Anti-AndiDer Verfassungsschutz, sein Comic und der Extremismus-Begriff

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3.1 Zivilgesellschaft und politische Gesellschaft Gramsci unterscheidet in der Gesellschaft die zwei Sphären der Zivilgesellschaft und der politischen Gesellschaft (welche stellenweise auch als „Staat“ bezeichnet wird, in anderen Passagen seiner Schriften erscheint die politische Gesellschaft als ein Teil des Staates).100 Die Sphären sind nicht scharf voneinander abgrenzbar, sondern überschneiden sich. Individuen können sich – je nach gesellschaftlicher Funktion – in beiden Sphären gleichzeitig bewegen. Gramsci definiert, dass die Unterscheidung in politische Gesellschaft und Zivilgesellschaft „rein methodisch, nicht organisch“ sei, im „konkreten historischen Leben“ seien „politische Gesellschaft und Zivilgesellschaft ein und dasselbe“.101 Doch die beiden Sphären können dahingehend unterschieden werden, nach welcher Methode Herrschaft stabilisiert wird: in der politischen Gesellschaft wird Zwang und in der Zivilgesellschaft wird Hegemonie organisiert. Dementsprechend können auch die verschiedenen Institutionen einer Gesellschaft gemäß der Organisierung von Zwang oder Hegemonie unterschieden werden, wobei die beiden Arten der herrschaftsstabilisierenden Methoden in beiden Sphären wirken oder wirken können. Harald Neubert nimmt eine Zuordnung von gesellschaftlichen Strukturen zu den beiden Sphären vor: „Als politische Gesellschaft ist im Sinne Gramscis die Gesamtheit der staatlichen, das heißt der institutionalisierten politischen, juristischen und militärischen Machtstrukturen und -instrumente einer herrschenden Klasse, kurz gesagt, der Staat zu verstehen. (…) Zivilgesellschaft hingegen umfasst demnach den nichtstaatlichen Bereich der Gesellschaft, also die gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen, die sozialen und kulturellen Beziehungen und Aktivitäten der Menschen, den geistigen, ideologischen, religiösen Überbau der Gesellschaft.“102 Der Staat ist bemüht, die enge Verbindung von Zivilgesellschaft und politischer Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Löst sich die zivile Gesellschaft von der politischen, um einen neuen Weg zu gehen, so wird die politische Gesellschaft gegen „das Neue“ kämpfen, um „das Wankende“ zu erhalten.103

3.2 Hegemonie

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Vgl. Gramsci, 1999, S. 2195 Gramsci, 1992, S. 498 f. 102 Neubert, 2001, S. 61 103 Vgl. Gramsci, 1992, S. 882 101

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