KLARTEXT
Nummer 1 | 2008 DAS SCHWEIZER MEDIENMAGAZIN
Medien, Monopole und Moneten: Hanspeter Lebrument und Roger Schawinski im Streit Gerangel auf der letzten Etappe zu den Geb체hrenmillionen Zeitungsm체ll: Verlage schalten auf stur FCB-Trainer Gross und geschw채tzige Journis
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FOTO: OLIVIA HEUSSLER
KLARTEXT NR. 1/2008 EDITORIAL
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Wäre es zu diesem Übergriff nicht in der Schweiz, sondern irgendwo im fernen Russland gekommen, die Besorgnis über die Missachtung der Pressefreiheit hätte nur so aus den Zeitungsspalten getrieft. Zielsicher wären die Rollen verteilt worden: hier guter Journalist, dort böse Staatsmacht. Und im Abspann noch die obligate Einschätzung von Reporter ohne Grenzen, wie schlimm es doch um die Medienfreiheit in Chinakubarussland stehe. Nun hat sich aber das Ungeheuerliche in Bern und nicht in Moskau zugetragen. Auf einen Journalisten, der seiner Arbeit nachgehen will, wartet beim Verlassen des Redaktionsbüros ein Mitarbeiter des polizeilichen Nachrichtendiensts und kommandiert einen Trupp Grenadiere herbei. Der Medienschaffende wird gefesselt und abgeführt. Der Fall ist bekannt. Ereignet hat er sich am 19. Januar anlässlich der unbewilligten Demonstration gegen das WEF. Statt Besorgnis oder Empörung, wie man erwarten könnte nach einem Übergriff auf einen Berufskollegen, schlägt dem Journalisten Skepsis und Häme entgegen. Kein Chefredaktor, der in die Tasten greift, kein Kommentar, der die Einzigartigkeit dieses Vorgangs angemessen herausstreicht. Immer schön objektiv bleiben. So hart wird nur angepackt, wer etwas ausgefressen hat, lautet der Tenor. Die Stichworte liefert die Polizei, und die kreuzbraven Objektivitäter glauben der Obrigkeit aufs Wort. Und klingt der Amtsjargon einmal zu harmlos, schraubt man munter noch ein bisschen: Ein „Rädelsführer“ bei den Anti-SVP-Krawallen vom 6. Oktober sei der Verhaftete gewesen, gab die „Berner Zeitung“ vor zu wissen. Im Polizeicommuniqué war neutraler formuliert von einer „Führungsperson“ die Rede. Was heisst hier eigentlich „Führungsperson“? Der verhaftete Journalist hatte die tolerierte und friedlich verlaufene Platzkundgebung gegen Rassismus vom 6. Oktober mitorganisiert. Ein Linker also. Doch was tut das zur Sache? Mehr als man denkt. Da der Journalist nach seiner Verhaftung zwar keinen Presseausweis, dafür eine Auftragsbescheinigung seiner Redaktion vorweisen konnte, hatte die Polizei keinen Grund, an den professionellen Absichten des Verhafteten zu zweifeln. Doch das Schreiben stammte von einer linken Zeitung. Damit bleibt die politische Gesinnung als Motiv für die Schikanierung des Journalisten. Dafür spricht auch, dass er von einem Staatsschützer angehalten wurde. Das reicht den berichterstattenden Medien aber offenbar nicht, um den naheliegenden Schluss zu ziehen, dass hier die Pressefreiheit mit Füssen getreten wurde. Solches geschieht ja nur in Chinakubarussland. Nick Lüthi
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KLARTEXT NR. 1/2008 INHALT
„Ich gebe in Interviews nie ‚off the record‘ Informationen preis. Journalisten können das nicht für sich behalten.“
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GES P R ÄC H I M K L AR T E XT Hanspeter Lebrument und Roger Schawinski: Zwei Medienunternehmer, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, wollen Gebührenmillionen für ein Radio in der Südostschweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
P R I VAT R ADI O U ND -F E R NSE H E N Millionen für die Verleger: Wie es nie hätte kommen müssen und nun doch gekommen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Dilettantisch: Die Walliser Verleger setzen alles daran, ihre Chancen auf eine TV-Konzession tief zu halten . . . . . . . . . 18 Einer gegen zwei: Heuberger gegen Tamedia, Heuberger gegen NZZ. Im Raum Zürich-Ostschweiz ist der Streit um die Lokal-TV-Konzessionen voll entbrannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Das Amt, das alle kennen: Wie das Bundesamt für Kommunikation BAKOM kommuniziert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Christian Gross, Trainer FC Basel (Seite 24)
J O U R NAL I S MU S
„Misthaufengeschichten sind das Salz im Leben.“
Journis in Gefahr: Eine Genfer Kampagne will ein Emblem als Schutz für JournalistInnen in Kriegsgebieten schaffen, Betroffene sind skeptisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
VE R L AG E
FOTOS: JOHANNA WEDL/ZVG
Christian Stärkle, Chef von Tele Oberwallis, erklärt das publizistische Credo seines Senders (Seite 18)
Gratismüll: Die Grossverlage zeigen sich nicht kooperativ, wenn es darum geht, die Kosten für die Entsorgung der Gratiszeitungen mitzutragen . . . . . . . . . . . . . . . 27 Die Heuschrecken sind gelandet: Zum Aktionariat der Westschweizer Wirtschaftszeitung „L’Agefi“ zählt neu ein Investmentfonds – Einschätzungen des Finanzmarktexperten Gian Trepp . . . . . . . . . 28
I NT E R NAT I O NAL
Konzessionen, Gratismüll, Heuschrecken Pünktlich zum Jubiläum werden die Karten neu gemischt. 25 Jahre, nachdem die ersten Lokalradios in der Schweiz ihren Sendebetrieb aufgenommen hatten, müssen sich die privaten Rundfunkveranstalter und alle, die es erst werden wollen, um eine Konzession bewerben. In unserem Schwerpunkt nehmen wir das Gerangel um die begehrte „Lizenz zum Senden“ im Wallis und dem Raum Zürich-Ostschweiz unter die Lupe. Weiterhin ein Thema sind die Gratiszeitungen – und vor allem der Müll, den sie verursachen. Immer mehr Gemeinden
sind nicht mehr länger bereit, die Entsorgung zu berappen. Nun sind sie auch in den Schweizer Medien angekommen: die als Heuschrecken titulierten Finanzinvestoren. Ein Fallbeispiel aus der Westschweiz. Für das laufende Jahr konnten wir die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel als Kolumnistin gewinnen. Willkommen! Und KLARTEXT gibt es jetzt nicht mehr nur alle zwei Monate: Im neuen Weblog www.klartext.ch/blog veröffentlichen wir regelmässig unsere Sicht auf die weite Welt der Medien.
Sarkozy und das Fernsehen: Frankreichs Präsident droht dem öffentlichen Fernsehen mit einer „Kulturrevolution“. Was seine Pläne für die Schweiz bedeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
RUBRIKEN Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Kolumne von Miriam Meckel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Promi-Interview mit Christian Gross . . . . . . . . . 24 Harri Holzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Spots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 In der Kantine mit Ruedi Matter . . . . . . . . . . . . . . . 34 Impressum mit Passwort für gesicherte Artikel der aktuellen Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . 33
6 | BRIEFE | KLARTEXT | NR. 1/2008
BRIEFE 6/2007 · Editorial Nick Lüthi schreibt im Editorial, dass ich vom Internet nichts verstünde und dokumentiert das mit dem Hinweis auf die Homepage der „Schaffhauser Nachrichten“. Ich will seinem sicherlich höchst kompetenten Urteil nicht widersprechen, weise ihn aber darauf hin, dass zu unserem Hause zahlreiche Websites gehören, unter anderen auch folgende: nordagenda.ch, schaffhausen.ch und radiomunot.ch. Die „Schaffhauser Nachrichten“ waren übrigens die erste Schweizer Tageszeitung mit einer Online-Ausgabe; ich selber bin Verwaltungsratspräsident und Teilhaber der Online Consulting AG, in deren Umfeld rund 75 Leute an der Entwicklung von Internet-Software arbeiten. Auch mit der SOBAG, unserem regionalen Internetportal, verdienen wir gutes Geld. Bei unserem teleblocher.ch hingegen haben wir noch ein paar technische Probleme, da die Zugriffe manchmal die Leitungskapazitäten arg strapazieren. Sollten wir die Schwierigkeiten nicht selber lösen können, werden wir Nick Lüthi – da er ja offenbar Internet-Experte ist – gerne um Hilfe bitten. Norbert Neininger, Chefredaktor und Verleger „Schaffhauser Nachrichten“
Ich bin auch nicht glücklich mit den „Schaffhauser Nachrichten“. Nachdem von mir – ich bin freier Journalist – über zwei Jahre lang kein einziger Artikel mehr gedruckt worden ist, habe ich in Schaffhausen soeben die „Kündigung“ eingereicht. Aber: Wenn Sie im neusten „Klartext“Vorwort schreiben, mit seiner Webseite dokumentiere der Chefredaktor der „Schaffhauser Nachrichten“ „wie kein Zweiter“, dass er vom Medium Internet nichts verstehe, dann muss ich Sie doch korrigieren. Die SN-Homepage mag etwas altväterisch sein, doch sie verfügt über alles, was das Herz begehrt: Zugang zu den neusten Artikeln, freier Zugang zum Archiv usw. Was kann sich ein Journalist oder Leser mehr wünschen? Vergleichen Sie die SN-Webseite doch mal mit der Homepage einer „Aargauer Zeitung“, einer „Neuen Luzerner Zeitung“ etc. Als nicht Zugangsberechtigter finden Sie dort nichts, aber auch gar nichts. Bei den meisten anderen finden Sie ohne Zugangscode bestenfalls nur den SDA-Einheitsbrei. Und wenn Sie meinen, die SN seien in ihrem Auftritt etwas angejahrt: Mir sind solch übersichtliche Seiten lieber als
solche, wo es auf meinem Bildschirm blitzt und funkt, wo mir Werbebanner entgegenknallen, Umfragen, Videobilder, Wettbewerbsformulare oder – wie im „Blick“ – Aufforderungen zu interaktiven Spielereien („Wir wollen dich küssen sehen! Schick uns dein Bild!“). Martin Leutenegger, freier Journalist
6/2007 · Schwerpunkt „Ausbildung“ Impressum engagiert sich für die Ausbildung der Journalisten, und „Klartext“ macht dazu ein Schwerpunkt-Thema. Freude herrscht! Sie wäre noch grösser, wenn „Klartext“ die wirklichen Probleme benannt hätte und wenn der Journalistenverband Impressum seine Rolle klären würde. Das angenehm sachliche Gespräch zwischen Sylvia Egli von Matt und Daniel Perrin geht von der Fiktion aus, die Institutionen MAZ und IAM stünden sich mit gleich langen Spiessen gegenüber. Die Fachhochschulen sind finanziell vergleichsweise weich gebettet. Das MAZ dagegen muss trotz namhafter jährlicher Zuwendungen von Verband Schweizer Presse und SRG annähernd 70 Prozent seiner Kosten auf dem Markt verdienen. Das Fachhochschulsystem war für das MAZ zu keiner Zeit eine strategische Alternative, dies aus verschiedenen Gründen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen betreffend Studierendenzahl, Zulassungsbedingungen, Forschungsauftrag usw. sind die wichtigsten. Journalismusausbildung lässt sich in ihrer ganzen Breite nicht ins rigide Schema einer Fachhochschule eingliedern. Das MAZ hat sich deshalb schon vor fünf Jahren entschieden, eine „Boutique“ zu bleiben und kein „Warenhaus“ zu werden. Der Leistungsausweis ist dank einem hervorragenden Team und der brillanten Direktorin auch so erbracht worden. Wer gut genug ist, als gleichwertiger Partner mit der Universität Hamburg und der Hamburg Media School eine Masterausbildung anzubieten, muss sich auch auf europäischem Niveau nicht verstecken. Umso schwerer ist zu verstehen, dass Kantone wie Bern und Zürich dem MAZ und anderen Ausbildungen, die nicht ins Schema Fachhochschule passen, jetzt die Studiengelder streichen wollen. Hoffentlich helfen die Journalistenverbände im Kampf gegen diesen Kahlschlag der öffentlichen Beiträge. Die Impressum-Idee des „eidg. dipl. Journalisten“ wird in unterschiedlicher Form seit mehr als fünf Jahren gewälzt und ist in dieser Zeit nicht wirklich vorangekommen. Ich habe seinerzeit als Leiter des Medieninstituts des Verbands Schweizer Presse zusammen mit anderen beim BBT ein analo-
ges Projekt durchgeführt: die Fachausweisprüfungen für Medienfachleute bzw. die höheren Diplomprüfungen für Medienmanager. Darum weiss ich, dass der Konsens der Branche für das Gelingen solcher Pläne ausschlaggebend ist. Impressum wird also nicht darum herum kommen, mit den anderen Journalistenverbänden, aber auch mit den Verlegern, eine gemeinsame Plattform zu finden. Dazu gehört sicher ein Grundkonsens bezüglich einer staatlich kontrollierten Journalismusausbildung. Ich habe sodann den Eindruck, dass Impressum die Komplexität und die Entwicklungskosten von Ausbildungsmodulen unterschätzt, die das Bestehen solch anspruchsvoller Prüfungen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund staune ich, dass Impressum eine solch grosse Kiste ohne den im MAZ gebündelten Sachverstand stemmen will, obwohl Impressum ja (wie Comedia auch) als Mit-Stifter zur Trägerschaft des MAZ gehört. Sollte diese auffallend reservierte Haltung gegenüber dem MAZ und seinen Anliegen – wie in der Endlosdiskussion um die Verlegerbeteiligung am Presserat – mit gewerkschaftlichen Positionen zusammenhängen, wären die Leidtragenden weniger die Verleger als die bildungswilligen NachwuchsjournalistInnen. Bis jetzt herrschte auf den Themenfeldern Qualitätsförderung, Aus- und Weiterbildung noch sachorientierte Gemeinsamkeit. Interessant ist, dass die von ihrer Biografie her kämpferischere Comedia dies immer so gesehen und einen pragmatischen Kurs geKarl Lüönd, Mitglied halten hat. des Stiftungsrats des MAZ
6/2007 · Besuch beim Märtplatz Zwei Punkte in Cyrill Pintos Bericht über die Journalismusausbildung beim Märtplatz möchte ich noch präzisieren: • Der Märtplatz kostet, wie richtig berichtet wird, 360 Franken pro Tag, gemäss Tarifvereinbarung mit dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). Darin inbegriffen sind Wohnen und Essen, Ausbildung und Betreuung (wir haben auf zwei Lehrlinge eine/n Ausbildende/n), der Lehrlingslohn sowie viele zusätzliche Ausbildungsund Kulturangebote zur Erweiterung der persönlichen Kompetenz unserer Leute. • Mit meiner Bemerkung über den Qualitätsverlust der Medien meinte ich, dass die Journalisten in der Zwickmühle zwischen Quotenhuberei und Spardruck kaum mehr dazu kommen, ein Thema sorgfältig zu recherchieren und sich dann eine eigene, gottbhüetis kritische Position dazu zu erarbeiten. Jürg Jegge, Stiftung Märtplatz
OTHMAR KEMPF, Präsident des Publikumsrats, und seine KollegInnen sind nicht bekannt für massive Vorwürfe gegen die SRG. Diesmal aber waren sie hart in der Sache: Der leitende Ausschuss des Publikumsrats sei „irritiert“ über den Stellenwert, den das Schweizer Fernsehen „der gegenwärtigen Rolle der SVP zuordnet“, empfinde die Gewichtung des Themas „als nicht angemessen“ und empfehle, „das gewohnte Augenmass zu wahren“. Chapeau, Publikumsrat, auch wenn wir das gerne schon vor ein, zwei, drei Jahren gehört hätten – aber besser spät als nie. Noch lieber hätten wir gelesen, dass der Publikumsrat den wahrlich guten Tipp mit dem „Augenmass“ auch Radio DRS gegeben hätte; schliesslich fühlte sich DRS 4 bemüssigt, Christoph Blochers Albisgüetli-Rede gleich live zu übertragen, und am nächsten Tag war Blocher auch noch in der „Samstagsrundschau“ bei DRS 1 zu Gast. Aber das können die wirklich wackeren „Fraue und Manne“ vom Publikumsrat ja noch nachreichen. Da würden wir es doch direkt begrüssen, wenn der Publikumsrat seinen Tätigkeitsbereich auf die Printmedien ausdehnte. Denn auch in der Zeitungsberichterstattung rund um die Albisgüetli-Tagung fehlt mancherorts offensichtlich das „Augenmass“. Allerdings hätten wir mit diesem Mass auf eine neue Kollegin verzichten müssen: SILVIA BLOCHER, die im „Sonntag“ kolumniert. Dort verarbeitet sie nach wie vor das Trauma, das sie offensichtlich bei
FOTO: BÉATRICE DEVÈNES/DOMINIC BÜTTNER
Noch im letzten Herbst reagierte SYLVIO BERNASCONI abweisend bis gereizt, wenn man ihn auf die akustische Verwandtschaft seines Namens mit demjenigen eines bekannten Italieners ansprach. Was auch irgendwie verständlich war: Dass Bernasconi und Berlusconi je einen Fussballverein präsidieren, zumal von ganz unterschiedlichen Kalibern (Xamax/AC Milan), verleitetete höchstens JournalistInnen, die sonst keine Fragen mehr im Köcher hatten, zu dem zweifelhaften Vergleich. Doch inzwischen liegen die Dinge etwas anders. Bernasconi will ins Fernsehgeschäft einsteigen. Sollte der Xamax-Präsident zusammen mit PIERRE STEULET die Konzession für ARC TV erhalten, könnte er den Vergleich mit der streitbarsten Figur der Zeitgeschichte Italiens schon nicht mehr so leicht ins Reich der Journifantasien verbannen. Bernasconi soll gemäss Gesuch als Verwaltungsratspräsident des neuen Senders amten. Dass der Neuenburger Baulöwe und TV-Unternehmer in spe auch politische Ambitionen hegt, ist bisher nicht bekannt.
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KLARTEXT NR. 1/2008 PERSONALIEN
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Wer unter derart spektakulären Umständen wie EVELINE WIDMER-SCHLUMPF zur Bundesrätin gewählt wird, muss damit rechnen, dass alle erdenklichen Details aus politischer Vergangenheit, Berufs- und Privatleben von den Medien ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Gerade als Medienmagazin fragen wir: Haben unsere KollegInnen wirklich alles ausgewalzt? Nein. Zum Glück nicht. Als hätten sie ganz bewusst auf die zweimonatige Erscheinungsweise des KLARTEXT Rücksicht genommen, überliessen sie uns ein kleines, aber feines Detail zur erstmaligen Veröffentlichung. Ganz die Tochter Neben dem Medienihres Vaters, der den Segen gab für die ersten Privatradioversuche minister gibts neu auch in der Schweiz, befasste sich auch die Juristin intensiv mit dem Theeine Medienjuristin im ma. Der Titel ihrer Dissertation lautet: „Voraussetzungen der Konzession bei Radio und Fernsehen“, veröffentlicht 1990, mitten in der Bundesrat. Diskussion zum ersten Radio- und Fernsehgesetz der Schweiz. Ob die wissenschaftliche Abhandlung die damalige Diskussion befruchtet und zur Ausgestaltung der eidgenössischen Rundfunklandschaft irgendetwas beigetragen hat, darf bezweifelt werden. In Fachkreisen mag man sich kaum an die Dissertation erinnern und wenn, dann höchstens daran, dass sie nicht eben zu den herausragenden Leistungen auf dem Feld des Medienrechts gehört. Mit welchem Gewicht die neue Justizministerin ihre Fachkompetenz als Medienjuristin in die Waagschale zu werfen gedenkt, ist noch nicht bekannt; Medienminister, so viel ist klar, bleibt MORITZ LEUENBERGER. Dass Widmer-Schlumpf ihm das Departement streitig machen könnte, damit ist nicht zu rechnen. Erstens gebührt sich solches für die Amtsjüngste nicht und zweitens verpufft die Forderung der SVP, ihre Bundesräte müssten endlich Schlüsseldepartemente übernehmen, bei einer fraktionslosen SVP-Bundesrätin im Leeren.
der Abwahl ihres Mannes erlitten hat, und liess die „Sonntag“-Leserschaft unlängst wissen: „Oft kommen mir die Tränen.“ Die „Mitmenschen“, so berichtet Blocher weiter, hätten reagiert wie „bei einem überraschenden Todesfall“ – und manche hätten ihr erzählt, sie seien „tagelang benommen – wie nach einem Schlag auf den Kopf – herumgeirrt“, andere hätten von Appetit- und Schlaflosigkeit, gefolgt von Trauer und Zorn berichtet. „Viele schrieben Leserbriefe, alle diskutierten miteinander. Tausende wurden Mitglieder der Schweizerischen Volkspartei“, so Blocher weiter. Und wir danken ihr für die Aufklärung über den Prozessverlauf: Schlag auf den Kopf, benommen herumirren – und Beitritt zur SVP. So geht das. Das Heidi töggelet wie wild auf seinem Handy. Der Geissenpeter hat in seiner Eifersucht den Wegweiser umgedreht und damit Heidis Gspänli auf einen gefahrvollen Irrweg durch die Alpenlandschaft geschickt. Lebensgefahr droht! Doch da ist ja auch der Alpöhi, und der hat einen Inter-
netanschluss. Dank ihm naht in Gefahr und höchster Not noch rechtzeitig die Rettung – aber wahrscheinlich erst in der 26. und letzten Folge einer neuen Serie mit dem herzerwärmenden Titel „Heidi“, die das Westschweizer Fernsehen TSR zurzeit ausstrahlt. „Heidi“ ist das Tellsgeschoss, mit dem TSR-Direktor GILLES MARCHAND den bösen Gessler im Bundesamt für Kultur, NICOLAS BIDEAU, direkt ins Herz treffen will. Denn der soll endlich auch Serien subventionieren und damit einen Teil jener Kröten herausrücken, die bis heute ungeschmälert an echte Filme gehen. TSR will nämlich herausgefunden haben, dass niemand mehr lange und damit per Definition langweilige Fernsehfilme anschauen will, wenn es hochstehende kulturelle Schöpfungen wie die „Heidi“-Serie gibt, eigentliche Blockbuster von jeweils 26 Minuten Länge. Doch Achtung, der Entscheid in Bern ist noch nicht gefallen! Nicht ausgeschlossen, dass die lahme Clara wieder gehen lernt und nach Bern reist, um den Anschlag auf Bideaus Herz zu vereiteln.
