bei Konstruktion
Rolle von Design der sozialer
Wirklichkeit
Masterarbeit
Lukas Letsche
Zur Rolle von Design bei der Konstruktion sozialer Wirklichkeit
Sommersemester 2022 Master Informationsdesign Fakultät Gestaltung Würzburg
Handeln
Verständigung
und Improvisation
Kreativität des Handelns: Situation, Körper und Sozialität
von Entscheidung:
Einleitung
Design bildet heute ein eigenes Feld mit immer mehr Disziplinen und immer mehr Teilnehmenden. Das macht das Designfeld zunehmend zu einem elementaren Bestandteil moderner Gesellschaften. Täglich werden darin neue Designgegenstände 1 von Designer*innen angeeignet und hervorgebracht, wodurch die damit verknüpften Praktiken, Gewohnheiten und Traditionen sowie Selbst- und Weltbilder laufend weiter- und neu bestimmt werden. Persönliche und soziale Praktiken sowie individuelle und kollektive Selbst- und Weltbilder sind aber keine notwendigen und natürlichen Tatsachen, sondern müssen durch unsere Handlungen stets wiederholt und neu hervorgebracht werden. Damit ist der Grundgedanke der vorliegenden Masterarbeit benannt: Design nimmt immer Bezug auf eine sozial konstruierte Wirklichkeit und entwirft diese ständig weiter- und neu.
Die Rolle von Design bei der Konstruktion einer sozialen Wirklichkeit erschließt sich Designer*innen nicht von selbst und muss ständig neu erschlossen werden. Insofern ist das zentrale Ziel der Masterthesis, Begriffe und Aussagen der Sozialtheorie zu den komplexen Phänomenen sozialen Handelns, sozialer Ordnung und sozialen Wandels auf das Design zu beziehen. Die Masterarbeit soll dadurch das Spannungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Design durch sozialtheoretische Überlegungen verständlich machen und Designer*innen neue Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten für ihre beruf-
1 Ich verstehe unter Designgegenständen jede Form von Gegen stand, welcher aus Designentscheidungen hervorgegangen ist, wie Poster, Infrastrukturen oder Industrieprodukte. Des Begriff des „Gegenstandes“ verwende ich – im Sinne Freges – für alles, worauf wir im Einzelnen Bezug nehmen, egal ob es sich um Formen wie Bilder und Musik; Strukturen wie Gewohnheiten, Traditionen und Stile; oder um Prozesse wie Algorithmen oder Produktionsabläufe handelt (vgl. Feige 2018: 9).
liche Tätigkeit bereitstellen.
Methodisch habe ich dazu ausgewählte Literatur der Sozial- und Designtheorie nach dem Prinzip des Zettelkastens von Niklas Luhmann systematisch exzerpiert und mit Schlagworten versehen, um zwischen Texten Verbindungen herzustellen und sie in eigener Weise neu miteinander zu kombinieren. Um die Überlegungen visuell zu ergänzen und verständlicher zu machen, werden in Anlehnung daran verschiedene Darstellungen und Modelle mit einbezogen.
Ihren Ausgang nahm diese Masterarbeit im Jahr 2020 mit der Frage, wie Individuen Entscheidungen treffen und Entscheidungsprozess ablaufen. Ich merkte jedoch schnell, dass über Entscheidungen nicht sinnvoll nachgedacht werden kann, wenn nur einzelne Individuen in den Blick genommen werden, sondern in einem Zusammenhang mit Kultur und Gesellschaft betrachtet werden müssen. Deswegen habe ich im Zuge dieser Masterarbeit Vorlesungen der Soziologie und Sozialpsychologie besucht und las neben Texten zur Designtheorie Literatur zur Einführung in soziologische Begriffe und Sozialtheorie. Aus dem Vorhaben, mich zentral mit Entscheidungsprozessen zu beschäftigen, wurde zunehmend ein Projekt mit dem Ziel, Design- und Sozialtheorie zusammen zu denken und herauszufinden, um aufzuhellen, welches Verhältnis zwischen Gesellschaft und Individuen besteht und inwiefern Design, Kultur und Gesellschaft miteinander verstrickt sind. Daraus ergaben sich folgende Forschungsfragen: Wie entsteht Sinn und Bedeutung durch Design? Was ist Handeln und was folgt daraus für das Entwerfen und Gestalten im Design? Was heißt es, (Design-)Entscheidungen zu treffen? Und in welchem Zusammenhang stehen Design mit sozialer Ordnung und sozialen Wandel? Diese Fragen besitzen zweifellos einen hohen Abstraktionsgrad und ich beanspruche keinesfalls, diese Fragen vollständig und lückenlos beantworten zu können, weshalb ich in den hier vorliegenden Kapiteln stets von „einem Konzept“
von Sinn, Handeln, Entscheidung usw. spreche. Diese Formulierung soll bezeichnend dafür sein, dass ich hier verschiedene Überlegungen aus der Design- und Sozialtheorie, die mir als bedeutsam erscheinen, in eigener Weise zusammengestellt und kombiniert habe. *
Für uns Menschen gibt es keine sinnfreien Gegenstände, da wir nicht nur in einer natürlichen, sondern vor allem in einer symbolischen Umwelt leben und Dinge für uns stets etwas repräsentieren und bedeuten. So deutet etwa ein Stuhl auf das Sitzen hin und ein Buch ist mit dem üblichen Sinn verbunden, dass darin gelesen werden kann. Der Sinn und die Bedeutung, die Gegenstände für uns haben, sind aber nicht so eindeutig, wie wir häufig zu wissen glauben – ein Stuhl könnte ja auch als Blumenbank und ein Buch als Wurfgeschoss verwendet werden. Verschiedene Personen können Gegenständen ähnlich oder völlig unterschiedlich deuten und entsprechend anders damit Interagieren. Das Ziel des erstens Kapitels ist es, zu klären, welche Typen von Sinn es gibt, wie Bedeutung entsteht und inwiefern Sinn und Bedeutung als Lebenswelt unsere Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten eingrenzt sowie überhaupt erst handlungsfähig macht.
Von Handeln selbst kann nur gesprochen werden, wenn es mit einem subjektiven Sinn verbunden ist – ansonsten müsste von willkürlichen Verhalten die Rede sein. Bei einem subjektiven Sinn muss es sich nicht ausschließlich um Ziele handeln, denn unser Handeln kann sich auch an gemeinsamer Verständigung mit anderen orientieren oder sich selbstbezogen auf die Verwirklichung von individuellen Werten und Idealen beziehen. Darum widmet sich das zweite Kapitel den drei Handlungsformen Arbeit, Kommunikation und Spiel, um zu untersuchen, worin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten liegen. Abschließend wird gezeigt, dass alles Handeln als kreativ zu begreifen ist, da
Regeln und Ziele in Abhängigkeit von der Situation, Gewohnheiten und Traditionen auf gestalterische und besondere Art und Weise stets ausformuliert werden müssen.
Sofern Menschen in einer Situation mehr als eine Handlung als möglich erachten, entstehen Entscheidungssituationen, die, um handlungsfähig zu bleiben, eine willentliche Entscheidung erfordern. Im vierten Kapitel werde ich mit Überlegungen des Soziologen Niklas Luhmann zeigen, inwiefern die Wahrnehmung von Komplexität in Entscheidungssituationen eine zentrale Rolle spielt und wie sich diese Komplexität auf unser Verhalten auswirkt. Abschließend gilt es zu klären, wie Komplexität durch Strukturen wie Sinn, Gewohnheiten, Traditionen und Stil reduziert werden kann und Subjekte überhaupt erst handlungsfähig machen.
Im fünften und letzten Kapitel widme ich mich einem Konzept sozialer Ordnung und sozialen Wandels – denn die Designpraxis findet immer vor dem Hintergrund von Traditionen und Institutionen statt, nimmt darauf Bezug und treibt dadurch gesellschaftlichen Wandel und kulturelle Veränderung in der Gesellschaft mit an. Ich werde darlegen, dass sich sozialer Ordnung in zwei Arten unterteilen lässt, welche unvereinbar miteinander zu sein scheinen: als ausdifferenzierte, effiziente Systeme und als Lebenswelten, beruhend auf Verständigung und Kommunikation. Das Design liefert für beide Gesellschaftsformen entsprechende Designgegenstände, indem es Arbeitsprozesse optimieren will sowie versucht gemeinsame Verständigung zu ermöglichen. Indem für die Praktiken und Symbole verschiedener sozialer Felder wie Kunst, Politik oder Wissenschaft Designgegenstände entworfen werden, treibt Design die Dynamiken und Kämpfe innerhalb und zwischen den sozialen Feldern mit an.
1 Design und Sozialtheorie
Der Mensch ist ein teleologisches Wesen, das sein Handeln stets auf Ziele und Zwecke bezieht. Für diese Zwecke gebrauchen Menschen Gegenstände, bei denen es sich im Regelfall um Designgegenstände handelt, denn heute ist kaum ein Gebrauchsgegenstand ohne Designentscheidungen noch denkbar. Zudem sind Menschen soziale Wesen und leben in einem komplexen Geflecht sozialer Beziehungen und Strukturen, die wir in ihrer Gesamtheit als Gesellschaft bezeichnen. Doch worüber reden wir, wenn wir von Design und dem Sozialen sprechen? Um sich einer Antwort dieser Frage anzunähern, geht es im Folgenden Kapitel darum, den Begriffen des Designs und des Sozialen mittels Überlegungen aus der Design- und Sozialtheorie eine Kontur zu verleihen. Diese Konturen sollen in den darauffolgenden Kapiteln mit konkreten Konzepten gefüllt werden, mit dem Ziel, das Soziale und Design in einer gedanklichen Bewegung zusammenzubringen.
1.1 Was ist Design?
Was meinen wir mit dem Begriff des Designs? Welche Geschichte hat das Design? Wie kommt das Design in die Welt? Und welche Funktion erfüllt das Design für die Gesellschaft? Das Ziel dieses Kapitels ist es, entlang dieser Fragen den elementaren Charakter von Design mittels designtheoretischer Überlegungen aufzuklären.
Daniel Martin Feige, Professor für Philosophie und Ästhetik, bezeichnet Design in seiner Konzeption, Produktion sowie in seinem Gebrauch als „ästhetische Form der praktischen Welterschließung“ (Feige 2018: 17). Praktisch ist Design nach Feige in dem Sinne, da es unseren alltäglichen Umgang mit der Welt regelt und auf Zwecke unserer Praxis bezogen ist. Die meisten alltäglichen und nicht-alltäglichen Handlungen sind
heute notwendigerweise mit Designgegenständen verknüpft und nehmen dabei für uns eine bestimmte funktionale Rolle ein, wodurch Design unserer alltäglichen Praxis einen Rahmen gibt (vgl. Feige 2018: 17). So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob ich mit einem Bleistift, einem Kugelschreiber oder einem Smartphone schreibe. Ästhetisch sind Designgegenstände nach Feige, da wir sie in ihrer Form und Funktion als einzigartig und singulär wahrnehmen und sie nicht einfach austauschbar sind (vgl. Feige 2018: 18). Anders formuliert: Es ist nicht so, dass sich zwei Designgegenstände mit derselben praktischen Funktion einfach ersetzen ließen. Die einzigartige Form eines Designgegenstands ist nicht allein formales Beiwerk, sondern vielmehr konstitutiv für diesen und unlösbar mit dessen Funktion verbunden. 2 So macht es etwa einen Unterschied, ob ich als Schrift eine Times New Roman oder eine Helvetica verwende, auch wenn sie beide dieselbe praktische Funktion der Lesbarkeit erfüllen.
Wie sich hier bereits angedeutet hat, wird klassischerweise im Design zwischen Form und Funktion unterschieden. Form meint allgemein ein sinnlich wahrnehmbares Phänomen, egal ob es sich etwa um Sprache, Bild oder Musik handelt. Die Funktion definiert – hinsichtlich des Funktionalismus –, welche Aufgabe ein Phänomen für eine Ganzheit erfüllt (vgl. Joas/Knöbl 2004: 90). Idealtypisch lässt sich zwischen zwei Funktionen unterscheiden, die Designgegenstände erfüllen: Neben internen bzw. praktischen Funktion der Handhabung, bei der ein Gegenstand nach seiner üblichen Verwendungsweise gebraucht wird, haben Designgegenstände parallel dazu externe bzw. symbolische Funktionen, indem sie etwas repräsentieren und metaphorisch ausdrücken können (vgl. Feige 2018: 141). So macht es etwa einen symbolischen Unterschied, ob es sich bei
2 Darum kann der Geltungsanspruch des klassischen Leitspruchs „form follows function“ zurückgewiesen werden, denn, anstatt dass sich die Form linear aus der Funktion einfach ergeben würde, sind Form und Funktion vielmehr wechselseitig aufeinander bezogen.
einem Designgegenstand um einen billigen Plastikstuhl oder teuren Eames Chair handelt. In Betrachtung von Heideggers Rede über „das Ding“ ließe sich sagen, dass Dinge bzw. Designgegenstände stets Zeichen sind, indem sie durch ihre Form auf ihren Verwendungszweck verweisen und gleichzeitig auf diejenigen, die sie benutzen (vgl. Schweppenhäuser 2016: VIII). Gleichzeitig kann jeder Gegenstand im Widerspruch zu seiner üblichen Bedeutung und Verwendungsweise zweckentfremdet werden: So kann ich etwa einen Tisch als Stuhl verwenden, einen Stuhl als Leiter und eine Leiter als Tisch.
In die Welt kommen Formen bzw. Designgegenstände durch das Entwerfen und Gestalten. Entwerfen soll heißen, dass die Ergebnisse von Handlungen nicht zwingend fertige Gegenstände sein müssen, sondern auch Skizzen und Pläne umfassen können. Gestalten meint hier, dass mittels Techniken und Medien Skizzen und Entwürfe konkret umgesetzt werden (vgl. Feige 2018: 155). Sowohl Entwerfen als auch Gestalten sind als eine Form des Handelns zu verstehen und weist entsprechende Eigenschaften auf, die für das Handeln an sich charakteristisch sind: Das Gestalten und Entwerfen orientiert sich, im Kontext der Situation sowie im Rahmen von Gewohnheiten, Traditionen, Techniken und Medien, an einem subjektiven Sinn, Zielen und Regeln, welche aber nicht vorbestimmt sind, sondern im Prozess entstehen und stets offen sind für Veränderungen (vgl. dazu Kapitel 3).
Entstanden ist das Design im Zuge der industriellen Revolution durch die Arbeitsteilung der Gestaltung und Produktion von Gebrauchsgegenständen und entwickelte sich seither in und durch die Verbindung verschiedenster Disziplinen von Kunst, Handwerk, Technik und Industrie bis hin zu Naturwissenschaft, Philosophie und Soziologie (vgl. Schweppenhäuser 2016: 37). Die Entwicklung des Designs bis heute war jedoch nicht nur kontinuierlich, sondern ebenso von diskontinuierlichen Umbrüchen durchzogen: Anfang des 20. Jahrhunderts bestand das Aufgabenfeld des Designs vorrangig
darin, mittels Marktforschungen, Produktwerbung für eine Zielgruppe entsprechend zu gestalten und exakt zu platzieren sowie gemäß dem Leitsatz „form follows function“ die Effizienz der Konzeption und Produktion von Designgegenständen zu steigern; in den 1960er-Jahren lehnte sich das Design stark an die damaligen sozialen Bewegungen an und stellte den an sich selbst Anspruch, anstelle von einzelnen Objekten und Prozessen, die Lebenswelt der Nutzer*innen zu verbessern; in den 1970er-Jahren ging es dem Design, im Zusammenhang mit der damals in Gang gesetzten neoliberalen Deregulierung und Kommerzialisierung, zunehmend darum, stilistische Unterschiede herzustellen und durch die Inszenierung von Objekten, Personen, Kollektiven, Orten und Ereignissen eine Erlebniswelt für ein eigenverantwortliches Publikum zu gestalten (vgl. Stalder 2016: 59 ff.). Sowohl der Wunsch nach einer Optimierung von Arbeitswelt, der Verbesserung einer Lebenswelt als auch die Inszenierung einer Ereigniswelt sind heute nach wie vor Antriebskräfte des Designs und dominieren je nach Kontext in je unterschiedlicher Weise, – abhängig von welchen Designtätigkeiten und Feldern die Rede ist.
Heute umfasst das Designfeld unter anderem Medien- und Kommunikationsdesign, Informationsdesign, Fotografie, Illustration, Interaktions-, Industrie-, Textil- und Ausstellungsdesign, Architektur usf. Und diese Liste wird laufend aktualisiert, indem permanent neue Designtätigkeiten hinzukommen, während andere überflüssig werden. Dabei gibt es in jedem Feld unterschiedliches Wissen und eigene Regeln darüber, wie etwas nützlich, richtig und schön konzipiert und hergestellt werden kann (vgl. Schweppenhäuser 2016: 13). Doch trotz unterschiedlicher Metiers und Arbeitsabläufen teilen alle Bereiche des Designs eine Funktion, die sie für die Gesellschaft erfüllen: das Entwerfen und Gestalten von materiellen und immateriellen Designgegenständen wie Plakate, Möbel, Typografie, Fahrzeuge, Webseiten, Bücher, Sounds, Ausstellungen usw. Damit gestalten Designer*innen aber nicht nur Objekte und
Erscheinungsformen, sondern auch im weitesten Sinne Prozesse und Interaktionen, Netzwerke und soziale Beziehungen sowie Organisations- und Lebensformen, innerhalb derer sich Strukturen wie Bedeutung, Gewohnheiten und Traditionen bilden können. Dahingehend hat nach dem Philosophen Peter Sloterdijk das Design seinen Ursprung bereits in der Urgeschichte des Menschen in der Idee von Mythos und Ritual (vgl. Sloterdijk 2010: 12): Rituale – als vorgegebene Abläufe und soziale Spielregeln – und die Erzählungen von Mythen – als die Einführung und Aushandlung sozialer Bedeutung und Kultur –ermöglichten damals wie heute persönliche Handlungsfähigkeit und ein geordnetes Zusammenleben. Dahingehend wirken Designer*innen als „Werkzeugmacher“ und „Mythenerzähler“ – so Sloterdijk (ebd.: 12) – insofern sie sowohl Gebrauchsgegenstände entwerfen, die in unserem Alltag eine praktische, zweckhafte Rolle einnehmen und uns mit Souveränität und Kompetenzen ausstatten 3 , als auch Erscheinungsbilder gestalten, die unserer Lebenswelt eine symbolische Sinnhaftigkeit verleihen.
Neben der Ausstattung von Menschen mit praktischen Werkzeugen und symbolischen Erscheinungsformen, will Design „Gebrauchswert maximieren und als Inszenierung des Warencharakter maximiert es Tauschwert“, so der Design-, Kommunikations- und Medientheoretiker Gerhard Schweppenhäuser (2016: 37). Der Gebrauchswert wird durch Design dann gesteigert, wenn sich ein neu- oder umgestalteter Gegenstand für bestimmte Funktionen und Zwecke besser eignet als das bereits Bestehende, indem versucht wird, etwas wirksamer, besser oder schöner zu machen. Diese Besserun-
3 Dementsprechend bezeichnet Sloterdijk Designgegenstände auch als „Souveränitätszubehör“, da mithilfe von Gebrauchsgegenständen Souveränität simuliert wird, wodurch Handlungen vollzogen werden können, die ohne diese Gegenstände nicht möglich wären; etwa das Flugzeug zum Fliegen oder das Telefon zum Telefonieren (vgl. Sloterdijk 2010: 16).
gen können gelingen, müssen sie aber nicht, was jedoch in einem ökonomischen Rahmen keine zentrale Rolle spielt. Denn den Tauschwert – also das Verhältnis, in welchem Waren gegeneinander ausgetauscht werden – erhöht das Design nicht zwingend durch die Maximierung des tatsächlichen Gebrauchswerts, sondern indem es – da Designgegenstände als Waren auf dem freien Markt mit anderen Waren ihresgleichen konkurrieren – vermeintliche Besserungen und Unterschiede im Vergleich zu ähnlichen Waren bzw. Designgegenständen präsentiert und inszeniert.
Nun steht Design nicht in der Luft, sondern in Beziehung mit Umwelt, Technik und Gesellschaft. Vor allem ist es die Wechselseitigkeit des Sozialen und Designs, die im Rahmen dieser Masterarbeit von Interesse sind. Erstens ist Design sozial in dem Sinne, dass Menschen mittels Designgegenständen – z. B. in Form von Artefakten oder medialer Vernetzung – gemeinsam etwas tun (vgl. Schweppenhäuser 2016: VII). Zweitens ist der Mensch ein Lebewesen, das „sich auf sich und die Welt im Rahmen von kollektiven Praktiken bezieht“, so Feige (2018: 17). Das bedeutet, die Designpraxis ist nicht unabhängig von der sozialen Ordnung und die Folgen von Designpraktiken haben wiederum Auswirkungen auf diese Ordnung. Designgegenstände tragen ein stabilisierendes wie auch innovatives Potenzial in sich und sind somit „sowohl Entwurf für den bestehenden Bedarf als auch Entwurf eines noch gar nicht Seienden“ (Schweppenhäuser 2016: VIII). In diesem Sinne will Design sowohl bestehende Gewohnheiten und Traditionen wiederholen, erhalten und legitimieren sowie diese verändern, um persönlichen, sozialen und kulturellen Wandel voranzutreiben. Im Folgenden geht es deshalb darum, die allgemeinen Grundlagen der Sozialtheorie zu umreißen, mit dem Ziel, das komplexe Spannungsverhältnis zwischen individuellen Handeln und gesellschaftlicher Ordnung übersichtlich darzustellen.
1.2 Was ist Sozialtheorie?
Die Sozialwissenschaften untersuchen das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft mittels dreier konkreter Fragen: „Was ist soziales Handeln?“; „Was ist soziale Ordnung?“; und „Was bestimmt sozialen Wandel?“ (Joas/ Knöbl 2004: 37). Diese Fragen hängen zusammen, denn „das Handeln von Menschen ist nie rein zufällig, sondern es bilden sich immer Ordnungen heraus, und diese Ordnungen wandeln sich historisch!“, so die Soziologen Hans Joas und Wolfgang Knöbl in ihrem Buch Sozialtheorie – Zwanzig einführende Vorlesungen (ebd.: 37). Anhand dieser Fragen versuchen die Sozialwissenschaften die Gegenwart moderner Gesellschaften mittels Forschung zu begreifen und kommende Tendenzen aufzuspüren. Die Soziologie untersucht dabei eher Gruppen und Organisationen, weniger jedoch Individuen; die Sozialpsychologie hingegen interessiert sich mehr für die psychischen Prozesse, die Individuen für sozialen Einfluss empfänglich machen (vgl. Aronson et al. 2014: 9). In beiden Fällen werden konkrete Beobachtungen von Phänomenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gemacht, um über die beobachteten Zusammenhänge allgemeine Theorien zu entwickeln.
Theorien sind generalisierende Aussagen in Form von Beobachtungen, Vermutungen, Klassifizierungen, Definitionen etc. Mittels Denken als eine „Gewalt der Abstraktion“ (Friedrich 2015: 12) wird bei der Theoriebildung die Wahrnehmung und Anschauung besonderer Gegenstände unter allgemeine Begriffe geordnet. Diese Abstraktion macht Vergleiche und Verknüpfungen unterschiedlicher Begriffe möglich, aus welchen Regeln über deren logische Zusammenhänge abgeleitet werden. In den Worten des Design-, Kommunikations- und Medientheoretikers Gerhard Schweppenhäuser könnte gesagt werden: „Theorien versuchen, Anschauungen und Begriffe, die wir von Objekten haben, in einer gedanklichen Bewegung zusammenzubringen“, wodurch diese „einen Zusammenhang von
Aussagen [bilden]“ (Schweppenhäuser 2016: 14). Verallgemeinerungen und Abstraktionen sind aber nicht nur den Wissenschaften vorbehalten, denn: Jede alltägliche Äußerung im Plural ist gewissermaßen eine Theorie. 4 Die Annahme von Regelmäßigkeiten sind auch im Alltag notwendig für unser Lernen und Handeln, denn ohne Theorien könnten wir keine Sinnzusammenhänge herstellen und die Welt wäre nur ein „wirrer Flickenteppich einzelner und unverbundener Erfahrungen und Sinneseindrücke“ (Joas/Knöbl 2004: 18). Gleichzeitig ist jede Theorie auch eine Weltanschauung und der Versuch, sich in eine soziale Bedeutung einzuschreiben und damit Deutungshoheit zu erlangen (vgl. ebd.: 15).
