24. DREIZEHN - "40 Jahre Benachteiligtenförderung. Ein Rück – und Ausblick"

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„Die jungen Menschen finden in der Jugendwerkstatt ein reizarmes Setting vor.“ Jugendlichen als sinnvoll anerkannt werden. Da ist die Pflege des Friedhofes, das Spalten des Holzes für den Backofen und ebenso die Hilfe für die ältere im Dorf wohnende Dame. Die jungen Menschen lernen Gemeinschaftsfähigkeit auf die denkbar beste Art: Im Miteinander einer dörflichen Gemeinschaft, in der man generationenübergreifend aufeinander achtet und sich gegenseitig hilft.

den anderen beobachtet, wie sie mit den Mitarbeitern hier geredet haben. Die helfen dir eben auch, wenn du z. B. Probleme mit dem Jugendamt hast, wenn du Schulden hast. Sie helfen einfach, wo sie können. Oder wie bei mir, als ich aus meiner Wohnung raus musste. Wir haben auch hier so viel unternommen, Rasen gemäht, sehr viel gelacht, Überraschungen wurden geteilt.“

Körper und Geist gesund halten: Gesundheitsprävention in der Jugendsozialarbeit Das „Freitagsbacken“ gehört zum Gesundheitsprojekt, das mit der Ärztin Frau Dr. Müller aus Arneburg wöchentlich durchgeführt wird und das die Ganzheitlichkeit der Arbeit zeigt. In den Jahren 2017 und 2018 wurde in der Evaluation des Projektes Starthilfe 2.0 festgestellt, dass sich die inhaltlichen klassischen Schwerpunkte der Sozialen Arbeit im Bereich Jugendberufshilfe gravierend auf die multiplen Störungen in den Persönlichkeiten der Teilnehmer_innen verschoben haben. In den Jahren zuvor war es der Schwerpunkt Sucht. Die psychischen Erkrankungen nahmen signifikant zu. Konzeptionell wurde schnell reagiert, die sozialpädagogische Basisarbeit musste sich verändern. Andere Hilfen mussten angeboten werden, so auch die Veränderung der Gruppenarbeit. Besonders auffällig ist z. B. die große Bandbreite in der sozialen Diagnostik in dem Projekt Starthilfe 3.0 (2019 – 2020). Diese ist ein wichtiges Steuerungselement, um die Anbahnung weiterer möglicher Hilfen, auch psychiatrischer Behandlung, vornehmen zu können. Sichtdiagnostik, Kooperative und Black-Box-Diagnostik, Crossings – die Erweiterung der Diagnosemethoden mit Blick auf die individuellen Bedarfe der jungen Menschen entwickelte sich zu einem Arbeitsschwerpunkt, ebenso wie die Psychoedukation im Einzel- und Gruppensetting für die teilnehmenden Jugendlichen. Hier entwickeln sie ein eigenes Verständnis für ihre Sucht und/oder weitere psychische Erkrankungen.

Freitags wird gebacken. Auf dem ehemaligen Pfarrhofgelände steht ein Backhaus mit einem Lehmbackofen. Der wird morgens um 5:00 Uhr angeheizt. Der Hefeteig für Brot, Kuchen und – ganz wichtig! – Pizza wird morgens um 6:00 Uhr ebenfalls angesetzt. Seit einem Jahr backen die Jugendlichen auch Brot selbst. Petra Pigorsch, seit 27 Jahren Mitarbeiterin im Diakoniewerk Osterburg e. V. in der Jugendwerkstatt in Hindenburg, sagt: „Es ist wichtig für die Jugendlichen, die sich oft im ständigen Rausch befanden oder zum Teil noch befinden, eine Welt zu erfahren, in der es möglich und auch lohnenswert ist, mit den eigenen Händen Arbeit zu verrichten. Denn von der Vorbereitung der Erde bis zum fertigen Produkt auf dem Teller ist es ein weiter Weg, der aber absolut gelingen kann. Ein Erfolgsrezept! Essen muss jeder, und dafür besteht eine große Bereitschaft der teilnehmenden Jugendlichen, Arbeiten zu übernehmen.“

Beziehung als Basis: Die Macht der kleinen Schritte Die Teilnehmer_innen werden im Projekt Starthilfe 3.0 in der ersten Phase sehr oft fast täglich zu Hause besucht, denn sie sind meistens durch ihre Sucht und deren Folgeerscheinungen gar nicht in der Lage, einem geregelten Tagesablauf zu folgen. Der erste Besuch in der Jugendwerkstatt ist für jede_n Teilnehmer_in ein Erfolg. Auch wenn er_sie dafür von zu Hause abgeholt wird, ist diese erste Hürde überwunden und der Weg

Neben dem Backen sind für die ländliche Struktur absolut notwendige tägliche Arbeiten zu verrichten, die auch von den 47

dreizehn Heft 24 2020


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