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KLARTEXT NR. 1/2008 KOLUMNE
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„Wo bist du gerade?“ Von Miriam Meckel, Professorin für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen.
EINE DER EXTREMFORMEN DES TELEFONVERHALTENS lässt sich im Zug beobachten: Die erste Frage eines geführten Telefonats lautet: „Wo bist du gerade?“ Die erste Antwort: „Ich bin im Zug.“ Der Telefonierende signalisiert damit übrigens nichts anderes, als dass er eigentlich gar nicht telefonieren kann und sich alle jetzt schon mal auf das erste Funkloch einstellen sollen, das bestimmt bald kommt. Er telefoniert aber trotzdem und gerne so laut, dass der amerikanische Soziologe Erving Goffmann daran seine wahre Freude hätte – als Beleg für seine These, dass Menschen beim Telefonieren zu viel „Lautraum“ in Anspruch nehmen. BEIM NATEL WIRD DAS ZUM ECHTEN PROBLEM und zur akustischen Umweltverschmutzung. Meine „Lieblingssituation“ entsteht im Zug dann, wenn nach der Klärung der Situation („Ich bin im Zug“) und der Ankündigung eines baldigen Funklochs („Ich rufe dann wieder an!“) lauthals Macht- und Selbstdarstellungsgespräche geführt werden. Der Gesprächsteilnehmer am anderen Ende der Verbindung wird dann entweder heruntergeputzt („Warum liegt das Excelsheet noch nicht vor?“). Oder der Telefonierende solidarisiert sich mit seinem Gesprächspartner gegen eine unbekannte dritte Person „(Ich habe ja immer gesagt, dass der Mann nichts kann“). Oder er inszeniert die eigene Wichtigkeit, indem er Organisatorisches mit seinem
Miriam Meckel, 40, hat Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Sinologie, Politikwissenschaft und Jura in Münster und Taipei (Taiwan) studiert. 1994 erlangte sie die Doktorwürde mit der Dissertation „Fernsehen ohne Grenzen? Europas Fernsehen zwischen Integration und Segmentierung“. Nach einer Professur an der Universität Münster ist sie seit 2005 in St. Gallen
Sekretariat bespricht („Wie lange soll der Termin dauern und wann kann ich wieder weg?“). KÜRZLICH REISTE ICH nach einem Vortrag mit dem Thalys von Brüssel nach Köln. Der Zug war zunächst ganz leer, dann stiegen vier Menschen ein, die einen vorangegangenen Termin noch mal in aller Ausführlichkeit und Lautstärke am Telefon mit ihren Kollegen besprachen. Als ich in Köln endlich aussteigen konnte, klebte direkt vor meiner Nase ein riesengrosses Plakat an der Tür, darauf ein Mobiltelefon: „C’est ne pas un Mégaphone!“ Wenn manche Menschen so gut lesen wie telefonieren könnten … IN DEN ZÜGEN DER SBB gibt es seit einiger Zeit echte „Ruheabteile“. Sie sind durch ein kleines Klebeschild im Fenster und an den Durchgangstüren markiert, auf denen sich eine imaginäre Person einen Finger vor die Lippen hält: „Sei ruhig“, sagt das Schild. Wer häufiger Zug fährt, kann beobachten, dass viele Passagiere bewusst dieses Ruheabteil wählen, um lesen, arbeiten oder einfach nachdenken zu können, ohne dabei von einer übermässigen Geräuschkulisse gestört zu werden. DAS SIND KLUGE MENSCHEN! Sie schalten einfach einmal ab, gönnen sich eine Pause im allumfassenden Kommunikationsrauschen, eine kurze Rast am Rande des Datenhighways, auf dem wir heute alle ständig unterwegs sind. Sie haben etwas verstanden: In diesen Momenten der Unerreichbarkeit liegt das Glück, sich ganz auf etwas konzentrieren zu können; auf ein gutes Buch, auf ein Gespräch mit einem Freund oder einfach auf sich selbst. ≠
als Ordinaria für Corporate Communication engagiert. Neben der akademischen Karriere war Meckel immer wieder als Fernsehjournalistin tätig. Zuletzt moderierte sie für den Nachrichtensender n-tv eine monatliche Wirtschaftstalksendung. www.miriammeckel.de
Miriam Meckel
FOTO: ZVG
KLINGELNDE HANDYS UND BRUMMENDE BLACKBERRYS gehören zu unserer alltäglichen Geräuschkulisse, ganz gleich, wo wir uns gerade befinden. Wir wundern uns nicht mehr darüber. Dieses akustische Grundrauschen bestimmt unsere vernetzte Gesellschaft wie das Bild vom Reisenden mit dem Natel am Ohr. Fast unbemerkt haben sich Natel und BlackBerry in unser Leben eingeschlichen. Sie verändern unseren Alltag und bilden ebenso schleichend neue Verhaltensformen aus. Dazu gehört auch, dass die Toleranzgrenzen verschoben werden, die für das eigene Verhalten gelten und für das des jeweils anderen. Diese „Netiquette“ regelt den Umgang mit Technologien, wenn wir mit anderen Menschen zusammen oder zumindest über ein Netz mit ihnen kommunikativ verbunden sind. Sie ist hilfreich, aber sie wird nicht immer befolgt. In einem guten Restaurant oder im Kino ist Telefonklingeln zum Beispiel unerwünscht. Die Vibrationsfunktion macht es möglich, dennoch eingehende Nachrichten und Anrufe zu identifizieren, wenn man es denn gar nicht lassen kann. Besonders eifrige Menschen laufen sogar während der Vorspeise aus dem Restaurant, um lieber zu telefonieren.
10 | GESPRÄCH | KLARTEXT | NR. 1/2008
„Roger, du bist ein Monopolist „Blanker
Grosser Radiostreit im KLARTEXT: Hanspeter Lebrument und Roger Schawinski schenken sich nichts. Kein Wunder, will doch der ehemalige Radiopirat dem König der Südostschweiz die Radiokonzession entreissen. Ein Wortgefecht um Medien, Monopole und Moneten. Klartext: Es fällt auf: Sie sind beide schön braun gebrannt. ROGER SCHAWINSKI: Ich komme nicht aus den Bergen. Ich war in Thailand und Laos. HANSPETER LEBRUMENT: Bei mir kommt es schon vom Skifahren und vom Langlaufen.
Klartext: Aber Sie waren ja auch noch in Indien. LEBRUMENT: Dort habe ich auch noch ein bisschen Farbe zugelegt. Aber ich glaube, wir haben beide die Eigenschaft, dass wir schnell braun werden. SCHAWINSKI: Genau.
LEBRUMENT: Das ist eine Gemeinsamkeit.
Klartext: Sie, Herr Lebrument, haben Anfang Jahr an der Dreikönigstagung des Verlegerverbands eine Geschichte über das Radio-SüdostKonzessionsgesuch von Roger Schawinski erzählt. Eine Pointe vermissten die Zuhörer allerdings. Was wollten Sie dem Publikum sagen? LEBRUMENT: Ich wollte damit sagen, dass Herr Schawinski der beste Verkäufer von Konzessionen ist, ob nun für Lokalradio oder -fernsehen. Er hat ja gezeigt, wie man ein reicher Mann wird, wenn man seine Sender verkauft. Jetzt geht die Geschichte wieder bei null los. Und da sagt er: Ich will so viel zusammenholen wie nur möglich. Und nach fünf Jahren wird er wieder ein 100- bis 200-Millionengeschäft machen, und die ganze Branche wird wieder staunen.
Klartext: Sie haben noch mehr gesagt. Eine Art
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auch t.“ Unsinn!“
Verschwörungstheorie: Fremde Kräfte aus Liechtenstein und Vorarlberg wollen mithilfe von Schawinski in Ihr Territorium eindringen. LEBRUMENT: Es ist so: Die Konzession für ein neues Radio in Graubünden haben Roger Schawinski, Stefan Bühler und Patrick Vogt eingegeben. Diese Konstellation hielt genau eine Woche. Dann war Vogt, Berater bei Ringier und früherer Leiter von Radio Grischa, weg und auf einmal stand der Geschäftsführer des „Liechtensteiner Volksblatts“ da. Stärkster Aktionär des „Volksblatts“ ist Eugen Russ, der auch bei „.ch“ stark engagiert ist. Da habe ich mir ein paar Fragen gestellt; das ist wohl gestattet. SCHAWINSKI: Ich glaube, der gute, liebe Hanspeter Lebrument leidet unter Verfolgungswahn. Diese Konstruktion ist so abstrus, dass ich gar nicht darauf eingehen
FOTO: OLIVIA HEUSSLER
KLARTEXT NR. 1/2008 GESPRÄCH
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diese Lücke gesprungen. Und das Aufatmen in Graubünden, nur schon bei der Bekanntgabe unseres Gesuchs, war hörbar.
Klartext: Haben Sie dieses Aufatmen auch gehört, Herr Lebrument?
kann. Patrick Vogt wurde von Ringier zurückgepfiffen. Wir mussten dann auf die Schnelle noch einen dritten Juniorpartner, Daniel Siegel, dazunehmen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wer der Besitzer des „Volksblatts“ ist.
Klartext: Weshalb, Herr Schawinski, sollte ausgerechnet Ihr Radio Südost die Konzession erhalten? SCHAWINSKI: Meinungsvielfalt ist das Grundprinzip jeder Demokratie. Diese abnormen Verhältnisse, wie sie im Kanton Graubünden herrschen, sind in der ganzen zivilisierten Welt abgeschafft worden. Hanspeter Lebrument kontrolliert eine der letzten publizistischen Monopolenklaven. Es ist die einmalige Chance, dieses Meinungsmonopol aufzubrechen. Wir sind in
LEBRUMENT: Nirgendwo gab es Leserbriefe oder Reaktionen … SCHAWINSKI: … warum hat es keine Leserbriefe gegeben? Weil du die ganze Presse kontrollierst. Deine Redaktionen haben nicht über unser Gesuch berichtet. LEBRUMENT: Die Redaktionen haben über alles berichtet. In Glarus haben sie eine ganze Seite gemacht. Und die „Südostschweiz“ Graubünden hat die Nachricht gebracht, aber ohne Kommentar. Tele Südostschweiz hat mit dir ein Gespräch geführt. SCHAWINSKI: Das fand ich grotesk: Ausgerechnet die Regionalausgabe Glarus der „Südostschweiz“ behandelt das Thema, aber das Hauptblatt nicht. Als ob das in Chur niemanden interessieren würde. Da musste ich echt schmunzeln. LEBRUMENT: Aber wir haben darüber berichtet. Ausserdem kontrolliere ich die Presse nicht: Die beiden Mitinitianten von Radio Südost geben Zeitungen heraus – „Bündner Anzeiger“, „Churer Magazin“, „Rheinzeitung“, „Die Region“. Aber schauen wir doch mal, wer bei Radio Grischa und Radio Piz Corvatsch, die jetzt zusammen in eine Konzession gelegt werden, früher die wichtigsten Aktionäre waren. Bei Piz Corvatsch war es Klaus Kappeler, ein Zürcher, bei Grischa Bruno Oetterli, ein Zürcher. Sie haben ihre Radios verkauft. Das haben wir doch in der ganzen Schweiz gesehen: Die Leute, die private Radios aufgebaut haben, waren im Grunde genommen Medienspekulanten, die ihre Radios nachher zumeist an Verlagshäuser verkauft haben! SCHAWINSKI: Wenn mich Hanspeter Lebrument als Spekulanten bezeichnet, bin ich zutiefst getroffen. Denn die Geschichte war eine andere: Die Zeitungsverlage haben sich die neuen Radio- und TV-Märkte unter den Nagel gerissen. Ich habe als Erster versucht, nicht nur regionales Radio und Fernsehen zu machen, sondern auch nationales Fernsehen. Erst als klar wurde, dass es in der Schweiz aufgrund der Gesetzeslage keine Basis dafür gibt, habe ich mich zum Rückzug entschieden. Ich habe damals pro Jahr 20 Millionen Franken in Tele 24 investiert. Bundesrat Moritz Leuenberger wollte aber eine starke SRG und die Verleger haben nur für ihre regionalen Sender für Splittinggebühren gekämpft. LEBRUMENT: Stimmt nicht. Die Verleger haben sich am Anfang für das duale Prinzip – Gebühren für die SRG und Werbung ohne Auflagen für die Privaten – eingesetzt.
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Hanspeter Lebrument, 66, Präsident des Verbands Schweizer Presse, ist Mehrheitsaktionär und Gruppenleiter der Südostschweiz Mediengruppe. Ursprünglich Primarlehrer, Journalist und dann Chefredaktor der „Bündner Zeitung“, übernahm er deren Herausgeberin Gasser Media AG und baute sie zur Südostschweiz Mediengruppe aus. Heute umfasst der Zeitungsverbund „Südostschweiz“ zwölf Titel. Zur SüdostschweizGruppe gehören weiter die Südostschweiz Radio/TV AG (Tele Südostschweiz, Radio Grischa, Radio Engiadina) und Südostschweiz Publicitas. Geschäftsführerin von Südostschweiz Publicitas ist Lebruments Tochter Susanne Lebrument, Sohn Peter Lebrument ist Chefredaktor und News-Moderator bei „Tele Südostschweiz“, Sohn Silvio Lebrument ist Geschäftsführer der Südostschweiz Radio/TV AG. Mitte Januar entliess die zur Südostschweiz-Gruppe gehörende Druckerei Engadin Press in Samedan zehn Personen, worauf die Gewerkschaft Comedia einen Sozialplan verlangte. Lebrument dazu: „Wir können das selber lösen. Die Engadin Press gehört zur Südostschweiz Print, hat kein eigenes Finanz- und Rechnungswesen, deshalb braucht es auch von der Grössenordnung her keinen Sozialplan.“ Ausserdem habe man für fünf Personen bereits eine neue Lösung gefunden, zwei bis drei würden noch dazukommen.
Doch das duale Prinzip ist in diesem Land mit seinen vier Sprachen und Kulturen nicht durchsetzbar. Die Spartenverbände Telesuisse und Schweizer Privatradios haben sich für das Gebührensplitting stark gemacht. Als Verleger waren wir dort nicht dabei. SCHAWINSKI: In diesen Verbänden sind ja – da mittlerweile fast alle privaten Radios und TVs den Verlegern gehören – die Verleger direkt vertreten. Das Zweite, was hier gesagt werden muss: Ich habe bisher noch nie einen Franken an Subventionsgeldern gekriegt. Hanspeter Lebrument ist der grösste Subventionsjäger im Schweizer Mediensystem und hat jetzt alles vorbereitet, damit er pro Jahr fünf Millionen Franken aus dem Gebührensplitting kassiert. LEBRUMENT: Die Splittinggebühren beruhen auf einem Gesetz: Wer Radio hört und fernsieht, muss eine Gebühr zahlen. SCHAWINSKI: Wenn das so ist, dann wundere ich mich, dass ich bisher nichts davon abgekriegt habe. Richtig ist: Das sind einfach Gelder, die du nicht erwirtschaften musst. Ich habe bisher jeden Franken selbst erwirtschaftet. LEBRUMENT: Du kommst auch aus einer
Stadt, die einige Hunderttausend Einwohner hat … SCHAWINSKI: … und deshalb kann ich auch nicht so gut lobbyieren in Bern, denn ich kann nicht den armen Bergbauern markieren, den du seit Jahren spielst.
Klartext: Sollten Sie, Herr Schawinski, die Konzession für Radio Südost erhalten, müssten Sie die Schlagzeile lesen: „Gebührenmillionen für Schawinski.“ Wie würden Sie sich dabei fühlen? SCHAWINSKI: Ich würde mich nicht schlecht fühlen. Wir würden dieses Geld in ein hochwertiges Programm investieren. Nicht wie heute: Radio Grischa ist nicht so, wie man es machen sollte und könnte. Es fehlen eben die Liebe zum Medium, das Verständnis dafür und die Professionalität der Macher. LEBRUMENT: Radio Grischa ist ein hervorragendes Lokalradio. Es ist schnell und bringt gute Nachrichten und Beiträge. Zurzeit bewegt sich Radio Grischa auf einem sehr hohen Niveau.
Klartext: Sie werden die allfällige Neukonzessionierung also nicht zum Anlass nehmen, um etwas am Radio-Grischa-Konzept zu verändern? LEBRUMENT: Nein. Wissen Sie, Radio Südost
hat ja geschrieben: Wir wollen ein anderes Radio machen als die Südostschweiz Mediengruppe. Aber die Medien in Berggebieten schauen die Welt anders an als ein Radio, bei dem die Mehrheit des Aktionariats aus Zürich und Liechtenstein kommt. In einem Verlag aus einem Berggebiet sieht man die Dinge etwas anders. SCHAWINSKI: Vor allem, wenn man der einzige Grossverlag ist, sieht man alles ein bisschen anders. Übrigens hörten wir als Reaktion auf unser Gesuch: Ihr seid aber mutig, gegen Lebrument anzutreten. Das zeigt die Situation in Graubünden! Aber die besten Bündner Profis werden für uns arbeiten wollen und nicht für Hanspeter Lebrument, weil sie das Gefühl haben, dass sie bei uns profitieren werden. Wir werden alles tun, um die regionale Identität zu stärken. Wenn der Bundesrat das Gesetz umsetzen und nicht umbiegen will, dann darf er Hanspeter Lebrument keine Konzession erteilen. Denn im Gesetz heisst es: Wenn gleichwertige Gesuche vorliegen, muss dasjenige berücksichtigt werden, das die Meinungsvielfalt bereichert. LEBRUMENT: Aber ihr habt doch ein ganz schwaches Konzept für Radio Südost geschrieben. Ihr habt nicht mal die Destinationenbildung in Graubünden begriffen. Es gibt ein touristisches Konzept mit fünf Schwerpunktregionen: Chur-Arosa-Lenzerheide, Flims-Laax, Klosters-Davos, St. Moritz-Engadin und Scuol-Samnaun. Die fünf
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Studios, die im Radio-Südost-Gesuch erwähnt werden, sind alle genau in diesen fünf Tourismus-Schwerpunktregionen. Aber Touristen benutzen ganz andere Kommunikations- und Informationskanäle. Und wo bleibt das grosse Graubünden in seiner landwirtschaftlichen Art? SCHAWINSKI: Wir wissen natürlich, dass wir aus allen Gegenden des Kantons berichten müssen. Wenn Hanspeter Lebrument das jetzt ins Lächerliche zieht, zeigt das sein Verständnis von Journalismus. Bei dir, Hanspeter, besteht nicht in erster Linie der Ehrgeiz, Radio zu machen, es geht darum, das mediale Monopol abzusichern. Es ist ja auch ein Familienbetrieb, er hat ja alle seine Kinder eingesetzt, das ist eine Dynastie wie bei Murdoch, wobei dem wenigstens ein Grossteil der Firma gehört, was bei dir nicht der Fall ist. LEBRUMENT: Ich bin Besitzer der Südostschweiz Mediengruppe. Dein Mitinitiant Stefan Bühler hat noch Rechnungen offen und behauptet seit Jahren das Gegenteil. Ich muss nochmals sagen: Wir sind kein Monopol, sondern ein starkes Medienunternehmen in Graubünden. Und wenn man so denkt, dürfte man den bisherigen Radios und Fernsehen in St. Gallen und der Innerschweiz keinen Splitting-Franken und keine Konzession geben, denn sie gehören zur NZZ. Ich werde nun Antidemokrat geschimpft, weil ich nicht in den Zürcher Stall hinein will. Und Herr Schawinski hat auf schamloseste Weise Radio 24 und TeleZüri an Tamedia verkauft, der heute ganz Bern gehört, der ganze Thurgau … SCHAWINSKI: … Moment, Moment, Moment. „Schamlos“ möchte ich zurückweisen. Und wenn es mich nicht gegeben hätte, lieber Hanspeter, dann … LEBRUMENT: … wäre Tamedia ohne Radio und Fernsehen … SCHAWINSKI: … hättest du nie ein Radio gehabt und nie ein Fernsehen. Denn du bist ein Kopist und kein Kreateur. Durch meine Initiative haben wir 1983, vor Deutschland und Österreich, privates Radio gehabt. Und ab 1994 auch noch privates Fernsehen. LEBRUMENT: Wenn du mir sagst, was wir in Graubünden machen, wo es etwa zehn Verleger gibt, sei nicht demokratisch, aber die Zürcher Verlage kaufen die ganze Schweiz zusammen …
Klartext: … man kann Roger Schawinski nicht für die heutige Tamedia-Politik verantwortlich machen. LEBRUMENT: Doch. Wenn er diese Haltung, die er heute einnimmt, gehabt hätte, hätte er nicht an den Stärksten verkaufen dürfen. Und er dürfte sich jetzt nicht um Gebühren bewerben.
