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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. März 2011

Marina Schuster

(A)

Ich möchte nun ganz kurz auf die politische Situation eingehen. Wir dürfen nicht vergessen: Die Länder Ägypten und Tunesien befinden sich in einer sehr wichtigen, aber auch fragilen Transformationsphase. Unseren politischen Stiftungen bietet sich jetzt die Möglichkeit, die Kontakte, die sie in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, zu nutzen. In der Vergangenheit war die Situation allerdings eine andere. Die Angehörigen von Oppositionsparteien, zu denen wir Kontakte hatten, wurden inhaftiert, und die Parteien waren nicht zu Wahlen zugelassen. Jetzt ist die Möglichkeit da, sich auf die Wahlen vorzubereiten. Deswegen begrüße ich sehr, dass uns mit unseren politischen Stiftungen vor Ort Organisationen zur Verfügung stehen, die mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und die demokratischen Strukturen stärken können. Eines dürfen wir nicht vergessen – das ist von meinen Vorrednern bereits angesprochen worden –: Jetzt geht es natürlich auch darum, eine ökonomische Perspektive zu schaffen. Die Forderung, unsere eigenen Handelshemmnisse für Agrarprodukte zu senken, betrifft natürlich auch den Textilsektor. Dazu gehört auch, dass wir den Tourismussektor wieder beleben, sofern die Sicherheitslage in den entsprechenden Gebieten dies zulässt. Eines ist allerdings auch klar: Wenn die sozialen Missstände nicht behoben werden, wenn die ökonomische Verbesserung nicht eintritt, kann dies dazu führen, dass der gesamte Transformationsprozess ins Schlingern gerät. Deswegen ist es wichtig, eine ökonomische Perspektive zu bieten.

(B)

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen. Wir haben uns in den Debatten, die wir im Menschenrechtsausschuss geführt haben, auch um das Thema Religionsfreiheit gekümmert. Ich möchte am Beispiel Ägypten klarmachen, was es für ein Land, in dem die Staatsreligion der Islam ist, in dem die Bevölkerung tief religiös ist, heißt, jetzt eine politische Ordnung zu schaffen, die Religionsfreiheit, Toleranz und Pluralismus beinhaltet. Ich denke, dass auch solche Fragen diskutiert werden müssen und dass man sich auch damit befassen muss, wie der Schutz der Religionsfreiheit zugunsten der Menschen besser ausgestaltet werden kann. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin! Marina Schuster (FDP): – Ich komme zum Schluss.

Unser Weg ist klar: Wir bieten Hilfe und Unterstützung an, allerdings nicht mit dem erhobenen Zeigefinger oder durch Bevormundung, sondern mit ehrlichen und brauchbaren Angeboten. Das ist unser Weg, und den werden wir auch weiterhin gehen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

(C)

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Götzer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Wochen sind wir Zeugen des dramatischen Umbruchs, der gewaltigen Umwälzungen in der arabischen Welt. Dabei hat vor allem die verbrecherische Gewalt, mit der Gaddafi in Libyen seine Macht sichern will, weltweit für Empörung gesorgt. Aber auch in anderen Ländern bleibt die Lage nach gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften angespannt. In Algerien, Bahrain, Jordanien, Irak, Iran, Marokko und dem Jemen beispielsweise ist es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Protesten gekommen. Dabei gab es zahlreiche Verletzte und auch Tote. Am 11. März dieses Jahres ist daher der Europäische Rat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengekommen, und allein dies ist ein starkes Signal dafür, wie wichtig der Europäischen Union eine gemeinsame Reaktion auf die Geschehnisse ist. So etwas hat es in den vergangenen zehn Jahren nur dreimal gegeben: beim Georgienkrieg, beim Irakkrieg und nach den Terroranschlägen vom 11. September. In vielen arabischen Ländern fürchten die Herrscher den Verlust ihrer Macht. In Tunesien und Ägypten ist der (D) Sturz der Despoten bereits erfolgt. Bahrain ruft saudische Truppen ins Land. In Libyen droht die Revolte in einen langen und blutigen Bürgerkrieg zu münden, wofür die libysche Führung die alleinige Verantwortung trägt. Die internationale Gemeinschaft sieht dem mörderischen Wüten Gaddafis nicht tatenlos zu. Zahlreiche Sanktionen und andere Konsequenzen wurden inzwischen von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und den USA beschlossen. Damit wurden klare Signale gesetzt, dass das menschenverachtende Vorgehen gegen das eigene Volk von der Weltgemeinschaft nicht hingenommen wird. Was allerdings die Forderung nach der Errichtung einer Flugverbotszone angeht, so müssen wir uns – und das ist heute schon mehrmals angesprochen worden – darüber im Klaren sein, dass dies eine militärische Intervention bedeutet. Deshalb ist es auch ein klarer Widerspruch, wenn uns die Arabische Liga einerseits zur Errichtung einer solchen Zone auffordert, uns andererseits aber gleichzeitig vor jeglicher Form einer militärischen Intervention warnt. Ein Flugverbot lässt viele Fragen offen und birgt viele Risiken. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Arabische Liga – derzeit hat es diesen Anschein – daran nicht beteiligen will. Ich nenne zum Beispiel das Risiko vieler ziviler Todesopfer. Zivile Todesopfer in einem arabischen Land durch eine westliche militärische Intervention könnten schnell zu einer Verschärfung der im


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