Komplett-Magazin. Zwischen Volme und Lister

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daminister Joseph Goebbels den „Totalen Krieg“ aus. Die Propaganda des Naziregimes zeigt Wirkung beim damals 17-jährigen Günter Gräwe. „Im Sommer bin ich aufs Rathaus gegangen und habe mich als Freiwilliger für den Kriegseinsatz gemeldet.“ Für den Dienst am Vaterland nimmt er in Kauf, dass er seine kaufmännische Lehre ein Jahr vor dem Abschluss abbrechen muss. Der Junge aus der Bergstadt kommt zur Kurzausbildung als Soldat nach Dondangen in Lettland. Fern der Heimat wird aus dem Jungen in wenigen Monaten der Oberschütze auf einem „Panzer IV“ der deutschen Wehrmacht. Vorgezeichnet scheint angesichts der örtlichen Nähe zur Ostfront der Kriegseinsatz gegen die unaufhaltsam näher rückenden Truppen Stalins. Doch die Landung der alliierten Truppen an der französischen Küste am sogenannten D-Day, dem 6. Juni 1944, soll alles verändern. Mit seiner Panzereinheit wird Gräwe in die Normandie verlegt, wo unter der Führung von Generalfeldmarschall Erwin Rommel die Invasionstruppen zurückgeworfen werden sollen. Im August kommt es zur Feuertaufe für Günter Gräwe. Sein Panzer erhält einen Volltreffer. Es gelingt ihm und seinen Kameraden in höchster Bedrängnis, das manövrierunfähige Stahl­ ungetüm zu verlassen. Man flüchtet, wird dabei beschossen. Günter Gräwe wird durch einen Streifschuss verletzt, landet in einem deutschen Feldlazarett. Zwei Nächte später kommen die Amerikaner. Ein Captain erklärt den verwundeten Soldaten, dass sie nunmehr POWs seien – Kriegsgefangene. Das also ist der „Feind“, dem man vor kurzem noch in mörderischer Schlacht gegenüberstand und in dessen Händen man nun einem ungewissen Schicksal entgegensieht.

Fakten: Deutsche Soldaten als Kriegsgefangene der USA Mit der deutschen Niederlage in Afrika 1943 wurden fast 140.000 deutsche Kriegsgefangene auf einen Schlag in die USA gebracht. Dort wurden sie in Lager gesteckt - und erstaunlich gut behandelt. Oft sogar besser als die schwarzen US-Bürger. Denn die Amerikaner hatten einen Plan mit ihren deutschen Gefangenen. Deutsche Kriegsgefangene in den USA hatten Glück: Drei Millionen Deutsche waren in US-Gefangenschaft, fast so viele wie in sowjetischen Lagern. Aber während in US-Lagern während der Gefangenschaft nur bis zu 10.000 Männer gestorben sind, kamen in sowjetischen Lagern Hunderttausende ums Leben - manche Historiker sagen: bis zu einer Million. Was die Kriegsgefangenen in den US-Lagern erwartete, das war seit 1929 mit der Genfer Konvention geregelt. Die schrieb vor, dass Gefangene menschlich zu behandeln sind: Sie dürfen nicht bedroht, beleidigt oder misshandelt werden. Auch die Unterbringung und die Beschäftigung der Gefangenen war festgelegt: sichere Baracken mit einem Mindestmaß an Bequemlichkeit. Den Gefangenen ging es gut. So gut, dass sie den Neid der einfachen US-Arbeiter auf sich zogen. Aus Sicht des US-Militärs machte die gute Behandlung der Kriegsgefangenen aber durchaus Sinn. Die Gefangenen, die bereit waren, zu kooperieren, sollten auf die Zeit nach dem Krieg vorbereitet werden, Deutschland als gute Demokraten wieder aufbauen - und dafür wurden sie ausgebildet. 370.000 Deutsche Soldaten wurden im Laufe des Kriegs in die USA gebracht. Und dann, nach dem Krieg, wurden sie wieder nach Europa geschickt, in ihre alte Heimat. Quelle: Deutschlandfunk nova

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