SCHAWINSKI: Ich bin derjenige, der jetzt in Zürich der Tamedia mit Radio 1 Konkurrenz macht, und zwar eine massive Konkurrenz, nicht nur finanziell, sondern auch qualitativ. Als ich verkauft habe, hatte Tamedia noch nicht diese Stellung, die sie in den letzten Jahren erreicht hat, mit „20 Minuten“, „News“ und den Regionalausgaben. Ich sehe die Entwicklung auch mit allergrössten Bedenken. LEBRUMENT: Ich sage nur: Du bist ein gescheiter Kopf, du machst ein Bombengeschäft, wenn du all das oder auch nur einen Teil dessen bekommst, was du jetzt willst. SCHAWINSKI: Ich bin Journalist, bin es immer geblieben. Und habe dank glücklicher Umstände, und vielleicht auch gewisser Leistungen, etwas Gutes aufgebaut, das überall kopiert wurde. Es ging mir nie ums Geld. Ich investiere einige Millionen in Zürich, ich würde auch einige Millionen hier investieren. Ich will nochmals einen Beitrag leisten, um die Medienlandschaft in der Schweiz wieder zu bereichern. Und ich sehe es als meine Aufgabe, diese verdammten Monopole in Graubünden und im Aargau und das Oligopol in Zürich zu bekämpfen. Das ist der Kampf, den ich mein ganzes Leben lang geführt habe.
„Ich mache dir einen Tauschvorschlag: Ich bekomme deine Zürcher Konzession und du übernimmst meine in der Südostschweiz.“ Hanspeter Lebrument LEBRUMENT: Es gibt doch gar keine Monopole. Es ist ja längstens belegt, dass der Mensch aus so vielen Quellen Nachrichten und Meinungen bezieht … SCHAWINSKI: Aber es geht um wirtschaftliche Monopole. Wenn man der einzige Ort ist, an dem man regionale Werbung in Radio, Fernsehen und Zeitung schalten kann, dann ist es ein wirtschaftliches Monopol. Ich glaube, sinnvoller wäre eine Regelung, wie sie früher und zum Teil noch heute in Amerika existiert: Man darf Radio, Fernsehen und Zeitungen besitzen, aber nicht alle am gleichen Ort. Wenn du also Radios in Bern oder in Zürich hättest: no problem. LEBRUMENT: Bei einem Hearing der staatspolitischen Kommission habe ich genau diese amerikanische Regulierung eingebracht. Sie wurde diskutiert, aber in einem Land mit 41’000 Quadratkilometern ist alles ein bisschen schwieriger als in Amerika. Es wurde dann von der Politik abgelehnt.
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SCHAWINSKI: Aber je kleiner das Land, desto nötiger wäre es. LEBRUMENT: Roger, ich will dir nur etwas sagen: Je schwächer man ein Gebiet macht, desto schneller ist es in Zürcher Hand. SCHAWINSKI: Du willst nicht ein eigenes, du willst ein einheitliches Medienwesen. Es ist eine groteske Idee, in einem Gebiet wie Graubünden mit 180’000 Einwohnern ein eigenes Fernsehen machen zu wollen. Fernsehen ist viel zu teuer, um es für so kleine Gebiete zu machen. Aber das Ego dieser Medienfürsten wie Hanspeter Lebrument brauchte auch noch ein eigenes Fernsehen.
Klartext: Sie, Herr Lebrument, mussten bei der Südostschweiz Radio/TV das Aktienkapital von knapp einer Million abschreiben, haben also einen Verlust erlitten. Haben Sie sich nie überlegt: Wieso habe ich mit diesen elektronischen Medien überhaupt angefangen? LEBRUMENT: Ich habe eben nie damit angefangen. Radio Grischa, Radio Piz Corvatsch und Tele Südostschweiz haben andere gegründet. Und als es nicht klappte, kamen sie damit zu mir. Ich habe neue, unterschiedliche Tageszeitungstypen in einem Raum geschaffen, aber die elektronischen Medien habe nicht ich lanciert.
Klartext: Aber Sie hätten die Möglichkeit gehabt, irgendwann auszusteigen. LEBRUMENT: Nein, denn in den letzten zehn Jahren lief der Prozess um das neue RTVG. Ich habe gedacht, das neue Gesetz komme ein bisschen früher. SCHAWINSKI: Das heisst also, wirtschaftlich ist es für ihn gar nicht relevant. Es geht nicht um das Überleben seiner Zeitung, denn die Zeitung subventioniert ja die elektronischen Medien quer … LEBRUMENT: … nein, nein … SCHAWINSKI: … es geht jetzt nur darum, an die öffentlichen Honigtöpfe heranzukommen … LEBRUMENT: … nein, nein … SCHAWINSKI: … das war die Durststrecke, um an die Honigtöpfe heranzukommen. Aber die Substanz seines Unternehmens ist überhaupt nicht bedroht. LEBRUMENT: Diese Honigtöpfe haben Roger Schawinski, Peter Wanner und Polo Stäheli bei einem TV-Interview bekannt gemacht, in dem sie sich für das Gebührensplitting stark gemacht haben. SCHAWINSKI: Jawohl, das stimmt. Das grossflächige Gebührensplitting war meine Idee. Am Anfang wurde ich dafür verlacht. Auf diese Art und Weise hoffte ich eine starke Konkurrenz zur SRG hinzukriegen. Was ist passiert? Alles wurde bewilligt, ausser die Möglichkeit, der SRG Konkurrenz zu ma-
14 | GESPRÄCH | KLARTEXT | NR. 1/2008 chen – und davon profitieren nun die Falschen. Leute wie du. LEBRUMENT: Gebührensplitting für Lokalradio in Berggebieten gab es von Anbeginn. Nun zu dir. Die Politik hatte sich relativ früh auf das Konzept festgelegt, dass sie sprachnational niemanden unterstützt. Nicht wegen der Verleger, sondern weil diejenigen, die sprachnationales Fernsehen wollten wie Roger Schawinski und Kurt Zimmermann, vor ihre Kameras gestanden sind und in Richtung Bern geblökt haben. Sie haben nicht mit den zuständigen Leuten darüber diskutiert, wie man eine Werbeordnung und anderes gestalten könnte, damit mehr Geld für eine Konkurrenz zur SRG herauskommt. SCHAWINSKI: Die Geschichte lief ganz anders: Die SRG hat die einzelnen Sender gekauft. Armin Walpen ging einmal in die Westschweiz und hat gesagt, ihr kriegt soundso viele Millionen. Stimmt doch? LEBRUMENT: Ja. SCHAWINSKI: … ihr kriegt soundso viele Millionen an Empfangsgebühren, wenn ihr euch dafür einsetzt, dass die SRG auf nationaler Ebene das Monopol beibehält. Diese Sender wurden im Prinzip gekauft. Alle sind auf diese Linie eingeschwenkt. Die Politiker, die Verleger, die Branchenverbände, weil sie so zu ihrem Geld kamen.
Klartext: Sie beide müssen jetzt für Ihre Konzessionsgesuche lobbyieren. Wie gehen Sie vor? SCHAWINSKI: Ich bin nicht der Chef-Lobbyist. Beim Lobbying könnte ich wirklich noch eine Lektion, nein, einen ganzen MasterKurs von Hanspeter Lebrument beziehen. Ich werde von Regierungen und anderen Leuten eingeladen, meine Meinung zu sa-
gen, und ich sage sie frank und frei. Ich werde mich nicht in dieser Hintertreppenpolitik, wie sie Hanspeter Lebrument seit Jahrzehnten perfektioniert hat, versuchen.
Klartext: Herr Lebrument, Sie werden als gewiefter Lobbyist beschrieben. Was tun Sie jetzt konkret? LEBRUMENT: Den Entscheid trifft der Bundesrat, also jetzt warten wir, bis die Konzession vergeben wird.
Klartext: Keine Hintertreppengespräche? LEBRUMENT: Es ist doch so, dass Roger Schawinski viel mehr mit Politikern gesprochen hat als ich, wenn er einen Talk gemacht hat und man nach der Sendung noch miteinander gesprochen hat. Zu ihm kamen ja alle, und da hat er natürlich auch über Fernsehen und Radio gesprochen. SCHAWINSKI: Ich bin jemand, der generell immer eins zu eins spricht und nicht hintenrum etwas anderes erzählt, das weisst du. Ich war jetzt einige Jahre im Ausland. Mir nun die grosse Nähe zur Politik nachzusagen, ist grotesk, nachdem du mich seit Längerem wegen meinen mangelnden Lobbying-Fähigkeiten gehänselt hast. Jetzt bin ich wieder hier, in einer historisch einmaligen Situation: Nach all den Jahren werden die Karten neu gemischt. Es besteht nun die Möglichkeit, dass ich als Journalist eine Gegenkraft aufbaue gegen diese Monopolisten und Quasi-Monopolisten. LEBRUMENT: Aber wenn du alles, was du willst, bekommst, wirst du ein Radio aufbauen, das rund einen Drittel der Deutschschweizer Zuhörer hat. Wenn du die Konzessionsgebiete Zürich-Glarus, Südostschweiz und Aargau erhältst, bist du eben auch ein Monopolist.
SCHAWINSKI: Das ist blanker Unsinn! In Zürich gibt es jetzt mindestens fünf Radios. Wir treten mit Radio 1 gegen die zementierte Radiolandschaft an, ohne Cross-Promotion-Möglichkeiten wie die anderen. Wenn du das dann ein Monopol nennst, ist das bloss noch hilflos. LEBRUMENT: Ich mache dir einen Tauschvorschlag: Ich bekomme deine Zürcher Konzession und du übernimmst meine in der Südostschweiz. SCHAWINSKI: Du hättest dich in Zürich bewerben sollen. Du hättest ja die gleichen Chancen gehabt wie ich.
Klartext: Wann war für Sie, Herr Schawinski, klar, dass Sie drei Gesuche einreichen? SCHAWINSKI: Ich war in Berlin und habe für „Persönlich“ eine Kolumne über regionale Monopole geschrieben, nachdem ich mir das Gesetz und die Situation angeschaut hatte. Ich habe nicht daran gedacht, selber etwas zu machen, aber später habe ich gesagt: Why not? Ich habe mir optimale Partner gesucht: In Graubünden Stefan Bühler, der lange Jahre Lebruments Chefredaktor war, Lebrument kann also nicht viel Schlechtes über ihn sagen. Im Aargau habe ich Heinz Lang, der lange Jahre TeleM1Chefredaktor war, und Christoph Bürge, der bei TV3 und SF DRS war und nun einen Radio- und Fernseh-Konzern in Rumänien leitet. Das sind alles ausgewiesene Journalisten. Ich glaube, unser Angebot ist ein faires, ein professionelles Angebot.
Klartext: Es gibt eine Bestimmung im Gesetz, die besagt, dass ein Eigentümer maximal zwei Konzessionen halten darf. Welche beiden haben bei Ihnen Priorität?
„Schau an, es klappt ja wirklich. Grossartig!“ nil./ Ein E-Mail an Roger Schawinski und ein Anruf bei Hanspeter Lebrument genügten, und die beiden zeigten sich spontan bereit, für den KLARTEXT öffentlich die Klingen zu kreuzen. Es schien, als hätten die beiden nur darauf gewartet, endlich gegeneinander antreten zu dürfen. Anlass für das Duell der beiden Medienunternehmer: Der alleinige Erfinder von Radio und Fernsehen (zumindest des privaten in der Schweiz) will das Monopol des Platzhirschs der Südostschweiz knacken. So hat Schawinski ein Gesuch für jene Radiokonzession eingereicht, die heute Lebrument mit seinem Radio Grischa hält. So weit, so gut – für uns. Doch wann und wo bringen wir die beiden an ein und denselben Tisch? Schwieriger, als einen Termin zu finden, war es, eine geeignete Lokalität für das Gespräch aufzuspüren. Denn sowohl Schawinski als auch Lebrument wollten ihr angestammtes Territorium möglichst nicht verlassen. So fiel die Wahl auf Weesen. Der perfekte Ort, wie ein Blick auf die Karte zeigt: Das Dorf am Walensee liegt auf den Kilometer genau zwischen Zürich und Chur. In konspirativ anmutendem Ambiente in einem Hinterzimmer des
Parkhotels Schwert fand schliesslich das Gespräch statt. Das ist insofern von Belang, als dass Roger Schawinski bis im letzten Moment nicht recht mit der Ernsthaftigkeit unseres Vorhabens gerechnet hatte. Darauf lässt zumindest seine Grussformel schliessen: „Schau an, es klappt ja wirklich. Grossartig!“ Und Schawinski war nicht alleine mit seinem Zweifel. Auch wir bibberten bis wenige Minuten vor Gesprächsbeginn. Erst in letzter Minute erschien zu unserer grossen Erleichterung ein Hotelangestellter und schloss uns den Seminarraum auf. Als sich die beiden Interviewpartner gegenübersassen, ging es schnell zur Sache: Anwürfe hier, Belehrungen dort. Ein richtiges Rededuell. Zwei Alphatiere im Element. Fast hätte es gereicht, den Herren einfach ein Aufnahmegerät hinzustellen und eine Stunde später das prall gefüllte Tonband wieder abzuholen. Optisch sollte allerdings nichts werden mit einem Duell. Rücken an Rücken mit Hanspeter Lebrument für den KLARTEXT zu posieren, dafür wollte sich Schawinski nicht hergeben. „Das mache ich sicher nicht“, so der klare Bescheid. Schade eigentlich. Als Frontbild hätten sich die beiden sicher gut gemacht.
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Der 62-jährige Roger Schawinski ist seit 35 Jahren als Journalist und Medienunternehmer tätig. Nach Jahren beim Schweizer Fernsehen (Gründer „Kassensturz“) und einem kurzen Abstecher in die Presse (Chefredaktor „Tat“) begann 1979 mit der Gründung des Piratensenders Radio 24 jene Ära, die Schawinskis Bild in der Öffentlichkeit bis heute prägen sollte: der einsame Kämpfer gegen alle Medienmonopole. Nach seiner Rückkehr aus Berlin nimmt Schawinski nun die Privatradios ins Visier und macht in Aargau, Zürich und Graubünden den etablierten Sendern die Konzessionen streitig. Schawinski ist in dritter Ehe verheiratet, Vater von drei Kindern und lebt in Zürich.
SCHAWINSKI: Es ist nicht so. Ich habe mich beim BAKOM erkundigt, dort hiess es: Man darf nur zwei Sender haben – mehrheitlich. Das wird berücksichtigt. In Graubünden bin ich Minderheitsaktionär.
Klartext: Matthias Ramsauer, Chef der Abteilung Radio und Fernsehen des BAKOM, meint, das sei nicht zwingend ausschlaggebend. Es werde jeder Fall einzeln beurteilt. SCHAWINSKI: Ich habe an oberster Stelle im BAKOM nachgefragt, dort hat man mir die Antwort gegeben, die ich eben zitiert habe.
Klartext: Als Kämpfer gegen Monopole müssten Sie ja das Zürcher Gesuch aufgeben und sich auf Aargau und Graubünden konzentrieren. SCHAWINSKI: Nein, Zürich ist klar. Ich bin Zürcher. Und in Zürich gibt es ein Oligopol. Ausserdem habe ich ein kreatives, neues Radiokonzept. Alle Radios, ausser vielleicht DRS 1 und DRS 2, machen auf jung, dynamisch, trendy, die über 30-, 35-Jährigen sind heimatlos. Für sie mache ich Radio, das ist mir ein Herzensanliegen.
Klartext: Herr Lebrument, welche Konsequenzen hätte es für die Südostschweiz Mediengruppe, wenn Radio Grischa die Konzession nicht mehr erhält? LEBRUMENT: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir wissen erst seit einem guten Monat von dem Gesuch der Konkurrenz.
Klartext: Entscheiden wird das BAKOM und schliesslich Bundesrat Leuenberger. Wie sind Ihre Erfahrungen mit den beiden? SCHAWINSKI: Ich habe immer gedacht: Nie wieder mit dem BAKOM zu tun haben! Aber in Deutschland hatte ich mit 15 Landesmedienanstalten zu tun, da lob ich mir das BAKOM (lacht). Es hat sich sehr stark professionalisiert, und ich hoffe, dass sie auch den Mut haben, ihr eigenes Gesetz gemäss seinem Geist und Buchstaben umzusetzen. Dann rechne ich mir sehr grosse Chancen aus.
Klartext: Entscheiden wird schliesslich Moritz Leuenberger. Kennen Sie ihn persönlich? SCHAWINSKI: Ja, natürlich.
Klartext: Haben Sie mit ihm über die aktuelle Situation gesprochen?
SCHAWINSKI: Nein, natürlich nicht. Ich glaube nicht, dass das opportun wäre. Wir waren früher befreundet, waren dann völlig auseinander, ich habe seine Medienpolitik gerade in Sachen SRG öffentlich stark kritisiert. Heute akzeptieren wir, glaube ich, dass wir in dem Punkt unterschiedlicher Meinung sind. Er wird nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden.
Klartext: Ihre Erfahrungen mit BAKOM und UVEK, Herr Lebrument? LEBRUMENT: Es war bisher so, dass wir uns in vielen Dingen gefunden haben. Ich glaube schon, dass das BAKOM sehr darauf achten wird, dass es Konzessionen vergibt, die nicht zur Handelsware verkommen. Das BAKOM wird Qualität und Nachhaltigkeit der Konzessionen anschauen. Ich bin seit 37 Jahren journalistisch und verlegerisch im Kanton Graubünden tätig, ich habe gezeigt, was ich für diesen Kanton gemacht habe.
Klartext: Die Mehrsprachigkeit ist auch ein Teil der Konzessionsbedingungen. LEBRUMENT: Die Mehrsprachigkeit der Radios ist nicht wahnsinnig wichtig für die Minderheitssprachen Italienisch und Rätoromanisch. Wichtig ist, dass die Mehrheits-
sprache die Minderheitssprache hört und Verständnis für sie hat. Darauf beruht der Sprachfrieden in Graubünden. Wir führen die Mehrsprachigkeit bereits im Auftritt, man bekommt Italienisch und Rätoromanisch und Deutsch zu hören, das ist ein wesentlicher Teil. Nicht, dass man eine Stunde Italienisch sendet, und damit die Deutschsprachigen ausschliesst. SCHAWINSKI: Das ist natürlich Schaumschlägerei. Weil diese Leistung nicht erbracht wurde von Radio Grischa, sind zum Beispiel die italienischsprachigen Organisationen ganz klar auf unserer Seite, sie erhoffen sich, dass sie bekommen, was im Gesetz steht und im Gesuch steht. LEBRUMENT: Das steht auch in unserem Gesuch drin. Und wenn ihr dann Radio macht, werdet ihr noch sehen, dass es nicht ganz einfach ist, italienischsprachige Radiomacher zu finden. Wir haben sie.
Klartext: Eine der Konzessionsanforderungen sind die Anstellungsbedingungen. Neu gibt es ja bei Radio Top den ersten GAV bei einem privaten Radio. Ist das ein Thema? SCHAWINSKI: Wir werden sicher die vom BAKOM vorgegebenen Mindestbedingun-
16 | PRIVATSENDER | KLARTEXT | NR. 1/2008 Neue Konzessionen gen übertreffen, das habe ich immer gemacht. Ich zahle immer gute Löhne, habe meinen Leuten Erfolgsbeteiligungen und Aktien gegeben. Im Gegensatz zu dem, was er mir unterstellt, habe ich, als ich meine Sender verkauft habe, mehrere Millionen an meine Mitarbeiter verteilt.
