CREDO XVII (2013/09)

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Interview | Barbara Hohn

ich muss flexibel sein: Ich bin mal da, mal nicht, ich gehe auf Seminare, reise zu Meetings. Weil ich in der wissenschaftlichen Denkweise drinbleiben will. Sie arbeiten seit 35 Jahren hier am Friedrich-MiescherInstitut in Basel. Ein guter Ort? Oh ja. Man hat eine ordentliche finanzielle Grundausstattung, und es herrscht ein erfrischender intellektueller Geist. Das Institut gehört zur Novartis-Stiftung. Kann man da überhaupt unabhängig forschen? Wir haben hier die Freiheit, zu erforschen, was wir wollen. Sonst wären die guten Leute längst davongelaufen. Es hat sich herumgesprochen, dass nichts Interessantes herauskommt, wenn man die Forscher einengt. Ich habe auch meine Mitarbeiter stets an der langen Leine gehalten. Sind Sie gut damit gefahren? Ja. Ich habe ihnen freie Hand gelassen, und sie kamen im Gegenzug oft mit tollen Ideen. Wir haben uns immer wieder gegenseitig stimuliert. Nur selten habe ich etwas gestoppt – die jungen Leute sollen sich doch entwickeln können. Und sie sind mir dafür alle dankbar. Ich bekomme immer noch Briefe aus der ganzen Welt von früheren Mitarbeitern. Wie macht man eigentlich Entdeckungen? Was man noch nicht kennt, kann man ja nicht gezielt suchen. Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck «serendipity»: das zufällige Entdecken einer Sache, nach der man gar nicht gesucht hat. Dazu braucht es natürlich ein wenig Freiraum, man muss ein bisschen spielen können. Und dann kommen die Entdeckungen automatisch? Nicht automatisch. Es bedarf der Intuition dafür, was interessant sein könnte und was nicht. Ich hatte mal einen chinesischen Mitarbeiter, wenn der auf etwas Unerwartetes stiess und ich ihn fragte, ob er dem nicht nachgehen wolle, dann antwortete er üblicherweise: «Well, that would be a little difficult.» Was so viel hiess wie Nein, denn die Chinesen sagen ja nicht direkt Nein. Eine andere Mitarbeiterin kommentierte dies mit den Worten: «You have to pick the flowers on the way.» Man muss die Blumen auch pflücken, die man findet. Ist Neugier wirklich das alleinige Motiv des Wissenschaftlers? Wollen manche nicht einfach Karriere machen? Natürlich haben Wissenschaftler auch ein gewisses GeltungsBarbara Hohn in ihrem Garten: «Man muss die Blumen auch pflücken, die man findet.»

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bedürfnis. Und einige sind derart erfolgsorientiert, dass ihnen Neugier und Kreativität abhanden kommen. Andererseits muss


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