Soziale Ordnung, soziales Handeln und sozialer Wandel Entlang der drei Fragen nach sozialem Handeln, soziale Ordnung und sozialem Wandel entwickelten sich in den Sozialwissenschaften seit Ende des 19. Jahrhunderts verschiedenartige Sozialtheorien, welche in je eigener Weise versuchen, den Zusammenhang und das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft zu begreifen. Wesentlich für jede Sozialtheorie ist, dass sie sowohl eine Theorie des Handelns als auch eine Theorie der sozialen Ordnung benötigt, um das dazwischen liegende Spannungsverhältnis verstehen und erklären zu können. Trotz unterschiedlicher Definitionen sollen zum Zwecke einer kurzen Übersicht die Begriffe soziales Handeln, soziale Ordnung und sozialer Wandel grob umrissen werden.
(A) Soziale Ordnung bezeichnet das geregelte Zusammenleben von Menschen. Empirisch beobachten lässt sich eine soziale Ordnung anhand situationsbezogener Verhaltensweisen von Menschen aufgrund sozialer Rollen und Normen. Diese bilden einen sinnhaften Rahmen für unser Handeln,
4 Das heißt: auch Vorurteile sind Theorien (aber bestehend aus prob lematischen, ungeprüften und falschen Aussagen).
indem sie uns bestimmte Möglichkeiten anbieten und andere verwehren. Denn trotz der vielen Handlungsmöglichkeiten, die Menschen potenziell zur Verfügung stehen, „ist ihr Verhalten zumeist auf sozial erwartbare Möglichkeiten eingeschränkt“, so der Soziologe Armin Nassehi (2011: 35).
(B) Soziales Handeln ist ein individuelles Handeln innerhalb einer Situation, das auf Handlungen anwesender oder vorgestellter Menschen bezogen ist und kann sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen sein (vgl. Weber 1972: 1). Jedes soziale Handeln orientiert sich sowohl an einem subjektiven Sinn, wie individuelle Werte oder Ziele, als auch an einem geteilten Sinn, wie Traditionen oder soziale Normen, und ist stets geprägt von körperlich eingeübten Gewohnheiten in Form von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern. Im Gegensatz zu dem sichtbaren Verlauf von Handlungen, ist der Sinn sozialen Handelns offen für Interpretationen und dessen Deutung findet vor dem Hintergrund statt, dass auch andere Deutungen möglich wären (vgl. Nassehi 2011: 34).
(C) Sozialer Wandel ist die Transformation von einer sozialen Ordnung in eine andere. Ein Merkmal menschlicher Kulturen ist, dass sie sich immer in einem Prozess stetiger Veränderung befinden: Mal schnell, mal langsam; mal als kontinuierliche Entwicklungen (Evolution) und mal als diskontinuierliche Umbrüche (Revolution) (vgl. Deines/Feige/Seel 2012: 9). Die Sozialwissenschaften bemühen sich um ein Verständnis des komplexen Phänomens des sozialen und kulturellen Wandels, um zu klären, welche unterschiedlichen Formen, Logiken und Kräfte von kulturellen Wandel ausgehen und somit zukünftige gesellschaftliche Tendenzen aufzuspüren.
Abb. 1: Soziale Ordnung, soziales Handeln und sozialer Wandel (eigene Darstellung).

Interaktion, Netzwerk, Organisation und Gesellschaft
Um soziales Handeln und soziale Ordnung genauer zu differenzieren, unterscheidet die Soziologie zwischen den Begriffen Interaktion, Netzwerk, Organisation und Gesellschaft.
(1) Die Interaktion basiert auf Anwesenheit (vgl. Nassehi 2011: 114). Dazu gehören unter anderem ein Treffen mit Freund*innen, ein Telefonat/Chat mit Kolleg*innen, eine Schlägerei oder ein gemeinsames Brainstorming für ein Designprojekt.
(2) Neben der Interaktion besitzt jede*r von uns ein soziales Netzwerk, das sich durch Erreichbarkeit auszeichnet (vgl. Nassehi 2011: 114). Dazu gehören etwa der Freundeskreis, Vereine, Clubs, Internetforen oder ein gemeinsames Designkollektiv. Diese „gemeinschaftlichen Formationen“ – wie der Kulturwissenschaftler Felix Stalder sie nennt – basieren auf sozialen Beziehungen und gegenseitiger Abhängigkeit. Inner-
halb der vernetzten, gemeinschaftlichen Formationen werden gemeinsam Sinn und Bedeutung in wechselseitiger Interaktion hervorgebracht (vgl. Stalder 2016: 131).
(3) Zu gemeinschaftlichen Formationen lassen sich auch Organisationen zählen . Dazu gehören soziale Felder wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, soziale Bewegungen und Kunst sowie darin entstehende Institutionen wie politische Parteien, Wirtschaftskonzerne, Universitäten, NGOs und Museen, innerhalb derer wiederum verschiedene Praktiken eine Rolle spielen wie rhetorische Reden, Forschungen, Experimente usw. Allgemein zeichnen sich Organisationen durch Mitgliedschaft aus, an welche bestimmte Anforderungen geknüpft sind. Dabei sind die Anforderungen und Aufgaben je nach Position innerhalb der Organisationen unterschiedlich (vgl. Nassehi 2011: 114). Zum Beispiel stellt die Universität an die Studierenden den Anspruch, bestimmte Vorlesungen zu absolvieren, um weiterhin Mitglied bleiben zu können und den Abschluss zu bestehen. Oder die Mitgliedschaft als Designer*in in einem Konzern erfordert, dass ganz bestimmte Designtätigkeiten und auch nur diese Tätigkeiten ausgeübt werden sollenOrganisationen lassen sich im juristischen Sinne selbst als handelnde Personen verstehen, welchen Entscheidungen zugeschrieben werden können (vgl. ebd.: 114).
(4) Auf der obersten Makroebene sprechen wir schließlich von Gesellschaft. Die Gesellschaft behandeln wir alltagssprachlich als größte soziale Einheit und sieist – soziologisch betrachtet – das größte Netzwerk als „Gesamtheit aller möglichen sozialen Kontakte“ (ebd.: 113). Innerhalb von Gesellschaft gibt es geteilte Erwartungsstrukturen bezüglich bestimmter Abläufe in konkreten Kontexten und Situationen. Solche Erwartungen sind etwa, wie Menschen sich zweifelsfrei verhalten sollen im Supermarkt; im Museum; auf der Straße; an diesem Ort; zu jener Zeit; mit diesen oder jenen Menschen. Diese Erwartungen verinnerlichen wir bereits früh durch Sozialisation und Personen wie den Eltern oder Freund*innen sowie durch ein
soziales Regel- und Ordnungssystem, das wir von Geburt an vorfinden, und wodurch der Handlungsspielraum einzelner Personen eingeschränktwird, indem die Anzahl der „Anschlussmöglichkeiten“ sich auf ein erwartbares Maß reduzieren(vgl. Luhmann 1984: 384). Neben expliziten Regeln wie rechtlichen Gesetzen, wissenschaftlichen Theorien, bürokratischen Richtlinien und dergleichen, sind es in erster Linie implizite Regeln wie Taktgefühl, Umgangsformen und Stilregeln, an denen wir uns orientieren, um zu wissen, wie wir uns im Alltag und in verschiedenen Kontexten zu verhalten haben.
Design liefert sowohl für Interaktionen, Netzwerke, Organisationen und die Gesellschaft relevante Gebrauchsgegenstände, welche auf Zwecke der Anwesenheit, Erreichbarkeit und Mitgliedschaft bezogen sind. Ein Plakat dient etwa der Verbreitung von Information im öffentlichen Raum und ermöglicht dadurch, mehr Menschen zu erreichen als durch verbale Kommunikation. Über digitale Plattformen können Menschen direkt oder zeitversetzt rund um den Globus miteinander interagieren sowie Gruppen und Netzwerke bilden, innerhalb derer durch die Mitglieder eigene implizite wie explizite Regeln erzeugt werden. Für die verschiedenen Felder wie z. B. Kunst, Wissenschaft oder Politik sind unterschiedliche Designgegenstände relevant und von je anderer Bedeutung, um die darin üblichen Praktiken zu regeln.
Abb. 2: Das Verhältnis von Interaktion, Organisation und Gesellschaft (eigene Darstellung).

Vier Ansätze in der Sozialtheorie
Wofür steht das „Soziale“ in den oben genannten Fragen? Die Sozialtheorie liefert dazu unterschiedliche Antworten, anhand derer sich nach dem Soziologen Andreas Reckwitz schemenhaft vier verschiedene sozialtheoretische Ansätze unterscheiden lassen: strukturtheoretische, individualistische, normativistische und kulturtheoretische Ansätze (vgl. Reckwitz 2003: 286).
(1) Die strukturtheoretischen Ansätze gehen davon aus, dass das „Soziale“ aus gesellschaftlichen Strukturen besteht, welche nicht sinnhaft von einzelnen zu erfassen sind, sondern nur statistisch sichtbar werden (vgl. ebd.: 287).
(2) Die ökonomisch-individualistischen Ansätze gehen von dem Menschen als „Homo oeconomicus“ aus, d. h. sie verstehen den Menschen als interessengeleitetes Wesen und das „Soziale“ als „Produkt“ individueller Handlungen (vgl. ebd.). In diesem Sinne ist soziale Ordnung nichts weiter als die Anhäu-
fung vieler Handlungsfolgen. Dieser Ansatz ist paradigmatisch für kapitalistische Wirtschaftssysteme und Gesellschaftsformen, die weitestgehend auf Privateigentum basieren.
(3) Normativistische Ansätze verstehen den Menschen hingegen als „Homo sociologicus“ und das „Soziale“ als „soziale Regeln“ . Aus dieser Perspektive ist individuelles Handeln und soziale Ordnung nur möglich durch gegenseitige Handlungskoordination aufgrund von sozialen Erwartungen und Rollen (vgl. ebd.).
(4) Die kulturtheoretischen bzw. sozialkonstruktivistischen Ansätze eint, dass sie von der Gemachtheit und stetigen Reproduktion einer konstruierten Gesellschaft ausgehen (vgl. ebd.: 287 f.). Demzufolge finden wir eine soziale Ordnung nicht nur vor, sondern diese muss durch Sprache und Praktiken laufend rekonstruiert werden. Die Wissenssoziologen Thomas Luckmann und Peter Berger sprechen darum von der „Konstruktion von Wirklichkeit“ als ein Prozess der Aneignung und Hervorbringung von sozialer Ordnung (vgl. Berger/Luckmann 1980). Nach Berger und Luckmann externalisieren Menschen durch Handlungen sogenannte „Objektivationen“; damit sind Gegenstände wie Texte, Bilder, Objekte oder Symbole gemeint, denen wir einen Sinn geben. Gleichzeitig internalisieren Menschen diese Objektivationen wieder, um sie anschließend in einem ständigen Kreislauf erneut zu externalisieren. Demzufolge ist das menschliche Tun ein Resultat der Gesellschaft und die Gesellschaftsordnung „einzig und allein ein Produkt menschlichen Tuns“, so Berger und Luckmann (1980: 55). Der zentrale Gedanke dieser Betrachtungsweise ist, dass alle Individuen als Akteur*innen an der Konstruktion einer sozialen Wirklichkeit beteiligt sind, indem sie auf eine bestehendes, vorinterpretiertes Wissen Bezug nehmen und durch ihre Praxis permanent reproduzieren.
Abb. 3: Kreislauf der ständigen Externalisierung und Internalisierung einer konstruierten Wirklichkeit (eigene Darstellung).
(5) Aus der Kulturtheorie hervorgegangen ist unter anderem die Praxistheorie (oder auch Praxeologie genannt). Diese stellt gemeinsame Alltagspraktiken in den Mittelpunkt ihrer Forschung und versteht darum das Soziale als kollektive Verhaltensweisen und „miteinander verflochtene Praktiken“, so der Soziologe Andreas Reckwitz (2003: 289). Die Praxistheorie betrachtet das „Soziale“ weder als vom Subjekt unabhängige Strukturen, noch als soziale Regeln oder Produkt einer Anhäufung von Handlungsfolgen, sondern als Aneignung und Hervorbringung gemeinsamer Praktiken und Bedeutungen. Der Mensch ist im Sinne der Praxeologie ein Lebewesen, „das sich auf sich und die Welt im Rahmen von kollektiven Praktiken

bezieht“ (Feige 2018: 17). Die Praxistheorie konzentriert sich auf das, was hier im weiteren Verlauf mit den Begriffen von „Gewohnheiten“, „traditionelles Handeln“ und „Habitus“ verhandelt werden soll – also um routiniertes Handeln aufgrund bestimmter Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsstrukturen, die sich im Laufe individueller Sozialisation entwickeln und laufend durch Praktiken und Wiederholung „sichtbar, wirksam und verhandelbar“ werden, so der Kultur- und Medienwissenschaftler Felix Stalder (2016: 16). Ein wichtiger Mitbegründer der Praxeologie ist der Kultursoziologe Pierre Bourdieu, demzufolge jedes individuelle Handeln stets im gesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen ist, weil es Muster aufweist, die sich aus unsichtbaren sozialen Strukturen ergeben, die er als Felder bezeichnet. Ein Feld ist nach Bourdieu alles, was irgendeine Struktur aufweist und somit Handlungsräume bildet: Das soziale Feld umfasst die Gesamtheit der gesellschaftlichen Interaktionen. Darin enthalten sind wiederum einzelne soziale Felder (z. B. Politik, Wirtschaft, Bildung oder Kunst) sowie Subfelder (z. B. Literatur oder Schule im Feld der Bildung) (vgl. Joas/Knöbl 2004: 545). Die Strukturen der Felder sind nach Bourdieu aber nicht einfach durch vorgefertigte Normen oder Ziele der rationalen Akteur*innen gegeben; es sind vielmehr die Akteur*innen selbst, die durch ein netzwerkartiges Zusammenwirken den Feldern ihre Stabilität verleihen, indem sie diesen durch gemeinsame Praktiken eine Sinnhaftigkeit zusprechen. Damit geht Bourdieu von der stetigen Reproduktion von Feldern durch konkrete Praktiken aus, weshalb in diesem Sinne auch von einem „doing Culture“ gesprochen wird. (vgl. Joas/ Knöbl 2004: 531).
Die hier genannten fünf verschiedenen Ansätze sind für das Design insofern interessant, da es für die Designpraxis einen Unterschied macht, welche Vorstellungen Designer*innen von Gesellschaft haben. Gehen Designer*innen etwa davon aus, dass ein geregeltes Zusammenleben nur dann möglich ist, wenn sichjederdurchgehend an bestehenden sozialen Re -
geln orientiert, wird es Ihnen kaum möglich sein, soziale Veränderungen herbeizuführen. Orientieren sie sich ausschließlich an persönlichen Bedürfnissen oder Zielvorstellungen von Auftraggebenden, werden sie aller Voraussicht nach rücksichtslose und diskriminierende Designgegenstände entwerfen und gestalten. Verstehen Designer*innen hingegen die Gesellschaft als eine gemachte Konstruktion, die durch soziale Praktiken stets neu hervorgebracht werden muss, erscheint ihnen die bestehende soziale Ordnung und die durch Praktiken angeeignete und produzierte soziale Bedeutung nicht als unveränderlich, sondern als etwas, das in und durch die Konzeption, Produktion und den Gebrauch von Designgegenständen wiederholt und verändert werden kann.
Alle Teilnehmenden einer Gesellschaft wiederholen und verändern unbewusst die soziale Ordnung, in dem sie sich in sie integrieren, soziale Praktiken aneignen und diese laufend hervorbringen. Kulturschaffende wie Designer*innen tun dies bewusster, indem sie mittels der Gestaltung von Designgegenständen aktiv versuchen, unbewusste Handlungs-, Denk und Wahrnehmungsmuster zu formen und dadurch soziale Bedeutung sowie soziale Strukturen laufend zu verändern. Doch auch Designer*innen handeln weder frei noch beliebig, sondern beziehen sich auf Ziele und Werte stets vor dem Hintergrund von ihrer Persönlichkeit, Kultur und Gesellschaft. Darum stellt sich die Frage: Wie kommen individuellen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster zustande und wie werden diese beeinflusst? Dies entlang der Begriffe Sinn und Bedeutung zu untersuchen, ist das Ziel des folgenden Kapitels.
Zu einem Konzept von Sinn und Bedeutung: Subjektiver, inkorporierter und objektiver Sinn
Es gibt für Menschen keine bedeutungslosen und sinnfreien Gegenstände und in allen Situationen wird Objekten, Subjekten, Kollektiven und Handlungen Sinn und Bedeutung unterstellt. In der deutschen Sprache steht „Bedeutung“ alltagssprachlich für zwei unterschiedliche Sachverhalte. Je nach Kontext bezeichnet Bedeutung entweder den Wert, den wir Gegenständen beimessen und zielt damit auf deren Bedeutsamkeit; oder mit Bedeutung ist der Sinn eines Gegenstands gemeint, d. h. wie ich Situationen, Phänomene und Gegenstände interpretiere, verstehe und deute. „Sinn“ ist etymologisch mit „Richtung“ verbunden und steht im engen Zusammenhang mit dem Begriff des Symbols (vgl. Krijnen 2016: 279). Sofern in der Theorie – mit Bezug auf den Philosophen Gottlob Frege – zwischen den Begriffen Sinn und Bedeutung unterschieden wird, meint „Bedeutung“ einen Zusammenhang zwischen einem Zeichen und dem Bezeichneten; mit „Sinn“ wird die Vorstellung eines subjektiven Ziels gemeint, das mit einer Handlung erreicht werden soll (vgl. Bürdek 2015: 106). Diese Unterscheidung wird im Folgenden jedoch nicht gemacht, weshalb hier die Begriffe Sinn und Bedeutung synonym verwendet werden. Der Grund dafür ist, dass die hier genutzten Quellen mal von „Bedeutung“, mal von „Sinn“ sprechen, die Begriffe jedoch in einem ähnlichen Sinne verwendet werden, nämlich als „aktuelle Deutung vor dem Hintergrund anderer Deutungsmöglichkeiten […], die Erleben, Handeln und soziale Strukturbildung orientiert“ (Bongaerts 2018: 401).
Wir können zwar Gegenstände und Situationen subjektiv deuten, aber erfahrungsgemäß nur vor dem Hintergrund gewohnter Bedeutungszuschreibungen, die sich uns als soziale Wirklichkeit präsentieren. Der Soziologieprofessor Ingo Schulz-Schaeffer stellt diesbezüglich fest: „Die Situationsdefinition kann von den Akteuren in der Situation aktuell sinnhaft
erzeugt werden. Sie kann aber auch in Gestalt vorgefertigter Sinnmuster des gesellschaftlichen Wissensvorrates vorliegen“ (Schulz-Schaeffer 2018: 406). Die Soziologie unterscheidet deshalb grob zwischen drei Typen von Sinn: subjektiver, inkorporierter und objektiver Sinn (vgl. Bongaerts 2018: 401).
(1) Ein subjektiver Sinn meint, dass Situationen, Handlungen und Gegenstände von Individuen vor dem Hintergrund ihrerLebenswelt interpretiert werden müssen. Wahrnehmung ist demnach kein passiver Prozess, sondern eine aktive Leistung im Bewusstsein einzelner auf Basis ihrer„reflexiv verfügbaren Wissensbestände“ (Bongaerts 2018: 401). Die Sinndeutung eines Gegenstands ist bereits eine aktive Entscheidung und widerfährt uns nicht notwendigerweise, weshalb sich Gegenstände auch stets im Lichte einer anderen Deutung verstanden werden können. 5
(2) Inkorporierter Sinn bezeichnet körperlich eingeschriebene Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, die im Gegensatz zu subjektivem Sinn reflexiv nicht zugänglich sind und aufgrund bestimmter Situationen ausgelöst werden (Bongaerts 2018: 401). Diese musterhaften Automatismen werden auch als „Habitus“ bezeichnet und zeigen sich als Stil des Redens, des Gestikulierens, in unseren Körperbewegungen, in unserem Geschmack und in unserer Deutung der Welt. Der Habitus wird bereits frühzeitig durch unseren historisch-kulturellen Hintergrund geformt und in der Familie, in der Schule, in sozialen Gruppen und in der Arbeitswelt antrainiert.
(3) Objektiver Sinn sind geteilte Bedeutungszuschreibungen von Phänomenen als „Erzeugnissen des […] kommunikativen Handelns mehrerer“, die sich „als objektive Wirklichkeit darbieten“ (Bongaerts 2018: 402, Hervorhebung L. L.).
Diese Erzeugnisse sind insbesondere eine gemeinsame Kultur,
5 Angesichts dessen ist in dieser Masterarbeit nicht nur von „Hand lungsmöglichkeiten“, sondern auch von „Verstehensmöglichkeiten“ die Rede.
eine geteilte Sprache, Institutionen, Traditionen und kollektive Praktiken, mittels derer wir konkreten Situationen, Personen, Objekten, Kollektiven, Orten und Ereignissen einen subjektiven Sinn verleihen und uns darüber intersubjektiv miteinander verständigen. Konventionen und Traditionen haben die Funktion, die Möglichkeiten des gegenseitig Erwartbaren auf ein Minimum zu reduzieren, was gemeinsame Handlungskoordination möglich macht. Der objektive Sinn entsteht nicht allein im Bewusstsein eines Subjekts, sondern kommt „durch soziale Dynamiken und soziale Erwartungen zustande“ (Nassehi 2011: 56). Der Grund, dass dabei nicht von intersubjektiven, sondern objektiven Sinn die Rede ist, liegt daran, dass die geteilte soziale Bedeutung zwar in einer gemeinsame Interkation entsteht, diese Bedeutung uns jedoch als unumstößliche, natürliche Tatsache und soziale Wirklichkeit erscheint.
Subjektiver und objektiver Sinn kann, muss aber nicht deckungsgleich sein. Jedoch können sich der objektive und subjektive Sinn auch widersprechen, wenn etwa Teilnehmende einer gemeinschaftlichen Formation 6 nicht mit den Traditionen, Normen und Rollenbildern innerhalb dieser übereinstimmen, wofür sich der Begriff der Revolution oder Ausdruck anbieten würde. In diesem Fall kann von einzelnen Personen durch den unüblichen und neuartigen Gebrauch von Gegenständen und Symbolen eine neue Bedeutung für eben jene Gegenstände und Symbole behauptet werden.So dient eine Wollmütze für gewöhnlich dazu, bei kaltem Winter die Ohren warmzuhalten, kann aber auch mit einer Scher o. Ä. zu einer Skimaske umgestaltet werden; Skimasken bzw. Balaclavas wiederum haben sich in den letzten Jahren von einem profanen Gebrauchsgegenstand zu einem Modeaccessoire und Symbol innerhalb des
6 Ich verwende hier den Begriff „gemeinschaftliche Formationen“ im Sinne des Kulturwissenschaftlers Felix Stalder als Netzwerk sozialer Beziehung und Gemeinschaft gegenseitiger Abhängigkeit, innerh alb derer geteilte Bedeutung hervorgebracht wird (vgl. Stalder 2016: 130 ff.).
Straßenraps entwickelt. 7 Ebenso können der subjektive und inkorporierte Sinn in Konflikt geraten, wenn etwa mein tatsächliches Handeln meinem eigentlichen Selbstbild zuwiderläuft. Die Sozialpsychologie bezeichnet eine solche Abweichung von Selbstkonzept und Handeln – und das damit verbundene Unwohlsein – als kognitive Dissonanz 8 . So kann sich eine Person beispielsweise als gesunden, glücklichen Mensch sehen – und dennoch hat sie die lästig empfundene Angewohnheit zu rauchen.
Es sollte klar geworden sein, dass es mehrere Definitionen und Typen von Sinn und Bedeutung gibt. Die folgenden Überlegungen sind an den hier vorgestellten Kategorien subjektiver Sinn, inkorporierter Sinn und objektiver Sinn ausgerichtet, mit dem Ziel sich näher mit dem sozialtheoretischen Sinn- und Bedeutungsbegriff zu befassen und diesen für das Design fruchtbar zu machen.
2.1 Subjektiver Sinn liegt zwischen Reiz und Reaktion
Wie eben beschrieben wurde, versteht die Soziologie unter subjektiven Sinn die individuelle Deutung von Gegenständen auf Basis der persönlichen Erfahrungen und dem historisch-kulturellen Hintergrund einer Person. Der subjektive Sinn liegt nach dem Sozialphilosophen George Herbert Mead zwischen Reiz und Reaktion. Um zu verstehen, was er damit meint, ist zuvor eine kurze Erläuterung seiner Handlungstheorie notwendig.