Klartext: Und die Anstellungsbedingungen bei einem künftigen Radio Grischa würden gleich bleiben wie heute? LEBRUMENT: Wir haben ein Personalreglement, das wir mit dem Bund und dem Kanton Graubünden erarbeitet haben. Dort ist das geregelt. SCHAWINSKI: Noch eine Frage an dich: Du hast die Region „Südostschweiz“ erfunden, du hast die Zeitung „Südostschweiz“ und Tele Südostschweiz. Weshalb hast du nicht schon lange dein Radio „Südost“ genannt und dir die Internet-Domain gesichert? Hast du dich so sicher gefühlt, dass du dir gesagt hast: Das mache ich dann hinterher, weil ich es ja eh kriege? LEBRUMENT: Wir haben lange über die Änderung des Namens gesprochen. Bei der Zeitung tragen ja auch nur die Leading-Titel den Namen „Südostschweiz“. Wir fanden dann: „Grischa“ ist ein guter Name, den geben wir nicht auf. Weisst du übrigens, dass ich 1983 eine Konzession für ein Radio Südost hatte? Ich habe sie damals erhalten, aber es wollte niemand richtig mitmachen, und ich hatte gerade einige andere Projekte. Wir haben sie dann wieder zurückgegeben.
Klartext: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft. Roger Schawinski, Sie sind 62: Welche Perspektive haben Sie? SCHAWINSKI: Ich habe längerfristige Perspektiven. Ich habe auch ein Buch geschrieben, „Das Ego-Projekt – Lebenslust bis 100“. Ich glaube, die nächsten zwanzig Jahre ist mit mir noch zu rechnen. Sorry, Hanspeter.
Klartext: Wie sieht es bei Ihnen aus, Herr Lebrument? An der Dreikönigstagung hatten wir den Eindruck, Sie hätten nicht mehr so viel Spass an diesen Verlegerchef-Reden wie früher. Und Sie werden Grossvater. LEBRUMENT: Ich bin einen Tag vor der Dreikönigstagung am Morgen früh aus Indien zurückgekommen, nach einem Nachtflug. Mit meinen drei Kindern habe ich einen Vertrag gemacht, ich bin noch Präsident der Verwaltungsräte, das operative Geschäft besorgen junge Crews. Ich weiss nicht, wie lange ich es mache, aber ich wüsste nicht, was ich den ganzen Tag über sonst machen sollte. Ich habe mich in anderen Dingen eigentlich nicht stark engagiert. ≠ Das Gespräch führten Bettina Büsser und Nick Lüthi am 14. Januar in Weesen.
Wer wird Millionär? Das Warten hat bald ein Ende. Noch in diesem Jahr erhalten die ersten Privatradio- und Fernsehveranstalter eine neue Konzession – und damit viel Geld aus dem Gebührentopf. Doch die Rechnung wird nicht für alle aufgehen. Von Nick Lüthi. Endspurt im Rennen um die neuen Radiound Fernsehkonzessionen. Bis am 20. Februar können sich interessierte Kreise zu den eingereichten Gesuchen äussern. Die Radio- und Fernsehveranstalter haben letztmals die Möglichkeit, auf die Vorzüge ihrer Bewerbungen aufmerksam zu machen. Denn die Stellungnahmen von Behörden, Branchenverbänden und anderen Interessierten zugunsten einzelner Gesuche spielen bei der Beurteilung der Konzessionsgesuche im Bundesamt für Kommunikation BAKOM durchaus eine Rolle, wenn auch nicht die wichtigste. Zentrale Entscheidungsgrundlage bleiben die eingereichten Konzessionsgesuche, die daraufhin geprüft werden, ob der Gesuchsteller imstande sein wird, den Leistungsauftrag zu erfüllen.
Warten und bangen Auf die letzte Etappe bei der Umsetzung des neuen Radio- und Fernsehgesetzes können die Medienunternehmen keinen Einfluss mehr nehmen. Da heisst es nur noch warten. Und für Einzelne wohl auch bangen. Wer ohne eine Konzession und damit ohne die ersehnten Millionen ausgeht, hat vielleicht schon bald seine letzten Bilder und Töne gesendet. Denn so viel ist klar: Besitzstandgarantien gibt es keine. Auch etablierte Radio- und TV-Veranstalter, die nun jahrelang für Gebührenmillionen geweibelt haben, können leer ausgehen. Wer ohne Konzession dasteht, hat keinen Anspruch auf Verbreitung seines TV-Programms über Kabelnetz, kann sich aber mit einem Netzbetreiber auf privater Basis einigen, dass dieser das Programm einspeist. Zugang zu einer UKW-Frequenz erhalten hingegen nur konzessionierte Veranstalter. Radiomacher, die leer ausgehen, können ihr Glück mit Internetradio versuchen oder sich bewerben, wenn das nächste Mal Konzessionen für Digitalradio ausgeschrieben werden. Vorschläge, wie private Radio- und Fernsehveranstalter ohne kompliziertes Konzessionsverfahren, nur mit einer einfachen Bewilligung ausgestattet, ihre Programme verbreiten könnten, lagen zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens auf dem Tisch. Was der Bundesrat Anfang 2000 als
Grundausrichtung eines neuen Radio- und Fernsehgesetzes skizziert hatte, war nichts anderes als ein duales Rundfunksystem: Auf der einen Seite ein starker, massgeblich mit Empfangsgebühren finanzierter Service public, den die SRG leistet, auf der anderen Seite private Veranstalter, die von Konzession und Leistungsauftrag befreit und mit gelockerten Werbevorschriften auf dem freien Markt ihr Auskommen finden sollen. Medienminister Moritz Leuenberger begründete dieses Prinzip damals einfach und einleuchtend: Alternative Service-publicModelle mit Gebühren auch für private Veranstalter wären „mit dem Nachteil behaftet, dass die knappen Ressourcen zersplittert werden und die Wirkungen dadurch verflachen“. Was Leuenberger damals als Vorbehalt gegenüber einem flächendeckenden Gebührensplitting zugunsten von Privatradio und -fernsehen formuliert hatte, ist heute weitgehend Realität. Alle kriegen ein bisschen, aber niemand richtig viel. Das reicht für alle Gebührenempfänger zum Überleben, aber kaum, um substanziell in die Qualität der Programme zu investieren. Das vor einem Jahr in Kraft getretene Gesetz liegt von seinem Ausgangspunkt vor allem deshalb so weit entfernt, weil die Verleger als Betreiber von Lokalradios und defizitären Regionalfernsehen mit ihrem Gejammer bei den eidgenössischen Räten und bei ihren Standortkantonen ein offenes Ohr gefunden haben. Doch jetzt, wo es um die Wurst geht, helfen auch die besten Connections ins Bundeshaus nicht mehr.
(K)ein Neuanfang Angesichts der bevorstehenden Konzessionsvergabe von einem Neuanfang zu sprechen, wäre übertrieben. Schon deshalb, weil sich für den Grossteil der Radioversorgungsgebiete nur der aktuell konzessionierte Veranstalter beworben hat. Beim Fernsehen gibt es ein bisschen mehr Wettbewerb. Für immerhin acht der dreizehn Konzessionen bewerben sich zwei Medienunternehmen. Zu einem Neuanfang kommt es hingegen bei den Spielregeln. Als Gegenleistung für einen Anteil an den Empfangsgebühren
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Bis zu 3,3 Millionen Franken pro Jahr nil./ 54 Konzessionen hat Medienminister Moritz Leuenberger zu vergeben: 13 für regionales Fernsehen und 41 für Lokalradio. Für eine TV-Konzession interessieren sich 21, für eine Radiokonzession 51 Medienunternehmen. Mit der ersten Neukonzessionierung wird noch in diesem Sommer gerechnet, die letzten erfolgen erst 2009. Wer eine Fernsehkonzession erhält, kriegt zwischen 1,5 und 3,3 Millionen Franken jährlich an Empfangsgebühren und einen garantierten Zugang zum Kabelnetz. Bei den Lokalradios werden nur jene mit Gebührengeldern unterstützt, die entweder und/oder den Zugang zu einem Verbreitungskanal verpflichten sich die Radio- und Fernsehveranstalter, einen Leistungsauftrag zu erfüllen. Dreh- und Angelpunkt dieser Auflagen ist der regionale Service public. Wie die SRG auf nationaler Ebene verpflichtet ist, das politische, kulturelle und gesellschaftliche Geschehen in ihren Programmen abzubilden, so sollen nun auch die privaten Veranstalter für ihre Regionen das Gleiche leisten. Wie sie das zu tun gedenken, haben die Bewerber in ihren Konzessionsgesuchen mehr oder weniger ausführlich dargelegt. Klar ist: Einfach weitermachen wie bisher kann niemand, auch wenn Einzelne das Gegenteil behaupten. Hanspeter Lebrument findet etwa, am Konzept seines Radio Grischa müsse im Fall einer NeukonzessioANZEIGE
zweisprachig senden, in Berg- und Randregionen angesiedelt sind oder deren Programm nicht gewinnorientiert ausgerichtet ist. Radioveranstalter erhalten zwischen 90’000 und 2,2 Millionen Franken jährlich. Keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten die Radios in den Grossagglomerationen des Mittellands. Sämtliche konzessionierten Veranstalter, ob mit oder ohne Gebührenanteil, verpflichten sich, einen Leistungsauftrag zu erfüllen. Über dessen Einhaltung wacht das Bundesamt für Kommunikation.
nierung gar nichts ändern. Das stimmt schon deshalb nicht, weil in Zukunft jeder Radio- und Fernsehveranstalter neue Instrumente zur Qualitätssicherung etablieren muss, die von Amtes wegen periodisch überprüft werden. Ob die Verpflichtung zum Service public jedoch für das Publikum akustisch und optisch wahrnehmbar sein wird, muss ernsthaft bezweifelt werden. Die Haltung des Verlegerpräsidenten Lebrument ist hier symptomatisch: Vor allem die Verleger sehen in den Gebührenmillionen für ihre mehrheitlich defizitären Lokalfernsehen eine Honorierung für bisher geleisteten Service public, den sie selbst definiert haben. Für das UVEK als Konzessionsbehörde ist hingegen klar: Wer vom Gebühren- oder Verbreitungsprivileg profitiert, muss einen Zacken zulegen.
Wenn die Veranstalter dies nicht bald auch so sehen, darf man auf die Ergebnisse der Programmbegleitforschung gespannt sein. Spätestens diese wird zeigen, wer den regionalen Service-public-Auftrag erfüllt und wer nicht. Und schliesslich bleibt als Ultima Ratio immer noch die Klage wegen Konzessionsverletzung. Oder auch nur Beschwerden direkt bei den Sendern. Dazu ist das Publikum stärker legitimiert als bisher. Schliesslich berappen künftig die Schweizer Haushalte mit ihren Empfangsgebühren bis zu 70 Prozent der Betriebskosten von Privatfernsehen. Da es keine institutionalisierte Publikumsvertretung gibt, wie dies bei der SRG der Fall ist, bleibt es jedem Einzelnen überlassen, auf programmliche Defizite hinzuweisen. Wie heisst es doch so schön: Wer zahlt, befiehlt. ≠
FOTO: CYRILL PINTO
18 | PRIVATSENDER | KLARTEXT | NR. 1/2008 Wallis
Stärkle und sein Schildbürger-TV Mit einem dilettantisch aus dem Boden gestampften Tele Oberwallis wollen die Zeitungsverleger aus dem ganzen Kanton dem unabhängigen und etablierten Canal 9 die Konzession streitig machen. Doch die Oberwalliser Fernsehpromotoren um Christian Stärkle dürften dabei kräftig auf die Nase fallen. Von Cyrill Pinto. 7. Januar 2008, 19 Uhr. Das Oberwallis wartet gespannt auf die ersten Minuten eines neuen Fernsehzeitalters. Doch Tele Oberwallis startet mit einem Super-GAU: Auf dem Bildschirm herrscht gähnende Leere. Statt eines neuen TV-Programms sehen die FernsehzuschauerInnen auf der Mattscheibe lediglich die flimmernde Oberfläche eines Computerbildschirms. Wegen eines abgestürzten Computers lässt das neue Fernsehzeitalter im Oberwallis erst einmal auf sich warten. Ums Fernsehmachen geht es hier eigentlich gar nicht. Vielmehr wollen die Walliser Zeitungsverleger mit dem amateurhaften Versuchsbetrieb Präsenz markieren, denn sie wollen mehr. Mehr Geld. Gemeinsam haben sie dafür die Valais Wallis TV AG gegründet und beim BAKOM ein Gesuch eingereicht für die einzige Lokalfernsehkonzession im Kanton Wallis. Es locken mehr als drei Millionen Franken an Empfangsgebühren. Doch die Verleger von
„Nouvelliste“ und „Walliser Bote“, die sich mit dem Lokalradio Rottu in Visp zusammengetan haben, sind nicht alleine. Seit 25 Jahren sendet Canal 9 aus Siders und will dies auch weiterhin tun. Deshalb bewirbt sich das Unterwalliser Fernsehen ebenfalls um die Konzession mit den Gebührenmillionen. Nach dem katastrophalen Start des Gegenprojekts Tele Oberwallis lautet der Zwischenstand beim Match um die Walliser TV-Konzession: 1:0 für Canal 9.
Zoom auf Speisereste Dass der Start des Walliser Verlegerfernsehens ins Wasser fallen würde, war für Insider absehbar. Erst zwei Wochen vor Sendestart erhielten die Oberwalliser TV-PionierInnen ihre Fernsehkameras in die Hand gedrückt. Innert Wochenfrist wurde in den Räumlichkeiten von Radio Rottu ein „Sendestudio“ eingerichtet: Die Fernsehnachrichten werden im Flur zwischen den drei Studios aufgezeichnet, RadiopraktikantIn-
nen mutierten über Nacht zu VideojournalistInnen. Radioleute produzieren nun die 30-sekündigen Fernsehnachrichten für Tele Oberwallis. Das Ergebnis präsentiert sich entsprechend: Die Beiträge sind verwackelt und unterbelichtet. Trotz teurer Technik sehen die Fernsehbilder aus, als seien sie von einer
Canal 9 gegen geballte Verlegermacht cp./ Um die Konzession für ein Regionalfernsehen im Wallis und den Waadtländer Bezirk Aigle (330’000 EinwohnerInnen) streiten sich zwei Sender. Zum einen das seit 25 Jahren bestehende französischsprachige Lokalfernsehen Canal 9 und zum andern die neu gegründete Aktiengesellschaft Valais Wallis TV. Canal 9 ist als Verein organisiert. Trotz eines CVP-Mannes an der Vereinsspitze ist der Sender politisch neutral: Die Redaktion grenzt sich gegenüber dem Vereinsvorstand klar ab. So geniesst Canal 9 bei allen Parteien im Wallis Vertrauen. Die Wahlplattformen sind fair. Hin und wieder schafft es die junge Fernsehcrew um Redaktionsleiter Yves Balmer, für den einen oder anderen Primeur zu sorgen. Bis heute allerdings nur auf Französisch. Bei der Valais Wallis TV AG sind alle Walliser Verleger mit an Bord, allen voran die Rhône Media, welche die Unterwalliser Tageszeitung „Le Nouvelliste“ herausgibt. Auch aus dem Unterwallis mit dabei: das freisinnige Blatt „Le Conféderé“ und die Privatradios. Aus dem Oberwallis sind die Herausgeber des „Walliser Boten“, der Mengis-Verlag, die mit der Rhône Media liierte Alpmedia und Radio Rottu an der Fernseh-AG beteiligt. Als Kabelnetzbetreiberin hält auch die Valaiscom einen Anteil an der
künftigen Aktiengesellschaft. Die AG lobbyiert schon seit der Verabschiedung des neuen Radio- und Fernsehgesetzes für einen Oberwalliser Fernsehsender. Grösster Unterschied zwischen den Gesuchen der beiden Bewerber für eine Fernsehkonzession im Wallis: Die Valais Wallis TV AG würde lediglich als Konzessionshalterin auftreten, während die Gebühren auf ein Tele Oberwallis und ein Unterwalliser Tele Valais Romand verteilt würden. Die beiden Firmen operieren getrennt und unabhängig voneinander. Vom sprachlichen und kulturellen Austausch zwischen den beiden Kantonsteilen bleibt im Gesuch von Valais Wallis TV somit nur noch das Lippenbekenntnis „zum Austausch von Bildern“. Canal 9 hingegen versteht das Wallis als Einheit und will den Austausch zwischen den Sprachregionen mittels übersetzter Beiträge fördern. Um im Oberwallis Fuss fassen zu können, will Canal 9 bereits vor der Konzessionsvergabe JournalistInnen aus dem Oberwallis anstellen. In Brig-Glis soll dann ein Fernsehstudio eingerichtet werden. Nach der Vergabe der Konzession durch den Entscheid von Bundesrat Moritz Leuenberger könnte voraussichtlich ab Herbst 2008 aus der Simplonstadt gesendet werden.
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Medien bei der AZ-Mediengruppe und für kurze Zeit als Belcom-Chef im Dienste der Tamedia tätig, lobbyiert seit Jahren für die Schweizer Privatsender. Obschon mittlerweile fast zehn Jahre im Rhonetal wohnhaft, war er bis zu seiner Wahl zum VR-Präsidenten von Radio Rottu und Tele Oberwallis im Wallis ein Unbekannter. Die Oberwalliser Oppositionszeitung „Rote Anneliese“ machte dann publik, was im Wallis niemand wusste: „Ein SVP-ler wird Radio-Präsident.“ Tatsächlich hatte der aus dem Kanton Bern stammende Stärkle vor acht Jahren im Aargau für den Regierungsrat kandidiert – als SVP-Sprengkandidat. Nach seinem Misserfolg als Politiker setzte er sich in den Kanton Wallis ab.
Lobbying-Panne über Lobbying-Panne
Canal 9 hat klar die Nase vorn im Rennen um die einzige TV-Konzession fürs Wallis. Handykamera aufgenommen. Pro Newssendung reicht es zudem nur für eine einzige aktuell aufgenommene Einstellung mit der Kamera. Die übrigen Meldungen illustrieren die frisch gebackenen FernsehmacherInnen mit Pressebildern der Kantonspolizei, Verlautbarungen der Walliser Regierung bebildern sie mit dem Porträt des zuständigen Staatsrats. Damit sich die Bilder trotzdem bewegen, zoomen sie die Porträts heran. Staatsrat Jean-Michel Cina muss sich da peinlich genau unter die Lupe genommen gefühlt haben. Nicht durch kritischen Journalismus, sondern weil man durch den Zoom auf sein Gesicht anhand der Speisereste zwischen den Zähnen erkennen konnte, was es bei Cinas zu essen gegeben hatte. Damit nicht genug: Auch nach dem Totalabsturz bei Sendebeginn hat man das Computerproblem noch nicht im Griff: Der Ton hinkt dem Bild hinterher. So erhält der Zuschauer den Eindruck, Tele Oberwallis werde nicht in Visp produziert, sondern jeden Abend mindestens aus Pjöngjang, wenn nicht gar von hinter dem Mond, gesendet.
Es herrscht Konfusion So schlecht wie die Bilder, so schlecht ist auch die Stimmung bei den MacherInnen von Tele Oberwallis. Für die Produktion der TV-News wurden die Abläufe auf der Re-
daktion von Radio Rottu auf den Kopf gestellt. Dafür wurde etwa die Funktion des Tagesverantwortlichen abgeschafft, wie ihn das Radio bisher gekannt hatte. Darüber herrscht bei den MitarbeiterInnen völlige Konfusion. Unklarheit herrscht insbesondere über die Themensetzung und deren Gewichtung. „Neu wird die Verantwortung für die Produktion der Beiträge viermal am Tag weitergereicht,“ heisst es aus der Redaktion. Wichtige Meldungen vom Wochenende müssen neu durch die Moderationsdienste abgedeckt werden. Präsentiert werden die Fernsehbeiträge von den RadiomoderatorInnen. Diese erhalten die geschriebenen Meldungen vor der Aufzeichnung aus der Redaktion.
