Powision Issue #15 "Homo Futura"

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Man ist dann ganz schnell bei Imperativen und Superlativen und auch bei einer Geringschätzung des Körpers, so wie er ist.

»You can make it with the right technology« völlig illusorisch, ja hochgradig ideologisch verfasst.

Powision: Manche sprechen von der technischen

Gespräch.

Powision: Frau Harrasser, wir danken Ihnen für das

Optimierung des menschlichen Körpers als Vervielfältigung der Möglichkeiten, andere sehen Probleme bei der Auswirkung auf die Individualität. Wie einzigartig ist ein Mensch, der sich massengefertigte Prothesen an den Körper schraubt? Harr asser: Technologisierung ist immer ein Spiel von Normsetzung und Eröffnung von Möglichkeiten. Mit jeder Technologie kommen faktisch neue Möglichkeiten der Welterschließung auf uns zu, gleichzeitig haben Technologien durch ihre Geschichtlichkeit normativen Charakter. Bruno Latour spricht hier von »Skripten«, die in Technologien eingelagert sind. Im Schlüssel steckt ein ganzes soziales Programm des Ein- und Ausschließens. Und in der Prothese steckt ein doppeltes soziales Programm der Produktivmachung von Körpern (sie sollen wieder arbeiten) und dem Verbergen des lädierten Körpers. Ich bin diesbezüglich weder zu optimistisch noch zu pessimistisch, sondern einfach nur realistisch: Meistens enthalten Technologien widerstreitende Programme und lassen sich bis zu einem gewissen Grad umfunktionieren, das heißt man kann sie den eigenen Bedürfnissen anpassen. Allerdings nur in Grenzen, irgendwas schreibt sich dann immer auch ein. Um die Individualität mache ich mir dabei am wenigsten Sorgen, denn unser Verständnis von Individualität ist selbst ein historisches, das von bestimmten Medientechniken mitgeprägt wurde. Singularitäten wären mir lieber als Individuen. Powision: Sie schreiben, dass sich die Meinung verfestige, mit der Möglichkeit der technischen Optimierung des eigenen Körpers könne es jede*r »schaffen«, seine Defizite zu überwinden. Letztendlich könnten sich also alle Menschen angleichen. Dabei sind Operationen und technische Hilfsmittel sehr teuer, nicht jede*r kann sie sich leisten. Inwieweit fördert diese Entwicklung soziale Ungerechtigkeit?

Das Intervie w führten Theresa Kühnert und Benedikt Peters.

you can make it  with the right   technology ist illusorisch.

Harr asser: Die angebliche Voraussetzungslosigkeit von Technik (sie ist angeblich nur »funktional« und »effizient«) ist ein ganz problematischer Mythos. Technik ist enorm voraussetzungsvoll, sowohl was das Spektrum des Handelns betrifft, das sie ermöglicht und verwehrt, als auch in Hinblick auf ökonomische Fragen. Technik, als hochkomplexes Produkt von verschiedenen Formen der Arbeit und des Wissens gibt es nur in Verbindung mit Institutionen, mögen die nun staatlich oder privatwirtschaftlich organisiert sein. Und von Ressourcengerechtigkeit sind wir bekanntermaßen Lichtjahre entfernt. Ich sehe auch nicht, wie sich das in absehbarer Zeit ändern könnte. Insofern ist das

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