KölnerLeben Oktober/November 2019

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Leben in Köln

und 70er Jahren schon lange nicht mehr. Aber das Naschen am Scho­ koladenbrunnen und das Sitzen im Museumscafé mit Blick auf den Rhein waren dann doch den Nachmittag wert. Für beide. Auch Helmut Ortseifen ist seit Jahresbeginn ein regelmäßiger Beglei­ter von Christel Esser. Die beiden waren schon bei einem Vortrag im WDR oder haben sich im Po­ lizeipräsidium einen Auf­ t ritt des Kölner Altentheaters angesehen. Auch Konzerte be­ suchen sie, ob­ wohl die Geschmäcker verschie­den sind. „Es ist gut, etwas Un­bekanntes ken­ nenzulernen“, sagt der frischge­ backene Rentner. Und: „Es macht Spaß, etwas zu geben.“ Zumal er auch andere Hobbys hat: Garten­ arbeit, Radfahren. Vereinsname spricht für sich Die drei sind also – so oder so – nicht einsam. Genau das ist das Ziel von „Freunde alter Menschen“. Gegründet wurde der Verein 1946 in Paris, um einsamen alten Men­ schen Kontakte zu verschaffen. Später wurde eine Filiale in Berlin eröffnet. Dort entdeckte sie Anfang der 1990er Jahre Klaus Pawletko, er baute das deutsche Netz auf. Um Beschönigungen entgegenzutreten, ist der Vereins­ name mit Bedacht gewählt. Statt um Senioren oder „Silver Ager“ geht es tatsächlich „um alt gewor­ dene Erwachsene, die lediglich ein paar mehr Falten haben“, sagt Pawletko. Seit 2008 gibt es den Verein auch in Köln. Geschäftsführerin Ria Ostwald führt die „Tandems“ zusammen und betreut sie, rund fünfzig sind es zurzeit. Die ehrenamtlich Tätigen sind zwischen 20 und 76 Jahre alt. Sie sollen zu­verlässig sein, mindestens einmal alle 14 Tage zwei Stunden Zeit haben, besser wöchentlich. KölnerLeben Heft 5 | 19

Vor allem aber Geduld und Einfühlungsvermögen mitbringen. Es passt – oder halt nicht Die von ihnen besuchten „alten Menschen“ sind im Schnitt siebzig Jahre alt. In einer Probephase lernt man sich kennen. „Wenn man nicht miteinander klarkommt, ist das keine Schande“, es passe eben nicht immer, so Ria Ostwald. Und stellt klar: „Wir vermitteln keine Einkaufshilfen.“ Auch keine Betreuung von Demenzkranken. Stattdessen wolle man Menschen vor allem durch Gespräche, Spiele, Spaziergänge aus ihrer Einsamkeit holen. Eine Befindlichkeit, die vielen peinlich ist. „Es braucht Mut, sich zu melden und um Hilfe zu bitten“, weiß die Seniorenberaterin. Deshalb wenden sich auch oft Verwandte „im Auftrag“ an sie. Dabei ist Alterseinsamkeit ein ak­tuelles Problem: Laut einer Studie der Uni Bochum leidet jeder fünfte Mensch über 85 Jahren an Einsam­

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keit, verbunden mit Depres­sionen und Ängsten. Darunter sind mehr Frauen als Männer, da sie – statis­tisch gesehen – länger leben. „Zuerst stirbt der Ehemann, dann die Ge­schwister, schließlich die Freunde“, beschreibt Klaus Pawletko deren Situation. Und die Kinder woh­nen oft genug weit weg. Oder es fehlt ihnen an Zeit. Zum Glück aber gibt es Menschen wie Kim Evans und Helmut Ortseifen: die Freunde alter Menschen. js

INFORMATIONEN Freunde alter Menschen e. V. im Quäker Nachbarschafts-­ heim, Kreutzerstr. 5–9. Ansprechpartnerin: Ria Ostwald, Tel. 0221 / 95 15 40 49. www.famev-koeln.de

Kim Evans und Christel Esser beim Besuch des Schokoladenmuseums


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