„Das war ein holpriger Start“ Christian Stärkle, Verwaltungsratspräsident von Radio Rottu und Chef von Tele Oberwallis, musste nach dem TV-Fehlstart dann auch kleinlaut zugeben, dass im Konzessionsstreit wohl Canal 9 die Nase vorn habe. „Ich gebe zu, das war ein holpriger Start“, so Stärkle in der Sendung „WB-Talk“. Von „Walliser-Bote“-Redaktor Marcel Vogel, der das Gespräch moderierte, auf den Inhalt des Senders angesprochen, gab Stärkle zudem den publizistischen Tarif durch: „Misthaufengeschichten sind das Salz im Leben.“ Stärkle, früher Leiter elektronische
Ende Januar veröffentlichte dann die Unterwalliser Zeitung „Nouvelliste“, was in den Oberwalliser Medien verschwiegen wurde. Ein Artikel liess Stärkles Lobbying in schlechtem Licht erscheinen: Im Konzessionsgesuch von Valais Wallis TV, wusste der „Nouvelliste“, sind CVP-Schweiz-Präsident Christophe Darbellay und SVP-Nationalrat Oskar Freysinger als Mitglieder des Verwaltungsrats aufgeführt, obwohl die beiden gar nie zugesagt haben, im Aufsichtsgremium Einsitz nehmen zu wollen. Darbellay gibt an, nie angefragt worden zu sein. Freysinger ist noch kategorischer: „Ich hatte und habe auch in Zukunft nicht vor, in einem Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen.“ Die Oberwalliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd gab sich diplomatischer und knüpfte ihre Zusage an eine Bedingung: Sie gehe nur in den VR, wenn auch Darbellay dabei sei. Doch damit nicht genug: In Stärkles Konzessionsgesuch steht, alle Oberwalliser GrossrätInnen hätten seine Vernehmlassungsantwort vom Frühjahr 2007 für zwei Konzessionen im Wallis unterzeichnet. „Eine Lüge“, wie German Eyer, Fraktionschef der Oberwalliser SozialdemokratInnen, gegenüber KLARTEXT festhält. Tatsächlich hatte die SPO eine separate Stellungnahme in der Vernehmlassung abgegeben und sich damit dem Lobbying Stärkles entzogen. Die SPO sprach sich damals für eine einzige Konzession im Wallis aus und begrüsste den Vorschlag aus dem BAKOM für ein einziges Walliser Fernsehen. Trotzdem wird Stärkle nicht müde, vor laufenden Kameras zu wiederholen: „Unser Sender ist politisch breit abgestützt – auch durch die Einbindung von SP und SVP.“ Nach diesen Lobbying-Patzern durch die Valais-Wallis-TV-Promotoren lautet das Zwischenresultat im Konzessionsstreit: 2:0 für Canal 9. ≠
20 | PRIVATSENDER | KLARTEXT | NR. 1/2008 Zürich-Ostschweiz
Die Eroberung des Ostens Vier Gesuche für zwei TV-Konzessionsgebiete, ein kleineres Medienunternehmen gegen zwei grosse Medienkonzerne: Im Raum ZürichOstschweiz ist der Kampf um Konzessionen und Gebührenmillionen brisant. Und wird mit allen möglichen Mitteln geführt. Von Bettina Büsser. Im Raum Zürich-Ostschweiz ist alles umstritten. Schon die Aufteilung der Konzessionsgebiete für Regionalfernsehen sorgte für ein langwieriges Hin und Her und rote Köpfe; die jetzt ausgeschriebene Version ist Fassung Nummer drei. Sie sieht zwei Konzessionsgebiete vor, für je ein Fernsehunternehmen, das einen Anteil an den Empfangsgebühren erhält und einen definierten Leistungsauftrag erfüllen muss: das Gebiet „Ostschweiz“ und das Gebiet „ZürichNordostschweiz“. Im zweiten Gebiet soll das Publikum in Schaffhausen und Thurgau mit je einem separaten Programmfenster bedient werden. (Siehe Kasten unten.)
Supino bearbeitet Heuberger Drei bereits bestehende grössere Regionalfernsehen – TeleZüri (Tamedia), Tele Top (Günter Heuberger) und Tele Ostschweiz (St. Galler Tagblatt AG, NZZ-Gruppe) – rangeln um die zwei Konzessionen. Das geht kaum freundschaftlich über die Bühne. So erzählt etwa Top-Geschäftsführer Heuberger, wie Pietro Supino, TamediaVR-Präsident, auf ihn zugekommen sei und das Gespräch gesucht habe: „Er hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass wir keine Chance hätten und TeleZüri diese Konzession erhalte.“ Nach diesem Kontakt befragt, meint Christoph Zimmer, Leiter Unternehmenskommunikation Tamedia: „Vertrauliche Gespräche zwischen Einzel-
personen möchte ich nicht öffentlich kommentieren. Aber es ist klar: Für Tamedia und TeleZüri ist es entscheidend, dass TeleZüri diese Konzession erhält. Entsprechend setzen sich verschiedene Leute aus dem Unternehmen dafür ein, in erster Linie das Team von TeleZüri und Belcom.“ TeleZüri und Tele Top bewerben sich beide um das Gebiet „Nordostschweiz“. Im Gebiet „Ostschweiz“ tritt Heuberger mit dem neuen Projekt Tele Säntis gegen Tele Ostschweiz an; das Gesuch hat er nach dem Muster von Tele Top konstruiert. „Wir haben festgestellt, dass die St. Galler Regierung gegen eine Konzession für einen Veranstalter ist, der beispielsweise in Winterthur oder Frauenfeld zu Hause ist. Damit war klar: Wir müssen etwas Neues machen“, sagt Heuberger. Er werde bei Tele Säntis nicht die Geschäftsführung übernehmen, sondern nur im Verwaltungsrat sitzen: „Tele Säntis wird an Personen aus St. Gallen übertragen.“
Unabhängigkeit als Trumpf? Heuberger, der bisher Radio Top und Tele Top betreibt, ist in beiden Gebieten im Rennen – und steht in beiden Gebieten einem grösseren Medienunternehmen gegenüber, das in seinem Stammgebiet mit Radio, Fernsehen und Print eine breite Medienpalette abdeckt. Klar, dass er deshalb in seinem Gesuch betont, Tele Top sei „das einzi-
ge verlagsunabhängige Medienunternehmen im Raum Zürich-Ostschweiz“. Denn Verlagsunabhängigkeit ist womöglich ein wichtiges Kriterium bei der Konzessionsvergabe: Das Radio- und Fernsehgesetz schreibt vor, bei verschiedenen Konzessionsgesuchen, die den Leistungsauftrag gleichwertig erfüllen, solle jener Bewerber bevorzugt werden, „der die Meinungs- und Angebotsvielfalt am meisten bereichert“. In der Konzessionsausschreibung wird diese „Bereicherung“ in die beiden Elemente „inhaltliche Ausrichtung“ und „Unabhängigkeit des Bewerbers“ ausdifferenziert. TeleZüri und Tele Ostschweiz reagieren darauf in ihren Gesuchen mit einem Gutachten von Rolf H. Weber, Rechtsprofessor und Leiter des Zentrums für Informations- und Kommunikationsrecht der Uni Zürich. Weber kommt zum Schluss, die Gesetzesbestimmung stelle nicht quantitativ auf die Anzahl der Medienanbieter ab, sondern qualitativ auf die inhaltliche Vielfalt. Es gebe also keinen Grund, TeleZüri und Tele Ostschweiz die Konzession nicht zu erteilen. Eher erstaunlich ist, dass Tamedia und Tagblatt-Gruppe das Gutachten gemeinsam in Auftrag gegeben haben. „Irgendwann haben Andreas Meili von TeleZüri und ich festgestellt, dass uns die Frage, ob die im Gesetz geforderte Angebots- und Meinungsvielfalt von den Besitzverhältnissen der Sender abhängt, gleichermassen interessiert“, erklärt André Moesch, Leiter Elektronische Medien St. Galler Tagblatt AG. Deshalb habe man Weber gemeinsam beauftragt. Webers Gutachten ist nicht die einzige Studie, die in den Konzessionsgesuchen zu finden ist: Mehrfach wird in den Gesuchen aus bereits bestehenden Untersuchungen zitiert, die Medienwissenschaft ist hier eine gefragte Disziplin – und natürlich sind die meisten angeführten Untersuchungen Vergleiche mit der Konkurrenz, in denen der eigene Sender besser abschneidet.
Tamedia will keinen GAV
DIE ZWEI TV-KONZESSIONSGEBIETE IM RAUM ZÜRICH-OSTSCHWEIZ GEBIET „OSTSCHWEIZ“
GEBIET „ZÜRICH-NORDOSTSCHWEIZ“
Die Kantone St. Gallen, Appenzell IR und Appenzell AR und die Thurgauer Regionen Arbon und Bischofszell.
Die Kantone Zürich, Thurgau, Schaffhausen sowie Wil (SG); Thurgau und Schaffhausen sollen mit je einem separaten Programmfenster bedient werden.
Bewerber: Tele Ostschweiz (St. Galler Tagblatt AG/ NZZ-Gruppe) Tele Säntis (Günter Heuberger)
Bewerber: TeleZüri (Tamedia) Tele Top (Günter Heuberger)
Dazu kommen all die Dokumente, die zeigen sollen, wie die Bewerber den Leistungsauftrag erfüllen wollen: Konzepte für Qualitätssicherung, Aus- und Weiterbildung, redaktionelle Unabhängigkeit und so weiter. Im Bereich „Arbeitsbedingungen“ hat Günter Heuberger sich womöglich einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten verschafft: Im Sommer letzten Jahres schloss Radio Top mit dem SSM den ersten Gesamtarbeitsvertrag in der privaten elektronischen Medienbranche ab; einen GAV soll es auch bei Tele Top und Tele Säntis geben. „Der Bund
TeleZüri mit Gewinneinbruch bbü./ Überraschende Tendenz bei den Zahlen von TeleZüri: Nach Angaben vom Bundesamt für Kommunikation betrug 2004 der Gewinn des Senders 836’000 Franken, im Folgejahr 876’000 Franken. 2006 folgt ein massiver Einbruch. Der Gewinn beträgt noch magere 33’000 Franken. Dies, obwohl in dem Jahr Werbung und Sponsoring 762’000 Franken mehr einbrachten als im Vorjahr. Dafür gab es Mehrausgaben in den Bereichen Personal (293’000 Franken), Programm/Produktion (578’000 Franken) und, als Spitzenreiter, Verwaltung (751’000 Franken). TamediaSprecher Christoph Zimmer erklärt diese Zahlen sportlich:
„2006 haben Sonderereignisse wie die Winterolympiade und die Fussball-WM stattgefunden. Bei solchen Grossereignissen im Sport müssen regionale Sender, die ja nicht direkt übertragen, Zusatzleistungen bieten, um ein gutes Programm und gute Leistungen für die Zuschauer zu bringen. Aufgrund dieser Zusatzproduktionen stiegen die Kosten, es gab aber auch gewisse Zusatzeinnahmen durch Marketing-Zusammenarbeiten. Insgesamt sind es verschiedene Faktoren: Investitionen ins Programm, eine Zunahme bei den Werbeeinnahmen, andererseits nahmen die Marketing- und Verwaltungsausgaben zu.“
* Die Zahlen in Text und Kasten wurden vom BAKOM aufgrund der durch die Sender eingereichten Unterlagen errechnet. Die Zahlen für 2006 liegen KLARTEXT exklusiv vor. ANZEIGE
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Erste Adresse für kommunikative Diskretion Wo Kommunikation draufsteht, ist auch Kommunikation drin. Weshalb aus dem Bundesamt für Kommunikation keine Indiskretionen sickern und wieso JournalistInnen das BAKOM als ihr „Lieblingsbundesamt“ bezeichnen. Von Nick Lüthi. PLÖTZLICH SIND ALLE SO NETT. Musste das Bundesamt für Kommunikation in der Vergangenheit regelmässig als Zielscheibe für Attacken unzufriedener Radio- und Fernsehveranstalter herhalten, so ist es momentan vergleichsweise ruhig um das Amt. Roger Schawinski, der sich einst gar von einer „Polizeiabteilung“ des BAKOM schikaniert wähnte, schlägt im KLARTEXT-Interview (ab Seite 10) versöhnliche Töne an. Auch für Hanspeter Lebrument gibt es derzeit nichts zu mäkeln, obwohl der Verlegerpräsident wegen unrechtmässig bezogener Gebührengelder für seine Radio- und TV-Sender mit dem BAKOM jüngst im Clinch lag. Und auch alle anderen verhalten sich still. Doch die leisen Töne trügen, sie sind taktisch motiviert. „Solange ich die neue Konzession nicht im Sack habe, äussere ich mich nicht öffentlich zum BAKOM“, hört man zurzeit in der Branche. Was so viel heisst wie: Sobald ich auf der sicheren Seite stehe, packe ich gerne aus. Wie das dann tönt, ist bekannt: Anti-Bürokratiereflexe, Überregulierung im Medienbereich, die Politik als Programmdirektor etc. pp. Meist zielt die Kritik ins Leere, da damit nicht eigentlich das Amt gemeint ist, sondern vielmehr missliebige politische Entscheide, die das BAKOM umzusetzen bemüht ist. Den Sack schlagen, den Esel meinen.
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WER IN DER SCHWEIZ RADIO UND FERNSEHEN MACHT oder sich mit dem Thema befasst, kommt um das Bundesamt für Kommunikation in Biel nicht herum. Im aktuellen Prozess um die Neuvergabe der Rundfunkkonzessionen spielt das BAKOM die Schlüsselrolle, auch wenn die endgültigen Entscheide nicht in Biel, sondern im Bundeshaus getroffen werden. Moritz Leuenberger als Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation hat es in der Hand zu entscheiden, wer in Zukunft als konzessionierter Sender sein Programm verbreiten darf. Doch die Grundlagen und Empfehlungen, auf die sich der Bundesrat dabei stützt, bereiten die MedienspezialistInnen im BAKOM fein säuberlich vor. Mit Medienpolitik habe diese Arbeit nichts zu tun, betonen die Fachleute. Vielmehr handle es sich um einen juristischen Prozess, der im Einzelfall dann möglicherweise politische Folgen zeitigen könne. Weitergehende Informationen 28.9.2007 15:41 Uhr Seite 1
zum laufenden Verfahren, etwa Einschätzungen, wer das Rennen machen könnte oder welche Gesuche chancenlos sind, gibt es derzeit beim BAKOM keine. Weder vor dem Mikrofon, noch „off the record“. IN DEM AMT WIRD ÄUSSERST PROFESSIONELL kommuniziert; wo Kommunikation draufsteht, ist auch Kommunikation drin. Es gibt sogar JournalistInnen, die deshalb das BAKOM als ihr „Lieblingsbundesamt“ bezeichnen. Wer etwas erfahren will, wird schnellstmöglich an die zuständige Fachperson vermittelt und nicht mit Leerformeln abgefertigt. Darin unterscheidet sich das BAKOM von anderen Bundesämtern, wo man auf Medienanfragen bisweilen nach dem Lustprinzip reagiert. Trotz dieser Offenheit geht nur raus, was auch raus darf. Mitarbeitende von Sonntagszeitungen, die ihre Primeurs regelmässig auf Indiskretionen aus der Bundesverwaltung aufbauen, mögen sich an keine Lecks im BAKOM erinnern. Eine Erklärung dafür ist sicher das Klima im Amt selbst, das von innen wie von aussen als familiär, kommunikativ und kooperativ beschrieben wird. Auch gibt es keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Amt und Departement, wie sie andernorts immer wieder Anlass dazu geben, mittels Indiskretion Geschäfte zu torpedieren. Garanten für das gute Einvernehmen sind nicht zuletzt die beiden Chefs, Bundesrat Leuenberger und Amtsdirektor Dumermuth. Die beiden Juristen verstünden sich ausgezeichnet, wissen alle, die das Gespann von nahem beobachten können. WOHL DER WICHTIGSTE GRUND für die kommunikative Diskretion sind die sensiblen Daten, die das Amt bearbeitet. Beim BAKOM stapeln sich vertrauliche Geschäftszahlen einer ganzen Branche, und wenn davon etwas ungeplant an die Öffentlichkeit gelangen würde, wäre das Vertrauensverhältnis zwischen dem Amt und den Radio- und Fernsehveranstaltern zerstört. So diskret normalerweise der Umgang mit den sensiblen Daten, so offen ist er, wenn die Spielregeln dies erlauben. Etwa im Fall der eingereichten Konzessionsgesuche. Diese sind in voller Länge, inklusive Beilagen und Anhängen, auf der Webseite des BAKOM frei zugänglich. ≠
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24 | JOURNALISMUS | KLARTEXT | NR. 1/2008
„Jedes Wort ist ein abgeschossener Pfeil“ Christian Gross, Trainer des FC Basel, über seine bewusste Zurückhaltung im Umgang mit Medienschaffenden und seine grössten Infopleiten. Das Gespräch ist der zweite Teil einer Serie von Interviews mit Prominenten über ihr Verhältnis zu den Medien, realisiert von Studierenden der Hochschule Winterthur. Rabea Huber und Johanna Wedl*: Christian Gross, Sie haben ständig mit den Medien zu tun. Gibt es für Sie überhaupt Zeiten, wo Sie keine Medien konsumieren?
sein. Wenn sie allerdings das Gefühl haben, sie müssen Politik machen, habe ich Mühe.
CHRISTIAN GROSS: Nein. Selbst in den Ferien, wenn ich beispielsweise nach Fuerteventura reise, kaufe ich mir täglich die spanischen Sportzeitungen. Wenn ich keine Zeitung zur Hand habe, informiere ich mich im Internet.
GROSS: Ich stelle mich den Fragen. Wenn Journalisten auf mich zukommen, weiss ich im Voraus, worum es geht. Überraschen können sie mich nicht.
Welche Zeitungen lesen Sie täglich? GROSS: Die „Basler Zeitung“, den „Blick“ und den „Tages-Anzeiger“. Spielen wir etwa gegen Sion, lese ich auch den „Nouvelliste“, um mich über unseren Gegner zu informieren.
Wie gehen Sie damit um, wenn man Ihnen in einem Interview kritische Fragen stellt?
Im Oktober 2006 waren Sie und Ihr Team in einer schwierigen Situation. Der FCB war schwach in die Saison gestartet. Der „Tages-Anzeiger“ hat damals mit Ihnen ein Interview geführt, in dem mehrmals nachgefragt wurde, ob Sie … GROSS: … ob ich keine Angst habe?
… ob Sie nicht an sich selbst zweifeln. Unter Journalisten gilt der FC Basel als der Verein mit der professionellsten Medienarbeit der Super League. Welche Bedeutung messen Sie der Pressestelle des FCB zu?
GROSS: Ich wusste auch da, worauf der Journalist hinauswollte. Er wollte hören, dass ich an mir zweifle.
GROSS: Deren Arbeit ist für mich sehr wichtig, denn in der Schweiz haben die Journalisten das Gefühl, sie könnten mich Tag und Nacht anrufen. Josef Zindel, unser Pressechef, hat dafür gesorgt, dass dies nicht mehr vorkommt. Darüber hinaus managt er die gesamte Medienarbeit sehr professionell.
GROSS: Wissen Sie, ich bin so lange als Trainer in diesem Geschäft tätig, da weiss man, dass man in gewissen Situationen nicht jede Information preisgeben darf. Das würde bloss Spielraum für Falschinterpretationen geben. In unserem hochemotionalen Business muss man alle Informationen sehr gut filtern.
Welches Verhältnis haben Sie zu den Schweizer Medienschaffenden? GROSS: Ich begegne der Presse so, wie es ein Trainer aus meiner Sicht sollte, nämlich respektvoll. FCB-Pressesprecher Josef Zindel sagt, ich sei unheimlich zuvorkommend. Dabei versuche ich nur, alle Termine sorgfältig einzuhalten.
Sie haben sich nicht darauf eingelassen.
„Ich gebe generell eher wenig Interviews. Das ist etwas, was ich jedem Trainer empfehlen kann.“
Wie viel Nähe zu Journalisten lassen Sie zu? GROSS: Das ist eine Frage des Vertrauens, das wächst über Jahre. Es gibt Journalisten, die ich lange Zeit kenne. Andere sehe ich nur wenige Male im Jahr. Ich habe ein kollegiales Verhältnis zu den Journalisten, mehr muss es nicht sein.
Wie gelingt es Ihnen, trotz Kollegialität die professionelle Distanz zu wahren? Siezen Sie die Journalisten? GROSS: Nein, das ist nicht üblich. Mein Anspruch an die Journalisten ist einfach: Sie sollen begleitend, kritisch, aber konstruktiv
Haben Sie dem „Tages-Anzeiger“ nach diesem kritischen Artikel bewusst längere Zeit keine Interviews mehr gegeben? GROSS: Nein, das hatte damit nichts zu tun. Ich gebe generell eher wenig Interviews. Das ist etwas, was ich jedem Trainer empfehlen kann.
Weshalb? GROSS: Weil man damit weniger Raum für Fehlinterpretationen gibt. Eine Mannschaft ist ein hochsensibles Gefüge. Ein falsches
Wort in der Öffentlichkeit, schon fühlt sich einer schlecht behandelt. Dabei ist die Harmonie in einem Team sehr wichtig. Während dem Training und in der Kabine kann geflucht und gejohlt werden. In der Öffentlichkeit muss man aber sehr respektvoll miteinander umgehen.
Welche Überlegungen machen Sie sich zur Wirkung Ihrer Spieler in den Medien? GROSS: Wenn ich den Eindruck habe, ein Spieler sei zu viel in den Medien, gehe ich auf ihn zu und sage ihm, er solle sich zurücknehmen. Ich weiss, dass andere Spieler sonst eifersüchtig werden, weil sie auch gerne in der Zeitung wären. Mit der Haltung „weniger ist mehr“ bin ich bis jetzt gut gefahren.
Bekommt man bei Ihnen auch einmal „off the record“ Informationen? GROSS: Ich gebe in Interviews nie „off the record“ Informationen preis. Ich weiss, dass Journalisten auf Informationen angewiesen sind, die man sonst nirgends hört oder liest. Logischerweise werden sie das, was sie „off the record“ hören wollen, nicht für sich behalten.