Handlungen beschreibt Mead anhand eines Modells bestehend aus vier Phasen: Reiz/Handlungsimpuls, Wahrnehmung, Manipulation und Reaktion/Handlungsvollendung (vgl. Mead
7 Vgl. dazu Arte Tracks (2022), Warum tragen jetzt alle Sturmmasken?
8 Vgl. dazu Aronson et al. (2014), S. 181 über die Theorie der kogni tiven Dissonanz von Leon Festinger.
1980: 213 f.). Eine Handlung beginnt damit, dass die Wahrnehmungen von Gegenständen bestimmte Handlungsimpulse in uns auslösen. Diese Handlungsimpulse enthalten Bedeutungen in Form von verfügbaren Erinnerungen und dabei erlebter Gefühle mit ebendiesen Gegenständen. Diese Bedeutungsinhalte von Erinnerung und gegenwärtigen Sinnesreizen werden schließlich durch eine Reaktion und Handlungsvollendung synthetisiert. Die Folgen einer Reaktion erzeugen wiederum neue Erfahrungen, welche als Erinnerungen abrufbar sind. Nach Mead lernen wir so durch ein Wechselspiel von Denken und Handeln, wie mit einer konkreten Situation umzugehen ist. Zum Beispiel meidet ein gebranntes Kind das Feuer, wenn es durch die Interaktion mit Feuer die Erfahrung macht, dass dieses heiß istund dadurch Schmerzen verursachen kann – die Bedeutung von Feuer wurde aktualisiert (vgl. Mead 1980: 214).
Abb. 3: Wechselspiel von Denken und Handeln (Eigene Darstellung).
Durch die Wiederholung von Handlungen kommt es nach Mead zu einer vollständigen Abstimmung von Handlungsimpuls und Handlungsvollzug. Je besser Reiz und Reaktion aufeinander abgestimmt sind, umso weniger nehmen wir die Bedeutung der Dinge wahr, dafür umso mehr deren sinnlichen

Eigenschaften. Es bildet sich eine direkte Verbindung von Reiz und Reaktion, die keine (Be-)Deutung mehr zulässt (vgl. Mead 1980: 216). Dadurch entwickeln wir dauerhafte Einstellungen 9 und Gewohnheiten gegenüber den Gegenständen zu denken und zu handeln (vgl. Mead 1980: 212). Ein solches Handeln nach vorgegebene Schemata aufgrund einer körperlichen Abstimmung von Reiz und Reaktion bezeichnet die Soziologie allgemein auch als spontanes Handeln.
Menschen sind für Mead aber nicht gezwungen aufgrund einer Situation und damit verknüpften spontanen Handlungsimpulsen auf eine Art und Weise reagieren zu müssen. Das Abweichen von üblichen Routinen ist möglich per Selbstreflexion durch ein „ Bewusstsein von Bedeutung“ , das Mead zwischen Handlungsimpuls und Handlungsvollendung verortet. Da wir als Menschen aufgrund von Instinktreduktion und Reaktionsverzögerung in der Lage sind, einen Handlungsimpuls wahrzunehmen, können wir Handlungsvollzüge bereits vor ihrer Ausführung manipulieren (vgl. Joas 2000: 179). Menschen können sich ihrem subjektiven Erleben von Gegenständen bewusst werden und dadurch das eigene Verhalten und damit auch das Verhalten anderer kontrollieren (vgl. Mead 1980: 219). Aufgrund der Reaktionsverzögerung und Bewertung von Handlungen vor ihrem Vollzug können Situationen entstehen, in denen mehrere Handlungsalternativen erscheinen und Unsicherheit darüber herrscht, welche Handlungen angemessen sind. Solche Situationen bezeichnet Mead als „Handlungshemmungen“ 10 , wodurch, um Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen, reflexive Denkprozesse angestoßen werden und die subjektive Bedeutung einer Situation oder Gegenstandes aktiv
9 Einstellungen beschreibt die Sozialpsychologie als individuelle Bewertung von Menschen, Objekten und Ideen durch einen Menschen (vgl. Aronson et al. 2014: 218).
10 Niklas Luhmann bezeichnet Handlungshemmungen auch als „Entscheidungssituationen“. Vgl. hierzu Kapitel 4.1.
wahrgenommen und verändert werden kann. Ein Handlungsmodus, bei dem über Sinn und Bedeutung einer Handlung im Voraus nachgedacht wird, beschreibt die Soziologie auch allgemein als reflexives Handeln, welches es Menschen ermöglicht, sich von gewohnten Wahrnehmung-, Denk- und Handlungsmustern zu distanzieren, was die Grundlage schafft für kreatives Handeln.
Abb. 4: Spontanes Handeln im Vergleich zu reflexivem Handeln. Ein Bewusstsein von Bedeutung ermöglicht die reflexive Wahrnehmung spontaner Handlungsimpulse und die Manipulation von Handlungsvollzügen (Eigene Darstellung).
Für das Design lassen sich daraus zwei Überlegungen ableiten. Designgegenstände wie Möbel, Kleidung, Smartphones, Fahrzeuge, Typografie, Schilder, Symbole, visuelle Ordnung, Materialien etc. spielen in fast jeder Lebenssituation eine Rolle und begleiten, ermöglichen und formen dadurch körperlich-mentale Praktiken (vgl. Moebius/Prinz 2012: 9 f.). Menschen sind es gewohnt, in ihren Praktiken mit Designgegenständen auf eine bestimmte Art und Weise umzugehen. Wir verwenden Lichtschalter und Einkaufstüten spontan, ohne reflexiv über deren Sinn und Funktion nachdenken zu müssen. Überdies können Designgegenstände aber auch Routinen und

übliche Praktiken durchbrechen. Indem Designgegenstände verändert werden, können Gewohnheiten einen Widerstand erfahren und sich stattdessen andere Handlungsmöglichkeiten anbieten. 11 In diesem Sinne besteht die praktische und symbolische Funktion von Design unter anderem darin, Gewohnheiten und Einstellungen laufend ab- und aufzubauen. Für Designer*innen kann hieraus mitgenommen werden, dass sie nicht gezwungen sind, aufgrund von Gewohnheiten auf eine bestimmte Weise reagieren zu müssen, sondern aufgrund eines Bewusstseins von Bedeutung sich neue Handlungsmöglichkeiten kreativ erschließen können. Darauf werde ich in Kapitel drei nochmals zurückkommen.
2.2 Sinn und Bedeutung entsteht durch Interaktion
Neben der pragmatischen Analyse einer individuellen Selbstreflexion, war ein weiterer Forschungsschwerpunkt von George Herbert Mead, dessen Untersuchungen zur Sozialisation und sozialen Interaktion. Sozialisation ist allgemein „das merkliche und unmerkliche Einüben von bewährten Verhaltensweisen durch Teilnahme“ (Nassehi 2011: 35). Ein zentraler Aspekt bei Mead ist, dass Menschen nicht nur in einer natürlichen Umwelt leben, sondern primär in einer symbolischen Umwelt existieren (vgl. Burkart 2002: 54). Es gibt für Menschen keine sinnfreien Gegenstände. Das unterscheidet nach Mead das menschliche vom tierischen Verhalten, da der Mensch die Darstellung von Symbolen (Sprachlaute, Mimik, Gestik, Handlungen, Objekte, Bilder usw.) benutzt, um etwas anderes damit zu repräsentieren. Tiere benutzen zwar auch Gesten, aber aufgrund ihrer Instinkte fast immer auf dieselbe Art und Wei-
11 Ein Begriff, der hier aufscheint, ist das „Nudging“, ein nicht unproblematisches politisches Konzept der Verhaltensökonomik, mit dem Ziel mittels Design das Verhalten von Menschen zu beeinflussen und Gewohnheiten zu verändern; etwa „Abschreckbilder“ auf Zigaret tenschachteln, um Menschen zwanglos vom Rauchen abzuhalten.
se. Menschen hingegen können „über Symbole […] nachdenken, sie bewusst einsetzen oder zu vermeiden suchen, sie modifizieren, sie ironisch verwenden etc.“, so die Soziologen Hans Joas und Wolfgang Knöbl (2004: 190). Wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren, dann treten sie für Mead darum als symbolisch vermittelt zueinander in Beziehung. Dieser soziale Prozess setzt einen gemeinsamen Vorrat an Zeichen voraus – sogenannte „ signifikante Symbole“. Diese repräsentieren für die jeweiligen Kommunikationspartner*innen dieselben Vorstellungen und Gegenstände (objektiver Sinn!); z. B. eine für das Gegenüber verständliche Sprache und Praktiken, die auf Konventionen beruhen (vgl. Burkart 2002: 56 f.).
Die Bedeutung von Begriffen, Gestiken, Handlungen, Darstellungen oder Objekten entstehen aber nicht von allein, sondern in der sozialen Interaktion, „weil sie für Veränderungen im Verhalten anderer Individuen verantwortlich sind“, so Mead (1980: 219). Der amerikanische Soziologe Herbert Blumer (1900–1987) greift diese Idee von Mead auf und begründet damit den Symbolische Interaktionismus, für welchen er im Jahr 1973 drei Prämissen formuliert, die folgendes besagen: (1) Handeln bezieht sich immer auf die Bedeutung von Gegenständen; (2) die Bedeutung von Gegenständen entsteht in der sozialen Interaktion; und (3) die Bedeutung von Gegenständen werden im Rahmen der Interaktion mit ebendiesen Dingen definiert (vgl. Burkart 2002: 54 f.). Demnach interpretieren und bewerten wir erstens Gegenstände (Vorstellungen, Menschen, Objekte, Situationen, Orte usf.), indem wir ihnen Bedeutung zuschreiben und aufgrund dieser Bedeutunghandeln. Dabei stehen Gegenstände immer in einem bestimmten Handlungskontext aufgrund der Situationsdefinition (beispielsweise betrachten Designer*innen die Dinge anders als Biolog*innen und Designgegenstände wirken im Museum anders als auf der Straße). Zweitens lernen wir durch die Einstellungen und Gewohnheiten anderer, wie wir in Bezug auf Gegenstände und Begriffe zu denken und zu handeln haben. Und drittens kann Bedeutung
durch den Gebrauch mit den Gegenständen wiederholt oder verändert werden. Ein Beispiel wäre, wenn ein Kleinkind die Bedeutung eines Sessels dadurch lernt, indem es sieht, wie andere den Sessel benutzen. Dadurch lernt es aber nicht nur etwas über die praktische Funktion dieses Gegenstands, sondern auch etwas über dessen symbolischen Wert für die Gemeinschaft. Es lernt durch die soziale Bedeutung eine subjektive Bedeutung des Sessels und wird diesen mit der Zeit in gleicher Weise gebrauchen. Gleichzeitig kann es in dem Sessel auch einen neuen Sinn zuschreiben und durch einen neuartigen Gebrauch dafür kurz- oder langfristig eine neue Bedeutung vorschlagen, wenn etwa Kinder beim Spielen einen Sessel im Sinn einer Ritterburg behandeln oder Designer*innen neuartige Formen von Sesseln entwerfen und versuchen, um innovative Funktionen zu erweitern.
Bedeutung liegt also weder im Objekt noch im Betrachter, sondern entfaltet sich intersubjektiv in der sozialen Interaktion innerhalb eines kollektiven Rahmens und wird darin ständig neu verhandelt. Dieses Phänomen bezeichnet der Kulturwissenschaftler Felix Stalder auch als „Gemeinschaftlichkeit“ (vgl. Stalder 2016: 13). Innerhalb eines kollektiven Rahmens kann nach Stalder Bedeutung von einer einzelnen Person behauptet werden, aber diese muss von anderen bestätigt werden, um zu geteilter Bedeutung bzw. Kultur zu werden (vgl. Stalder 2016: 128). Zentral für Stalder ist dabei der Handlungstyp des Referenzierens. Referenzieren ist ein Vorgang der individuellen Teilhabe durch Aneignung und Sich-Einschreibens. Geprägt ist ein solches Referenzieren durch die drei Handlungstypen Auswählen, Verknüpfen und Verändern von bestehendem kulturellen Materials (vgl. ebd.: 125). Durch die Wahl, Verwendung und Umgestaltung von Referenzen werden diese mit einem subjektiven Sinn ausgestattet, welcher deren übliche soziale Bedeutung wiederholen oder widersprechen kann und diese damit laufend weiter- und neu bestimmt. Ich werde in Kapitel 4.3. darauf nochmals zu sprechen kommen.
Auch die Konzeption und der Gebrauch von Designgegenständen ist ein Prozess der Weiter- und Neubestimmung von Bedeutung durch Wiederholung und Veränderung von Referenzen. Erstens wird durch den Umgang mit bestimmten Medien, Techniken, Symbolen, Stilen, Gegenständen, Materialien usf., deren subjektive Bedeutung für Designer*innen selbst laufend aktualisiert; so ist vor und nach der Interaktion mit einem Medium und einerTechnik dessen Bedeutung eine andere, indem wir lernen, auf eine besondere Art und Weise mit Gegenständen umzugehen. Zweitens hat das Design zum Ziel, die geteilte soziale Bedeutung und Kultur zu aktualisieren, indem es konkret auf Sprache, Symbole, Bilder und Praktiken Bezug nimmt und deren soziale Bedeutung dadurch entweder bestätigt oder neu verhandelt. Dabei stellt sich für Designer*innen sowohl die Frage nach der Transformation des symbolischen Zeichencharakters als auch nach der sinnlichen und praktischen Handhabung eines Designgegenstandes (vgl. Moebius/ Prinz: 16 ff.). Denn wie wir die Welt interpretieren, entsteht nicht nur in und durch Sprache, sondern auch dadurch, was und wie wir etwas für gewöhnlich tun. Und dieser praktische Gebrauch und routinierte Umgang mit der Welt wird in den meisten Fällen mittels Designgegenständen geregelt.
2.3 Objektiver Sinn als Lebenswelt – Persönlichkeit, Kultur und Gesellschaft als Hintergrund unseres Handelns
In der Regel meinen wir, dass wir den Dingen durch unser Denken und Handeln willentlich eine eigene Bedeutung geben. Dabei übersehen wir leicht, dass wir in eine vor-interpretierte Welt hineingeboren wurden. Wir finden eine soziale Ordnung bereits von Geburt an vor, weshalb uns diese in unserer frühen Kindheit als natürlich und beständig erscheint. Der ursprüngliche Sinn von Traditionen und Institutionen liegt so weit in der Vergangenheit, dass er sich unserer Erinnerung entzieht. Doch selbst wenn der Sinn und die Funktion sozialer Regeln für
eine soziale Ordnung sich uns nicht ohne Weiteres erschließt, so lernen wir dennoch frühzeitig, mit diesen Regeln umzugehen. Wie oben bereits anhand von Mead und dem symbolischen Interaktionismus erläutert wurde, erlernen wir soziale Regeln intersubjektiv durch die Interaktion mit anderen. Je nach „Vorerfahrung, kulturellem und historischem Hintergrund oder auch sozialer Position“ werden wir sinnhaft in eine Welt verstrickt, „in der sich die Dinge einer gewohnten Ordnung fügen“ (Nassehi 2011: 54 f.). Eine solche sinnhaft geordnete Welt wird in den Sozialwissenschaften als Lebenswelt bezeichnet.
Der Philosoph Jürgen Habermas unterscheidet zwischen drei unterschiedlichen Komponenten der Lebenswelt. Diese bezeichnet er als Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit und beschreibt diese folgendermaßen: „Kultur nenne ich den Wissensvorrat, aus dem sich die Kommunikationsteilnehmer, indem sie sich über etwas in einer Welt verständigen, mit Interpretationen versorgen. Gesellschaft nenne ich die legitimen Ordnungen, über die die Kommunikationsteilnehmer ihre Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen regeln und damit Solidarität sichern. Unter Persönlichkeit verstehe ich die Kompetenzen, die ein Subjekt sprach- und handlungsfähig machen, also instandsetzen, an Verständigungsprozessen teilzunehmen und dabei die eigene Identität zu behaupten.“ (Habermas 1981b: 209). Diese drei Komponenten der Lebenswelt versteht Habermas parallel zu seiner Drei-Welten-Theorie, welche aufgeteilt ist zwischen einer objektiven, sozialen und subjektiven Welt und ist zudem analog zu seinen Geltungsansprüchen Wahrheit/Wirksamkeit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit (siehe dazu Kapitel 3.2). Die Kultur bezieht sich nach Habermas auf die objektive Welt der Gegenstände und ermöglicht das gegenseitige Vertrauen in die Wahrheit einer geteilten sozialen Bedeutung; die Lebenswelt-Komponente Gesellschaft bezieht sich auf eine soziale Welt des praktischen Zusammenlebens, welches über ein innen und außen geregelt wird und somit Zusammengehörigkeit zustande bringt; die Persönlichkeit entsteht im Rahmen indi-
vidueller Gewohnheiten und Einstellungen, die reibungsloses Handeln überhaupt erst ermöglichen. Sowohl Kultur, Gesellschaft als auch Persönlichkeit sind als Lebenswelt nach Habermas der „reflexiv nicht vollständig zugängliche Hintergrund all unseres Handelns; sie bildet den selbstverständlichen Kontext unseres Denkens und Wirkens“, so die Soziologen Joas und Knöbl (2004: 338).
Dass die Lebenswelt reflexiv nicht gänzlich einzuholen ist, liegt daran, dass sie aus vertrauten Alltagssituationen besteht, die uns als beständige Tatsachen und soziale Wirklichkeit erscheinen. Jeder Mensch hat aufgrund eines historisch-kulturellen Hintergrunds und persönlicher Erfahrungen seine eigene Lebenswelt, dennoch ist jede individuelle Lebenswelt in vielen Teilen mit der Lebenswelt anderer identisch. Der Grund dafür ist, dass es für gewöhnlich im Alltag einen gemeinsamen Konsens aller Teilnehmenden darüber gibt, um was für eine Situation es sich handelt und was wir voneinander zu erwarten haben. Indem wir uns der Situation entsprechend „angemessen“ verhalten, ermöglichen wir eine anschlussfähige und konfliktfreie Kommunikation (vgl. Nassehi 2011: 60). Indem Menschen auf übliche Weise handeln, gibt es in der Regel keinen Grund, dass sie ihr Handeln oder die soziale Ordnung hinterfragen. Denken wir an Folgendes: Ich möchte beim Bäcker eine Brezel kaufen. Nun müssen beim Brezelkauf nicht jedes Mal neue Regeln und soziale Rollen ausgehandelt werden, sondern mein Gegenüber und ich handeln auf Basis einer gewohnten sozialen Ordnung, die im Regelfall von niemandem kritisch hinterfragt wird. Die Funktion der Lebenswelt besteht nämlich darin, dass sich die Frage nach dem Sinn gar nicht stellt und „möglichst wenig Reflexionsbedarf entsteht“, so der Soziologe Armin Nassehi (2011: 55).
Einerseits ließe sich die Lebenswelt aus kulturkritischer Perspektive als Ideologie umschreiben, die in einem hohen Grad Macht über unsere Entscheidung ausübt und unsere Handlungsfähigkeit einschränkt. Diese Sichtweise auf Kultur als
Ideologie schreibt der Kontingenz eine zentrale Rolle zu, indem davon ausgegangen wird, dass der Sinn der Dinge auch ganz anders sein könnte und sich darum nicht aus seinem geschichtlichen Entstehungskontext ableiten lässt. Traditionen und Gewohnheiten, Sprache und soziale Praktiken sind in diesem Sinne nichts anderes als Zufälle und was wahr, richtig und gut ist, wird von denjenigen bestimmt, welche die Macht und Deutungshoheit besitzen. Friedrich Nietzsche formuliert es so: „Die Form ist flüssig, der Sinn ist es aber noch mehr“ (Nietzsche 1999 zit. n. Feige 2018: 48). Andererseits ermöglicht uns die Grundlage einer vertrauten Lebenswelt überhaupt neue Lebenswelten zu erschließen, da wir durch sie nicht stets alles hinterfragen müssen, sie unserem Handeln Sinnhaftigkeit verleiht und uns dadurch erst handlungsfähig macht (vgl. Nassehi 2011: 55). Indem die Lebenswelt unsere Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten begrenzt, reduziert sie Komplexität und gibt uns Sicherheit, da wir sie als natürliche, real existierende und unveränderbare Wirklichkeit ansehen. Das Hinterfragen von Routinen und Normen steigert hingegen die Komplexität, hemmt die eigene Handlungsfähigkeit und macht Reflexion und rationale Anstrengungen notwendig, um wieder Entscheidungen treffen zu können. Handlungsentscheidungen wären schlichtweg unmöglich, sofern alles hinterfragt werden würde. Doch alles zu hinterfragen ist unmöglich, da die Lebenswelt selbst nie vollständig thematisiert werden kann, während sie selbst den Horizont bildet, vor dem etwas thematisch werden kann.
Doch woher nehmen wir die Gewissheit, so und nicht anders handeln zu können oder zu müssen? An dieser Stelle tritt etwa das Design ins Spiel: Indem Designgegenstände heute mit einer Vielzahl alltäglicher Routinen verknüpft sind, schaffen sie durch ihre Funktion und Form jene praktische und sinnhafte Grundlage, um das Tagesgeschehen in gewohnter Weise in den Griff zu bekommen. Ein Schuh etwa wird von mir nicht nur praktisch gebraucht, um sich gut von A nach B zu bewegen,
sondern die Marke und das Modell des Schuhs stabilisieren ebenso symbolisch meine Identität und mein Selbstkonzept. Ferner treten Designgegenstände auch zwischen Subjekten auf, um Kommunikation zu ermöglichen und erwartbar zu machen. Ein Tresen beispielsweise durchschneidet eine Bar nicht nur aufgrund der praktischen Funktion, dass die Bedienenden dahinter in Ruhe das Bier zapfen können, sondern auch um symbolisch darauf zu verweisen, dass sich hier der Ausschank befindet; dass die Personen hinter dem Tresen für den Ausschank verantwortlich sind; und dass es sich überhaupt um eine Bar handelt. Die Verwirrung wäre vermutlich groß, wenn für bestimmte Orte übliche Designgegenstände nicht präsent wären. Ebenso verhält es sich etwa mit Webseiten, die in der Regel eine typische visuelle Ordnung wie Menü oder Impressum aufweisen, welche es uns ermöglichen, uns auf einer Seite zu orientieren.
Für Designer*innen zeigt sich an dem Begriff der Lebenswelt, dass nicht nur der Gebrauch von Designgegenständen, sondern auch das Entwerfen und Gestalten auf bestehenden Traditionen einer vor-interpretierten Lebenswelt aufbauen, welche gegenwärtig nie vollständig hinterfragt werden können. Erst im Rückblick zeigen sich häufig Muster, welche den Sinn einer Handlung, unsere Gewohnheiten und Einstellungen sowie soziale Strukturen offenbaren. Sofern Designer*innen bedenkenlos Routinen fortschreiben und jeden erfolgreichen Trend imitieren, versperrt sich ihnen der Blick darauf, dass sie damit unter Umständen eine ungerechte soziale Ordnung reproduzieren. Und doch sind Designer*innen auf ihre persönlichen Verhaltensmuster, ihren kulturellen Hintergrund und die Gesellschaft angewiesen, um in ihrer Designtätigkeit handlungsfähig bleiben zu können.
2.4
Objektiver Sinn als soziale Situation, soziale Rolle und Normen
Am Begriff der Lebenswelt konnte gezeigt werden, dass wir viele Teile unserer Persönlichkeit, Kultur und Gesellschaft unhinterfragt annehmen und zum Zwecke der Komplexitätsreduktion und gegenseitigen Handlungskoordination auch annehmen müssen. Nun stellt sich die Frage, in welcher Form sich uns die Lebenswelt als soziale Ordnung darbietet. Die Soziologie bietet dazu drei zentrale Begriffe: soziale Situation, soziale Rolle und soziale Norm. Bei allen drei handelt es sich um Typisierungen, die unser Wahrnehmen, Denken und Handeln strukturieren sowie ein geregeltes Zusammenleben ermöglichen, indem gemeinsam etwas als etwas verstanden wird.
Die Eigenschaften von Situationen sind, dass sie räumlich nah und zeitlich begrenzt sind. Spezifische Situation ergeben sich aus konkreten Situationselementen; z. B. benötigt die Situation „Holzhacken“ die Elemente Holz und eine Axt (vgl. Schulz-Schaeffer 2018: 405 f.). Die objektiven Bedingungen machen aber noch keine Situation, wesentlich ist vor allem die subjektive Deutung der eigenen Lage – die Situationsdefinition. Je nach Situationsdefinition richtet sich das Bewusstsein und die Wahrnehmung auf unterschiedliche Gegebenheiten und verlangt, ermöglicht oder verbietet bestimmte Handlungen (subjektiver Sinn!). Situationsdefinitionen sind aber nie unabhängig von anderen. Wir können zwar Situationen subjektiv deuten, aber nur vor dem Hintergrund gewohnter Bedeutungszuschreibungen, die sich uns als soziale Wirklichkeit präsentieren:
„Die Situationsdefinition kann von den Akteuren in der Situation aktuell sinnhaft erzeugt werden. Sie kann aber auch in Gestalt vorgefertigter Sinnmuster des gesellschaftlichen Wissensvorrates vorliegen“, so der Soziologieprofessor Ingo Schulz-Schaeffer (2018: 406). Hier wird die Wechselseitigkeit von subjektivem und objektivem Sinn deutlich, welche einander bedingen.
