KARRIEREZIEL Hochfranken - Ausgabe 2014

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DIE STOLZEN KÄMPFER

Die stolzen Kämpfer Auf der Suche nach Hochfrankens Mentalität Text und Bilder: Götz Gemeinhardt

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in Montagmorgen im November. Selb, 8 Uhr 30. Kälte und Stille durchziehen die NETZSCH Arena, das Eisstadion, in dem am Abend noch 2000 Fans den Heimsieg der Selber Wölfe gefeiert haben. Einer ist schon wieder da: Cory Holden, Wölfe-Trainer und Eismeister. Er hat ein Spitzenteam geformt, das Menschen aus der ganzen Region begeistert. Die Leidenschaft für den VER Selb schweißt zusammen, beim Eishockey spricht, ja schreit Hochfranken mit einer Stimme, oft singt es sogar. Die Eishalle scheint also kein so schlechter Ort zu sein, um zu versuchen, die hochfränkische Mentalität zu ergründen. „Ganz laut und deutlich: Wir sind hier! Wir unterstützen unsere Region! Wir sind aus Hochfranken!“, sagt der Kanadier Cory Holden über die Wölfe-Fans. „Darauf sind sie stolz, und das tragen sie auch nach außen.“ Stolz. Ein Wort, das noch öfter fallen wird. Ist Stolz also zentraler Bestandteil der hiesigen Mentalität? Dr. Hanns-Peter Ohl, Geschäftsführer der NETZSCH Holding, dem Namensgeber des Selber Eisstadions, findet, ja: „Die Menschen in dieser Region haben ihre Eigenheiten, das ist nicht von der Hand zu weisen. Sie sind bodenständig, bescheiden, im Tiefsten ihres Herzens sind sie stolz auf ihre Heimat, zeigen das aber nicht immer.“

Also fördert der Verein für Eiskunstlauf und Rollsport den Stolz zu Tage, der im Hochfranken und in der Hochfränkin ruht, und der Hochfranken nicht schaden kann. „Es ist bewundernswert, wie die Leute ins Stadion strömen und dem VER zujubeln. Das Team eint eine Region, in der man sonst eher im Wettbewerb zueinander steht, als an einem Strang zu ziehen. Man täte besser daran, die Kernkompetenzen des anderen zu unterstützen.“ Vielleicht steckt man noch in einem Identitätsfindungsprozess. Schließlich hat sich Hochfranken erst vor ein paar Jahren selbst erfunden. Klaus A. Grünling, Unternehmer und von 1993 bis 2001 Vorsitzender der Selber Wölfe, war von Anfang an ein Verfechter der hochfränkischen Idee: „Vor Hochfranken lebten wir in Nordostoberfranken… Wenn du das hörst, hast du doch die Schnauze voll. Die Mentalität war: Es kann ja nur noch schlechter werden. Diese Denkweise hat die Stimmung in der Region geprägt. Die Mentalität zu ändern, ist gut gelungen. Hochfranken ist ein wunderschönes Wort. Man hebt sich aus der Masse der Franken heraus. Der Region hat das einen neuen Ausdruck gegeben, ein neues Lebensgefühl.“ Grünling ließ Ende der 90er Jahre „Wir kämpfen für Hochfranken“ auf das Trikot der Selber Wölfe schreiben. „Hoch-

franken und die Wölfe haben sich gesucht und gefunden. Der Verein ist ein hochemotionaler Leuchtturm, der für die hochfränkische Sache kämpft.“ Auch wenn man heute wohl eher „Wir lieben Hochfranken“ oder „Wir sind Hochfranken“ wählen würde - „Wir kämpfen für Hochfranken“ drückt aus, was Yvonne Rothemund empfindet. Die 21-jährige BWL-Studentin spielt in der 1b-Mannschaft des VER, in der Eishockey-Frauenbundesliga und in der Nationalmannschaft: „Kampf gehört dazu. Insofern spiegelt sich die hochfränkische Mentalität in dem Slogan wider. Der Kampf ist groß hier, jeder ist sich dessen bewusst und willig zu kämpfen. Das wird so gelebt und ausgestrahlt.“ Hanns-Peter Ohl sieht in Hochfranken nicht mehr Kampf als anderswo. Sehr wohl nimmt er aber Engagement und Einsatz wahr: „Vielen Leuten liegt Hochfranken am Herzen, und das zeigen sie. Der VER Selb ist ein Motivator, der die Menschen zusammenbringt, ein Team, mit dem Willen, gemeinsam etwas zu bewegen.“ „Im echten Leben ist nicht immer alles schön und rosig“, sagt Cory Holden und überträgt den industriellen Umbruch in der Region auf die Selber Wölfe: „Der Abstieg des Porzellans hat den Abstieg des

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