Ist es schon zu Missbräuchen gekommen, dass Sie so vorsichtig sind?
FOTO: JOHANNA WEDL
Christian Gross (53) ist seit 1999 Trainer des FC Basel und gewann mit dem Club dreimal den Schweizer Meistertitel. Zuvor gewann er diesen bereits zweimal mit den Zürcher Grasshoppers. 1997 war er in der englischen Premier League als Trainer der Tottenham Hotspurs tätig. Während seiner aktiven Zeit spielte der Zürcher unter anderem bei den Grasshoppers und in der deutschen Bundesliga bei Bochum. 1988 wechselte er zum FC Will, bei welchem er als Spielertrainer in der zweiten Liga wirkte. In seiner Amtszeit stieg der Club in einem Zug über die erste Liga in die Nationalliga B auf.
GROSS: Es gab mindestens Falschinterpretationen. Man muss den Journalisten genau sagen, was in der Zeitung stehen soll. Ich weiss, dass jedes Wort, das ich sage, nicht mehr zurückzuholen ist. Das ist ein abgeschossener Pfeil. Daher meine Zurückhaltung.
Ist es schon vorgekommen, dass Sie gegenüber einem Journalisten etwas gesagt haben, dass Sie später bereuten?
Fernseh-Interviews oft den Vorwurf höre: „Der lacht ja nie, der ist so ernst.“ Dabei versuche ich nur, dem Journalisten im lärmigen Stadion aufmerksam zuzuhören.
Sie trainierten 1997 die Tottenham Hotspurs. Im Vergleich zu den Schweizer Medien gelten die englischen als sehr aggressiv.
GROSS: Nein, ich war immer besonnen.
GROSS: Dazu kommt der bekannte englische Humor, da bin ich zwei, drei Mal reingelaufen.
Sie denken lange nach.
Inwiefern?
GROSS: Doch, einmal ist es vorgekommen. 1994 hatte ich die Möglichkeit, mit GC Schweizer Meister zu werden. Ein Journalist fragte mich, ob die Spieler etwas trinken dürfen, wenn wir die Meisterschaft gewinnen. Ich sagte, die Spieler dürften Bier trinken, wüssten aber, dass sie am nächsten Tag Training hätten. Der Journalist fragte, wann das Training sei. Am Morgen um halb elf Uhr, antwortete ich. Im „Blick“ stand am nächsten Tag: „Gross: Wir feiern bis morgens um halb elf“.
GROSS: Ich bin bekannt dafür, mit meinen Mannschaften etwas Besonderes zu unternehmen. Die Journalisten fragten mich an einer Pressekonferenz, was ich mit Tottenham plane. Ich antwortete, dass ein Besuch im Cirque du Soleil eine Möglichkeit wäre. Zwei Tage später, vor einem Abstiegsspiel, war im „Mirror“ eine grosse Fotografie: Die ganze Mannschaft in Clownkostümen, der Präsident mit einer riesigen Pappnase. Dazu stand „Spurs going clown“ – ein Wortspiel zu „going down“ wegen des Abstiegskampfes. Der Journalist schrieb, Gross solle besser schauen, dass er den Match gewinne, anstatt Ausflüge zu planen. Das Spiel haben wir übrigens 1:0 gewonnen.
Legen Sie sich seither Ihre Antworten zum Voraus im Kopf zurecht? GROSS: Sagen wir es so: Ich bin jeweils sehr konzentriert, so konzentriert, dass ich nach
Inwiefern stimmt Ihr öffentliches Image mit dem privaten Menschen Christian Gross überein? GROSS: Das passt. Ich versuche, den sportlichen Teil möglichst zu trennen vom Privaten. Die Leute sollen mich über meinen Beruf beurteilen.
Wie schaffen Sie es, Privates aus der Öffentlichkeit herauszuhalten? GROSS: Dadurch, dass ich relativ wenig an Social Events gehe. Ich erhalte viele Einladungen, aber erstens ist es zeitlich nicht machbar und zweitens interessieren mich nicht alle.
Welche Fragen der Journalisten nerven Sie? GROSS: Die hypothetischen Fragen. Da wissen die Journalisten beispielsweise, dass ich bei Basel einen Vertrag bis 2009 habe, und trotzdem reiten sie auf der Frage herum, ob ich mir das Amt als Nationaltrainer vorstellen könne. Solche Spekulationen gefallen mir weniger. Ich verstehe die Neugier der Journalisten, aber sie sollte immer der Sache dienen. ≠ * Das Interview führten Rabea Huber und Johanna Wedl, Studierende am Institut für angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule Winterthur, im vergangenen Oktober im Basler St. Jakobspark.
26 | JOURNALISMUS | KLARTEXT | NR. 1/2008 KriegskorrespondentInnen
„Rotes Kreuz“ für Journis Die Genfer „Press Emblem Campaign“ schlägt Alarm: ReporterInnen in Kriegs- und Krisengebieten werden immer öfter als Freiwild betrachtet. Eine Art „Rotes Kreuz“ für JournalistInnen soll mehr Sicherheit bringen. Von Helen Brügger. Doch genügt die altehrwürdige Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung nicht, um auch die Medienschaffenden zu schützen? „Nein“, sagt Lempen entschieden. Die Genfer Konvention biete nicht einmal genügend Schutz für die Zivilbevölkerung, und schon gar nicht für JournalistInnen, „denn sie sieht keine Sanktionsmöglichkeiten vor“. Anders die Konvention, die das Presse-Emblem begleitet. Sie will die Staaten in die Pflicht nehmen, jeden Übergriff auf ReporterInnen zu verfolgen und die Urheber zu bestrafen. „Wenn ein Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, eine Untersuchung einzuleiten, wird eine unabhängige internationale Untersuchungskommission losgeschickt, um die Sachlage zu klären und die Urheber zu identifizieren.“ © 2004 - DUNE GRAPHIC - PH. VALLIER - GENEVA
Immer mehr JournalistInnen geraten bei der Ausübung ihres Berufs unter Beschuss – im Wortsinn. So wurden nach Angaben der „Press Emblem Campaign“ im vergangenen Jahr weltweit 114 JournalistInnen getötet, 18 mehr als im Vorjahr. „Je mehr die Verletzungen des humanitären Rechts zunehmen, desto weniger werden Zeugen geduldet“, fasst Blaise Lempen die Situation zusammen. Der Genfer UNO-Journalist ist Generalsekretär der Kampagne für ein einheitliches, international anerkanntes Emblem, eine Art „Rotes Kreuz“ für JournalistInnen. Lempen und seine MitstreiterInnen haben Ende 2007 einen Entwurf für eine internationale Konvention zum Schutz der JournalistInnen an die wichtigsten UNOMitgliedstaaten geschickt. Die Kampagne wird von 35 journalistischen Organisationen aus aller Welt unterstützt. „Zuerst gingen wir von der Idee eines obligatorischen Emblems aus“, erklärt Lempen. Diese Idee sei während der Arbeiten an der Konvention fallen gelassen worden. Auch JournalistInnen, die das Emblem nicht tragen, stehen ausdrücklich unter dem Schutz der Konvention. Lempen unterstreicht: „Das Wesentliche ist die Konvention, die von den Unterzeichnerstaaten eine sofortige und koordinierte juristische Reaktion auf einen Angriff verlangt.“
„Journalistische Korridore“
Direkte Sanktionen sind in diesem Fall nicht möglich, aber wenigstens wäre gesichert, dass internationale Organisationen den Fall weiterverfolgen. Die Untersuchungskommission kann nämlich – immer gemäss dem Konventionsentwurf – mit einem Bericht an ein „Internationales Medienkomitee“ mit Sitz in Genf gelangen, das Empfehlungen ausarbeitet oder an den UNO-Menschenrechtsrat gelangt. Darüber hinaus müssen sich die Unterzeichnerstaa-
ten zu weiteren Massnahmen verpflichten. Sie warnen frühzeitig, falls sie einen Angriff auf ein Gebiet planen, in dem sich BerichterstatterInnen befinden. Oder sie schaffen sichere „journalistische Korridore“, jenen humanitären Korridoren gleich, die dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. So weit, so gut. Aber werden nicht immer mehr JournalistInnen getötet, gerade weil sie ihren Beruf ausüben – ermordet von mafiösen Kreisen, terroristischen oder paramilitärischen Gruppen? „Zwei Drittel der letztes Jahr getöteten ReporterInnen waren in Kriegsgebieten, im Irak, in Somalia oder Sri Lanka tätig“, stellt Lempen fest. Ein Drittel wurde im Verlauf einer Recherche oder aufgrund einer missliebigen politischen Überzeugung ermordet. Natürlich sei die Konvention kein umfassender Schutz, gibt er zu: „Aber sie sichert zumindest eine koordinierte internationale Reaktion.“ Lempen hofft, dass die „totale Ungestraftheit, mit der KollegInnen heute eliminiert werden“, ein Ende haben werde.
Erste positive Reaktionen „Aus offiziösen Quellen hören wir, dass unser Projekt in diplomatischen Kreisen auf Zustimmung stösst“, erklärt Lempen. Die angeschriebenen UNO-Mitgliedstaaten sollen bis März 2008 Stellung zum Konventionsentwurf beziehen. Anschliessend möchte Lempen mit seinen MitstreiterInnen eine internationale Konferenz einberufen. Ziel: Die Ratifizierung durch möglichst viele UNO-Mitgliedstaaten. Lempen verrät: Die Schweiz verfolge die Sache aufmerksam, und der lockere Zusammenschluss der französischsprachigen Staaten, die Frankophonie, sei positiv eingestellt. „Ganz wichtig für uns wird natürlich sein, die USA an Bord zu holen.“ ≠ www.pressemblem.ch Blaise Lempen, „Massacres sans témoins“, Editions Xenia, Vevey, 2007. Mit einem Vorwort von Jean Ziegler, Ehrenpräsident der „Press Emblem Campaign“.
Presse-Emblem-Kampagne: Betroffene reagieren skeptisch hb./ „Ein Presse-Emblem? Ich befürchte, dass das in den allermeisten Fällen schädlich wäre“, sagt Werner van Gent, Korrespondent von Radio DRS in Istanbul und Athen mit langjähriger Berufserfahrung in Kriegsgebieten. Die grösste Gefahr, weiss van Gent, gehe heute von Konfliktparteien aus, die eine solche Konvention ohnehin nie unterschreiben würden. „Unsere Kollegen und Kolleginnen, die jetzt noch im Irak unterwegs sind, tun dies mit einer Guerillamethode, bei der Geschwindigkeit und Nicht-Erkanntwerden die Hauptpfeiler und Garantien des Überlebens darstellen.“ André Marty, Nahost-Korrespondent des Schweizer Fernsehens in Tel Aviv, begrüsst die Initiative grundsätzlich. Alles, was die Pressefreiheit schütze, müsse unterstützt werden. Es könne auch nicht genügend auf den in der IV. Genfer Konvention verbrieften Schutz der MedienvertreterInnen hingewiesen werden.
Aber Marty zeigt sich skeptisch, was die reale Wirksamkeit einer neuen Konvention vor Ort betrifft. „Realistischerweise sind Kampagnen wie die vorliegende häufig lediglich eine Art Bewusstseinsbildung für die Chefs zuhause in den Redaktionen, die es nur selten an die ‚Front‘ schaffen.“ Er selber sei mehrfach an Checkpoints der israelischen Armee oder der Hisbollah, und insbesondere von Hamas-Sicherheitskräften, auf wenig erbauliche Weise behandelt worden, nachdem er sich – „wohl etwas naiverweise“ – auf die Pressefreiheit berufen habe. Dennoch dürfte eine primär international getragene Kampagne wie die vorliegende etwas Beachtung finden, schätzt Marty. Ganz wichtig sei jedoch, dass die Konvention die lokalen Medienschaffenden nicht aussen vor lasse. „Meine Kollegen im Gaza-Streifen werden seit der Hamas-Machtübernahme konstant bedroht und massiv an der Ausübung ihrer Arbeit behindert – was tun Kampagnen dagegen?“
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KLARTEXT NR. 1/2008 VERLAGE FOTO: ALEXANDER HESS
Gratiszeitungen
Der Müll, die Stadt und die Verleger Ob in den Zentren oder an der Peripherie: Überall macht sich Unmut breit, weil sich die Herausgeber der Gratiszeitungen nur völlig unzureichend und widerwillig an der Entsorgung des Altpapiers beteiligen wollen. Von Helen Brügger. Im äussersten Jurazipfel probt man den Aufstand. Gérard Guenat, Bürgermeister von Pruntrut, hat die Nase voll von den Gratiszeitungen. „Wir verhandeln mit den Verlegern: Entweder sie beteiligen sich an den Entsorgungskosten oder sie können ihre Boxen woanders aufstellen.“ Liegen gelassene Gratiszeitungen verschmutzen den Bahnhof und die schöne Altstadt und allzu oft wird das Altpapier, farbigen Herbstblättern gleich, von den klaren Wassern der Allaine dorfaus getragen. „20 minutes“ und „Matin bleu“ sind für die Gemeinde ein Verlustgeschäft. Heute bezahlen die Verleger hundert Franken pro Jahr für das Recht, in Pruntrut eine Box aufzustellen. „In Wirklichkeit müssten sie 500 Franken auf den Tisch legen, damit die Entsorgungskosten bezahlt sind“, rechnet Bürgermeister Guenat aus.
Konkurrenten spannen zusammen François Mudry, streitbarer Stadtpräsident des Walliser Kantonshauptorts Sitten, ging noch einen Schritt weiter als sein Kollege im Jura. Er beschloss kurzerhand, die Zahl der bewilligten Boxen auf Gemeindeboden um die Hälfte zu reduzieren. Den Preis für Boxen auf privatem Grund, deren Zeitungen auch auf Gemeindeboden liegen gelassen werden, setzte er gleichzeitig auf 500 Franken fest. Das hätte er besser nicht getan. Edipresse und Tamedia mögen zwar als Verursacher des Mülls Konkurrenten sein, wenn es aber um seine Beseitigung geht, ziehen sie am gleichen Strick. Gemeinsam legten sie Rekurs ein. Dieser habe aufschiebende Wirkung, so der Gemeindeschreiber Philippe Ducrey verärgert, „und so lange kann unser Entscheid nicht in Kraft treten“. Der Ball liegt nun beim Walliser Staatsrat. „Das kann neun bis zwölf Monate dauern.“
In Genf sind die Weichen derweil auf Konsens gestellt. Der schneidige neue Stadtrat Pierre Maudet hat als eine seiner ersten Amtshandlungen die beiden Abfallsünder zu sich bestellt: „Sie verursachen Müll“, hat er ihnen gesagt, „also bezahlen Sie auch!“ Edipresse und Tamedia seien zuerst gar nicht zufrieden gewesen, erinnert sich Maudet, doch dann hätten sie eingelenkt. Seit dem 8. Dezember läuft in Genf ein Pilotprojekt, das bis Juni dauern soll: Neben den Verteilboxen entlang der neuen Tramlinie Hauptbahnhof–Meyrin sind weitere Behältnisse aufgestellt worden, diesmal für die Entsorgung der Gratiszeitungen. Was die Kosten betrifft, machen die beiden Verlage halbe-halbe. Das Resultat der ersten Probewochen ist laut Maudet „bisher leider nicht überzeugend“. Dennoch stellt sich der Stadtrat auf den Standpunkt, dass weggeworfene Gratiszeitungen nicht einfach als Müll betrachtet werden dürfen: „Unabhängig von ihrem Informationswert haben sie einen Wert als Altpapier.“ Dass der Wert von Gratiszeitungen tatsächlich auch im Altpapier liegt, weiss Sacha Wigdorovits, der Verleger von „.ch“. Gemäss einem Bericht des „SonntagsBlick“ sollen in der Innerschweiz Tausende von Exemplaren wegen Problemen mit der Hauszustellung direkt von der Verladerampe in Altpapiercontainer entsorgt worden sein. Wigdorovits’ Lösung ist vorbildlich, denn sie verhindert, dass seine Zeitung wie die Blätter der Konkurrenz auf der Strasse landen und dort verschmutzt werden, so dass sie selbst fürs Recycling nicht mehr brauchbar sind und deshalb in der Kehrichtverbrennung landen. „Das Problem der Entsorgung von Gratiszeitungen existiert in allen grösseren
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Schweizer Städten“, sagt Urs Geissmann, Direktor des Schweizerischen Städteverbands. Er vertritt 124 Gemeinden mit über drei Millionen EinwohnerInnen. Der Verein hat das Bundesamt für Umwelt eingeschaltet und einen geharnischten Brief an den Verband Schweizer Presse geschrieben. „Entweder wir finden eine gemeinsame Lösung mit allen Verlegern, oder wir fordern eine vorgezogene Entsorgungsgebühr!“, sagt Geissmann. Eine Reaktion von Verlegerseite steht noch aus, Geissmann erwartet Vorschläge bis im Frühling. Die Verleger hätten jedoch signalisiert, sie seien bereit, das Problem zu prüfen. Geissmann denkt an eine Gebühr von ein bis zwei Rappen pro Exemplar. Bei einer Gesamtauflage der Gratistitel von 1,6 Millionen Exemplaren allein in der Deutschschweiz würde sich eine hübsche Summe zusammenläppern. Geissmanns Vorschlag stösst bei den Verlegern verständlicherweise nicht auf Gegenliebe. „Wir diskutieren mit verschiedenen Städten, wie man das Recycling verbessern und bei den Konsumenten eine verantwortungsbewusste Haltung gegenüber alten Zeitungen und Müll überhaupt entwickeln kann“, teilt Edipresse-Mediensprecherin Sylvia Wuersten ausweichend mit. Mehr Verständnis für die Nöte der städtischen Müllmänner zeigt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer. Der Verlag sei interessiert, zusammen mit Städten, Gemeinden und den öffentlichen Verkehrsbetrieben eine Lösung zu finden, heisst es in Zürich. „Wir beteiligen uns bereits in erheblichem Ausmass an den Entsorgungskosten“, betont Zimmer. Ob Tamedia bereit wäre, sich stärker als bisher an der Entsorgung zu beteiligen, ist aus Christoph Zimmer jedoch partout nicht herauszubringen.
„Grosse gesellschaftliche Leistung“ Laut Zimmer entsteht das Gratismüllproblem, wenn zu viele Zeitungen gedruckt werden und zu lange in den Boxen liegen bleiben. „Bei ‚20 Minuten‘ bleiben nur sehr wenige Zeitungen liegen und müssen zurückgenommen werden.“ Tamedia setze weiterhin auf einen seriösen und sauberen Vertrieb mit tiefer Remission und suche eine intelligente Zusammenarbeit mit den Gemeinden und dem öffentlichen Verkehr. „So können wir das Entstehen eines Altpapierproblems verhindern“, gibt sich Zimmer überzeugt. Überhaupt sei die rein finanzielle Diskussion zu kurz gegriffen. Man müsse auch berücksichtigen, dass die PendlerInnenzeitungen rund 500’000 gerade auch junge Menschen zu ZeitungsleserInnen gemacht hätten, und dass sie nicht nur zur medienpolitischen Vielfalt, sondern auch zur Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel beitrügen. „Das ist doch eine grosse gesellschaftliche Leistung.“ ≠
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Unheimliche Aktionäre Die Nachricht blieb praktisch unbeachtet: Die Westschweizer Medien- und Gesundheitsgruppe Agen Holding geriet Ende 2007 unter verstärkten Einfluss von Lincoln Vale. Steigen die spekulativen Finanzfonds jetzt auch in der Schweiz ins Medienbusiness ein? Von Helen Brügger. Mitte Dezember 2007 hat der angloamerikanische Investmentfonds Lincoln Vale seinen Aktienanteil an der Westschweizerischen Agen Holding auf 5,49 Prozent des Kapitals erhöht. Gleichzeitig hat ein weiterer Fonds, Schroders London, eine Erhöhung des Kapitals auf 4,27 Prozent bekannt gegeben. Die Agen Holding ist das gemeinsame Dach über der täglich erscheinenden Finanz- und Wirtschaftszeitung „L’Agefi“ und einem Netz von Westschweizer Privatkliniken.
„Ein Bilderbuchfall“ Spekulative Fonds im Medienbusiness jetzt auch in der Schweiz? Finanzplatzexperte und Wirtschaftsjournalist Gian Trepp sagt: „So wie das ausschaut, scheint es ein Bilderbuchfall eines Private-Equity-Investment.“ Lincoln Vale verwaltet ein Vermögen von
mehr als 13 Milliarden Dollar und investiert in Hedge Fonds und Private Equity Fonds. Solche im Bankjargon „alternativ“ genannte Investmentfonds sind in Wirklichkeit alles andere als alternativ. Der ehemalige deutsche Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) bezeichnet die „spekulativen Investitionsvehikel des angloamerikanischen Finanzkapitals“ als Heuschrecken, die in Schwärmen auftreten und weiterziehen, wenn es nichts mehr zu fressen gibt. Doch was tun solche „Heuschrecken“ bei der Agen Holding? Die Holding ist ein seltsames Konstrukt: Alain Fabarez’ Finanz- und Wirtschaftszeitung „L’Agefi“ machte im Dezember 2006 durch den Kauf der Genolier Swiss Medical Network, einer westschweizerischen Privatspitalgruppe, von sich reden. Das kleine Presseunternehmen kaufte die riesige Privatspitalgruppe
auf – in Wirklichkeit erlaubte die an der Börse kotierte Agefi-Gruppe der Spitalgruppe einfach, durch die Bildung einer Holding mit Agefi zu Vorzugskonditionen an die Börse zu gehen.