Ein wichtiges Resultat der Situationsdefinition ist das Veror-
ten der eigenen Person in einer sozialen Situation – die soziale Rolle. Soziale Rollen werden aufgrund von Geschlecht, Alter, Fähigkeiten, Status etc. teilweise zugeteilt und teilweise selbst gewählt. Sie enthalten gebündelte Erwartungen und Bewertungen, Normen und Werte. Dadurch beinhalten soziale Rollen bestimmte Verhaltensanweisungen, Aufgaben und Funktionen und treten dadurch „als Strukturmuster […] zwischen die Gesellschaft […] und die konkrete Person“ (Nassehi 2011: 58). Einen wesentlichen Beitrag zu der Untersuchung von sozialen Rollen liefert George Herbert Mead. Nach Mead sind soziale Rollen durch die menschliche Fähigkeit der Rollenübernahme („role taking“) möglich: Indem ich mich mittels Einbildungskraft in andere Personen hineinversetze, kann ich mir potenzielle Verhaltenserwartungen („ me’s“) an mich aus der Sicht anderer oder der Gesellschaft vorstellen, was es ermöglicht spontane Triebimpulse zu bewerten und das eigene Handeln entsprechend zu kontrollieren (vgl. Joas 2000: 177). Durch die Übernahme bestimmter sozialer Rollen erfüllen wir aber nicht nur Verhaltenserwartungen, sondern entwickeln auch eine eigene Ich-Identität – das „ I “. Das „I“ ist nach Mead die Synthese unterschiedlicher Fremdbilder und Erwartungserwartungen („me’s“) mit eigenen Erwartungen und Wünschen (vgl. Joas 2000: 177).
Folgt man dieser These, so wird klar, dass soziale Rollen unddie eigene Identität und Persönlichkeit nicht voneinander zu trennen sind, was hier bereits als inkorporierter Sinn thematisiert worden ist und der Kultursoziologen Pierre Bourdieuunter dem Begriff des „Habitus“ zusammenfasst. Für Bourdieu stellt der Habitus die Verbindung von Individuum und Gesellschaft dar, indem er (A) die gesellschaftlichen Verhältnisse und Strukturen umfasst und (B) die subjektive Verinnerlichung einer bestimmten Praxis durch soziale Herkunft und Lebenslauf einschließt (inkorporierter Sinn!). Die sozialen Verhältnisse und die eigene Herkunft bestimmen nach Bourdieu die individuellen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsformen. Die Lebensge -
schichte wird demnach zu einem „Programm“ und zeigt sich in Form von Automatismen an unseren Körperbewegungen, formt unser Weltbild bereits frühzeitig und ist somit ein Teil unserer Identität und Praxis (vgl. Joas/Knöbl 2004: 533). Solche körperlichen Automatismen durch den Habitus bedeuten nach Bourdieu aber nicht, dass Menschen immer gleich handeln müssten. Es sind Variationen von Denk-, Wahrnehmung- und Handlungsmuster möglich, weshalb der Habitus ein „Spielraum des Verhaltens“ darstellt, in dem wir uns „kreativ und innovativ bewegen“ (ebd.: 534).
An soziale Rollen sind typische Verhaltenserwartungen geknüpft. Sofern mehrere Menschen die Vorstellung von denselben Verhaltenserwartungen haben, lässt sich von gemeinsamen, geteilten sozialen Normen sprechen. Eine Definition innerhalb der Sozialpsychologie nach, sind soziale Normen implizite und explizite Regeln für akzeptable Verhaltensweisen, Werte und Überzeugungen (vgl. Aronson et al. 2014: 268). Zu Normen gehören unter anderem Stile und Moden, Körperbilder, Essgewohnheiten, Hobbys oder Sitten. Ein möglicher Grund für die Entstehung sozialer Normen ist das menschliche Bedürfnis nach Konformität und Verständigung. Die Sozialpsychologie unterscheidet zwischen zwei Typen von Normen: injunktive und deskriptive Normen (vgl. ebd.: 288). (1) Injunktive Normen entstehen aufgrund des Wunsches nach Anerkennung („ normativer sozialer Einfluss“). Die Stärke dieses sozialen Einflusses hängt davon ab, wie wichtig uns eine Gruppe ist und wie viele Mitglieder sie hat (vgl. ebd.: 269). Geprägt sind injunktive Normen von idealistischen Werten, die klar unterscheiden zwischen „richtig“ oder „falsch“. Beispielsweise gilt Blutspenden als richtig, während Abfall verursachen als falsch angesehen wird. (2) Deskriptive Normen dagegen entstehen aufgrund mehrdeutiger Situationen, in denen es wichtig erscheint, exakt zu sein („ informationaler sozialer Einfluss“). Dabei wird das tatsächliche Verhalten anderer als Informationsquelle zur Orientierung genutzt (ebd.: 267). Zum Beispiel kann die Be -
obachtung von Personen, die ihren Abfall ins Gebüsch werfen, die Norm zur Folge haben, dass Müllentsorgung in der Natur als akzeptabel erscheint. Minderheiten einer Gesellschaft profitieren nun vor allem vom normativen sozialen Einfluss, indem überraschende Informationen neue Normen entstehen lassen. Mehrheiten profitieren hingegen von informationalen sozialen Einfluss, da sich dadurch Menschen, dem Konformitätsdruck und Gruppenzwang gehorchend, an die Mehrheit der Gruppe anpassen (vgl. ebd.: 269). So können Designer*innen etwa durch die Gestaltung einer medialen Vermittlung von Informationen dazu beitragen, unbekannte Lebenswelten für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, mit Ziel, neue injunktive Normen und Regeln zu schaffen.
Neben dem Sinn und der Bedeutung, welche wir den Gegenständen bewusst oder unbewusst geben, ist es ebenso wichtig sich anzuschauen, welches sichtbare Handeln dieses zutage trägt. Das ist für Designer*innen insofern interessant, als wir uns den Gründen und Ursachen unserer Designpraxis nie eindeutig bewusst werden können und somit das eigene Handeln und das Handeln anderer besser verstehen und erklären können.
einem Konzept von Handeln: Arbeit, Kommunikation und Spiel
Was ist Handeln? Diese Frage wirkt trivial, da wir den Begriff des Handelns in unserem alltäglichen Sprechen so selbstverständlich verwenden, als wüssten wir genau, was dieser für uns bedeutet. Doch wie es erfahrungsgemäß mit Begriffen ist, geraten wir ins Stocken, sobald die Frage gestellt wird, was wir meinen, wenn wir – wie in diesem Fall – von „Handeln“ sprechen. Daran zeigt sich, dass wir häufig zwar in der Lage sind, Begriffe in einem bestimmten Kontext richtig zu verwenden, wir aber deshalb nicht zwangsläufig auch über eine konkrete Definition dieser Begriffe verfügen. Was Dinge für uns bedeuten, ist alles andere als unwesentlich, denn unser Verständnis von Gegenständen als auch Begriffen prägt wesentlich unser Selbst- und Weltbild sowie unser Handeln. Verstehe ich unter „Handeln“ beispielsweise automatische Bewegungsabläufe aufgrund eines inneren oder äußeren Reizes, werde ich vermutlich einen grundlegend anderen Bezug zu der Welt und zu mir haben, als wenn ich Handlungen als Ausdruck eines freien Willens betrachte.
Die wohl bekannteste Definition in der Soziologie von Handeln stammt aus dem Text Wirtschaft und Gesellschaft (1921) von dem deutschen Soziologen Max Weber. Weber unterscheidet darin grundlegend zwischen Verhalten, Handeln und sozialem Handeln.
(1) Verhalten ist nach Weber eine rein motorische, triebhafte Reaktion aufgrund eines inneren oder äußeren Reizes. Menschliches Verhalten ist sichtbar und durch empirische Beobachtungen lassen sich recht eindeutige Ursachen dafür ausfindig machen (vgl. Nassehi 2011: 34).
(2) Handeln ist ein menschliches Verhalten „einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden“, das „die Handelnden mit einem subjektiven Sinn verbinden“ (Weber 1972: 1). Handeln definiert Weber hier als einen Spezialfall von
Verhalten, welches sich an eigenen Zielen und Bedürfnissen sowie Werten und Wunschvorstellungen orientiert. Der subjektive Sinn einer Handlung ist – im Gegensatz zu sichtbaren Verhaltensweisen – unsichtbar und uneindeutig. Der Sinn einer Handlung lässt sich nur theoretisch vor dem Hintergrund deuten, dass auch andere Interpretationen möglich wären (vgl. Nassehi 2011: 34).
(3) Soziales Handeln ist schließlich ein Handeln, „welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (Weber 1972: 1). Demnach ist soziales Handeln sowohl an eigenen Zielen und Werten ausgerichtet als auch am vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Verhalten anderer.
Die traditionelle soziologische Handlungstheorie unterscheidet im Allgemeinen zwischen zwei idealen Handlungstypen anhand der dahinter liegenden Intention: Arbeit und Kommunikation. Bei Arbeit geht es den Handelnden darum, ein kurzfristiges Ziel zu erreichen; bei Kommunikation geht es um langfristige wechselseitige Verständigung. In Rahmen dieser Masterarbeit möchte ich diesen zwei Handlungstypen noch ein drittes hinzufügen: das selbstbezogene Spiel. An diesen drei Handlungstypen sind die folgenden Kapitel orientiert. Im Anschluss daran werde ich zeigen, inwiefern menschliches Handeln allgemein als ein kreatives Handeln zu verstehen ist . Dadurch soll insgesamt gezeigt werden, warum wir im Entwerfen und Gestalten die Ziele und Regeln nicht komplett selbst setzen und vor uns bringen können, da der Sinn einer Handlung häufig erst im Prozess entsteht sowie in Abhängigkeit zu Situationen, Gewohnheiten sowie Traditionen steht und sich dennoch laufend verändern kann.
3.1
Zweckorientiertes und normorientiertes soziales Handeln
Bezüglich Handlungen ist es die Aufgabe der Soziologie, den subjektiven Sinn hinter sozialen Handlungen deutend zu verstehen und damit in ihrem Ablauf und ihrer Wirkungen ursächlich zu erklären (vgl. Weber 1972: 1). Es geht also der Soziologie unter anderem darum, zu verstehen, wie Menschen Situationen deuten und an welchen Regeln und Zielen sie sich orientieren. Dazu unterscheidet Weber zwischen vier Handlungstypen anhand der dahinter liegenden Motive: zweckrationales Handeln, wertrationales Handeln, traditionelles und emotionales Handeln. 12 Diese Typen weisen nach Weber folgende Eigenschaften auf: (1) zweckrationales Handeln ist geprägt durch die Erwartung an den eigenen Erfolg. Dabei wird bewusst und rational abgewogen zwischen Mitteln und Zwecken; (2) wertrationales Handeln orientiert sich an ethischen, ästhetischen, religiösen oder anderen Überzeugungen und Idealen, unabhängig von Zielen und Erfolg; (3) traditionelles Handeln ist durch eingeübte Gewohnheiten bestimmt, an welchen wir unbewusst festhalten; und (4) emotionales Handeln ist geprägt durch den Ausdruck gegenwärtiger Gefühle (vgl. Weber 1972: 12). Zweckrationales und wertrationales Handeln ist nach Weber rational, d. h. wir denken bewusst und vernünftig über unser Handeln nach. Traditionelles und emotionales Handeln ist unbewusst und in diesem Sinne nach Weber irrational. Webers individualistischer Ansatz stellt damit klar, dass ein Handeln, das sich an persönlichen Zielen orientiert, das „vernünftigste“ aller Handlungsformen sei (vgl. Joas/Knöbl 2004: 708).
Webers Definition von Handeln und dessen Handlungsty-
12 Wichtig zu erwähnen ist, dass diese Idealtypen für Weber (und auch für spätere Handlungstheorien!) ein gedankliches Instrument sind, um statistische Regelmäßigkeiten ausfindig zu machen und soziologische Regeln aufstellen zu können. Unser tatsächliches Handeln lässt sich nicht so eindeutig aufgliedern, sondern ist vielmehr eine Mischung dieser Typen (vgl. Weber 1972: 6).
pologie war wegweisend für viele anschließende Handlungstheorien innerhalb der Soziologie, jedoch folgten nicht alle Webers Ansatz. Der normativistische Ansatz des amerikanischen Soziologen Talcott Parsons etwa widerspricht Weber in der Hinsicht, dass es im wesentlichen soziale Normen statt individuelle Ziele und Werte sind, welche die Art und Weise unseres Handlungsvollzugs formen (vgl. Joas/Knöbl 2004: 64 f.). Diese Überzeugung stellt Parsons anhand seines Handlungsmodells „action frame of references“ dar (vgl. Abb. {?}). Darin unterscheidet er zwischen folgenden Elementen des menschlichen Handelns: (1) Die handelnden Person; (2) das Ziel des Handelns; (3) die Handlungssituation, bestehend aus den unbeeinflussbaren Situationsbedingungen und den beeinflussbaren Handlungsmitteln; (4) Normen und Werten, wobei mit sozialen Normen implizite und explizite Verhaltensregeln gemeint sind und Werte als eigene Handlungsgrundsätze ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität darstellen (vgl. Joas/ Knöbl 2004: 64 f.). Auch der Entwurf und der Gebrauch von Designgegenständen vollzieht sich innerhalb eines Rahmens von Zwecken, Situationsbedingungen, verfügbaren Mitteln, Normen und Werten. Mehr noch: Designgegenstände sind selbst Mittel und Bedingungen einer Situation und stellen in diesem Sinne einen Teilbereich des hier vorgestellten Handlungsrahmens.
Die einzelnen Handlungselemente will Parsons in einer konkreten Reihenfolge verstanden wissen: Die Ziele der Handelnden werden zu Beginn einer Handlung vor-formuliert, soziale Normen und persönliche Werte entscheiden schlussendlich über die endgültige Durchführung und Handlungsweise, da sie als Regeln bestimmte Ziele und Mittel zulassen und andere nicht (vgl. Joas/Knöbl 2004: 708). Anders gesagt: Geteilte Normen und Werte sind nach Parsons entscheidend für individuelles Handeln. Aber nicht nur das. Auch eine soziale Ordnung, d. h. ein geregeltes Zusammenleben in einer Gemeinschaft ist nach Parsons nur aufgrund sozialer Normen möglich, da diese
gegenseitige Verhaltenserwartungen und Handlungskoordinationen zulassen.
Abb. 6: Elemente des Handelns nach Talcott Parsons (in Anlehnung an Joas/Knöbl 2004: 65).
An Weber und Parsons zeigt sich, dass es in der Theorielandschaft verschiedene Annahmen darüber gibt, welche Gründe unseren Handlungsvollzug formen und handlungsleitend sind. Die ökonomisch-individualistischen Ansätze gehen davon aus, dass die Wirksamkeit von Handlungen in Bezug auf deren Ziele endgültig darüber entscheidet, ob eine Handlung gut und richtig ist oder nicht. Normativistische Ansätze hingegen pochen auf der Annahme, dass das Handeln wesentlich auf der Einhaltung und konstanten Befolgung von Regeln und Normen basiert. Beide Ansätze erwecken den Eindruck, dass Handlungen etwas Abgeschlossenes seien und Menschen unabhängig von anderen handeln könnten. Dem ist erfahrungsgemäß nicht so, denn in wechselseitiger Interaktion tauschen wir mit anderen gegenseitig Informationen aus und versuchen uns gleichzeitig über deren Bedeutung zu verständigen. Bei einem solchen Handeln sprechen wir allgemein von Kommunikation. Darum soll es im Folgenden gehen.

3.2
Kommunikation als Verständigung
Was ist Kommunikation? Rückbezüglich des vorangegangenen Kapitels könnte gesagt werden, menschliche Kommunikation ist allgemein als eine besondere Form des sozialen Handelns zu begreifen. Wie bereits oben anhand von Max Weber’s Theorien und Begriffsprägungen beschrieben wurde, zeichnet sich soziales Handeln dadurch aus, dass es sich zielgerichtet auf das vorgestellte oder tatsächliche Verhalten anderer bezieht. Die Kommunikationswissenschaften unterscheiden zwischen zwei Zielen, an denen sich Kommunikation ausrichtet: variable und konstante Ziele. Erstens ist das kurzzeitige Ziel unseres Handelns die Realisierung spezieller Interessen in gegenwärtigen Situationen. Zweitens ist das konstante Ziel von Handeln, die gegenseitige Verständigung, d. h. dass Sinn und Bedeutung miteinander geteilt werden (vgl. Burkart 2002: 27).
Diese Unterscheidung geht unter anderem auf den Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas zurück. In seinem Werk Theorie des kommunikativen Handelns (1981) entwirft Habermas eine Handlungstheorie, mit der er einen „Paradigmenwechsel“ vollziehen möchte „von der Zwecktätigkeit zum kommunikativen Handeln“ (Joas 2000: 188). Habermas Handlungstypologie hat – im Gegensatz zu Max Webers Handlungstypologie – nicht vier, sondern zwei idealtypische Handlungsformen: erfolgsorientiertes Handeln und verständigungsorientiertes Handeln.
(1) Der Typ des erfolgsorientierten Handelns ist an Zielen ausgerichtet und durch die Erwartung an Erfolg geprägt. Dieses unterscheidet sich nach Habermas darin, ob Menschen sich in einer nicht-sozialen oder sozialen Handlungssituation befinden. 13 Es handelt es sich um ein instrumentelles Handeln,
13 Diese Unterscheidung erinnert an den griechischen Philosophen Aristoteles, der die menschliche Tätigkeit zwischen poiesis und Praxis unterscheidet. Die poesis ist die technische Herstellung und Besorgung von Dingen und Praxis meint das soziale Handeln, das im
wenn versucht wird Gegenstände nach eigenen Wünschen zu manipulieren und zu gestalten und um strategisches Handeln, sofern Menschen zu eigenen Zwecken genutzt und manipuliert werden.
(2) Der Typ des verständigungsorientierten Handelns bezieht sich auf das Handlungsmodell von Talcott Parsons. Im Gegensatz zu Parsons geht Habermas aber nicht von einer hyperstabilen sozialen Ordnung aus, über deren Regeln alle stets Bescheid wüssten. Habermas ist überzeugt, dass sich über diese Regeln kommunikativ immer wieder neu verständigt werden muss. Einen Handlungstypus des normorientierten Handelns bezeichnet Habermas darum als verständigungsorientiertes Handeln. Ein solches Handeln liegt für ihn in sozialen Handlungssituationen als kommunikatives Handeln vor. Im Gegensatz zum strategischen Handeln ist dieses nicht zielgerichtet, da die Teilnehmenden versuchen mittels Sprache die Beziehung und Situation gemeinsam zu definieren und sich über einheitliche Ziele, Regeln und Rollen zu verständigen (vgl. Joas/Knöbl 2004: 332).
Ablauf auf das Verhalten anderer bezogen ist (vgl. Schweppenhäus er 2016: VIII).
Abb. 7: Handlungstypen nach Habermas (Joas/Knöbl 2004: 333)
Ein Handlungstyp, der sich an Zielen orientiert, bezeichnen wir alltagssprachlich auch als Arbeit ; ein Handlungstyp, der sich an Verständigung orientiert als Kommunikation. Kommunikation setzt mindestens zwei Individuen voraus, die miteinander sozial interagieren, um sich mitzuteilen und damit versuchen Bedeutung (Gedanken, Gefühle etc.) zu vermitteln (vgl. Burkart 2002: 32 f.). Für die Vermittlung von Bedeutung benötigt es ein Medium. Dieser vieldeutige Begriff kann hier nicht umfassend erklärt werden, weshalb zwei Definitionen genügen müssen: Ein Medium ist erstens – mit Platon gesprochen –ein Übergang von einem Gedanken zu einer Form (vgl. Arnold 2016: 80) und zweitens ein „Transportmittel “ für Zeichen von einer Person zu einer anderen (vgl. Burkart 2002: 35). Die Kommunikationswissenschaft unterscheidet hinsichtlich Medien zwischen primären Medien (Sprache, Gestik, Mimik, Musik, Bild etc.); sekundären Medien, welche von der Seite des Senders ein Objekt erfordern (Brief, Plakat, Buch etc.) und tertiären Medien, bei denen sowohl aufseiten des Senders als auch Empfängers ein Objekt notwendig ist (Radio, Fernsehen, Internet

etc.) (vgl. Burkart 2002: 36 f.).
Sprache ist nach dem Kommunikationswissenschaftler Roland Burkart erstens ein Medium, mit der Funktion „Inhalte des Bewusstseins“, wie eigene Gedanken und Gefühle, sich selbst und „anderen Menschen zugänglich zu machen“ und zweitens ein Mittel zur Verständigung (vgl. Burkart 2002: 77). Die Funktion der Sprache ist, dass spezielle Erlebnisse ständig unter einen allgemeinen Sinn gebracht werden, „die objektiv und subjektiv wirklich sind“, so die beiden Soziologen Berger und Luckmann (1970 zit. n. Burkart 2002: 111). Objektiv wirklich sind Ereignisse, sofern sie unhinterfragt akzeptiert werden; subjektiv wirklich sind Ereignisse, weil wir ihnen auf Basis unseres Erfahrungshorizonts einen eigenen Sinn zuschreiben. Wenn wir von einem Gegenstand als „Stuhl“ sprechen, so erscheinen allen Kommunikationsteilnehmer*innen ähnliche assoziative Begleitvorstellungen wie das Sitzen. Zusätzlich schreibt jede*r einem Stuhl eine individuelle und wertende Bedeutung zu, weil es sich z.B. für eine Person um ein besonderes Exemplar oder Modell eines Stuhls handelt oder diese Person ihn selbst entworfen und gebaut hat.
Gegen die Vorstellung, dass Sprache ein Medium sei, lässt sich jedoch der Einwand erheben, dass unsere Gedanken entsprechend sprachfrei sein müssten, was sie erfahrungsgemäß nicht sind. Der Philosoph Daniel M. Feige beschreibt es so: „Ohne einen Begriff der Musik – sowie viele weitere Begriffe, die mit Musik verbunden sind – kann ich nicht Musik als Musik hören. […] Sprache ist transparent mit Blick auf die Welt derart, dass sie die Art und Weise meint, wie die Welt sich uns im Handeln und Denken zeigt: Als etwas in Formen begrifflicher Artikulation Erschlossenes und Erschließbares“ (Feige 2018: 167). In diesem Sinne ist Sprache weniger ein Medium von formlosen Gedanken als vielmehr die Form der Gedanken selbst. 14
14 Das aus dieser Überlegung resultierende Umdenken innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften in den 1950er-Jahren wird gemein -
Unser Weltbezug ist aber nicht ausschließlich durch Sprache geregelt, denn obwohl die Sprache kategorial zu unterscheiden ist von Medien wie Bilder, Musik, Plakate oder Webseiten, prägen diese ebenso unser Denken und Handeln.
Nun wird in den Kommunikationswissenschaften zwischen zwei Dimensionen sprachlicher Kommunikation unterschieden: die symbolische Dimension und die Handlungsdimension.
(A) Die symbolische Dimension ist die Ebene der Darstellung von Information und der Bedeutung von Zeichen. Hier geht es darum, was mittels Zeichen (Semantik) und deren Anordnung (Syntax) mitgeteilt werden soll. Die Semantik eines Zeichens ist die Vorstellung, die ein einzelnes Zeichen in unserem Bewusstsein auslöst. Da viele Zeichen mehrdeutig sind (z. B. das Wort Kiefer für den Baum oder den Teil des Körpers), wird deren Bedeutung erst im Zusammenhang mit anderen Zeichen deutlich – der Syntax ; z. B. ergeben einzelne Wörter einen Satz, einzelne Sätze ergeben einen Text usw. (vgl. Braun 1993: 156). Dieses Phänomen beschreibt der Philosoph und Mathematiker Edmund Husserl in seinen Untersuchungen des Zeitbewusstseins anhand der Wahrnehmung von Musik, zu denen der deutsche Philosoph Norman Sieroka in seinem Buch Philosophie der Zeit (2018) eine passende Darstellung liefert (vgl. Abb. 8)
hin als linguistic turn bezeichnet.
Abb. 8: Schema zur Struktur und Dynamik des inneren Zeitbewusstseins (Erläuterungen im Text) (Sieroka 2018: 66).

Die Retentionen beinhalten hierbei die Erinnerung an kürzlich erklungene Töne und Tonabfolgen; mit Protentionen meint Husserl die Erwartung von möglichen Tönen, die aufgrund vergangener Erfahrungen am wahrscheinlichsten folgen könnten. Die Einheit der Differenz von Erinnerung und Erwartung ist das gegenwärtige Erleben. Rückbezüglich der Kommunikation als symbolisch vermittelte Interaktion heißt das: Die zeitliche Aneinanderreihung bestimmter Zeichen bilden einen Sinnzusammenhang,wodurch eine Erwartung zustande kommt, welche Zeichen wahrscheinlich folgen könnten.
