The Liminal Magazine

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Selbstverständlich. Medienpraxis – Online-Magazin – Editorial Wie selbstverständlich machen wir uns jeden Tag auf den Weg. Wir haben Ziele, erledigen Aufgaben, stellen uns Anforderungen, machen Pause, um weiter zu machen. Wir arbeiten und versuchen gleichzeitig eine Balance zwischen unserer Lebens- und Arbeitswelt herzustellen. Da liegt es nahe zu fragen: Ist die Arbeit ein Teil des Lebens oder das Leben der Rahmen für die Arbeit? Immerhin ist die Arbeit sehr bedeutend für unsere Identität – dafür, wie wir uns selbst verstehen. Sei es im Findungsprozess der passenden Arbeit, in dem auch wir – die Redaktion – uns befinden, oder schon mitten in der Arbeitswelt. Doch ist all das – Unterwegssein, Arbeit, Identität durch Tätigkeit – wirklich so selbstverständlich? Und gibt es nicht eine permanente Spannung zwischen den oft nicht eindeutig trennbaren Welten des Lebens und der Arbeit? Oder stehen sie in Harmonie zueinander? Diesen Fragen gehen die Autorinnen und Autoren dieses Magazins nach. Manche suchten Antworten in ihrem (kritischen) Blick auf die Gesellschaft und in Büchern. Andere stellten die Fragen Menschen, die ihre persönlichen Arten der Lebenswelt, Arbeitswelt und der Verbindung derer gefunden haben. Und dazwischen beschäftigten sich wenige mit einer Verbildlichung von Arbeitswelten oder Statistiken darüber. Doch warum The Liminal Magazine? Ein Titel, der so vielschichtig ist wie das Thema selbst. Einigen Lesern wird aus verschiedenen Sprachen oder der Mathematik vielleicht der Wortsinn der Grenze einfallen. Tatsächlich ist die Frage nach der Grenze, bzw. der Begrenzbarkeit der Lebensund Arbeitswelten zentral. Doch das Verhältnis zwischen der Lebens- und Arbeitswelt erinnert auch an einen Zustand, den man liminal nennen könnte. Nach Arnold van Gennep und Victor Turner bedeutet dies ein Zustand zwischen zwei Strukturen – ein Übergang, in dem vieles möglich ist und Strukturen aufgelöst werden. Ein Zustand, in dem ein Anzugträger mit seinem Büro im Wald – in erster Linie ein Erholungsort unserer Lebenswelt – landen kann. Der Ethnologe Victor Turner beschreibt das Leben als „durch Etappen unterteilt“. Die Grenzsituationen dazwischen sind nicht routiniert zu durchlaufen, weshalb Gesellschaften für die Überwindung Rituale entwickeln. In ihnen ist das anti-strukturelle Dazwischen in gewisser Weise geregelt. Obgleich es in einer modernen Gesellschaft wie unserer keine eindeutigen Rituale für diese Situationen gibt, befinden wir uns oft in solchen. Sie entstehen durch die Trennung von Arbeit und Freizeit, sind nicht mehr kollektiv, sondern individuell und gleichzeitig weniger fassbar. Während manche Grenzsituationen – wie zwischen Kindheit und Jugend, Jugend und Erwachsenenalter, Leben und Tod – als problematisch thematisiert werden, müssen wir im Alltag eigene Wege finden, mit kleineren Liminalitäten wie der zwischen Lebens- und Arbeitswelt umzugehen. Eines ist sicher: In dieser Liminalität versteht sich vieles eben nicht mehr von selbst. Umso spannender war es für uns, sich diesem Thema zu widmen und Menschen zu begegnen, die ihre eigene Weise gefunden haben damit umzugehen. Wir wünschen viel Freude, Inspiration und Antworten auf (neu aufkommende) Fragen beim Lesen und Betrachten!

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