Die CVP-Connection Der Zusammenschluss wurde von Finanzspezialisten als „widernatürliche Allianz“ bezeichnet, denn zwischen dem Medienund dem Gesundheitsbereich sind keine Synergien ersichtlich. Die Agen Holding machte auch in den folgenden Monaten mehrfach von sich reden, nicht nur wegen ihrer Defizite. So etwa, als Raymond Loretan, ehemals CVP-Generalsekretär und Generalkonsul der Schweiz in New York, zum Verwaltungsratspräsidenten der Holding ernannt wurde. Oder als der frühere CVPBundesrat Joseph Deiss das Verwaltungsratspräsidium der Clinique Générale übernahm, die zur Agen-Gruppe gehört. Auf der Presse-Seite waren die News weniger spektakulär: Im September 2007 wurde Yves Claude Aubert zum neuen Verlagsdirektor ernannt, ein Mann, der von Medien weniger versteht als vom Börsengeschäft. Aubert sei Finanzmarktspezialist und habe eine Karriere an der Lausanner Börse und als Spezialist für derivative Finanzinstrumente hinter sich, kommunizier-
„Rendite und nochmals Rendite“ Für Gian Trepp, Wirtschaftsjournalist und Kenner des Finanzplatzes Schweiz, ist der Einstieg eines Investmentfonds bei den Herausgebern der Wirtschaftszeitung „L’Agefi“ kein Zufall. Auch Konzerne wie Ringier oder NZZ könnten ins Visier solcher Fonds geraten. Klartext: Bei der Agen Holding ist der angloamerikanische Investmentfonds Lincoln Vale eingestiegen. Der Fonds wird von seinem Gründer Phil Cooper, ein früherer Partner von Goldman Sachs, gemanagt. Sagt Ihnen das etwas?
FOTO: ZVG
TREPP: Ich kenne weder den Fonds noch seinen Gründer, aber ich kenne den Namen Goldman Sachs. Das ist die führende US-amerikanische Investment Bank. Wer bei denen erfolgreich arbeitet, kann in kürzester Zeit viel Geld verdienen und sich selbstständig machen. Wenn Phil Cooper bei Goldman Sachs gelernt hat, dann geht es um Rendite und nochmals Rendite.
Gian Trepp
Klartext: Wie funktionieren solche Fonds? TREPP: Hedge Fonds spekulieren im Wertpapierhandel mit ausgeklügelten Börsenstrategien, die Geschäftsstrategie ihrer Investitionsobjekte interessiert sie weniger. Private-Equity-Firmen hingegen greifen zusätzlich auch di-
rekt ins Management ein. Sie schlachten das Unternehmen aus, bauen es um, restrukturieren oder verkaufen es stückweise. Das Ziel ist nicht die Entwicklung der Firma, sondern das Hochtreiben des Aktienkurses.
Klartext: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Kapitaleintritt von Lincoln Vale, dem Rücktritt von Agefi-Gründer Alain Fabarez und der Rüge der Schweizer Börse? TREPP: Ein Zusammenhang ist schon möglich. Die Börse rügt eine unkorrekte Buchführung: die Ausgabe von Aktienoptionen an das Management, ohne diese als Personalaufwand zu verbuchen, sowie die Verwendung von nicht korrekten Bewertungsmodellen von Aktivposten. Daran haben Manager und Grossaktionäre wie Hedge Fonds oder Private-Equity-Firmen ein Interesse, weil sie von dieser kreativen Buchführung wissen und damit einen Informationsvorteil über Publikumsaktionäre bekommen.
Klartext: Wie interpretieren Sie die Geschichte vom Däumling Agefi, der den Riesen Genolier kauft?
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te die Agen Holding stolz. Und im gleichen Atemzug: Die Zeitung „L’Agefi“ solle „wieder zu einem führenden Titel der Westschweizer Wirtschafts- und Finanzpresse“ werden. Seither wartet man bei der Zeitung darauf, dass das Versprechen eingelöst wird. Dafür würde es Investitionen brauchen, schätzen Insider. Investitionen, die auf sich warten lassen. Beunruhigt ist man bei „L’Agefi“ auch, weil auf den kommenden Juni ein Umzug von Lausanne nach Genf in Aussicht gestellt wurde, bis Ende Januar dazu aber noch nicht einmal firmenintern Informationen zirkulierten. „Wir stellen uns ernsthafte Fragen“, kann man aus der Redaktion hören. Sind die Zeitung und die mit ihr verbundenen Magazine bedroht, sollen sie verkauft werden? „Wir würden gerne wissen, wohin die Reise geht!“
sind, weiss auch Valette nicht: „Bis zum heutigen Tag habe ich keinen einzigen Hinweis darauf, ob ein Verkauf des Bereichs Presse geplant oder nicht geplant ist“, sagt er vorsichtig.
Der Gründer tritt ab Wie ein Blitz schlug Mitte Januar, einen Monat nach dem Kapitaleintritt von Lincoln Vale, die Nachricht vom Rücktritt des Agefi-Gründers und langjährigen Alleinbesitzers Alain Fabarez aus dem Verwaltungsrat der Holding ein. Der Rücktritt von Fabarez, dem historischen Patron des Bereichs Presse, nährt die Befürchtungen, dass die Tage der Agefi innerhalb der Holding gezählt sein könnten. Gleichzeitig erfuhr die Finanzwelt von einem Arrangement zwischen der Agen Holding und der Schweizer Börse SWX. SWX rügte eine unkorrekte Buch-
„L’Agefi“: Relaunch oder Verkauf?
führung der Agen Holding, worauf sich diese bereit erklärte, die Mängel rückwirkend zu korrigieren und offenzulegen. Fragt man Raymond Loretan, den Präsidenten der Agen Holding, warum Fabarez ausgeschieden sei, erfährt man ausser der diplomatischen Formel „tiefgreifende Divergenzen über die Strategie der Holding“ nichts. Wer weiterbohrt, ob zwischen dem Kapitaleintritt von Lincoln Vale und dem Rücktritt von Fabarez ein Zusammenhang bestehe, wird ebenso höflich auf eine auf mehrere Wochen später versprochene Pressekonferenz verwiesen: „Als an der Börse kotiertes Unternehmen haben wir die Pflicht, alle Medien gleich zu behandeln.“ Und weil, diesmal gemäss Aussagen von Alain Fabarez in der „Liberté“, zwischen Fabarez’ Rücktritt und der Börsenrüge ebenfalls kein Zusammenhang bestehe, bleibt man auf seinen Vermutungen sitzen. Immerhin bestätigt Loretan, dass Lincoln Vale ein wichtiger Aktionär sei und seine Rolle als Aktionär auch wahrnehme. ≠ FOTO: NICK LÜTHI
Eric Valette, Direktor der Abteilung Presse, beruhigt. Das Redaktionspersonal würde Mitte Februar informiert, und bis dahin könne man vielleicht sogar eine gute Nachricht kommunizieren: „‚Agefi‘ könnte wieder in den schwarzen Zahlen sein!“ Der Umzug nach Genf und ein Relaunch für die Wirtschaftszeitung würden vorangetrieben. Doch was die wirklichen Pläne der Holding
TREPP: Der Fall scheint ein Bilderbuchfall für ein PrivateEquity-Investment: Fabarez diversifiziert vom Mediengeschäft ins Privatspitalbusiness. Lincoln Vale beteiligt sich. Der neue Präsident Loretan kommt. Das Management bekommt Aktienoptionen, die werden nicht als Personalaufwand verbucht; das ist eine typische Abzockerei, die von aussen nicht sichtbar ist. Dann bewerten sie ihre Aktiven falsch und stellen sich besser oder auch schlechter dar, als sie es nach den Regeln der christlichen Buchhaltung bewertet tatsächlich sind. Dann kann der Mann, der die Heuschrecken geholt hat, sich nicht durchsetzen und muss wohl oder übel gehen.
Klartext: Was ist an Agen interessant für Lincoln Vale? TREPP: Offenbar gilt sie als interessantes Objekt, sicher weniger wegen den Printprodukten als wegen den Privatspitälern. Man kann folgende, vielleicht spekulativen Überlegungen anstellen, die jedoch nicht ganz unplausibel sind: Raymond Loretan, Präsident der Holding, war
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früher CVP-Generalsekretär. Als ehemaliger Diplomat hat er in Bundesbern beste Beziehungen. Etwa zu Parteikollegin Doris Leuthard. Oder, als Walliser, zu Pascal Couchepin, dem Gesundheitsminister. Leuthard ist eine Neoliberale und Couchepin will das Gesundheitswesen deregulieren. Das ist mit Sicherheit eine höchst interessante Konstellation für private Investitionen im Privatspitalsektor. Wenn Ex-CVP-Bundesrat Joseph Deiss das VR-Präsidium einer Agen-Klinik übernimmt, passt das gut ins Bild.
Klartext: Das heisst, dass die Fonds nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch die Fäden ziehen? TREPP: Private Equity strebt nach wirtschaftlichem Maximalprofit. Im Bereich der Sicherheit oder Medien kommen auch politische Überlegungen ins Spiel. Beispielsweise verbot die US-Regierung einem chinesischen Private-EquityInvestor den Kauf des US-Ölkonzerns Unocal. AmerikaniFortsetzung Seite 30
30 | VERLAGE | KLARTEXT | NR. 1/2008 sche Private-Equity-Fonds unter Federführung von Haim Saban haben vor einigen Jahren ProSiebenSat.1 gekauft. Saban wollte eine Fusion mit Springer herbeiführen, die zur Bildung eines rechts stehenden Medienkonzerns geführt hätte. Wenn die Fusion geglückt wäre, wäre ein deutsch-amerikanischer Konzern entstanden, der, wer möchte daran zweifeln, für den Irak-Krieg gewesen wäre.
Klartext: In der Schweiz sind Fonds in den Medien bisher wenig aktiv, abgesehen von der kurzen Episode, als Swissfirst bei der Jean-Frey-Gruppe das Sagen hatte. Weshalb? TREPP: Die Schweizer Medienlandschaft ist noch immer durch grosse Familienverlage gekennzeichnet, und für ein privates Fernsehbusiness, das seinen Namen verdient, sind die sprachregionalen Märkte zu klein. Es ist kein Zufall, dass die Agen Holding als eines der ersten Schweizer Medienunternehmen ins Visier einer Private-Equity-Firma geraten ist. Bei denen geht es immer um eine reine Finanzstrategie, die nicht auf Ausbau und Entwicklung setzt, sondern auf maximale Rendite in minimaler Zeit. 20 Prozent Gewinn pro Jahr ist die Richtzahl.
Klartext: 20 Prozent Rendite im Medienbusiness? TREPP: Diese Renditevorstellung kommt nicht aus der Realwirtschaft, sondern aus der Finanzwirtschaft. Wenn ein Fonds in einen Medienkonzern einsteigt, wird er versuchen, ihn umzubauen und damit einen Hype zu schaffen. Gerade im Mediensektor sind die Köpfe der Beschäftigten das Kapital. Wenn beispielsweise eine Webseite
oder ein neues TV-Format einschlägt, kann das Milliardenprofite bringen. Wenn dann die politischen Freunde von Agen das Gesundheitswesen dereguliert haben, kommt noch der Hype im Gesundheitswesen dazu.
Klartext: Ist zu befürchten, dass solche Fonds auch bei Familienverlagen einsteigen?
„Bei Ringier mit einer ungelösten Nachfolgerfrage oder bei der führungslosen NZZ könnten die Heuschrecken theoretisch kommen.“
TREPP: Ein konservatives Familienunternehmen hat in der Regel noch andere Interessen als nur den Profit. Etwa, dass der Verlag an die Nachkommen gehen kann. Dafür sind die Verleger oft bereit, auf viel unmittelbaren Profit zu verzichten. Bei Tamedia übernahm mit Pietro Supino unlängst eine neue Generation das Ruder. Den Charakter eines Familienunternehmens hat Tamedia wieder gestärkt, indem die Familie ihren Aktionärsbindungsvertrag verlängert hat. Bei Ringier hingegen mit einer ungelösten Nachfolgerfrage oder bei der führungslosen NZZ könnten die Heuschrecken theoretisch kommen – es hängt alles von der Kapitalstruktur ab, davon, wie solide die Mehrheitsbeteiligungen sind. Die Private-Equity-Firmen kommen nur, wenn sie direkt auf Firmenstrategie und Management Einfluss nehmen können. ≠ Helen Brügger sprach mit Gian Trepp am 26. Januar.
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KLARTEXT NR. 1/2008 INTERNATIONAL
Werbeverbot
„Kulturrevolution“ Nicolas Sarkozys Vorschlag, das öffentliche Fernsehen Frankreichs künftig werbefrei zu halten, stürzt all jene in ein Dilemma, die schon immer ein Werbeverbot gefordert haben. Von Nick Lüthi. Medienpolitik war für Nicolas Sarkozy bisher vor allem eine Angelegenheit unter Freunden: Martin Bouygues, Besitzer des privatisierten Senders TF1, ist Taufpate von Sarkozys Sohn. Vincent Bolloré, Gründer des TV-Kanals Direct8, sponsert die präsidialen Familienausflüge auf der Luxusjacht im Mittelmeer oder den Trip mit Carla Bruni nach Luxor. Umso unvermittelter kam am 8. Januar Sarkozys Vorschlag zu einer „Kulturrevolution“ der Fernsehlandschaft: „Das öffentliche Fernsehen existiert, weil es eine besondere Aufgabe hat. Deshalb wünsche ich, dass ein totales Werbeverbot für die öffentlichen Sender eingeführt wird.“ Künftig sollen sich die sechs öffentlichen Programme über Empfangsgebühren sowie Steuern auf den Werbeeinnahmen der Privaten und auf den Umsätzen von Internet- und Mobilfunkanbietern finanzieren. Kulturministerin Christine Albanel, die eigentlich für die Medienpolitik zuständig ist, war über die Pläne nicht ins Bild gesetzt worden. Das sollte sie jedoch nicht daran hindern, den Ball spontan aufzunehmen und auf ihre Weise weiterzuspielen: „Die Diktatur der Quote wird jetzt beendet.“ Eine Forderung, die bisher besonders von linker Seite immer wieder erhoben wurde, scheint nun plötzlich in Erfüllung zu gehen. Doch Sarkozy war in den Augen der meisten BeobachterInnen der falsche Absender für die frohe Botschaft. So überrascht es nicht weiter, dass dem Präsidenten für seinen Vorschlag zur klaren Rollenteilung von öffentlichem und privatem Fernsehen nicht etwa spontane Zustimmung entgegenschlug. Kaum ein Kommentator, der im Werbeverbot ein positives Signal erkennen konnte. Dazu gab es bei einem Blick auf die Aktienkurse der privaten Fernsehunternehmen von Sarkozys Freunden auch wenig Grund. Die Titel von TF1 und M6 setzten nach der präsidialen Ansprache zu Höhenflügen an und schienen damit zu bestätigen, womit BeobachterInnen von links bis rechts rechneten: Unter dem neuen Regime würde das öffentliche Fernsehen geschwächt und mittelfristig gar die Privatisierung eines weiteren Kanals unumgänglich. Überraschenderweise stimmte einer nicht in diesen Chor ein: Patrick de Carolis, Chef der öffentlichen Sendergruppe France Télévisions, reagierte am 17. Januar mit ei-
nem Beitrag in „Le Monde“, wo er nicht etwa Sturm lief gegen die drohende Schwächung seiner Programme, sondern den Schritt in die Werbefreiheit begrüsste. Für wie toll er die Aussicht auf eine werbefreie Zukunft tatsächlich hält, darüber kann man bei der Lektüre seines Plädoyers für einen starken Service public („Pour que vive le service public!“) nur mutmassen. De Carolis erweckt den Eindruck, als füge er sich dem wohl unabwendbaren Schicksal und versuche nun das Beste daraus zu machen, indem er die Flucht nach vorn antritt. Aus der „idée ambitieuse“ könne durchaus eine „grande idée“ werden, hält der Fernsehchef fest. Allerdings nur dann, wenn die wegfallenden Mittel mit dem neuen Finanzierungsmodell tatsächlich kompensiert würden. Ausserdem müssten die Programme von France
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Télévisions über sämtliche Netze (Digitalfernsehen, Internet, Mobilfunk) verbreitet werden können, wie dies heute bei der BBC in Grossbritannien der Fall ist. Dass der Vorschlag Sarkozys quer in der Landschaft steht, zeigen Reaktionen aus dem In- und Ausland. Die französische Werbeindustrie ist wenig begeistert von der Aussicht, in Zukunft nur noch fürs Privatfernsehen arbeiten zu dürfen. Attraktive Zielgruppen, wie etwa Besserverdienende und über 50-Jährige, würden so wegfallen. Und in Deutschland sind es nicht die Parteifreunde Sarkozys, die sein Modell aufnehmen: Ende Januar forderten die SPD-Fraktionen im Bundestag und in den Parlamenten der Bundesländer, ARD und ZDF sollten ein Konzept vorlegen und zeigen, wie sie in Zukunft auf Werbung in ihren Programmen verzichten können. In der Schweiz hat sich Gilles Marchand, Direktor des Westschweizer Fernsehens, in einem Beitrag für „Le Temps“ ausführlich mit Sarkozys Vorschlag befasst und kommt sehr schnell zu einem sehr klaren Schluss: In einem Land ohne starke Privatsender, deren Werbeeinnahmen lukrativ besteuert werden könnten, ergibt eine Revolution à la française null Sinn. ≠
TV5 Monde
Bald Sarkozys Stimme? hb./ „Des projets il y en a“ (Projekte gibt es viele), sagen die französischen Bauern und deuten damit ihr Misstrauen gegenüber allem an, was „von Paris oben“ kommt. Nun, Präsident Sarkozy hat viele Projekte. So auch, die Stimme der Frankophonie in der Welt, den TV-Sender TV5 Monde, umzukrempeln. Belgien, Kanada, Quebec und die Schweiz gehen auf die Barrikaden. Gemeinsam mit Frankreich verbreiten diese Länder ihre Infosendungen über den Kanal, der in über 200 Ländern und 176 Millionen Haushalten empfangen werden kann. Das Fernsehen wird geleitet von einem gemeinsamen Gremium aller beteiligten Länder. Auch finanziert wird die Sache gemeinsam. Die SRG etwa hält 11,11 Prozent der Aktien und beteiligt sich mit 7,5 Millionen Franken pro Jahr an der Finanzierung. Doch nun soll TV5 Monde zusammen mit zwei andern Sendern unter das Dach einer Holding gestellt werden. Es sind dies der neue TV-Kanal France 24, der bereits heute rund um die Uhr in englischer Sprache sendet, sowie Radio France Internationale. Das Ziel ist ein internationaler Sender,
so verbreitet und geachtet wie CNN oder BBC World. Nur könnte kleinlicher Nationalismus das grosse Projekt köpfen. Denn die Holding soll France Monde genannt werden, was Frankreichs Partnern sauer aufstösst. Sollen sie entmachtet werden? Soll die Stimme der Frankophonie in der Welt zur alleinigen Stimme des gallischen Hahns werden? France Monde hat zum erklärten Ziel, die Ausstrahlung Frankreichs in der Welt über die Sender TV5 Monde, France 24 und RFI zu fördern. Nun haben sich Belgien, Kanada, Quebec und die Schweiz auf einen Forderungskatalog geeinigt: TV5 Monde muss seine redaktionelle Unabhängigkeit und eigene, multilaterale Leitungsstruktur behalten, weiterhin die Infosendungen der anderen frankophonen Länder ausstrahlen und die Kontrolle über sein beeindruckendes Vertriebsnetz behalten. Ein Vertriebsnetz, das sich der von Sarkozys Parteikollege und Vorgänger Chirac initiierte Sender France 24 gerne unter den Nagel reissen würde. Zwischen dem Forderungskatalog der Partner und dem französischen Projektentwurf gäbe es „einige Differenzen“, verrät Catherine Noyer vom Westschweizer Fernsehen TSR: „Zurzeit wird Punkt für Punkt verhandelt.“ Und der Zeitrahmen für die Verhandlungen? „Im Lauf des Frühjahrs möchten wir das Projekt bereinigt haben.“ ≠
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HARRI HOLZER Uff!!! Sind das nicht immer die schönsten TVMomente? – Wenn Moderatorinnen oder Moderatoren zur Abspannmusik der Sendung stumm gewichtige Gesten vorturnen: die Notizzettel püschelen, mit dem Kugelschreiber noch etwas chripslen oder mit der Kollegin von „10 vor 10“ angeregtes Plaudern mimen. Am 21. Januar aber trug sich Historisches zu, Ungesehenes, Unerwartetes. Rainer Maria Salzgeber, an diesem denkwürdigen Abend Moderator von „EURO 2008 – Das Magazin“ auf SF 2, machte sich am Laptop zu schaffen. Richtig, an genau jenem Laptop, der seit der Neudekoration des Sportstudios so schmuck wie unnütz auf der spektakulären weissen Moderationstheke liegt. Gut, der Bildschirm wirkte ein bisschen sehr dunkel und nicht richtig betriebsbereit, aber was solls. Schon seit Monaten starrt unsereiner bei Sportsendungen kaum noch etwas anderes an als dieses Designerkästchen; fragt sich, wozu es da immer so zugeklappt und unbenutzt herumliegt. Es war beinah schon eine Obsession, denn natürlich wurde man vom Gedanken gemartert, just dann, wenn man mal eine Sportsendung verpasse – und das kommt durchaus vor, auch wenn die Unvergleichliche, mit der man Leben, Wohnung und TV-Gerät teilt, das kaum glauben mag –, genau dann also würde die geschätzte Regula Späni mit beiläufiger Geste den Compi aufklappen und ganz kompetent etwas Wichtiges vordemonstrieren. Unerträglich die Idee, genau diesen Moment zu verpassen. Und so eine Obsession kann sich, man muss es im Nachhinein zugeben, ja durchaus negativ auf die Anzahl der Sozialkontakte auswirken. Dank Rainer Maria, der nicht nur Salzsondern jetzt auch Trostgeber – ja fast können wir sagen: Erlöser – ist, wissen wir: Das weisse Klappding ist für nix. Zum Spielen vielleicht. Und tatsächlich hats Sascha Ruefer dem Kollegen Dingsgeber am Tag darauf nachgemacht und den Laptop auch ein bisschen sinnlos aufund zugeklappt. Schön, denn jetzt kann man die eine oder andere Sportsendung – die Unvergleichliche, mit der man Leben, Wohnung und TV-Gerät teilt, mag das kaum glauben – ganz beruhigt einfach auslassen. Uff!!