(B) Die Handlungsdimension ist die Ebene der Beziehungen, bei der es darum geht, was der Sinn eines Zeichens ist; also weshalb und wozu etwas gesagt oder getan wird (vgl. Burkart 2002: 85). Die Deutung eines Zeichens als Handlung steht im Kontext der Situationsdefinition, die subjektiv interpretiert werden muss. Ein Baum etwa kann als Baum gedeutet werden, egal wo dieser steht. Ein und dieselbe Handlung bedeutet im Kontext eines Büros jedoch etwas anderes als bei mir Zuhau-
se, denn Handlungen und Kommunikation ordnen sich danach, „dass sie sachlich, zeitlich oder sozial plausibel werden“, so der Soziologe Armin Nassehi (2011: 56). Das heißt, dass kommunikatives Handeln nicht unabhängig und frei von äußeren Bedingungen ist, sondern stets durch die Logik der Situation sowie von sozialen Dynamiken und Erwartungen geprägt ist: Je nachdem, wer, wann, wo etwas tut oder sagt, wird der subjektive Sinn hinter einer Handlung anders gedeutet.
Sowohl Arbeit als auch Kommunikation orientieren sich nach Jürgen Habermas an sogenannten „Geltungsansprüchen“. Seiner Rationalitätstheorie zufolge gibt es drei Geltungsansprüche, die beanspruchen vernünftig zu sein und in jeder sprachlichen Äußerung und Handlung enthalten sind: Wahrheit/Wirksamkeit 15 , Richtigkeit und Wahrhaftigkeit (vgl. Joas/ Knöbl 2004: 326 f.). Aussagen und Handlungen haben erstens einen Wahrheitsanspruch aufgrund empirischer Gründe, indem sie Wissen verkörpern und in Bezug auf ein Ziel tatsächlich wirksam sind. Sie gelten zweitens als richtig, wenn durch sie Verhaltenserwartungen – wie Werte, Normen und Rollen – eingehalten werden. Und drittens sind Handlungsvollzüge und Äußerungen dann wahrhaftig, wenn sie als authentischer Ausdruck der eigenen Identität und Persönlichkeit erachtet werden (vgl. ebd.). 16 Auf der individuellen Ebene nennen wir solche rechtfertigenden Motive Rationalisierung, „auf der Ebene kollektiven Handelns Ideologie“ (Habermas 1968: 159 f.).
Diese Geltungsansprüche sind analog zu der Unterscheidung dreier Zeichenfunktionen in den Kommunikationswissenschaften, welche unter anderem auf den Sprachpsychologen
15 Die Geltungsansprüche der Wahrheit und Wirksamkeit werden hier zusammengenommen, da sie sich nach Habermas beide auf eine objektive Welt der Gegenstände und Sachverhalte beziehen.
16 Diese Dreifaltigkeit von Geltungsansprüchen Habermas’ weist Par allelen mit den drei Arten der Überzeugung der klassischen Rhetor ik nach Aristoteles auf: Logos, Ethos, Pathos.
Karl Bühler zurückgehen: die Symbolfunktion, die Signalfunktion und die Ausdrucksfunktion. 17 Demnach ist ein Zeichen (1) ein Signal, da es als Mittel gebraucht wird, um an andere zu appellieren und bei ihnen ein bestimmtes Verhalten zu bezwecken (z. B. das Handzeichen einer Bibliothekarin, das auffordert leise zu sein). Zeichen sind (2) Symbole, insofern sie als Metapher benutzt werden, um Gedanken, Gefühle, Gegenstände usw. darzustellen (vgl. Burkart 2002: 48 f.). Beispielsweise werden Wörter, Handzeichen, Gesichtsausdrücke, Schriften oder Bilder als stellvertretendes Symbol für etwas anderes verwendet, wie das Wort „Tisch“ als sprachliche Darstellung für das Möbelstück. Diese „Vertretungsfunktion“ von Symbolen ermöglicht einen zeit- und situationsunabhängigen Austausch über sichtbare und nicht sichtbare Gegenstände (Burkart 2002: 52 ff.). Und schließlich werden Zeichen auch (3) als Symptom verwendet, um inneren Gefühlen einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen.
Erfolgsorientiertes Handeln orientiert sich – so Habermas –an den oben genannten Geltungsansprüchen, insofern von den erwünschten Folgen einer Handlung ausgegangen wird, Verhaltenserwartungen befolgt und Erlebnisse zuschauerbezogen stilisiert werden. So können Dinge hergestellt und Menschen zu eigenen Zwecken überzeugt werden. Verständigungsorientiertes Handeln ist hingegen nicht zielgerichtet, sondern stellt zur Disposition, ob die erhobenen Geltungsansprüche des erfolgsorientierten Handelns angemessen und überzeugend sind. Habermas drückt es folgendermaßen aus: „Allein das kommunikative Handlungsmodell setzt Sprache als ein Medium unverkürzter Verständigung voraus, wobei sich Sprecher und Hörer aus dem Horizont ihrer vorinterpretierten Lebenswelt gleichzeitig auf etwas in der objektiven, sozialen und subjektiven Welt beziehen, um gemeinsam Situations-
17 Hier fällt auf, dass wir eine solche Unterscheidung schon bei Jürgen Habermas’ Geltungsansprüchen gesehen haben. Er stützt sich genauso wie die Sprachwissenschaften auf Karl Bühlers Orga non-Modell von 1934.
definitionen auszuhandeln“ (Habermas 1981a: 142). Habermas beschreibt in diesem Zitat vier Welten, welche mit den oben genannten Geltungsansprüchen seiner Rationalitätstheorie und den bereits erwähnten Zeichenfunktionen verknüpft sind: (1) Der Weltbezug auf die objektive Welt, mit der Funktion, Sachverhalte darzustellen und dem Geltungsanspruch der Wahrheit; (2) der Weltbezug auf die soziale Welt, mit der Funktion, Beziehungen herzustellen und dem Geltungsanspruch der Richtigkeit; und (3) der Weltbezug auf die subjektive Innenwelt, mit der Funktion der Selbstrepräsentation und dem Geltungsanspruch auf Wahrhaftigkeit. Indem wir mittels Sprache uns auf diese drei Welten beziehen, verfolgen wir erstens das Ziel, uns mit unseren Äußerungen und Handlungen in die soziale Bedeutung einzuschreiben und zweitens geht es darum, Intersubjektivität zu wahren und sich weiterhin miteinander verständigen zu können.
Die benannten Zeichenfunktionen können je nach Situation unterschiedlich dominieren: Die Darstellung dominiert, wenn der Gegenstand und die Wahrheit im Mittelpunkt stehen, wie beispielsweise in der Wissenschaft oder bei Beschreibungen; der Ausdruck und die Wahrhaftigkeit dominieren, wenn die Absender*innen ins Zentrum gerückt werden sollen, wie in Literatur, Erzählungen oder Dichtungen; der Appell und die Richtigkeit dominieren dann, wenn die Hörer*innen im Mittelpunkt stehen, etwa im Rechtswesen. Ebenso werden in jeder Handlung oder Äußerung Geltungsansprüche nicht gleichermaßen erhoben, sondern sind je nach Situation mehr oder weniger zentral: In wissenschaftlichen Laboren ist Wahrheit etwa wichtiger als im Büro, wo eher der Aspekt der normativen Richtigkeit zählt, während in einem Atelier wiederum der künstlerische Ausdruck und dessen Wahrhaftigkeit eine größere Rolle spielt.
Auch Designer*innen nutzen die verschiedenen Zeichenfunktionen und erheben unterschiedliche Geltungsansprüche, indem sie ihre Zuständigkeit für das „Nützliche und Effiziente“, das „Richtige und Gute“ sowie das „Schöne und Attrakti-
ve“ reklamieren (Schweppenhäuser 2016: VII). Je nach Bestimmungskontext des Designgegenstands werden dabei eher praktische, symbolische oder stilistische Funktionen in den Blick genommen (vgl. Schneider 2005: 206). Wahrheit wird durch Design etwa dadurch geltend gemacht, indem logisch dargestellt wird, was tatsächlich ist; so zum Beispiel in Form von Informationsgrafiken, Diagrammen, Listen oder Bildern, welche sich auf eine objektive Welt beziehen. Der Geltungsanspruch der Wirksamkeit durch Designgegenstände zeigt sich etwa durch deren Gebrauchsqualität, was beispielsweise bei Anleitungen, Apps oder Leitsystemen deutlicher zum Vorschein kommt. Der Geltungsanspruch der Richtigkeit durch Design versucht sich symbolisch zu sozialen und politischen Themen zu positionieren und dadurch Geltung zu erlangen; dazu gehören etwa Plakate oder Medienkampagnen, in denen sich auf aktuelle Ereignissen und das soziale Zusammenleben bezogen wird. Ein Geltungsanspruch der Wahrhaftigkeit durch Design zeigt sich schließlich durch die Erscheinungsform und inwiefern diese ein authentischer Ausdruck dessen ist, auf das verwiesen wird. Exemplarisch dafür ist das Corporate Design, das ein konsistentes Erscheinungsbild eines Produkts, einer Person, einer sozialen Gruppe, eines Ortes oder Ereignisses vermitteln soll.
An der oben dargestellten Handlungskonzeption von Jürgen Habermas fällt nun auf, dass ein Feld seines Handlungsmodells leer bleibt – nämlich das nicht-soziale, verständigungsorientierte Handeln. Der Soziologe Hans Joas schlägt für dieses Feld den Begriff des Spiels vor, da wir uns auch mit nicht-sozialen Gegenständen verständigen, nämlich in einem „spielerischen Umgang mit Dingen“ sowie durch die ästhetische und „künstlerischen Bearbeitung von Materie“ ohne eine „feste Zweckbestimmung im Hintergrund“ (Joas/Knöbl 2004: 335). Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Handlungstyp ein wesentlicher Bestandteil der Designpraxis ist, um sich – sowohl in
der Konzeption und im Gebrauch –, mit Gegenständen vertraut zu machen und deren Bedeutung auf spielerische Art und Weise laufend zu aktualisieren. Aus diesem Grund soll sich im Folgenden dem Handlungstyp des Spiels gewidmet werden.
3.3 Spiel und Improvisation
Die Vorstellung des Menschen als „Homo oeconomicus“ oder „Homo sociologicus“ – als zweckorientiertes oder soziales Wesen –, lässt sich ein weiteres Menschenbild stellen: Der „ Homo ludens“ – der Spielende Mensch als ein Werte setzendes und Normen anerkennendes Wesen (vgl. Recki 2012: 226). Den Ausdruck des Homo ludens prägte der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga, um darzustellen, dass der Ursprung von Kultur und Gesellschaft im Spiel liegt. Nach Huizinga sind soziale Regeln und Ziele – an welche sich die bereits angesprochenen Handlungstypen des zweckorientierten und normorientierten Handelns orientieren – ein Erzeugnis spielerischer Improvisation (vgl. Huizinga 1956). Durch Improvisation entstehen spontan eigene Formen und Muster. Die laufende Bezugnahme auf diese spontanen Erzeugnisse und Prozesse hat zur Folge, dass diese sich in einer Feedbackschlaufe selbst verstärken. Solche Wiederholungen werden auf individueller Ebene als Routinisierung und auf gesellschaftlicher Ebene als Ritualisierung bezeichnet und lassen mit der Zeit stabile Strukturen wie individuelle Gewohnheiten und soziale Regelsysteme entstehen, die uns als objektive Lebenswelt in Form von Persönlichkeit, Kultur und Gesellschaft erscheinen (vgl. Kapitel 2.3). Doch was meinen wir, wenn wir von „Spiel“ reden?
Wir spielen in vielerlei Hinsicht: Wenn wir uns bewegen bei Sport oder Tanz; Geschichten erzählen; Pflanzen, Tiere und Menschen beobachten; Natur erfahren, Kunst betrachten und Design gebrauchen; Gegenstände sammeln und kategorisieren; wenn wir entwerfen, gestalten, stricken, schreinern, malen,
bauen und schauspielern usw. Theoretisch ausgearbeitet wurde der Begriff des Spiels besonders von George Herbert Mead, für den das Spiel mit Hand und Sprache nicht nur ein Randphänomen ist, sondern zentral für die Menschwerdung und Identitätsentwicklung. Mead differenziert das Spiel zwischen „ play “ und „game“ (vgl. Joas 2000: 177). Im zweiten Kapitel – zum Begriff der sozialen Rolle – wurden bereits die Begriffe „I“ und „me“ vorgestellt, um zwischen der Wahrnehmung einer äußeren Welt und sich selbst durch die Perspektive von Anderen zu unterscheiden. „Play“ und „game“ versteht Mead nun parallel zu dem „I“ und „me“. „Play“ ist das selbstgenügsame und fantasievolle Erleben des Spielens. Exemplarisch dafür sind die spielerischen Interaktionen von Kleinkindern mit Gegenständen oder imaginären Partner*innen. Die spontanen Triebimpulse und Wünsche ermöglichen ein freies Spiel ohne äußere Zwänge, mit variablen Regeln und Zielen. Dabei üben sich Kinder in Verhaltensantizipation, indem sie durch das Spielen verschiedene Perspektiven einnehmen, so Mead (vgl. Joas 2000: 177). Denken wir etwa an ein Kind, das „Einkaufen“ spielt: Zuerst ist es Kund*in, dann Verkäufer*in und dann wieder Kund*in. Dadurch werden soziale Rollen eingeübt, also Erwartung an sich selbst, aus der Sicht anderer oder der Gesellschaft. Durch diese Rollenübernahme wird ein gemeinsames Spiel möglich – das „game“: ein organisiertes, zweckgerichtetes Spiel mit konstanten Zielen und Regeln. Dazu gehören insbesondere die Teilnahme an Gruppenspielen, in dem das Verhalten der anderen und das gemeinsame Ziel als Orientierung für das eigene Handeln dient (vgl. Joas 2000: 178). So kann etwa mit dem Medium Plakat auf eine freie, intuitive und spielerische Art und Weise interagiert werden, was jedoch soziale Regeln dessen voraussetzt, welche Funktion das Plakat in dem sozialen Spiel der Gesellschaft überhaupt erfüllt. In kooperativen Designprozessen kann zudem nicht jede*r machen, wie sie*er will, sondern es muss sich mit anderen über gemeinsame Rollen, Regeln und Ziele verständigt werden, um ein kollektives Handeln
zu koordinieren.
Um anzuzeigen, ob dem Handeln konstante oder variable Regeln und Ziele zugrunde liegen, unterscheidet der Philosoph John Dewey zwischen Arbeit und Spiel. Arbeit und Spiel verbindet nach Dewey, dass beides Regeln und Ziele hat. Jedoch ist Arbeit geprägt von Fremd- oder Selbstzwang, mit festen Regeln und Zielen, die keine Intelligenz und Reflexionsprozesse benötigen. Spiele haben im Gegensatz dazu variable Regeln und Ziele, die nicht durch Zwängen fixiert werden. Dadurch ist im Spiel nach Dewey eine Wechselwirkung und Veränderung von Regeln und Zielen möglich, d. h. die Spielenden können darin Mittel und Zwecke auch fallen lassen, umgestalten und anpassen (vgl. Joas 1992: 228 f.). Eine solche Anpassung lässt sich nach Dewey in drei Typen unterteilen: (1) passive und einseitige Gewöhnung des Individuums an weitgehend hingenommene Umstände („accommodation“); (2) Anpassung der Persönlichkeit als tiefgreifende und nachhaltige Umorientierung des Individuums in seiner Einstellung zur Welt („adaptation“); sowie (3) die aktive Umgestaltung von Welt in und durch einen wechselseitigen Prozess der sozialen und nicht-sozialen Interaktion mit Menschen und Gegenständen (vgl. Joas 1992: 209 f.). Eine Spielhaltung ist nach Dewey dadurch geprägt, dass ein Handeln „nicht erst durch die Erreichung eines Zielpunktes den Handelnden befriedigt, sondern […] in allen Teilhandlungen immanent auf die Verwirklichung von Idealen bezogen ist“, so der Soziologe Hans Joas (1992: 211). Im Grunde sind für Dewey jedoch „Arbeit und Spiel […] gleich frei und gleichmäßig von innen her motiviert, abgesehen von falschen wirtschaftlichen Zuständen, die die Tendenzen haben, das Spiel zu einer müßigen Anregung für die Wohlhabenden, die Arbeit zu widerwärtiger Beschwerlichkeit für die Armen werden zu lassen […]. Arbeit, die von der Spielhaltung durchdrungen bleibt, ist Kunst …“ (Dewey 1939 zit. n. Joas 1992: 228).
Während bei Arbeit die Ziele und Regeln im voraus feststehen, ist das Spielen offen für Anpassungen und dessen Sinn
entsteht häufig erst im Prozess. Ein solches Handeln wird auch als Improvisation bezeichnet. Bei Improvisation gibt es vor der Verwirklichung keine festen Absichten darüber, was damit dargestellt, ausgedrückt oder erreicht werden soll. Der Philosoph Daniel Martin Feige schlägt vor, dass auch Entwerfen und Gestalten „nach dem Vorbild einer improvisatorischen Logik begriffen werden [können]“ (Feige 2018: 19). Denn sowohl bei der Improvisation als auch im Entwurfsprozess liegt der Sinn und die Intention von Handlungen nicht vor oder hinter Handelnden, sondern zeigt sich erst in und durch den Vollzug. Laut Feige sind einer improvisatorischen Logik drei wesentliche Eigenschaften inhärent: Improvisation ist (1) prozessual, da sie keinem konkreten Ablauf folgt und Ziele wie Regeln erst im Vollzug entstehen; (2) dynamisch, weil der Sinn, die Regeln und Ziele variabel und offen für Anpassungen sind; (3) autopoetisch, zumal es nicht nur bestehende Formen reproduziert, wie es etwa in einer Fabrik der Fall ist, sondern eigene Formen hervorbringt und darauf laufend Bezug nimmt. Sowohl Improvisation als auch das Gestalten und Entwerfen finden stets vor dem Hintergrund bestimmter Techniken und Medien statt (vgl. Feige 2018: 158 f.). Diese Eigenschaften sind aber kein eigentümlicher Wesenszug besonderer Handlungsformen, sondern es kommt darin zum Vorschein, „was es überhaupt heißt zu handeln“, so Feige (2018: 19).
Im Sinne der bisherigen Überlegungen misst sich der Wert eines Spiels nicht alleine daran, ob eine Handlung wirksam oder richtig ist, sondern auch daran, ob diese als besonders und ästhetisch empfunden wird. Ein Vorschlag zu einem Konzept von Ästhetik liefert Daniel Martin Feige anhand von Kants Kritik der Urteilskraft. Demnach ist das „Ästhetische“ eine „besondere Form des Urteilens“, ob eine „Wahrnehmung für das Subjekt lustvoll ist oder nicht“ (Feige 2019: 15). In einem sinnlichen Erkenntnisvermögen nehmen wir Bezug auf etwas Besonderes als Besonderes: „Das Ästhetische beginnt dort, wo wir Gegenstände, Situationen, Personen, Ereignisse und so fort
nicht länger subsumptiv und summarisch behandeln, sondern wo wir sie in ihrer Singularität vernehmen“, so Feige (2019: 15). Begriffe, als die allgemeine Abstraktion einzelner Anschauungen von Gegenständen, sind nach Feige zwar die Voraussetzung für ästhetische Urteile, insofern diese notwendig sind, um überhaupt Sinnzusammenhänge herstellen zu können. Begriffe sind aber nicht bestimmend dafür, was wir schlussendlich in den Gegenständen sehen und wie wir mit ihnen umgehen, sofern wir uns auf sie in ihrer Einzigartigkeit beziehen. Wenn wir die Designpraxis als eine ästhetische und spielerische und improvisatorische Handlungsform begreifen, ist sie durch zwei Eigenschaften charakterisiert. Erstens werden in der Designpraxis die Situation und die Gegenstände vom Subjekt als besonders und lustvoll wahrgenommen. Zweitens sind die Formen, Regeln und Ziele des Entwerfens und Gestaltens nicht von außen vorherbestimmt und fixiert, sondern entstehen durch das Subjekt selbst in und durch den Prozess und sind dabei stets offen für Anpassungen. Dabei müssen Regeln und Ziele stets in konkreten Handlung auf kreative Weise ausformuliert werden. Welche Grundlagen eine solche kreative Ausformulierung unseres Handelns hat, darum soll es im Folgenden gehen.
3.4 Zur Kreativität des Handelns: Situation, Körper und Sozialität
Der deutsche Soziologe und Sozialphilosoph Hans Joas kritisiert in seinem Werk Die Kreativität des Handelns (1992) an den bereits hier vorgestellten Ansätzen der klassischen Handlungstheorie von Weber, Parsons und Habermas, dass sie ohne Weiteres davon ausgehen, dass Menschen die Fähigkeit zum zielgerichteten Handeln besitzen, ihren Körper voll beherrschen könnten und gegenüber ihrer Umwelt und Mitmenschen unabhängig handelten (vgl. Joas/Knöbl 2004: 709). Ein möglicher Grund dafür könnte nach Joas sein, dass grundsätzlich
von einem „cartesianischen Dualismus“ ausgegangen wird, der Körper und Geist voneinander trennt. Die Welt und das Ich bzw. das Erkennen und Handeln werden dabei als zwei getrennte Dinge aufgefasst (vgl. Joas 1992: 232). Aus dieser Sichtweise lassen sich Handlungen nur auf zweierlei Weisen verstehen: Entweder als automatische Reaktion auf einen äußeren Reiz oder als bewusste Ausführung durch einen überpersonalen Geist. Weder routiniertes noch kreatives Handeln könnten damit umfasst werden, weshalb Joas eine neopragmatische Handlungstheorie entwickelte, welche die Grundzüge einer Theorie der Kreativität des Handelns aufzeigen soll. Joas geht es mit seiner Handlungstheorie nicht darum, kreatives Handeln neben ziel- und regelorientierten Handeln zu stellen. Er will vielmehr darstellen, dass alles menschliche Handeln kreativ ist. Nach Joas findet sich das Vermögen der Kreativität in der Theorielandschaft etwa als Metaphern wie „Ausdruck“, „Leben“, „Produktion“, „Revolution“ oder „Intelligenz“ wieder (vgl. Joas 1992). 18 Joas geht es in seiner Theorie der Kreativität des Handelns um ein nicht-teleologisches Verständnis eines intentionalen Handelns – ein Handeln also, das nicht durchgängig zweck- und normorientiert ist, sondern sich kreativ auf Rationalität und Normativität bezieht. Was nach Joas vor Zielen, Werten und Normen von einer Handlungstheorie bedacht werden muss, um Handlungen deutend verstehen und ursächlich erklären zu können, ist deren in Abhängigkeit von der Situation, Körperlichkeit und Sozialität. 19
18 Der Begriff der Kreativität hat in der Spätmoderne zunehmend eine ökonomische Schlagseite der Selbstverwertung und des Konsums erhalten (vgl. Reckwitz 2012). Joas bezieht sich aber hier auf das Vermögen der Kreativität allen menschliche Handelns, was viel um fangreicher ist, was wir altagssprachlich als Kreativität bezeichnen.
19 Diese Unterscheidung erinnert an die Differenzierung dreier Typen von Sinn in der Soziologie, wie sie im zweiten Kapitel vorgestellt wurden. Zur Erinnerung: Der subjektive Sinn ist die aktive Reflexion einzelner; inkorporierter Sinn ist die körperliche Einübung in Verhalten-
(1) Situation: Handlungstheorien des Typus eines rationalen Handelns gehen davon aus, dass Zwecke objektiv bestimmt und gesetzt werden könnten. Dabei wird übersehen – so Joas –, dass Situationen, Ziele und Regeln subjektiv interpretiert werden müssen. Zudem werden Handlungen als isoliert und abgeschlossen betrachtet. Erfahrungsgemäß erleben wir jedoch täglich Rückkopplungseffekte durch intendierte und unintendierte Handlungsfolgen, welche die Situation verändern und dadurch eine Anpassung von Zielen und Regeln notwendig machen. Joas stellt deshalb mithilfe des Pragmatisten John Dewey dar, dass vor der Zielsetzungen die Situation als erste Grundkategorie des Handelns angenommen werden muss. Denn aufgrund unserer Erfahrungen muten uns Situationen bereits bestimmte Handlungen zu, da jede Wahrnehmungen bereits Urteile über die Situation beinhaltet. Wahrnehmen und Denken kommen darum nicht vor Handlungen, sondern sind viel mehr „als Phase des Handelns aufzufassen, durch welche das Handeln in seinen situativen Kontexten geleitet und umgeleitet wird“ (Joas 1992: 232).
