verdi_Argumente-gegen-Schuldenbremse

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wo die Länder über ihre Einnahmequellen nicht selbst entscheiden können, ihnen alles Mögliche durch Bundesgesetze vorgegeben ist und ihre wichtigsten Ausgabenpositionen im Personalbereich – Lehrer/ -innen, Polizei, Justiz – langfristig festliegen, so dass ihnen als freie Haushaltsspitze nur rund fünf Prozent des Haushaltes zur freien Gestaltung verbleiben. Auch für die Länder und Kommunen gilt deshalb: Am leichtesten beeinflussbar sind Sachinvestitionen, weshalb die Schuldenbremse als Investitionsbremse, als Wachstums- und Zukunftsbremse wirkt. Da nützen auch die vorgesehenen Finanzhilfen für die ärmeren Bundesländer nichts. Der Hansestadt Bremen, dem Saarland und Schleswig-Holstein werden sie ohnenhin nicht durchgreifend helfen können, dafür sind sie längst nicht ausreichend, einmal ganz abgesehen davon, dass sie von vorn herein an die Bedingung harter Sparauflagen geknüpft sind. Zu Recht spricht Ralf Stegner im Zusammenhang mit der sogenannten Schuldenbremse deshalb von einem Verarmungsprogramm für die ärmsten Bundesländer und ihrer Kommunen. Und zu Recht warnt Münchens Stadtkämmerer Ernst Wolowicz davor, dass die Bundesländer den auf sie zukommenden Druck besonders zu Lasten der Kommunen zu mindern versuchen werden: Über Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich. All das wird die finanzschwächeren Bundesländer und ihre Kommunen noch härter treffen als die anderen und wird das Auseinanderdriften der Lebensverhältnisse zwischen den Regionen forcieren.

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Ernst Wolowicz weist zudem zu Recht darauf hin, wie stark ideologisch verbrämt die Debatte über Schulden geführt wird, je nachdem, ob es um Schuldenaufnahmen in der Privatwirtschaft oder beim Staat geht. Und das, obwohl mit den Schulden auch Forderungen weitergegeben werden. Den Schuldnern stehen Gläubiger gegenüber. Es handelt sich also nicht um ein Problem zu den Generationen, sondern um eines der Lastenverteilung in der jeweiligen Generation. Wenn die Große Koalition jetzt mit der Schuldenbremse im Grundgesetz ein Verschuldungsverbot für die Länder und eine maximale Neuverschuldung des Bundes von 0,35 % des Bruttoinlandsproduktes festschreiben will, versperrt sie dem Staat damit die Möglichkeit, kreditfinanzierte Investitionen für zukünftige Generationen vorzunehmen. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates, kommentiert dazu richtig: „Aus der Perspektive einer schwäbischen Hausfrau mag das eine gute Politik sein, eine schwäbische Unternehmerin aber wird kaum auf eine rentable Investition verzichten, auch wenn sie dafür einen Kredit aufnehmen muss.“ In der Tat: Blickt man auf die Unternehmensstruktur, so gilt dort „Fremdfinanzierung“, ein ganz selbstverständliches und völlig unumstrittenes Instrument der Unternehmensführung. Schulden heißen da „Fremdkapital“ und ihr Anteil liegt bei vielen deutschen Unternehmen in der Regel zwischen 70 und 80 %. Wichtig ist, ob die so finanzierten Investitionen rentierlich sind oder nicht. Anders beim Staat. Da sind Schulden und Schuldenmachen schlecht! Und da haftet fremdfinanzierten Investitionen das Odium des Vergehens an zukünftigen Generationen an, gerade


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