„Quotenhuren im Vollrausch“ nil./ Das Thema trifft den Nerv der Zeit – und ebenso jenen eines leitenden Redaktors beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen Deutschlands. Bereits Monate bevor das Buch „Die Tagesshow“ im letzten Oktober überhaupt in den Handel gekommen war, empörte sich Kai Gniffke, Chefredaktor ARD aktuell, öffentlich in seinem Blog. Er sah sich und seine RedaktorInnen bei „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ von einem Medienkritiker verunglimpft als „imperialistische Kriegstreiber, Büttel des Grosskapitals, elende Ami-Schergen und fussballgeile Quotenhuren im chauvinistischen Vollrausch“. Die harsche Reaktion provoziert hatte Walter van Rossum mit einem Feature im Deutschlandfunk. Für den Radiobeitrag und die spätere Buchveröffentlichung zum selben Thema hatte der promovierte Romanist und langjährige Journalist (WDR, Deutschlandfunk, „Die Zeit“) Ende 2006 den MacherInnen der „Tagesschau“ ein paar Tage bei der Arbeit zugeschaut. Und van Rossum lässt kein gutes Haar an der meistgesehenen Nachrichtensendung Deutschlands. Nichts ausser „ideologischer Massarbeit“ werde da allabendlich abgesondert. Etwa dann, wenn bei der Berichterstattung über den Irak-Krieg konsequent die Zahl der getöteten US-Soldaten, nie aber die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung rapportiert würden. Oder wenn die „Tagesschau“ über Jahre einen Krieg gegen den Iran als realpolitische Option darstelle. Nicht, dass sich die „Tagesschau“ damit zur Kriegspropagandistin mache, hier werde einfach den Vorgaben der politischen Mitte gefolgt, urteilt van Rossum. Der Buchautor kontrastiert seine Fundamentalkritik mit O-Tönen von verantwortlichen Redaktionsmitgliedern. „Tagesschau“Chefredaktor Gniffke kann sagen, was er will: über die Recherche als Basis aller Nachrichtenarbeit, über ein pragmatisches Verständnis von Journalismus. Nichts davon lässt van Rossum gelten. Keine einzige Ausgabe der „Tagesschau“ halte Gniffkes eigenen Massstäben stand, so das ebenso harte wie absolute Urteil. Doch welche Massstäbe setzt van Rossum an seine eigene Arbeit an? Auf den ersten Blick gewinnt der Leser den Eindruck, hier halte einer die hehren Tugenden des Nachrichtenjournalismus hoch und messe die Fernsehleute daran – und nur daran. Doch mit zunehmender Dauer
der Lektüre wird man den Eindruck nicht los, dass hier einer entlang seiner eigenen politischen Agenda argumentiert. Denn was er nicht sehen will, blendet er geflissentlich aus. Wenn in den „Tagesthemen“ die Sperranlagen, mit denen Israel sein Territorium von den Palästinensergebieten abtrennt, als „Zaun“ bezeichnet werden, dann wittert van Rossum ideologisierten Sprachgebrauch. Eine Mauer sei das. Punkt. Und ob eigentlich jemand studiert haben müsse, um das zu sehen, polemisiert er. Wenn aber 90 Prozent der Sperranlagen tatsächlich aus Draht und nicht aus Beton bestehen, wie soll eine Nachrichtenredaktorin dann das Ding nennen? Zaun oder Mauer? Van Rossum muss sich nicht wundern, wenn ihm in manchen Buchrezensionen selbst ideologische Voreingenommenheit vorgehalten wird. Wenn er aber gleich eine Verschwörung wittert und die schreibenden JournalistInnen in den gleichen Topf mit den „unfähigen“ FernsehmacherInnen wirft, dann zeugt dies von einem wenig souveränen Umgang mit der berechtigten Kritik an seiner Kritik. Ebenso wenig souverän ist indes auch die Reaktion von ARD-aktuell-Chef Gniffke. Er hielt es nicht für nötig, auch nur im Ansatz inhaltlich auf van Rossums Beobachtungen in seiner Redaktion einzugehen. Was aber nicht heisst, dass damit die Debatte frühzeitig beendet wäre. Gerade weil der Autor sein Buch so scharf (und manchmal eben auch scharf daneben) formuliert hat, diskutiert nun ein Teil der Blog-Gemeinde im Internet munter, was man von der „Tagesschau“ eigentlich halten solle. Walter van Rossum: „Die Tagesshow – Wie man in 15 Minuten die Welt unbegreiflich macht“. Kiepenheuer & Witsch, 2007, 197 Seiten.
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Grippe dank Gratiszeitungen? bbü./ Gefährden „20 Minuten“, „News“, „.ch“ und „Heute“ die Gesundheit? Denkbar. Denn in Grippezeiten wie diesen können nebst Direkt-Husten-Angriffen auch Dinge, auf die Menschen husten und die andere danach zur Hand nehmen, zur Infektionsquelle werden. „Einen Gedanken ist es wert“, sagt Professor Robert Steffen, Leiter der Abteilung Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten am Institut für Sozialund Präventivmedizin der Universität Zürich auf KLARTEXT-Anfrage – und lacht. Bei gewöhnlichen Grippeviren verlaufe die Ansteckung von Mensch zu Mensch über Tröpfcheninfektion, und es brauche wahrscheinlich einen direkten Übertritt solcher Tröpfchen in die Schleimhaut: „Deshalb soll man ja auch immer die Hände vor den Mund halten, wenn man hustet. Reicht nun jemand, der in seine Hand gehustet hat, diese einem Mitmenschen, der sich dann die Augen reibt, ist es möglich, dass so ein Virus übertragen wird. Denkbar ist auch, dass jemand mit Tröpfchen an der Hand einen Türknopf oder eben eine Zeitung berührt und jemand, der dann dieselbe Stelle berührt, in Kontakt mit dem Virus kommt. Aber das sind doch eher theoretische Überlegungen.“ Nun ist es ja nicht so, dass man sich beim Lesen der Gratiszeitungen häufig erstaunt die Augen reiben muss. Insofern ist das Gefahrenpotenzial extrem niedrig. Wer aber ganz sicher gehen will, hält sich an folgende Regel: lieber frische Pendlerzeitungen aus dem Verteilkasten als gebrauchte Exemplare. Das dürfte insbesondere „News“, „.ch“ und „Heute“ einen ungeahnten Hype bescheren – schliesslich liegen die auch tagsüber noch massenhaft im Kasten.
Radio Berneroberland nil./ Da staunt der Radiohörer: Störungsfreier Empfang des Programms von Radio Berner Oberland BeO bis weit ins Berner Mittelland. Sogar hinter der ersten Jurakette erfährt man die neusten Lokalnachrichten aus Interlaken, Gstaad und Thun. Gemäss Konzession würde das Sendegebiet von Radio BeO nur bis in die Agglomeration Bern reichen. Sendeleiter Martin Mürner zeigt sich von der Grösse des Empfangsgebiets nicht überrascht. „Ra-
diowellen haben je nach Wetterlage keine Grenzen“, weiss Mürner. Er könne bei sich im Berner Oberland manchmal auch Radio Regenbogen aus Mannheim hören. Tatsächlich treten bei Inversionslagen sogenannte troposphärische Überreichweiten auf. Bis zu 1000 Kilometern weit werden bei solchen Wetterlagen die Wellen getragen. Nach Angaben des BAKOM liegt der Grund für den guten Empfang von Radio BeO in weiten Teilen des Kantons Bern jedoch weniger beim Wetter als vielmehr bei der neuen Sendeanlage auf dem Niesen. Seit Ende 2007 sendet BeO vom 2364 Meter hohen Voralpengipfel. Da zwischen Niesen und Jura kein topografisches Hindernis die Ausbreitung der Ultrakurzwellen behindert, erzielt BeO diese sagenhafte Überreichweite. Allerdings nimmt mit zunehmender Entfernung vom Sender die Signalstärke ab. Das merkt aber nur, wer ein Messgerät in der Hand hält. Ein handelsüblicher UKW-Empfänger registriert diese Abschwächung kaum, zumal im Umfeld der BeO-Frequenz von 88,8 Megahertz keine anderen Programme den Empfang beeinträchtigen. So wurde aus Radio Berner Oberland – praktisch unbemerkt – ein Radio Bernerland. Zumindest inoffiziell, denn auf eine Überreichweite hat ein Sender weder Anspruch, noch kann er sie schützen lassen. „Das BAKOM könnte die Frequenz auch einem anderen Radio vergeben“, weiss BeO-Chef Mürner.
Abonnent profitiert von Sparmassnahme nil./ Die beiden noch verbleibenden Tageszeitungen der Bundesstadt veröffentlichen seit Mai 2006 ein und denselben Sportteil. Eine Sparmassnahme. Sparen kann nun offenbar auch, wer sowohl „Bund“ als auch „Berner Zeitung“ abonniert hat. KLARTEXT kennt einen Doppelabonnenten, dem der Verlag 10 Prozent Rabatt auf den Abos beider Titel gewährt, nachdem er sich über die Wertminderung des Doppelpacks „Bund“/„Berner Zeitung“ nach Einführung des gemeinsamen Sportteils beschwert hatte. Lanciert Tamedia/Espace damit einen neuen Trend? Nach dem Motto: Auch die KundInnen sollen von den Sparmassnahmen profitieren, nicht nur die Aktionäre? Leider ist das Gegenteil der Fall; wer sich nicht beschwert wie Leser X, bezahlt seit Anfang Jahr für die beiden Zeitungen je sechs Franken mehr pro Jahr.
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KLARTEXT Das Schweizer Medien-Magazin Nr. 1, Februar 2008, 28. Jahrgang Erscheint sechsmal im Jahr. REDAKTION Nick Lüthi, Monbijoustrasse 33, Postfach 478, 3000 Bern 14, Tel. 031 382 45 57, Fax 031 382 04 65. E-Mail: redaktion@klartext.ch www.klartext.ch (Passwort für gesicherte Texte ab 13. Februar 2008: bakom) Redaktionelle Mitarbeit Helen Brügger, helen.bruegger@infomaniak.ch, Tel. 079 543 46 06. Bettina Büsser, buesser@presseladen.ch, Tel. 044 363 08 88. Cyrill Pinto, cyrill.pinto@bluewin.ch, Tel. 079 542 28 63. Edzard Schade, e.schade@ipmz.unizh.ch, Tel. 044 242 83 73. Produktion: Irmgard Imstepf, redaktion@klartext.ch HERAUSGEBERIN Stiftung KLARTEXT, Marianne Erdin Garbagnati, Postfach 478, 3000 Bern 14. Stiftungsrat: Marianne Erdin Garbagnati (Präsidentin), Ursula Ganz-Blättler, Judith Huber, Rolf Hürzeler, Peter Meier, Emil Müller, Adrian Scherrer. VERLAG Stiftung KLARTEXT, Bernhard Ott, Postfach 36, 8201 Schaffhausen, Tel. 052 633 08 33, Fax 052 633 08 34. E-Mail: sh-az@bluewin.ch ABONNEMENTE Stiftung KLARTEXT, Manfred Müller, Postfach 36, 8201 Schaffhausen, Tel. 052 633 08 33, Fax 052 633 08 34. E-Mail: abo@klartext.ch Bezugspreise für die Schweiz: Privat-Jahresabonnement: Fr. 80.– Geschäfts-Jahresabonnement: Fr. 150.– Jahresabonnement für Personen in Ausbildung: Fr. 50.– Alle Preise inkl. 2.4 % MWSt. Bezugspreis für das Ausland: Jahresabonnement: Fr. 90.–. ANZEIGEN Johann WieLand, Seefeldstr. 139, Postfach, 8034 Zürich, Tel. / Fax 044 381 98 70. DRUCK Unionsdruckerei / subito AG, Platz 8, 8200 Schaffhausen, Tel. 052 634 03 46, Fax 052 634 03 40. COPYRIGHT © 2008 by Stiftung KLARTEXT. Texte: Nachdruck, auch auszugsweises Kopieren, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Illustrationen: Alle Rechte bei den Urheberinnen und Urhebern.
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Was andere können … hb./ „Le Temps lui donnera raison“, hiess es unter einem Plakatbild von Nelson Mandela eines Tages Anfang 1998. Eine neue Zeitung war geboren, „Le Temps“, als überregionale Qualitätszeitung für die Westschweiz konzipiert. Das linksliberale Versprechen der Werbekampagne – die Zeit wird Sozialrevolutionären, Träumern und Dichtern recht geben – konnte nicht über die ersten Jahre der Defizite hinweg gerettet werden; heute ist „Le Temps“ die Zeitung der Wirtschaft, brav und angepasst. Dennoch schwelt noch immer ein Feuer in der Redaktion, und am 4. Februar loderte es hell auf: 60 Frauen, von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey bis zur ehemaligen Lausanner Bürgermeisterin Yvette Jaggi, haben mit den Redaktorinnen eine Sondernummer zum 10. Geburtstag von „Le Temps“ gestaltet. Aktuell und anders, ein Genuss. Doch wer den Beweis brauchte, dass Frauen anders Politik, anders Geschäfte und eben auch anders Zeitung machen, musste nicht auf „Le Temps“
warten: Der links-alternative „Le Courrier“ aus Genf wird jedes Jahr zum 8. März ausschliesslich von Frauen gestaltet.
Geschenke zum Ringier-Geburtstag bbü./ Ringier feiert. 175 Jahre alt ist das Unternehmen, und es hat sich zu diesem Geburtstag auch ein schönes Jubiläumsbuch geschenkt: „Ringier bei den Leuten“ von Karl Lüönd. Zu den Festivitäten und Geschenken gehört auch ein Online-Spiel namens „Destination Ringier“ – und das läuft offenbar unter dem Motto „SWISS bei den Leuten“. Wer sich nämlich bei diesem Spiel anmeldet, das mit Kuh, Edelweiss, Matterhorn, Jutzern und Muhen aufs Schweizerischste daherkommt und vor allem nach Schweizer Tourismusinfos fragt (Partner von Ringier sind dabei Schweiz Tourismus und eben die Fluggesellschaft SWISS), muss bei der Registrierung auch „Ihr Flughafen“ auswählen. Und kaum ist die Wahl zwischen Zürich, Basel
und Genf getätigt, erscheint – schwupps – in einem weiteren Feld ein Kreuzchen, nämlich bei „Abonnieren Sie den aktuellen SWISS Newsletter“. Besten Dank auch. Dafür bietet Karl Lüönds Ringier-Buch viel Information über die Geschichte des Unternehmens – und einige hübsche Trouvaillen. So beschreibt Lüönd etwa, wie die Verleger Anfang der 1960er-Jahre das aufkommende Fernsehen als Bedrohung erlebten. „Sie reagierten, wie man damals, als Kartelle noch landesüblich und Machtintrigen salonfähig waren, eben auf Herausforderungen reagierte. In streng geheim gehaltenen Verhandlungen knobelte der Verlegerverband mit der SRG ein Regulativ aus, das gegen Zahlung eines jährlichen ‚Lösegelds‘ von zwei Millionen Franken wenigstens die Einführung der Fernsehwerbung verzögern sollte.“ Irgendwie kommt einem das damalige Verhalten von Verlegern und SRG – gerade jetzt, wo die Radio- und TV-Konzessionen mit Gebührenanteil vergeben und vielerorts von Verlegern beantragt werden – schon sehr bekannt vor.
in Topf eins, aufgesetzt vor langer Zeit, immer wieder ergänzt mit Sellerie, Maggikraut, Rüebli, Lauch, Kabis, Fleisch und hie und da einem neuen Gewürz, seit kurzem sogar Curry. Menü zwei: Eine Pastinaken-Catfish-Marronisuppe mit Morcheln simmert in Topf zwei leise vor sich hin. Menü drei: Spaghettisauce köchelt in Topf drei: Tomaten, Hackfleisch, Peperoni, Oregano, Basilikum, Knoblauch (nicht zu viel!). Einst, erinnert sich ein alter Küchengehilfe, wurde Harissa in die Sauce gegeben, heute tuts auch weisser Pfeffer. Menü vier: Die Bouillon in Topf vier brodelt heftig. Eine Essenz aus allen wichtigen Zutaten, hat Chefkoch M. gesagt, als der Topf vor kurzem ganz neu aufgesetzt wurde. Seither fliegt Zutat um Zutat hinein. Nur Wasser hat bisher niemand nachgegossen.
ge Stammgäste haben sich beschwert, die Beilage schmecke anders. Vom Personal haben sie erfahren, dass der Vollrahm, der vorher dafür verwendet wurde, nun im Menü vier eingesetzt wird. Dafür hats wieder Kabis im Eintopf. Menü zwei: Nicht ausverkauft. Manche MorchelliebhaberInnen mögen keine Buchstabenpasta. Manche BuchstabenpastaliebhaberInnen mögen keine Morcheln. Menü drei: Beinahe ausverkauft. Eine tamilische Hilfskraft hat nachgewürzt, einige KundInnen haben sich beschwert und wollen künftig Menü eins bestellen. Andere verlangen Nachschlag. Menü vier: Nicht ausverkauft. Topf vier brodelt, die Bouillon ist nun sehr konzentriert. Niemand hat Wasser nachgegossen.
MITTAG Menü eins: Ausverkauft. Neu ist Menü eins ohne Kabis. Denn kürzlich hat sich die interne Ernährungsberatung gegen Kabis im Eintopf entschieden: „Das gibt Blähungen, die zu unschöner, nicht mehr beliebter ‚Musik‘ führen.“ Menü zwei: Nicht ausverkauft. Der Koch bereitet eine handgemachte Buchstabenpasta-Einlage vor. Menü drei: Ausverkauft. Auch heute haben sich wieder mehrere Gäste beschwert, die Peperoni in der Tagesmenü-Spaghettisauce seien zu weich. „Mehr Biss, härter“, haben sie gefordert. Menü vier: Nicht ausverkauft. KundInnen, die wenig Zeit haben, schätzen das neue Bouillon-Angebot. Der Topf kocht, niemand hat Wasser nachgegossen.
. T. STUDHALT
ABEND Menü eins: Ausverkauft. Eini-
FOTO: SR DRS/E
VORMITTAG Menü eins: Ein währschafter Gemüse-Siedfleisch-Eintopf kocht
ER
IN DER DRS-KANTINE MIT …
SPÄTNACHTS Menü eins, zwei, drei: Reduziertes Feuer unter den Töpfen eins, zwei und drei; Eintopf, Suppe und Sauce werden für den nächsten Tag warm gehalten. Menü vier: Das Feuer unter dem Bouillontopf brennt weiterhin auf Höchststufe. Niemand hat Wasser nachgegossen. Es riecht an-, sogar ausgebrannt. Qualm schlängelt sich aus dem Topf, verteilt sich in der Kantinenküche. AUFZEICHNUNG: bbü Wird der Feueralarm funktionieren?
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