Wir sind allerdings nicht aufgrund der Situation zu einer bestimmten Handlung verdammt, denn das „Handeln wird ständig mit unerwarteten Widererfahrnissen konfrontiert; Ziele erweisen sich als unerreichbar; gleichzeitig verfolgte Ziele als miteinander unvereinbar; erreichbare Ziele werden von anderen Handelnden in Zweifel gezogen. In diesen verschiedenen Arten von Krisen des habituellen Handelns müssen die Situation des Handelns anders und neu bestimmt werden“, so Joas (1992: 196). Zwar gibt es im Alltag bestimmte Handlungen, die als Gewohnheiten in ihrem Ablauf in gleicher Weise erfolgen. Falls diese eingespielten Wahrnehmungsweisen und vorreflexiven Routinen jedoch in einer Situation durch innere oder äußere Kritik, Widersprüche und Konflikte einen Widerstand
sroutinen und der objektive Sinn ist die geteilte soziale Bedeutung bzw. Kultur als kollektives Überzeugungssystem.
erfahren (Handlungshemmungen bzw. Entscheidungssituationen!), können diese nicht mehr aufrechterhalten werden. 20 In diesem Fall sind kreative Lösungen erforderlich, indem neue Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten auf reflexive und kreative Weise erschlossen werden, so dass sie der Situation weiterhin entsprechen (vgl. Joas 1992: 239). Werte und Ziele sind demnach keine vorgehende Ursache des Handelns, sondern entstehen in und durch Situationen, die eine Fortsetzung vorreflexiver Handlungen (Gewohnheiten und Wahrnehmungsweisen) verhindern und Reflexion und neue Lösungen erfordern.
(2) Körper : Die klassischen Handlungsmodelle gehen zudem davon aus, dass wir über unseren Körper frei verfügen können. Der Verlust der Körperkontrolle beim Lachen oder Weinen oder die Einflüsse unserer Herkunft auf unsere Art und Weise zu reden und uns zu bewegen, lassen sich so nicht erklären. Darum zeigt Joas anhand von G. H. Mead, dass wir erst durch Rollenübernahme („role taking“) in unserer Kindheit ein Bewusstsein des eigenen Körpers entwickeln, um die äußere Welt zu manipulieren (vgl. Joas 1992: 257). Dabei wird das Einwirken auf Gegenstände ähnlich verstanden wie das Einwirken auf Interaktionspartner*innen. Erst ein Bewusstsein der Andersartigkeit von sozialen und nicht-sozialen Gegenständen lässt einen sich selbst als ein soziales Objekt erfahren und macht Selbst-Identifikation möglich und damit auch die Kontrolle über den eigenen Körper (vgl. Joas 1992: 267). Dieses „Körperschema“ ist zwar beeinflusst von unserer Biografie, doch selbst unsere habituellen Verhaltensweisen müssten stets konstruiert und rekonstruiert werden (vgl. Joas 1992: 264).
(3) Sozialität : Schließlich fehlt dem Zweck-Mittel-Schema der sozialpsychologische Aspekt, dass wir nicht unabhängig von anderen Menschen sind, sondern eingebunden in soziale Be -
20 Auch dieses Phänomen wurde bereits in Kapitel zwei nach G. H. Mead als „Handlungshemmungen“ beschrieben.
ziehungen: Unser Denken, Handeln und Fühlen ist stets abhängig von der realen oder vorgestellten Anwesenheit anderer. Mit dem erneuten Bezug auf G. H. Mead kann Joas darstellen, dass unsere Situationsdefinition, unser Körperschema und unsere Identität nicht vorgegeben sind, sondern ein intersubjektives Entwicklungsresultat (vgl. Joas 1996: 276). Die Fähigkeit zur Rollenübernahme, indem ich mich mittels Einbildungskraft in andere Personen hineinversetze, macht es mir möglich, mir potenzielle Erwartungen meines Gegenübers an mich vorzustellen. 21 Eine Synthese solcher Erwartungserwartungen mit eigenen Erwartungen und Wünschen stellt für Mead die Entwicklung eines eigenen Selbstbilds dar, welche es ermöglicht, „konsistentes Verhalten im Konflikt unterschiedlicher Erwartungen und uneinheitlicher Triebimpulse zustande zu bringen“ (Joas 1992: 275). In diesem Sinne sind soziale Beziehungen die Voraussetzung für die Entwicklung eines stabilen Selbstbilds und konstanter Werte bzw. allgemeiner Vorstellungen, was uns als wünschenswert erscheint. Werte sind nicht einfach vorhanden, sondern bedürfen einer ständigen Aufrechterhaltung und können sich stets verändern. Sie entstehen in der „Erfahrung der Selbstbildung und Selbsttranszendenz“, so Joas (1997: 10). Die Selbstbildung findet hauptsächlich in Kindheit und Jugend statt, indem ich mich aufgrund der sozialen Interaktionen mit Eltern oder Freund*innen an Werte gebunden fühle. Je mehr ich an bestimmte Werte gebunden bin, desto mehr fühle ich mich bei mir selbst und meine nicht anders sein zu können. Selbsttranszendenz meint hier außeralltägliche Erfahrungen, durch welche ich mit neuen Werten konfrontiert werde, was zum Überdenken der eigenen Wertbasis und der Umgestaltung von Gewohnheiten führen kann.
Joas zeigt, dass Werte und Ziele und unser darauf bezogenes Handeln abhängig von der Situationsdefinition und unserem
21 Die Rollenübernahme wurde hier bereits in Kapitel zwei näher er läutert.
Körperschema sind, welche als intersubjektives Entwicklungsresultat durch die soziale Interaktion entstehen. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat diesen Umstand folgendermaßen beschreiben: „Die Absicht ist eingebettet in der Situation, den menschlichen Gepflogenheiten und Institutionen. Gäbe es nicht die Technik des Schachspiels, so könnte ich nicht beabsichtigen, eine Schachpartie zu spielen“ (Wittgenstein 1980 zit. n. Feige 2018: 151). Treffen übliche Gewohnheiten und Traditionen in einer Situation auf einen Widerstand, insofern deren Geltungsansprüche der Wahrheit, Wirksamkeit, Richtigkeit oder Wahrhaftigkeit kritisierbar werden, entsteht eine unsichere Entscheidungssituation und das Handeln wird gehemmt. Das macht es notwendig, mittels reflexiven und kreativen Wechselspiel aus Denken und Handeln neue Handlungsmöglichkeiten, Regeln und Ziele experimentell zu erschließen. Sofern sich eine Handlung als wirksamer, besser oder wahrhaftiger erweist, wird diese Handlung wiederholt und es bilden sich daraus erneut Gewohnheiten und Traditionen, Regeln und Ziele heraus.
Nachdem ich mich einem Konzept des Handelns zugewendet habe, geht es im anschließenden Kapitel um eine besondere Form der Handlung, bei der eine bewusste Auswahl von mehreren bestehenden Möglichkeiten getroffen wird: die Entscheidung.
einem Konzept von Entscheidung: Komplexitätsreduktion in Entscheidungssituationen
Alltägliche und außeralltägliche Lebenssituation sind nicht einfach nur von unbeeinflussbaren Notwendigkeiten geprägt. Stattdessen können in ihnen konkurrierende Möglichkeiten bestehen oder erzeugt werden, deren Auswahl eine willentliche Entscheidung erfordert. Ein wesentliches Merkmal moderner Gesellschaften ist die hohe Verfügbarkeit von Verstehensund Handlungsmöglichkeiten. Durch die Digitalität und das Internet steigt die Anzahl an Alternativen etwas Bestimmtes zu glauben oder zu tun. Damit erweitern sich auch im Design die Möglichkeiten, Designgegenstände zu rezipieren und hervorzubringen. Die Designtätigkeit ist immer weniger geprägt von Notwendigkeiten aufgrund verfügbarer Techniken oder der Bezugnahme auf einzelne Stile. Stattdessen gibt es eine Vielzahl an Mitteln und Referenzen, um Designgegenständen eine Form zu geben. Es bestehen viele Handlungsoptionen und dies verlangt bewusste Entscheidungen. Doch was sind Entscheidungen überhaupt und wodurch werden diese beeinflusst? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unter anderem die Entscheidungstheorie, welche in der Regel für ökonomische Zwecke angewendet wird, um – grob gesagt – mittels Wahrscheinlichkeiten zwischen mehreren Alternativen die optimale und effizienteste Lösung auszuwählen. Dieses Kapitel widmet sich aber nicht allgemein der Entscheidungstheorie. Stattdessen sollen Entscheidungen im Folgenden aus der Perspektive eines ganz bestimmten Konzepts betrachtet werden: der Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann. Das hat zum Ziel, ein Konzept der Entscheidung zu entwickeln, das für die Designpraxis von Nutzen ist.
4.1
Zur Komplexität von Entscheidungssituationen
Die meisten Entscheidungstheorien stellen die Frage nach der Richtigkeit von Entscheidungen in den Vordergrund, um die beste Lösung für etwas finden zu können. Dabei wird grob unterschieden, ob Menschen sich eher an den verfolgten Zwecken und Zielen orientieren oder an Werten und Mitteln. Niklas Luhmann (1927–1998) hingegen schlägt in einem Manuskript von 1973, das 2009 unter dem Titel „Zur Komplexität von Entscheidungssituationen“ veröffentlicht wurde, eine Entscheidungstheorie vor, die sich in erster Linie um Komplexität von Entscheidungssituationen dreht und erst in Abhängigkeit davon um die Richtigkeit von Entscheidungen. 22 Im Folgenden soll geklärt werden, was damit konkret meint ist.
Für Luhmann können Entscheidungen am besten mittels eines Handlungsbegriffs definiert werden. Handlung versteht Luhmann erstens als ein „Zuschreibungsphänomen“, um eine Auswahl zu thematisieren und eine Entscheidung einem Individuum zuzuschreiben. Zweitens ist von Handlungen die Rede, um abgegrenzte Prozesse zu benennen, die Vergangenheit von der Gegenwart abzugrenzen sowie einen Übergang von einer Situation in einer andere zu beschreiben (vgl. Joas/Knöbl 2004: 376). Eine besondere Form der Handlung ist die Entscheidung, bei der eine bewusste Auswahl bei mehreren Möglichkeiten getroffen wird. Von Entscheiden kann dann gesprochen werden, wenn mindestens zwei Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und zueinander in Beziehung gesetzt werden (vgl. Luhmann 2009: 4). Treten nun Situationen auf, in denen uns mehr als eine Handlungsmöglichkeit erscheint, handelt sich dabei nach Luhmann um eine Entscheidungssituation. Damit meint er die Thematisierung einer ansonsten unsichtbaren all22 Ein Beweggrund dafür ist sicherlich, dass Luhmann stets versucht hat, sich einer Wertung zu enthalten und darum in seinen Auslegungen nicht normativ, sondern stets deskriptiv und analytisch vorgegan gen ist.
täglichen Lebenswelt (vgl. Luhmann 2009: 7). Entscheidungssituation erleben wir häufig in unbekannten und mehrdeutigen Situationen, in denen wir unsicher darüber sind, was wir denken und wie wir handeln sollen, wodurch uns aufgrund von Möglichkeitsaussagen „mehr Möglichkeiten erscheinen, als Wirklichkeit sein können“ (Luhmann 2009: 10). 23 Denkbar sind Möglichkeitsaussagen nach Luhmann aufgrund der Freiheit etwas nicht tun zu müssen. Damit bezieht er sich auf den deutschen Philosophen Arnold Gehlen (1904–1976), einer der Hauptvertreter der philosophischen Anthropologie. Gehlen beschreibt den Mensch als „Mängelwesen“, das – im Gegensatz zu Tieren – nicht nur durch Triebe und Instinkte bestimmt und offen für neue Erfahrungen ist. Menschliches Verhalten ist demnach nicht determiniert (vgl. Joas/Knöbl 2004: 361). Die menschliche Instinktreduktion und Weltoffenheit sind der Grund, dass Menschen die Möglichkeit einer Auswahl haben, was Luhmann als Kontingenz 24 der Selektion bezeichnet und Möglichkeitsaussagen sowie Entscheidungssituationen entstehen lässt. Entscheidungssituationen können unterschiedlich komplex sein und deren Komplexität erhöht sich nach Luhmann dann, wenn durch Möglichkeitsaussagen (1) die Zahl der Möglichkeiten, (2) deren Verschiedenartigkeit und (3) deren gegenseitige Abhängigkeit zunimmt (vgl. Luhmann 2009: 9). Das heißt, je mehr Möglichkeiten mir erscheinen, desto komplexer nehme ich eine Situation wahr; je komplexer ich eine Situation wahrnehme, desto schwerer kann ich eine Entscheidung treffen.
Die Komplexität von Entscheidungssituationen wirkt sich
23 Was Luhmann hier als Entscheidungssituationen bezeichnet, bes chreibt George Herbert Mead auch als Handlungshemmungen, welche entstehen aufgrund von Kritik und Hinterfragung an alltäglichen und traditionellen Handlungsabläufen (vgl. dazu Kapitel 2.1).
24 Mit „Kontingenz“ meint Luhmann, dass etwas „weder notwendig“ noch „unmöglich ist“ (Luhmann 1984: 152).
nach Luhmann auf unser Entscheidungsverhalten aus. Wie sich diese zueinander in Beziehung setzen lassen, darum soll es im Folgenden gehen.
4.2 Entscheidungsverhalten im Verhältnis zur Komplexität von Entscheidungssituationen
Luhmann beschreibt das Entscheidungsverhalten im Verhältnis zur Komplexität von Entscheidungssituationen anhand der „Bindung einer einmal getroffenen Entscheidung, der Informationsbeschaffung, des Anspruchsniveaus, der Bedeutung von Zeit, der Bestimmbarkeit von Komplexität und der Reflexivität des Entscheidungsprozesses“ (Luhmann 2009: 3). Im Weiteren soll näher betrachtet, was damit gemeint ist.
(1) Bindung einer einmal getroffenen Entscheidung: Nach Luhmann lässt sich am menschlichen Verhalten beobachten, dass nach einer einmaligen (und mehr oder weniger spontanen) Entscheidung, diese auch zukünftig bevorzugt wird. Die Sozialpsychologie nennt dieses Phänomen „Nachentscheidungsdissonanz“ und besagt damit, dass wir vor und nach einer Entscheidungssituation, die ausgewählte Handlungsmöglichkeit besser bewerten als die nicht-getroffene Handlungsalternative (vgl. Aronson et al. 2014: 186). Das weckt die Illusion der Unwiderruflichkeit und bindet uns an einmal getroffene Entscheidungen, was durch Wiederholungen Gewohnheiten und Traditionen entstehen lässt. Die Stärke der Bindung nimmt dann ab, wenn durch sie die erlebte Komplexität einer Entscheidungssituation zunimmt (vgl. Luhmann 2009: 17 f.). Anders gesagt: Sofern eine Entscheidung die Situation nicht komplizierter macht, fühlen wir uns an sie gebunden, da wir durch sie die Anstrengung vermeiden, uns erneut entscheiden zu müssen.
(2) Reflexivität : Laut Luhmann ist es einem „System“ – was im Fall seiner Systemtheorie alles sein kann: von Maschinen, Organismen, Menschen bis Gesellschaften – aufgrund von Komplexität erst möglich, auf eigene Zustände zu reagieren. Aus
dieser Perspektive ist sehr hohe Komplexität der Grund dafür, dass die Situation selbst zum Thema gemacht wird und hohe Komplexität ist die zentrale Bedingung für die Reflexion von Zuständen (Gesellschaft) bzw. der eigenen Identität (Individuum) (vgl. ebd.: 25 f.).
(3) Informationsbeschaffung und Rationalität: Eine Situationsdefinition mit höherer Komplexität hat zur Folge, dass sich mehr Zeit für die Informationsbeschaffung genommen und rationale Anstrengungen unternommen werden müssen, um beschränkende Entscheidungskriterien zu bestimmen (vgl. ebd.: 12 ff.): „Je größer und je verschiedenartiger das Feld der Alternativen, desto abstrakter müssen die Entscheidungskriterien sein“ (ebd.: 14). Das heißt, um einer hohen Komplexität gerecht zu werden, müssen vergleichbare Kriterien aufgestellt werden, damit Möglichkeiten gegenübergestellt werden können. Anders formuliert: Zunehmende Komplexität erfordert universalistische statt partikulare Entscheidungskriterien, weshalb beispielsweise einzelne Individuum partikulare Werte vertreten können, während innerhalb einer komplexen Gesellschaft universale Normen zur Komplexitätsreduktion notwendig sind.
(4) Impulsivitätsschwelle: Mit der wahrgenommenen Komplexität der Situation verändert sich, wie wir denken und handeln. Die Sozialpsychologie unterscheidet grob zwischen zwei Formen des Denkens: automatisches und kontrolliertes Denken (vgl. Aronson et al. 2014: 63). 25 Analog dazu unterscheidet die soziologische Handlungstheorie zwischen zwei Formen des Handelns: spontanes und reflexives Handeln (siehe Kapitel 2.1). Luhmann spricht in diesem Sinne von einer „Impulsivitätsschwelle“, welche höher oder niedriger sein kann. Je weniger
25 Vgl. dazu Kahnemann, Daniel (2011), Schnelles Denken, Langsames Denken. Der Sozialpsychologe Kahnemann weist empirisch nach, dass es im Wesentlichen zwei Arten des Denkens und Handelns gibt: Das schnelle, spontane und das langsame, reflexive Denken und Handeln.
Möglichkeiten erscheinen, desto spontaner und impulsiver fällt in der Regel die Reaktion aus (schnelles Denken/spontanes Handeln). Je mehrdeutiger eine Situation anmutet, desto höher ist die Impulsivitätsschwelle – d. h. desto mehr rationale Anstrengung und Zeit wird benötigt, um eine Entscheidung zu treffen (langsames Denken/reflexives Handeln). Für den Fall jedoch, dass eine Entscheidungssituation zu komplex wahrgenommen wird, kommt es zu einer Entmutigung, weshalb die Entscheidung trotz der Wahrnehmung hoher Komplexität impulsiv ausfallen kann (vgl. Luhmann 2009: 15 f.).
Nachdem ich mich dem Entscheidungsverhalten im Verhältnis zur Komplexität von Entscheidungssituationen zugewandt habe, soll es im folgenden darum gehen, wodurch nach Luhmann die Reduktion von Komplexität möglich ist.
4.3 Die Reduktion von Komplexität durch Strukturen
Ein Merkmal von Entscheidungssituationen ist die Definition der Situation selbst: die Situationsdefinition (vgl. Luhmann 2009: 7). Das bedeutet: Entscheidungssituationen bauen sich in Entscheidungsprozessen erst auf. Diesen Gedanken übernimmt Luhmann aus der Wahrnehmungspsychologie von Edmund Husserl, dem Begründer der Phänomenologie. Diese besagt unter anderem, dass Wahrnehmung kein passiver Prozess, sondern eine aktive Leistung ist (vgl. Joas/Knöbl 2004: 364). Das heißt, dass unser Denken, Handeln und Wahrnehmen nicht die ganze Welt zum Thema hat, sondern immer nur auf einen Ausschnitt bezogen ist. Exemplarisch dafür sind „Kippfiguren“, an welchen konkret gezeigt werden kann, wie unsere Wahrnehmung nur eine Deutung des sinnlich wahrnehmbaren gleichzeitig zulässt.
Abb. 9: „Kippfiguren“ bzw. unmögliche Figuren erzeugen spontan wechselnde Interpretationen einer Gestalt (in Anlehnung an geläufigen Darstellungen von Kippfiguren).

Sofern wir versuchen, das Ganze in den Blick zu nehmen, entstehen Koordinationsprobleme. Damit Individuen anpassungsfähig für verschiedene soziale Kontexte sind, wie im Museum, im Beruf oder in einem schicken Restaurant, müssen Situationen im Bewusstsein von Menschen zu einer Situationsdefinition zugeschnitten werden. Die Funktion dieses Zuschnitts einer Situation zu einer Situationsdefinition ist nach Luhmann bereits selbst eine Entscheidung und ein erster Schritt zu einer Reduktion der Komplexität (vgl. Luhmann 2009: 7).
Mit Luhmanns Rede von Komplexitätsreduktion bezieht er sich erneut auf den Philosophen Arnold Gehlen. Aufgrund der oben angesprochenen Weltoffenheit sieht der Mensch sich nach Gehlen einer beinahe unendlichen Anzahl an Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten ausgeliefert. Darum sei der Mensch auf „ Entlastung “ durch Wiederholungen und Gewohnheiten, sowie durch Institutionen und Traditionen angewiesen, welche Handlungsmöglichkeiten eingrenzen und verringern. Somit würde die individuelle Handlungsfähigkeit und Verhaltenssicherheit, sowie auch ein geordnetes Zusammenleben zwischen Menschen garantiert (vgl. Joas/Knöbl 2004: 361 f.). Luhmann übersetzt nun Gehlens Idee der Entlastung durch Gewohnheiten und Institutionen in die Sprache seiner Systemtheorie.
Persönliche Alltagsroutinen und soziale Institutionen beschreibt Luhmann allgemein als Strukturen, welche sowohl die Funktion der Komplexitätsreduktion als auch die der Leistungssteigerung erfüllen (Joas/Knöbl 2004: 359 ff.). Mit Strukturen sind hier Regelmäßigkeiten und Muster gemeint, durch welche die Anzahl der Möglichkeiten eingeschränkt bzw. reduziert wird (vgl. Luhmann 1991: 384). Dabei sind es oft nicht nur die eigenen Entscheidungen, sondern auch die Auswahl anderer Teilnehmenden, die die eigenen Möglichkeiten einschränkt. Luhmann spricht davon, dass „Selektionsleistungen eines Teilnehmers […] von einem anderen […] im Ergebnis als Einschränkung seiner Möglichkeiten des Erlebens und Handelns akzeptiert werden, ohne daß er die Selektion als eigene vollzieht“ (Luhmann 2013 zit. n. Stalder 2016: 163). Viele Entscheidungen werden demnach von anderen getroffen und aufgrund des Bedürfnisses nach Entlastung unbewusst akzeptiert.
Aber Luhmann spricht nicht nur Gewohnheiten und Traditionen die Funktion der Entscheidungsbeschränkung und Leistungssteigerung zu. Wie bereits angedeutet wurde, sind auch die Situationsdefinitionen eine Form der Komplexitätsreduktion. Denn auch Sinn ist für Luhmann nichts anderes als eine Struktur, da Deutungen von Gegenständen, sowie befolgte Regeln und verfolgte Zielen dem Bewusstsein eine Auswahl ermöglichen, indem dadurch Möglichkeiten verringert werden und unser menschliches Erleben und unser gegenwärtiges Handeln geregelt wird. Allgemein beschreibt Luhmann Sinn als „die Einheit von Aktualisierung und Virtualisierung“ (Luhmann 1984: 100). Sinn umfasst demnach sowohl die Vorstellungen vergangener Erfahrungen als Erinnerung sowie die Vorstellungen zukünftiger Möglichkeiten als Erwartung, welche sich laufend durch die gegenwärtige Wirklichkeit aktualisieren und unser momentanes Handeln strukturieren. Dabei erfüllt Sinn nach Luhmann sowohl die Funktion der Reduktion von Komplexität als auch deren Erhaltung, denn: (1) Komplexität wird durch Sinn erhöht, da aufgrund von Möglichkeitsaussagen alternative
Handlungsmöglichkeiten erscheinen (Steigerung von Komplexität); (2) Sinn reduziert Komplexität, da wir uns auf individuelle Werte und Zielvorstellungen, subjektive Situationsdefinitionen, inkorporierte Gewohnheiten und geteilte Traditionen beziehen können, wodurch Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden (vgl. Luhmann 1984: 392).
Ich werde die hier dargebrachten Überlegungen im Folgenden nochmals zusammenfassen. Die menschliche Freiheit, etwas nicht tun zu müssen, ermöglicht es, dass zwei oder mehrere Alternativen zur Auswahl stehen, wodurch Handlungshemmungen und Entscheidungssituationen entstehen. Diese Entscheidungssituationen werden komplexer, wenn durch Möglichkeitsaussagen die Zahl der Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten, deren Verschiedenartigkeit und gegenseitige Abhängigkeit zunimmt. Die Folgen von zunehmender Komplexität der Entscheidungssituationen sind, dass die Bindung an einmal getroffene Entscheidungen abnimmt, die Impulsivitätsschwelle steigt, die Situation selbst reflektiert werden muss und mehr Informationsbeschaffung und Rationalität notwendig werden, um handlungsfähig zu bleiben. Um die Auswahlmöglichkeiten zu beschränken, sind sowohl Individuum als auch die Gesellschaft auf Strukturen, Regelmäßigkeiten und Muster angewiesen, mit der Funktion, Komplexität zu reduzieren und dadurch Leistung zu steigern. Solche Strukturen sind etwa der Zuschnitt auf eine subjektive Situationsdefinition, inkorporierte Gewohnheiten und Einstellungen sowie soziale Traditionen und Institutionen.
Sofern davon ausgegangen wird, dass Design bedeutet, dass die Form und Funktion von Gegenständen einer Revision unterzogen wird, um sie laufend neu- und besser zu machen (vgl. Sloterdijk 2010: 17), so ergeben sich in der Designpraxis zwangsläufig komplexe Entscheidungssituationen mit einer Vielzahl an Handlungsalternativen. Entsprechend sind Designer*innen auf Komplexitätsreduktion angewiesen. Wie könnte eine Reduktion von Komplexität im Design aus-
sehen?
