bis ins Jahr 2030 wird ein Viertel der Bevölkerung das 65. Lebensjahr überschritten haben. Dank dem medizinischen Fortschritt erhöht sich die durchschnittliche Lebenserwartung laufend. Nach der beruflichen Phase erwartet die Senioren ein ‹zweiter Lebensabschnitt›. Sie reorganisieren ihren Alltag und überdenken ihre Wohnsituation. Ihre Präferenzen, ihre Gewohnheiten und ihr soziales Umfeld verändern sich Schritt für Schritt. Die Wohnung wird zu gross und entspricht nicht mehr der altersbedingt verminderten Beweglichkeit. Treppen, Türschwellen und andere bauliche Hindernisse schränken plötzlich die Unabhängigkeit ein. Und ist es nicht gerade diese Unabhängigkeit, die man sich so lange wie möglich erhalten möchte? Fakt ist: Es stehen nicht genügend seniorengerechte Wohnungen zur Verfügung, die auch den sozialen Bedürfnissen der älteren Generation entsprechen. Neuer Wohnraum für ältere Menschen muss geschaffen werden. Die neuen Bauten sollen dem menschlichen Aspekt Rechnung tragen und über ein soziales Umfeld verfügen, in dem die Senioren eingebettet sind und wo ihnen keine baulichen Hindernisse das Leben erschweren. Die bestehenden Strukturen müssen den individuellen Bedürfnissen unserer Gesellschaft angepasst werden. Ein logischer Schritt ist die Schaffung von Einzelzimmern, die es den betagten Menschen erlauben, sich zurückzuziehen. Mit fortschreitendem Alter suchen die Menschen immer mehr die Intimsphäre. Die Wohnung wird zum Refugium, wo Gegenstände Familienerinnerungen und Erlebnisse wachhalten. Die Wände, Fenster und Türen grenzen das Private vom Öffentlichen ab. Senioren haben mehr als alle anderen Gruppen das Bedürfnis, sich in ihren vier Wänden zu Hause zu fühlen. Da das Wohnumfeld für sie einen sehr hohen Stellenwert hat, hat die Wahl der Baumaterialien und die räumliche Planung einen direkten Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Gerade der Holzbau weist beim Bau von Alterswohnungen besondere Qualitäten auf. Holz sowie Produkte auf Holzbasis sind lebendige und natürliche Materialien, welche für die Sicherheit, den Komfort und die Wärme stehen, die betagte Menschen in ihrer Wohnung suchen.

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Weiter ist Holz aufgrund seines geringen Gewichts unter statischem Gesichtspunkt geradezu prädestiniert für Aufstockungen von bestehenden Bauten. Da die Bauteile in den meisten Fällen vorfabriziert werden, kann die Bauzeit verkürzt und somit auch die Belastung der Bewohner der renovierten Gebäude vermindert werden. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sind gleich drei Punkte hervorzuheben: Wer mit Holz baut, trägt zum Wohlbefinden der künftigen Bewohner bei, die regionale und lokale Wirtschaft wird unterstützt, und dank der Holznutzung wird der Waldbestand unter guten Bedingungen erneuert. Das vorliegende Holzbulletin berichtet über fünf aktuelle Beispiele von Wohnbauten für Senioren, teilweise mit Pflegebedürfnis. Holz wurde in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Zwecken eingesetzt. Die Gemeinde Härkingen hat aus politischen und wirtschaftlichen Gründen beschlossen, beim Bau von zwei Wohngebäuden soviel Holz wie möglich einzusetzen. Die Bauherrschaft besitzt viel Wald und produziert eine Menge des erneuerbaren Baustoffs Holz. Die grosse Überbauung in Bärau besteht aus verschiedenen Gebäuden mit unterschiedlichen Nutzungen. Geplant sind sieben Mehrfamilienhäuser in Holzrahmenbauweise. Durch die Wahl von vorfabrizierten Holzelementen können die neuen Wohnbauten etappenweise errichtet und der gesamte Bauprozess um zwei Jahre verkürzt werden. So sind die nötigen Lokalitäten optimal genutzt, und die Behinderungen durch die Arbeiten reduzieren sich auf ein Minimum. In Suhr wurde in erster Linie aus statischen Rücksichten bezüglich der Fundamente dem leichten Baustoff Holz der Vorzug bei der Aufstockung des Alters- und Pflegeheims ‹Steinfeld› gegeben. Die Architekten wollten über die Fassadenelemente aber auch dem Unterschied zwischen Neuem und Bestehendem Ausdruck verleihen. Auch wenn das Altersheim ‹Wartau› im Kanton St. Gallen viel Beton zeigt, kam doch bei der Innenausstattung sehr viel inländisches Holz zum Zug, insbesondere in den Gemeinschaftsräumen und in den Zimmern. Die Pensionäre erleben so das Material Holz, wie sie es von ihrer Lebensgeschichte her kennen. In Glarus wurden vor allem aus Nachhaltigkeitsüberlegungen heraus die neuen Zimmer zur Erweiterung des Alterszentrums Pfrundhaus ‹s’Vreneli› in einer Holzkonstruktion ausgeführt. Joëlle Cornuz, Redaktorin Holzbulletin


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