Abgeleitet aus den bisherigen Überlegungen, können Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten, etwas zu glauben oder zu tun, durch Strukturen begrenzt werden, wodurch festgelegt wird, was gedacht und gesagt werden kann; was wahr, wirksam, richtig und wahrhaftig ist. Neben der Situationsdefinition, Gewohnheiten und Traditionen möchte ich eine weitere Struktur benennen, die mir für die Designpraxis als relevant erscheint und eng mit Gewohnheiten und Traditionen verknüpft ist: Stil. Um zu einem Konzept des Stilbegriffs vordringen zu können, der das Soziale einbezieht, werden im Folgenden verschiedene soziologische Betrachtungen aus dem Sammelwerk Stil – Geschichten und Funktionen eines kulturwissenschaftlichen Diskurselements (1986) herangezogen.
Nach dem Soziologen Thomas Luckmann kann Stil als Begriff im weitesten Sinne für Strukturen menschlichen Handelns sowie deren Resultate verwendet werden (vgl. Luckmann 1986: 616). Dahingehend ist Stil als Regelmäßigkeiten und Muster des Entwerfens und Entwurfs zu begreifen, mittels derer Handlungsmöglichkeiten verringert und Komplexität reduziert werden kann. In einem engeren Sinne kann nach dem Soziologe Alois Hahn von Stil als „eine Formung von Handlungen (oder deren Resultaten)“ gesprochen werden, „die für einen Handelnden, eine Gruppe von Handelnden oder eine ganze Kultur typisch sind […], ohne dass diese Formen eindeutig ‚technisch‘ bedingt sind“ (Hahn 1986: 604). Stil bezieht sich demnach sowohl auf Formen als auch Prozesse , indem es erstens die Formeigenschaften eines Designgegenstands beschreiben kann und zweitens die Art und Weise des Entwerfens und Gestaltens, durch welche dieser in die Welt gekommen ist. Betrachten wir Stil als Regeln des Entwerfens, so kann nach Hahn zwischen expliziten und impliziten Regeln unterschieden werden, denn eine Regelmäßigkeit des Handelns bedeutet nicht, dass eine Regel ausformuliert worden ist und bewusst verfolgt wird (vgl. Hahn 1986: 605 f.). Stilregeln – implizite wie explizite – schaffen eine Handvoll Kompetenzen und Dispositionen,
mittels derer eine Vielzahl an Variationen geschaffen werden kann, „denen man nachträglich ihre Stilähnlichkeit ansieht, ohne daß man sie immer vorhersehen könnte“, so Hahn (1986: 609). Daraus folgt, dass nicht alle Stile kopiert und imitiert werden können, da Stil oft auch aus einer Spontanität und verinnerlichten Routine heraus entspringt, weshalb eine Kopie von anderen Personen gekünstelt und unglaubwürdig wirken würde. Die Funktion von Stil ist dem Soziologen Niklas Luhmann zufolge, dass ein Werk dadurch ermöglicht – hier in Bezug auf die Kunst – „zu erkennen, was es anderen Kunstwerken verdankt und was es für weitere, neue Kunstwerke bedeutet“ (Luhmann 1986: 632). Dabei „spricht und widerspricht [der Stil] der Autonomie des Einzelkunstwerks“, denn er „beläßt dem Kunstwerk seine Einmaligkeit und zieht gleichwohl Verbindungslinien zu anderen Kunstwerken“ (Luhmann 1986: 632). Luhmann spricht hiermit dem Stil zwei Funktionen zu: Erstens mittels besonderer Formen den Anschein von Originalität und Einzigartigkeit zu erwecken und sich dadurch von anderen abzugrenzen; zweitens durch Imitation sich Formen und Prozesse von Referenz sichtbar anzueignen, wodurch auf diese Referenzen verwiesen wird, um Zusammenhänge und dadurch einen Kontext zu erzeugen (vgl. Luhmann 1986: 633).
Die Praxisform der Bezugnahme und Aneignung von Referenzen bezeichnet der Kulturwissenschaftler Felix Stalder allgemein als Referenzieren, was sich beispielsweise als „Remixes“ in der DJ-Kultur oder als „Remake“ im Film zeigt (vgl. Stalder 2016: 97). Wie hier bereits oben kurz erwähnt wurde, ist ein Referenzieren geprägt von der Auswahl, Verknüpfung und Veränderung von Referenzen, mit dem Ziel, dessen soziale Bedeutung zu wiederholen und zu verändern, weiter- und neu zu bestimmen „um durch das eigene Handeln in der Welt Bedeutung zu schaffen und um sich selbst zu konstituieren, für sich und für andere“ (Stalder 2016: 123). Erstens wird durch ein referenzieren auf bestehendes kulturelles Material aufmerksam gemacht. Zweitens werden dabei zwischen verschiedenen
Referenzen Verbindungslinien gezogen, indem diese – wie etwa Wörter in einem Satz – miteinander kombiniert werden. Und drittens werden die ausgewählten Referenzen dadurch transformiert, indem sie aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen werden und somit bestimmte Eigenschaften wiederholt und andere verändert werden (vgl. Stalder 2016: 114 ff.). So können Referenzen beispielsweise imitiert, verändert, verknüpft, weggelassen oder ironisch verwendet werden, wodurch deren Bedeutung durch einen subjektiven Sinn laufend ergänzt und aktualisiert wird. Zentral für das Referenzieren ist – anders als beim Plagiat –, dass die Vorbilder stets erkennbar bleiben, um die Verbindungslinien aufrechtzuerhalten. Daran möchte ich anschließen, dass sowohl Entwürfe anderer als Fremdreferenz als auch eigene Entwürfe als Selbstreferenz dienen können.
Für ein Konzept des Stilbegriffs kann zusammenfassend folgendes festgehalten werden: Stil umfasst explizite und implizite Regeln des Entwerfens sowie charakteristische Eigenschaften des Entwurfs von Individuen oder Kollektiven und hat die Funktion, Komplexität zu reduzieren und zu erhalten sowie auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu verweisen. Für Designpraktiken erfüllt dahingehend Stil die Funktion der Komplexitätsreduktion, Entscheidungen zu vereinfachen und damit Leistung zu steigern, indem fremde Stile sowie der eigene Stil wiederholt werden. Die symbolische Funktion von Stil für Designgegenstände ist, dass sie sich in einen sozio-kulturellen Kontext einschreiben, indem sie auf bestehende Referenzen verweisen. Ähnlich wie der Sinn und die Bedeutung eines Textes beim Lesen von Wort zu Wort, von Satz zu Satz laufend im Bewusstsein der Lesenden aktualisiert wird, schreibt jeder Entwurf die soziale Bedeutung von Referenzen fort, auf die er sich bezieht, indem er bestimmte Eigenschaften eben jener Referenzen hinzufügt, kombiniert, wiederholt und verändert.
Nachdem ich mich einem Konzept von Sinn, Handeln und Entscheidung zugewendet habe, soll es abschließend um ein
Konzept sozialer Ordnung und sozialen Wandels gehen, mit dem Ziel, zu untersuchen, inwiefern Design eine soziale Gesellschaftsordnung stabilisiert und gleichzeitig sozialen und kulturellen Wandel antreiben kann.
Zu einem Konzept sozialer Ordnung und sozialen Wandels
Nachdem sich die Masterarbeit bis hierher vorrangig mit Betrachtungen des sozialen Handelns mittels der Begriffe Sinn, Handeln und Entscheidung beschäftigt hat, soll abschließend die Rolle von Design für soziale Strukturen und deren Wandel in den Blick genommen werden.
5.1 Soziale Ordnung als Verhältnis von allgemeinem System und besonderer Lebenswelt
Es gibt in der Sozialtheorie verschiedene Antworten auf die Frage, was soziale Ordnung ist und wie diese zustande kommt. Allgemein ist soziale Ordnung das geregelte Zusammenleben von Menschen, indem die Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten, die Menschen potenziell zur Verfügung stehen, durch gegenseitige soziale Erwartungen beschränkt werden. Um die Formen von Gesellschaftsordnungen und deren Entstehung genauer zu verstehen, sollen im Folgenden sollen zwei Ansätze beschrieben und miteinander verglichen werden: die Ordnungstheorie des Soziologen und Philosophen Jürgen Habermas und die Beschreibung zweier Gesellschaftsformen des Soziologen und Praxiologen Andreas Reckwitz.
Die Theorie der sozialen Ordnung von Jürgen Habermas unterscheidet zwischen zwei Formen sozialer Ordnung: System und Lebenswelt. Diese Unterscheidung leitet er von seiner Handlungstheorie ab, welche zwischen Arbeit und Kommunikation bzw. erfolgsorientiertem und verständigungsorientiertem Handeln differenziert, 26 und versteht darum System und
26 In der deutschen Sprache wird diese Unterscheidung deutlich durch die zwei Wortarten Adjektiv und Adverb. Adjektive bzw. Eigenschaftswörter benennen die Eigenschaften eines Substantivs bzw. Dingworts (z. B. buntes Plakat, lesbare Schrift). Adverben bzw. Um standswörter hingegen beziehen sich auf Verben bzw. Zeitwörter (z. B.
Erfolg sowie Lebenswelt und Verständigung parallel zueinander. Den Systembegriff übernimmt Habermas von der Systemtheorie der Soziologen Talcott Parsons und Niklas Luhmann. Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich von ihrer Umwelt abgrenzen, um Komplexität zu reduzieren und Leistung zu steigern (vgl. Joas/Knöbl 2004: 359). Aufgrund dieser Logik bilden sich nach der Systemtheorie innerhalb der Gesellschaft laufend neue Systeme heraus, die sich von anderen Systemen abgrenzen. Dies zeigt sich etwa an den verschiedenen Organisationsformen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kunst usf. Wie Luhmann ist auch Habermas der Meinung, dass diese verschiedenen Organisationen – im Gegensatz zu direkter Interaktion – nicht aufgrund von Regeln und Ziele funktionieren, die Einzelne ganz oben in der Hierarchie einer Organisation setzen, sondern aufgrund der Vielzahl ungewollter Handlungsfolgen ihrer eigenen Logik folgen (vgl. Joas/Knöbl 2004: 321).
Die emergente Eigenlogik von Organisationen hat zur Folge, dass darin die Sprache als Mittel der Verständigung in Interaktionen zwischen Anwesenden durch sogenannte „symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien“ ersetzt wird. Von diesen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien hat jedes System seine eigenen, mit denen es operiert. Da wären z. B. das Medium Macht im System der Politik oder das Medium Geld im System der Wirtschaft (vgl. Joas/Knöbl 2004: 335 ff.). Diese Medien erhöhen die Effizienz, da keine Regeln und Normen mehr ausgehandelt werden müssen.
Dem Begriff des Systems stellt Habermas die Lebenswelt 27 als kulturelle Sphäre gegenüber. Die Lebenswelt ist dadurch charakterisiert, dass die beteiligten Individuen über gegenseitige Handlungsorientierungen miteinander vernetzt sind, weshalb mittels sprachlicher Verständigung immer wieder ein Konsens über gemeinsame Regeln gefunden werden muss (vgl. farbenfrohes entwerfen, schön schreiben). 27 Vgl. hierzu Kapitel 3.2.
Joas/Knöbl 2004: 335 ff.). System und Lebenswelt werden hier als zwei unvereinbare Gegensätze verstanden, die in unsere Gesellschaftsordnung jeweils mehr oder weniger dominant sind.
Abb. 9: Verhältnis der zwei Dichotomien System und Lebenswelt (Eigene Darstellung).
Ähnlich wie die Differenzierung zweier Formen sozialer Ordnung in System und Lebenswelt durch Habermas, lässt sich die Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft von Ferdinand Tönnies verstehen. Gemeinschaften sind nach Tönnies warm und statisch, weil alle Teilnehmenden in ihrer Lebenswelt soziale Beziehungen untereinander eingehen, ihr Handeln miteinander koordinieren und jede Verhaltensveränderung einzelner die gegenseitige Anpassung vieler notwendig macht. Gesellschaften sind hingegen – wie Systeme – kalt und dynamisch, da Subjekte und Kollektive bzw. Individuen und Organisationen darin lediglich ihre eigenen Ziele verfolgen und darum keine gegenseitige Handlungskoordination und

Anpassung notwendig ist, da keine sozialen Beziehungen und Verbindungen zwischen den Teilnehmenden bestehen (vgl. Stalder 2016: 132 f.). Eine ähnliche Vorstellung einer sozialen Ordnung – so hier die These – findet sich bei dem deutschen Soziologen und Kulturwissenschaftler Andreas Reckwitz. In seiner praxistheoretischen Sozial- und Kulturtheorie spricht er von einer
sozialen Logik des Allgemeinen“ und einer „ sozialen Logik des Besonderen“. Die Differenz des Allgemeinen und des Besonderen übernimmt Reckwitz aus der Erkenntnistheorie von Kant. Demnach sind Begriffe allgemein, während die Anschauung von Gegenständen besonders ist. Damit lässt sich alles in der Welt optional als etwas Einzigartiges oder als Typ einer Kategorie auffassen. Reckwitz überträgt nun diese Unterscheidung des Allgemeinen und Besonderen auf die Soziologie, indem er von Gesellschaftsformen spricht, die entweder das Allgemeine oder das Besondere aufwerten oder entwerten (vgl. Reckwitz 2017: 11). Eine Gesellschaft des Allgemeinen ist für Reckwitz, wenn Wiederholungen, Funktionalität, Zweckorientierung und Rationalität als wünschenswert erachtet werden (Systeme!). Als Beispiel hierfür nennt er die klassische Moderne der Industriegesellschaft Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (vgl. Reckwitz 2017: 15). Eine Gesellschaft des Besonderen zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass mehr Wert auf das Neue und Einzigartige gelegt wird. Zu einer solchen Gesellschaftsform zählt er die spätmoderne Gesellschaft, die laut Reckwitz in den 1970er-Jahren beginnt und bis heute andauert. Diese ist vorwiegend geprägt durch das Ideal des*der Künstler*in, welches gleichzeitig den Wunsch und den Zwang nach einer besonderen Entfaltung der eigenen Persönlichkeit durch Kreativität beinhaltet (vgl. dazu auch Reckwitz 2012). Beide Gesellschaftsformen sind „nicht […] objektiv oder subjektiv vorhanden, sondern durch und durch sozial fabriziert “, so Reckwitz (2017: 13), indem mittels der sozialen Praktiken wahrnehmen, bewerten, hervorbringen und aneignen die Ele -
mente des Sozialen (Subjekte, Objekte, Kollektive, Ereignisse und Orte) entweder entwertet oder aufgewertet werden (vgl. Reckwitz 2017: 12 f.).
Um die Praktiken zu beschreiben, durch welche sich ein sozialer Wandel hin zum Allgemeinen oder Besonderen vollzieht, unterscheidet Reckwitz zwischen Rationalisierung und Kulturalisierung. Der Prozess der Rationalisierung meint diesbezüglich, dass durch ein „doing generality“ eine Systematisierung unserer Alltagswelt und allgemeine Regeln sowie standardisierte Normen Vorrang haben (vgl. Reckwitz 2017: 28). Kulturalisierung beschreibt hier, dass Subjekten, Objekten, Kollektive, Ereignissen oder Orten durch ein „doing singularity“ ein besonderer Wert zugeschrieben wird (vgl. Reckwitz 2017: 51). Oder wie es der Kultur- und Medienwissenschaftler Felix Stalder beschreibt: Durch Kulturalisierung erweitern sich „jene Bereiche, die nicht einfach von unbeeinflussbaren Notwendigkeiten geprägt sind, sondern in denen konkurrierende Optionen bestehen oder erzeugt werden können und somit bewusste Entscheidungen erfordern“ (Stalder 2016: 58).
Führen wir nun die hier vorgebrachten Überlegungen zusammen, so lässt sich die soziale Ordnung in zwei Sphären einteilen: Erstens die Sphäre des Systems und der Gesellschaft, mit der Eigenschaft der Funktionalität und Zweckrationalität, bei der es um ein leistungssteigerndes und funktionierendes Leben geht; zweitens die Sphäre der Lebenswelt, der Gemeinschaft und Kultur, innerhalb derer nicht die fremdbestimmte Arbeit, sondern eine gelingende Kommunikation bzw. Verständigung zentral ist. Das Verhältnis von System zu Lebenswelt in einer Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, ob durch die sozialen Praktiken der Wahrnehmung, des Bewertens, der Hervorbringung und Aneignung Gegenständen entweder als Typen einer Allgemeinheit oder als einzigartige Besonderheiten behandelt werden.
Betrachten wir Designgegenstände als zentral für soziale Praktiken, so prägen diese auch die Gesellschaftsform und
die soziale Ordnung, innerhalb derer wir leben. Der Antrieb von Designpraxis ist erstens die „Gestaltung einer humanen Lebenswelt“ und zweitens die „Optimierung der Arbeitswelt “, so Gerhard Schweppenhäuser (2016: 37). Design treibt damit die Kulturalisierung und die Rationalisierung voran und Designer*innen entwerfen und gestalten sowohl Lebenswelten als auch Systeme. Indem sich heute vermehrt Personen als Designer*innen verstehen, wird zunehmend mehr kulturelles Material produziert, Stile und Symbole hervorgebracht und angeeignet, sowie der Warencharakter von Gegenständen in immer größeren Umfang inszeniert. Gleichzeitig werden durch Designgegenstände alltägliche Prozesse systematisiert, mit der Funktion der Komplexitätsreduktion und Leistungssteigerung. Häufig sind die Orientierung an systemischer Effizienz und die gemeinsame Verständigung unvereinbar, da ersteres bedeutet, dass nichts hinterfragt werden soll und letzteres, dass alles zur Disposition gestellt werden kann. Um die daraus resultierenden Ambivalenzen auszuhalten, schlägt Gerhard Schweppenhäuser ein „stellvertretendes Design“ vor, welches in Anlehnung an den Philosophen Theodor W. Adorno zum Scheitern und zum Widerspruch verurteilt ist, indem es „eine Freiheit antizipier[t], die es so noch gar nicht gibt“ (Schweppenhäuser 2016: 33). Designer*innen sollten nach Schweppenhäuser im Sinne des stellvertretenden Designs so entwerfen, dass Designgegenstände einen langen Gebrauchswert besitzen, anstatt nur auf Aufmerksamkeit abzuzielen, und kollektiv angeeignet statt individuell konsumiert werden können. Des Weiteren sollte das Ziel von Design konstante Verständigung anstelle kurzfristigen Erfolgs sein, weshalb Menschen niemals nur als Mittel zum Zweck angesehen und die Beziehungen der Menschen im Kern nicht als Warenform betrachtet werden sollten (vgl. Schweppenhäuser 2016: 35). Durch die Einhaltung dieser vorgeschlagenen Maximen soll stellvertretendes Design eine Lebensform entwerfen, „in der Menschen, Natur und Objektwelt vernünftig, selbstbestimmt, solidarisch und ästhe -
5.2 Zur Dynamik sozialen und kulturellen Wandels
Ein wesentliches Merkmal menschlicher Gesellschaften und Kulturen ist, dass sie sich in einem Prozess stetiger Veränderung befinden. 28 Diese Veränderungen betreffen sowohl politische Systeme, technische Innovationen, wissenschaftlichen Theorien, künstlerische Strömungen als auch individuelle Ideen, Werte und Praktiken (vgl. Deines/Feige/Seel 2012: 7). Auch das Feld des Designs selbst ist konsequenterweise mit sozialem Wandel verknüpft. So verändern etwa technische Innovationen die Art und Weise zu entwerfen und zu gestalten, die Erscheinungsform von Designgegenständen und damit auch das übliche Empfinden darüber, was als schön gilt. 29 Es lassen sich grob zwei Grundformen sozialer und kultureller
Transformation unterscheiden: (A) kontinuierliche Entwicklungen bzw. Evolution und (B) diskontinuierliche Umbrüche bzw. Revolution (vgl. Deines/Feige/Seel 2012: 9). Zusätzlich gibt es
28 Verändern sich die sozialen Institutionen und kollektiven Praktiken, etwa bei der Arbeitsteilung im Zuge der Industrialisierung oder durch die Migration von Menschen vom Land in die Städte, so spricht die Sozialwissenschaft von sozialem Wandel. Verändert sich die geteilte soziale Bedeutung von Gegenständen innerhalb von Gemeinschaften, so wird dies als kultureller Wandel bezeichnet. Anders formuliert: Sozialer Wandel ist die Veränderung der Ge sellschaft, kultureller Wandel ist die Veränderung in der Gesellschaft.
29 So reflektiert etwa der Philosoph Max Bense über die transhuman istische Entwicklung anhand des Verlaufs menschlichen Schön heitsempfindens von Natur-, über Kunst- zum Technik schönen (vgl. Hörl/Hagner 2008: 22). Ein weiteres Beispiel wäre die Ausdifferenzierung von Lebensstilen im Zuge der Individualisierung und Konsumkultur, mit der Folge, dass alltägliche Designgegenstände zunehmend als sakrale Dinge angesehen wurden und dadurch statt praktischer auch vermehrt symbolische und identitätsstiftende Funktionen übernommen haben (vgl. Moebius/Prinz 2012: 11).
tisch existieren könnten – also in größtmöglicher Freiheit“ (ebd.).
verschiedene Logiken des Wandels, je nachdem, um welche sozialen Felder es sich handelt. So ist etwa die Mode auf Veränderung angelegt, während die Religion auf Bewahrung Wert legt; die Politik hat im Gegensatz zur Kunst explizite Gesetze, die Transformation regeln; in der Wissenschaft ist Wandel gleich Fortschritt, in der Kunst bedeutet Wandel Neuheit und Originalität (vgl. Deines/Feige/Seel 2012: 10 f.). Um durch Handlungen Wandel anzutreiben, bieten verschiedene soziale Felder unterschiedliche Praxisformen mit transformativem Potenzial. So stellt unter anderem das Feld der Kunst Bild und Musik zur Verfügung, die Politik den Protest, die Wissenschaft das Experiment und das Design das Entwerfen und Gestalten als Praxisform bereit, um Wandel in Gang setzen zu können (vgl. Deines/Feige/Seel 2012: 12). Die Praxis ist dabei immer nur vor einem Hintergrund etablierter Traditionen, Normen und Institutionen der Felder möglich, „durch bestimmte Formen von Bewahrung, Tradierung und Institutionalisierung, […] sich Wandel überhaupt erst vollziehen kann“, so die Geisteswissenschaftler Deines, Feige und Seel in der Einleitung zu ihrem Sammelwerk Formen kulturellen Wandels (2012: 7). Anders gesagt: Jede Transformation beinhaltet sowohl Wiederholungen als auch Veränderungen. Beschränkungen stellen demnach kein Hindernis für Veränderung dar, sondern Veränderungen sind aufgrund von Beschränkungen überhaupt erst möglich. In diesem Sinne stellen Grenzen die Voraussetzung für kreatives Handeln und kulturellen Wandel dar. Dieser Wandel kann jedoch lediglich angetrieben, aber nicht gesteuert werden, aufgrund von spontanen Praxisformen, unintendierten Handlungsfolgen und komplexen Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Feldern der Kunst, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft usw. (vgl. Deines/Feige/Seel 2012: 12).
Um die Triebkräfte soziokulturellen Wandels identifizieren, (sinnverstehend) rekonstruieren und kritisieren zu können, schlägt der Soziologe Hartmut Rosa in jenem Sammelband von Deines/Feige/Seel ein Modell vor, das folgendermaßen
unterteilt ist: Die linke Seite stellt die Makro-Ebene der sozialen Ordnung, Organisationen, kollektiver Gruppen, Kultur und Gesellschaft dar; die rechte Seite ist die Mikro-Ebene der Interaktion und des individuellen Handelns; oben befindet sich die Ebene explizit artikulierter Theorien und unten ist die Ebene der impliziten Praktiken (vgl. Abb. 10). Von links nach rechts ist der Verlauf von der Gesellschaft zum Individuum (Pfeil 2); oben nach unten ist der Übergang von bewussten Selbst- und Weltbildern hin zu einer unsichtbaren Lebenswelt (Pfeil 1). 30 Aus diesen zwei Achsen ergeben sich in diesem Modell nach Rosa vier Ebenen sozialer Wirklichkeit : (A) die explizite kollektive Selbstdeutung, welche sich als Sprache in Theorien, Diskursen und Dogmen zeigt; (B) implizite soziale Institutionen und damit verbundene kollektive Praktiken, beispielsweise Universitäten und Vorlesungen oder Designfelder und Konzeptions- und Produktionspraktiken; (C) explizite, reflexive Selbst- und Weltbilder, worauf sich Individuen aktiv beziehen können, wie persönliche Ziele und artikulierte Werte und Handlungsregeln; sowie (D) implizite, vorreflexiven Gefühle und der Habitus als verkörperte Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster von Individuen, wie ein Körperschema aufgrund des soziokulturellen Hintergrunds (vgl. Rosa 2012: 31 ff.). Verändern sich die oberen zwei Ebenen, so sprechen wir von kulturellem Wandel, da sich der explizite Sinn und die Bedeutung von Gegenständen für die Menschen verändert; verändern sich die unteren zwei Ebenen, so kann von sozialem Wandel gesprochen werden, bei welchem sich die sozialen Strukturen,
30 Die zwei Ebenen der bewussten, expliziten Selbstinterpretationen und unbewussten, impliziten Selbstdeutungen bezeichnet Hartmut Rosa auch als „ Doppel-Hermeneutik “, die besagt, dass wir „eine Wirklichkeit interpretieren, die ihrerseits bereits eine Interpretation ist“ (Rosa 2012: 24). Wir können demnach nicht zu den Dingen an-sich gelangen, denn jede Interpretation der Welt findet immer vor dem Hintergrund von unbewussten Vor-Annahmen unserer Lebenswelt statt (vgl. dazu auch Kapitel 2.3).
Institutionen und Praktiken der Gesellschaft transformieren.
Abb. 10: Vier Ebenen der sozialkonstitutiven Selbstinterpretationen (vgl. Rosa 2012: 35).

Gemeinsam haben alle vier Ebenen nach Rosa folgende Eigenschaften: Sie sind dynamisch, interdependent und autonom.
(1) Dynamisch sind die Ebenen, da sie laufend sozio-kulturellen Veränderungen und Bewegungen ausgesetzt werden und offen sind für Anpassung. So können (A) sich kollektive Selbst- und Weltbilder im Laufe der Geschichte kontinuierlich
oder abrupt verändern, wie wenn wissenschaftliche Theorien an den aktuellen Forschungsstand und gegenwärtigen Ereignissen angepasst werden; (B) Institutionen durch Strukturwandel an Relevanz verlieren oder gewinnen, wie Fernsehsender aufgrund des Internets heute etwa weniger zentral sind für die soziale Meinungsbildung als vor 50 Jahren; (C) sich individuelle Selbstbilder und Werte durch neue Erfahrungen verändern, indem sich etwa Individuen durch Texte und Gespräche mit neuen, unbekannten Themen auseinandersetzen; oder (D) neue individuelle Routinen entstehen, etwa durch technische Innovationen, veränderte Umweltbedingungen oder Konflikte. Bei Veränderungen von expliziten Theorien oben (A/C) handelt es sich nach Rosa um gezielte und bewusste Anpassungen (Revolution), während es sich bei Veränderungen der impliziten Praktiken unten (B/D) um zufällige, ungewollte „Mutationen“ handelt (Evolution) (vgl. Rosa 2012: 36).
(2) Interdependent sind die Ebenen, da die Veränderungen innerhalb einer Ebene Einfluss auf die anderen Ebenen nehmen, d. h. sie sind verknüpft und voneinander abhängig, was in diesem Modell mittels der Pfeile dargestellt werden soll, die in jeweils beide Richtungen zeigen. Denn sozialer und kultureller Wandel vollzieht sich nicht allein durch die Dynamik innerhalb der einzelnen Ebenen, sondern ist ein „dynamisches Wechselspiel zwischen impliziten und expliziten Selbstdeutungen“, so Rosa (2012: 37). In diesem Sinne entstehen Theorien überhaupt erst durch die explizit gemachten, artikulierten Deutungen von sichtbaren Praktiken – und Praktiken stellen materialisierte, verkörperte Formen von Theorien dar (Pfeil 1.1/1.2). Ebenso beeinflussen einzelne Individuen durch ihre Selbstbilder und Praktiken eine Gemeinschaft und deren als gültig anerkannten Theorien und Praktiken, sowie andersherum (Pfeil 2.1/2.2). Vollzieht sich ein Wandel nach diesem Modell von unten nach oben (Pfeil 1), wenn sich Theorien aufgrund zufälliger „Mutationen“ von Praktiken und Strukturen verändern, wird von Materialismus gesprochen; erfolgt ein gezielter Wandel von oben
nach unten (Pfeil 1), bei dem Menschen gezielt und bewusst versuchen mittels Theorien Praktiken und Strukturen zu verändern, ist die Rede von Idealismus. Ereignet sich ein Wandel von rechts nach links (Pfeil 2), werden zunehmend einzelne Individuen ins Zentrum von Handlungsfähigkeit und Verantwortung für die Allgemeinheit gestellt, was die Soziologie als „ Individualismus“ bezeichnet; ergibt sich ein Wandel von links nach rechts (Pfeil 2), werden traditionelle Bindungen an Gemeinschaften wichtiger, wobei von Holismus gesprochen werden kann (vgl. ebd.: 35).
(4) Autonom sind die vier Ebenen schließlich, da sie zwar voneinander abhängig sind, aber dennoch jede Ebene „eine Eigendynamik und eine Teilautonomie“ hat (Rosa 2012: 52). Durch diese Autonomie können Rosa zufolge die Ebenen in Konflikt zueinander geraten, sofern sich die Selbstdeutungen aller vier Ebenen sozialer Wirklichkeit durch unvereinbare Normen, Werte und Selbstbilder gegenseitig widersprechen. Die dadurch ausgelösten Krisen und Konflikte sind je nach Wechselbeziehung unterschiedlicher Natur. Divergieren etwa kollektive Praktiken und kollektive Selbstdeutungen auseinander, so handelt es sich hierbei nach Rosa um eine Institutionskrise und/oder Ideologiekrise (Pfeil 1.1); driften hingegen das theoretische Selbstbild und die praktischen Verhaltensmuster auseinander, kann von einer Identitätskrise gesprochen werden (Pfeil 1.2) (vgl. ebd.: 41).
Damit sind zwar nicht alle Wechselwirkungen und Konflikte benannt, die Rosa hier aufzeigt, jedoch sollte das genügen, um sein Grundmodell verständlich zu machen. Worauf ich im Folgenden hinaus möchte, ist zu klären, wie das Design auf dieses Modell bezogen werden kann.
Wie ich bereits dargelegt habe, erfüllen Designgegenstände zwei wesentliche Funktionen: extern-symbolische und intern-praktische (vgl. Kapitel 1.1). Meiner Ansicht nach lassen sich die intern-praktischen Funktionen, die das Design erfüllt, in Rosas Modell auf die unteren zwei Ebenen (B/C) sozialer und
100
individueller Praktiken beziehen, insofern Designgegenstände es ermöglichen, den Alltag in gewohnter Weise zu regeln. Erstens sind Designgegenstände sind mit persönlichen Alltagspraktiken und Gewohnheiten verknüpft: etwa ein Bett zum Schlafen, ein Stuhl zum Sitzen, ein Handy zum Telefonieren, ein Stift zum Schreiben, ein Buch zum Lesen usw. Zweitens dienen in einem größeren Maßstab kollektiver Praktiken und sozialer Institutionen Designgegenstände dazu, die alltägliche soziale Interaktion in einem großen und kleinen Umfang zu regeln; unter anderem das Leitsystem einer Universität, die Formulare des Finanzamts oder die Fahrpläne für ein Straßenbahnnetz einer Stadt. Die extern-symbolische Funktion des Designs ist meiner Meinung nach für die obere Hälfte des Modells von Bedeutung, indem kollektive Selbstdeutungen durch die Inszenierung von Gegenständen symbolisch repräsentiert werden; etwa politischen Parteien durch Farben, Nationalstaaten durch Flaggen, soziale Bewegungen durch die gestalterische Vermittlung ihrer Leitsätze, Organisationen (Konzerne, NGOs, Museen usf.) durch ein Corporate Design usw. Ein reflexives Selbstbild wird durch Designgegenstände dahingehend mitbestimmt, indem etwa „Dingbiografien“ erstellt werden, um die eigene soziale Positionen zu strukturieren und Identität zu stiften (vgl. Moebius/Prinz 2012: 17). So macht es etwa einen Unterschied für die Außenwahrnehmung sowie mein Selbstgefühl, ob ich einen Jogginganzug oder einen Smoking trage; ob ich mit einem Fahrrad oder einem Ferrari zur Arbeit fahre; ob ich mit einem Nokia 32C oder einem iPhone 13 telefoniere usw.
Hiermit sollte deutlich geworden sein, dass Designgegenstände eng mit Praktiken sowie Selbst- und Weltbildern von Individuen und Kollektiven verknüpft ist. Dadurch kann es bestehendes stets neu legitimieren oder als Innovation wandel vorantrieben. Der Duden definiert das Wort „Innovation“ im Sinne der Soziologie folgendermaßen: Innovation ist die „geplante und kontrollierte Veränderung, Neuerung in einem sozialen System durch Anwendung neuer Ideen und Techniken“
(Duden o. D.). Design kann als Innovation die implizite Praxis verändern, mit dem Ziel, dass sich dadurch explizite Selbstund Weltbilder verändern. So kann zum Beispiel eine soziale inklusive Gestaltung eines Sportplatzes dazu führen, dass dort eine Vielzahl verschiedenster Personen beginnen Sport zu machen und sich dadurch Menschen begegnen, denen sie – etwa aufgrund von Vorurteilen o. Ä. – sonst nicht begegnet wären und dadurch Lebenswelten zusammenbringen und kulturellen Austausch fördern. Zweitens kann Design explizite Welt- und Selbstbilder verändern und dadurch auch die impliziten Praktiken von Menschen beeinflussen. Denken wir etwa an eine gestalterische Vermittlung einer Informationskampagne, welche über Rassismuserfahrungen von Menschen berichtet, kann dies zur Folge haben, dass sich vermehrt Menschen durch diese Informationen in ihrer alltäglichen Praxis weniger rassistisch verhalten. Die Liste an Designbeispielen ließe sich problemlos fortführen.
Um eine Übersicht zu schaffen, welche Formen von Innovationen es gibt, schlägt der Designtheoretiker Gui Bonsiepe eine Typologie der (Design-)Innovationen vor. Diese umfasst acht Typen von Innovation, die auch für das Design geltend gemacht werden können:
B.
fähige Felge)
(b) Nutzerbasierte Innovation (z. B. verbesserter Dosenöffner)
(c) Formbasierte Innovation (z. B. Metaphorisches Design)
(d) Erfindungsbasierte Innovation (z. B. Dyson-Staubsauger als Ergebnis vieler Versuche)
(e) Symbol- oder statusbasierte Innovation (z. B. Teure Design-Zitronenpresse)
(f) Traditionsbasierte Innovation (z. B. handgeschnitzte Dekoration aus Mexiko)
(g) Konstruktionsbasierte Innovation (z. B. formbasierte Innovation eines Schwerlasters)
(h) Ökologiebasierte Innovation (z. B. Stuhl aus reinen Materialien, keine Schwermetalle, usw.)
(i) Brandingbasierte Innovation (z. B. Privatisierung von einem Telefonservice wird öffentlich profiliert)
(j) Trendbasierte Innovation (z. B. neue Sneakers)
(k) Kunstbasierte Innovation (z. B. um ein Verkehrsschild platzierte Skulptur)
(l) Kritikbasierte Innovation (z. B. Hammer, der 180 Grad gebogen ist) (vgl. Bonsiepe 2009: 230)
Durch Innovationen können Designer*innen jedoch nicht nur bestehendes verbessern, sondern auch unter Umständen Probleme verstärken sowie – absichtlich oder unabsichtlich –Widerstände und Konflikte auslösen.
Konflikte gelten als wesentliche Triebkräfte für sozialen und kulturellen Wandel. Bei Konflikten geht es einerseits darum, Unterschiede deutlich zu machen und Individualität herauszuarbeiten. Andererseits geht es innerhalb von Konflikten darum, eine verlorene Einheit wieder herzustellen und gegensätzliche Aspekte zu vereinen (vgl. Schwarz 1990: 16). Was zuerst widersprüchlich anmutet, ist die eigentliche Funktion von Konflikten: die Vielfalt von Perspektiven und Interessen sowie die Komplexität von Sachverhalten zu thematisieren, explizit zu
machen und alle daraus sich ergebenden Möglichkeiten durch eine Entscheidung zu einer Einheit zu bringen.
Der Philosoph und Sozialwissenschaftler Gerhard Schwarz unterscheidet zwischen mehreren Konfliktarten anhand der Anzahl der beteiligten Personen. Nach Schwarz gibt es persönliche Konflikte der subjektiven Innenwelt zwischen Vertrauen und Misstrauen; Zugehörigkeit und Trennung; Selbstbestimmung und Fremdbestimmung; Egoismus und Solidarität. Des Weiteren beschreibt er Paar- und Gruppenkonflikte, die in der direkten Interaktion unter Anwesenden stattfinden, sowie Organisations-, Institutions- und Systemkonflikte, bei denen es um die Aushandlung vieler über soziale Strukturen und Weltbilder geht (vgl. Schwarz 1990: 102ff.). Was alle Konflikttypen gemein haben, ist, dass sie die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von allen Beteiligten beeinträchtigen, insofern mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die nicht zu einer Einheit gebracht werden können. Zur Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit lassen sich nach Schwarz sechs Muster von möglichen Konfliktlösungen beschreiben, wodurch die Handlungsfähigkeit mindestens einer Person wiederhergestellt wird und welche hierarchisch von schlechter zu guter Konfliktlösungen zu verstehen sind: Flucht, Zerstörung des Gegners, Unterordnung des einen unter den anderen, Delegation an eine dritte Instanz, Kompromiss und Konsens (vgl. Schwarz 1990: 281). Die Übergänge zwischen den Lösungsmustern Flucht bis Konsens sind hier als fließend zu begreifen und die Konflikte können in einem Lernprozess Stück für Stück gelöst werden, indem sich einem Konsens und gemeinsamer Verständigung angenähert wird.
Nach Pierre Bourdieu entstehen Konflikte innerhalb gesellschaftlicher Felder (wie Kunst, Politik oder Wirtschaft) aufgrund von Kämpfen zwischen den teilnehmenden Akteur*innen. Bourdieu beschreibt es so: „Daß die Geschichte des Feldes die Geschichte des Kampfes um das Monopol auf Durchsetzung legitimer Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien ist: die -
se Aussage ist noch unzureichend; es ist vielmehr der Kampf selbst, der die Geschichte des Feldes ausmacht; durch den Kampf tritt es in die Zeit ein“ (Bourdieu 2001 zit. n. Joas/Knöbl 2004: 535). Kampf ist demnach das Antriebsmoment für sozialen und kulturellen Wandels innerhalb der Felder. Um zu erklären, um welche Güter diese Kämpfe geführt werden, führt Bourdieu den Begriff Kapital in seine Feldtheorie ein. Mit der Übernahme dieses zentralen Begriffs von Karl Marx, übernimmt er gleichzeitig dessen Idee, dass der moderne Kapitalismus Herrschaftsverhältnisse nicht mehr symbolisch verschleiern muss, sondern diese durch den „gerechten“ Tausch zwischen Gütern legitimiert. Dabei lässt Marx jedoch außer Acht – so Bourdieu –, dass es neben dem ökonomischen Kapital auch weitere Kapitalsorten gibt, um die es sich zu kämpfen lohnt und die in allen sozialen Feldern eine entscheidende Rolle spielen: kulturelle, soziale und symbolische Kapitalsorten (vgl. Joas/Knöbl 2004: 537). Ökonomisches Kapital ist Geld, Eigentum und Macht; zu kulturellem Kapital gehören etwa Bildungsabschlüsse und Kulturgüter wie Bücher; soziales Kapital sind Ressourcen, die durch die Mitgliedschaften an gemeinschaftlichen Formationen zur Verfügung stehen; symbolisches Kapital meint Gegenstände und Lebensstile, mittels derer Unterschiede zu anderen gesellschaftlichen Klassen zum Ausdruck gebracht werden. Indem es Gegenstände inszeniert und stilisiert, stattet Design innerhalb aller sozialen Felder Individuen und Kollektive (Konzerne, Städte, Parteien, soziale Bewegungen, Musiklabels, Universitäten, Museen usw.) mit symbolischem Kapital aus, um damit erfolgreich um die verschiedenen Kapitalsorten kämpfen zu können, Zugehörigkeiten und Unterschiede darzustellen und treibt damit – bewusst oder unbewusst – sozialen Wandel mit voran.
Abschließend sollen die hier genannten Überlegungen nochmals zusammengefasst werden. Alle sozialen Felder befinden sich in einem eigendynamischen Prozess ständigen Wandels und beeinflussen sich dabei gegenseitig. Dieser Wandel
kann zufällig geschehen, indem Praktiken und soziale Strukturen abrupt „mutieren“ oder indem Theorien und Selbstbilder kontinuierlich herausgearbeitet werden, mittels derer explizit festgelegt wird, was wahr, wirksam, richtig und wahrhaftig ist. Designgegenstände spielen für individuelle und kollektive Praktiken und Theorien eine zentrale Rolle, indem sie durch ihre Form praktische und symbolische Funktionen erfüllen, die auf Zwecke bezogen sind, und treiben dadurch sozialen und kulturellen Wandel mit voran. Designinnovationen können etwa Nachhaltigkeit, Inklusion oder den Gebrauchswert von Gegenständen verbessern. Designer*innen können aber auch Ungleichheit weiter vorantreiben, indem sie diskriminierende Strukturen von Institutionen mit ästhetischen und praktischen Formen und Stilen ausstatten und dadurch legitimieren. Designer*innen können sowohl für individuelle und kollektive Theorien und Praktiken Innovationen entwerfen als auch innerhalb von Institutionen und gewohnten Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata Konflikte auslösen und somit individuelle und kollektive Reflexionsprozesse in Gang zu setzen, damit die Frage nach impliziten und expliziten Selbst- und Weltbildern ständig neu gestellt werden kann.
Fazit
Der ursprüngliche Sinn der Masterarbeit – die Auseinandersetzung mit dem Thema individueller Entscheidungen – hat sich im Prozess dahingehend verändert, dass zunehmend das Soziale in den Mittelpunkt meiner theoretischen Forschung gerückt ist, da Entscheidungen nicht unabhängig von sozialen Beziehungen, Traditionen, Normen und Rollen getroffen werden können. Das aktualisierte Ziel lautete darum, systematisch Texte der Design- und Sozialtheorie zu exzerpieren, um allgemein zu verstehen, welche Rolle das Design für Individuen und die Gesellschaft bei der Konstruktion von Wirklichkeit spielt. An diesem Ziel orientiert, konnte – rückblickend auf die vorliegende Masterarbeit – folgendes gezeigt werden:
• Designgegenstände erfüllen durch ihre ästhetische und besondere Form (1) praktische Funktionen, da sie individuelle und kollektive Praktiken regeln, indem sie Routinen und Institutionen einen Rahmen geben und (2) symbolische Funktionen, indem sie auf individuelle und kollektive Selbst- und Weltbilder Bezug nehmen und diese laufend weiter gestalten und neu entwerfen.
• Designer*innen wiederholen und verändern individuelle und kollektive Theorien und Praktiken, indem sie Erscheinungsformen und Gebrauchsgegenstände entwerfen und gestalten, mithilfe derer alltägliche Lebenswelten symbolisch und praktisch geregelt werden.
• Sinn und Bedeutung liegen nicht in den Gegenständen selbst, sondern werden in und durch den Prozess der sozialen und nicht-sozialen Interaktion mit eben jenen Gegenständen fortwährend wiederholt und verändert. – Der Sinn von Designgegenständen wird durch deren Konzeption, Produktion und Gebrauch fortwährend aktualisiert, sowie
dadurch, dass die geteilte soziale Bedeutung derjenigen Referenzen, auf welche in der Gestaltung explizit Bezug genommen wird, immerzu fortgeschrieben wird.
• Handeln lässt sich anhand der Impulsivitätsschwelle unterscheiden zwischen (1) spontanem Verhalten durch unbewusste, implizite Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster und (2) reflexivem Handeln, bezogen auf bewusste, explizite Regeln und Ziele. – Designer*innen gestalten und entwerfen für bestehende Praktiken und Bedürfnisse und darüber hinaus, um Reflexionsprozesse und neue Alltagsroutinen anzutreiben.
• Durch Reaktionsverzögerung und Instinktreduktion entsteht die Freiheit des Menschen, etwas nicht tun zu müssen. Um die Auswahlmöglichkeiten und die damit einhergehende Komplexität von Entscheidungssituationen zu reduzieren, sind Individuen und Kollektive auf Strukturen durch Referenzen und deren Wiederholung angewiesen. Solche Strukturen umfassen u. a. implizite und explizite Regeln und Werte, angestrebte Ziele, Stile, Gewohnheiten und Routinen, Institutionen und Traditionen usw. –Designgegenstände strukturieren individuelles und kollektives Handeln, da sie durch ihre Form die Möglichkeiten dessen eingrenzen, was damit getan werden kann und was nicht.
• Idealtypisch lassen sich drei Handlungsformen anhand ihrer Orientierung unterscheiden: erfolgsorientierte Arbeit, verständigungsorientierte Kommunikation und selbstbezogenes Spiel. Diese unterscheiden sich darin, welche der Geltungsansprüche Wahrheit/Wirksamkeit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit mehr oder weniger dominant sind. – Je nach Kontext nehmen Designer*innen mit ihren Entwürfen eher praktische, symbolische oder stilistische Funktionen in den Blick und erheben in jedem Entwerfen und
Gestalten den Geltungsanspruch auf das Wahre, Gute und Schöne.
• Die soziale Ordnung kann unterschieden werden zwischen (1) Systemen, welche aufgrund einer Vielzahl an ungewollter Handlungsfolgen ihrer eigenen Logik folgen und innerhalb derer durch generalisierte Medien wie Macht und Geld keine Verständigungsprozesse notwendig sind und (2) Lebenswelten, innerhalb derer die beteiligten Individuen über gegenseitige Handlungsorientierung miteinander vernetzt sind und sich immer wieder über gemeinsame Regeln und Ziele verständigen müssen. – Designer*innen entwerfen sowohl erfolgsorientierte als auch verständigungsorientierte Designgegenstände, indem sie Arbeitswelten optimieren, Lebenswelten verbessern und Ereigniswelten inszenieren.
• Die Theorien und Praktiken von Individuen, Kollektiven bis hin zu unterschiedlichen sozialen Feldern (Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kunst etc.) befinden sich in einem eigendynamischen Prozess ständigen Wandels und beeinflussen sich dabei gegenseitig. Design treibt bestimmte Praktiken und Theorien voran, indem es diese mit praktischen und stilistischen Formen ausstattet.
Mit Rückblick über den Aufbau der Masterthesis zeigt sich, dass es sich bei den darin entwickelten Thesen um Aussagen mit hohem Abstraktionsgrad handelt, um Design in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext in den Blick zu nehmen. Dabei wurde sich auf unterschiedliche Konzepte der Sozialtheorie bezogen, mit der Folge, dass auf keines der Konzepte im Rahmen dieser Arbeit wirklich näher eingegangen werden konnte. Die Frage, inwiefern die Konstruktion einer sozialen Wirklichkeit durch Design vorangetrieben wird, konnte damit meiner Ansicht noch nicht ausreichend bestimmt werden. Nähere Untersuchungen von konkreten Fallbeispielen im De -
sign wären im Weiteren notwendig, wobei die hier entwickelten Überlegungen als Ausgangsmaterial für mögliche Hypothesen dienen könnten.
Mein persönliches Designverständnis wurde im Prozess dieser Masterarbeit dahingehend verändert, dass ich denke, dass Designer*innen, vor dem Hintergrund von Kultur und Gesellschaft, den Sinn und die soziale Bedeutung von Design täglich in und durch ihre Praxis weiter- und neu gestalten. Wie sich diese Einsicht auf die konkrete Designpraxis niederschlägt, muss sich noch zeigen. Ich hoffe, dass diese Thesis Designer*innen (sowie Nicht-Designer*innen) Anlass bietet, sich neue Verstehens- und Handlungsmöglichkeiten reflexiv und kreativ zu erschließen, mit der Folge eines sozialen Wandels, hin zu einem solidarischen, besseren Zusammenleben.
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Impressum
Diese Masterbeit entstand im Rahmen des Studiums Informationsdesign an der Fakultät Gestaltung in Würzburg. Ich bedanke mich bei allen Menschen, die mich in dieser Zeit unterstützt und dabei betreut haben.
Kontakt: info@lukasletsche.com
Schrift: Neue Haas Unica Druck und Bindung: buch.one / Offsetdruckerei Karl Grammlich GmbH lukasletsche.com
Design nimmt laufend Bezug auf eine sozial konstruierte Wirklichkeit und entwirft diese ständig weiter- und neu. Dahingehend kombiniert diese Masterarbeit Überlegungen aus der Design- und Sozialtheorie, um zu klären, welche Rolle Design für soziales Handeln, soziale Ordnung und sozialen Wandel spielt.