Der Bröselprinz

Dieses Märchen widme ich meinem Freund, der mich mit seinem bröseln zu der Geschichte inspiriert hat.
Es war einmal ein kleiner Prinz namens Henry, der lebte zusammen mit seinen Eltern auf einem einsamen Schloss. Henrys Eltern waren schon immer grosse Keks-Fans. Bei ihnen gibt es nicht nur zu Weihnachten leckere Kekse, nein das ganze Jahr durch wird jede Gelegenheit genutzt, um neue verfeinerte Rezepte auszuprobieren und zu verkosten. Natürlich gibt es auch täglich Kekse zum Kaffee oder Tee.
Für den kleinen Prinz sind Kekse das wichtigste im Leben. Kein Wunder, er kennt ja auch nichts anderes, was so sehr gewürdigt wird in seiner Familie. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass sein erstes Wort „Keks“ war. Allerdings bröselt der kleine Prinz immer sehr viel, wenn er seine lieblings Kekse verspeist.
Einen schönen Weihnachtsabends sass die Königsfamilie besinnlich vor dem Kamin und verzehrte, wie könnte es anders sein, ein paar der leckeren Weihnachtskekse. Der kleine Prinz bröselte so viel, dass sich unter dem Tisch ein richtiges Bröselhäufchen gebildet hatte. Das war allerdings nichts Besonderes, denn wohin der kleine Prinz auch ging, er hinterliess immer eine Bröselspur.
So auch als er am nächsten Morgen früher als alle anderen wach war und nach draussen in den Schnee zum Spielen lief. Er sprang freudig im Schnee herum, in der linken Hand natürlich stets ein Keks. Etwas Gutes hatte das Bröseln ja schon, man konnte Henry immer und überall wiederfinden, man musste nur seiner Bröselspur folgen. Je älter der Prinz wurde, desto mehr hat ihn sein krümeln selbst gestört. Nirgends konnte er ungestört hingehen, ohne sofort entdeckt zu werden.
Die Angestellten des Schlosses waren auch nicht gut auf den Prinzen zu sprechen, denn das ständige hinterherputzen hatte durch den kleinen Prinzen ein neues unbekanntes Ausmass angenommen. Auch mussten in der Bäckerei täglich eine immer grösser werdende Menge an Keksen gebacken werden, die dann doch wieder nur auf dem Boden landeten. Die Frustration bei den Angestellten war hoch und so kam es, dass einer nach dem anderem das Schloss verliess.
In der Weihnachtszeit fand jedes Jahr ein Wettbewerb im Land statt, bei dem die besten Weihnachtskekse gekürt wurden. Selbstverständlich nahm auch die Königsfamilie daran teil. Fast immer in den letzten Jahren hatte die Königsfamilie auch gewonnen, nur damals vor 32 Jahren hatte ein Gast aus fernen Ländern den ersten Platz gemacht. Seit dem werden zu Weihnachten keine Gäste mehr eingeladen und man spricht auch nicht mehr über dieses furchtbare Jahr.
Der König wollte also auch in diesem Jahr wieder gewinnen und besprach mit seinen Bäckern welche Rezepte denn für den diesjährigen Wettbewerb verwendet werden sollen. Da seine Bäcker in den letzten Monaten schon Tag und Nacht schufteten, um genug Kekse für die ganze Familie und vor allem für den Prinzen zu backen, waren diese nicht sehr erfreut, als der König zwei Tage vor dem Wettbewerb mit unzähligen neuen Ideen für Rezepte ankam.
Um mit allem rechtzeitig fertig zu werden, holten sich die Bäcker Hilfe aus der nächstliegenden Ortschaft. Allerdings vergassen sie in der ganzen Aufregung, die neuen Gehilfen über die Allergien der Königsfamilie zu informieren. Alle Blutsverwandten der Krone waren nämlich höchst allergisch auf Mandeln. Und so kam es, dass einer der Versuchsteller für die Familie Spuren von Mandeln enthielt und alle drei Familienmitglieder eine starke allergische Reaktion zeigten. Leider überlebte nur der kleine Prinz und dies weil er doch immer so viel krümelt und somit eine kleinere Menge der Mandeln verspeiste.
Das ganze Land war zutiefst erschüttert und der Kekswettbewerb sowie das ganze Weihnachtsfest fanden fortan nicht mehr statt. Auch die Angestellten waren untröstlich und verliessen das Schloss. Da war er nun, der junge Prinz, ganz alleine im grossen Schloss. Das Land wurde nun von seinem Onkel regiert, der auf dem Schloss am anderen Ende des Waldes wohnte.
Die Tage, Wochen und Monaten vergingen und der einsame Prinz wusste sich nicht zu helfen und ass aus lauter Frust noch mehr Kekse. Der Vorrat der Kekse wurde allerdings immer kleiner und da er schon als kleines Kind immer heimlich beim Backen der Kekse zugeschaut hatte, kannte er die meisten Rezepte. Er übte und übte und brachte sich das backen selbst bei. So konnte er immerhin noch seine geliebten Kekse essen, die ihn an seine Eltern erinnerten.
Da nun aber niemand mehr hinter ihm her putzte, wurden die Bröselhaufen immer mehr zu Bröselbergen und schon bald konnte man den Boden unter den ganzen Bröseln nicht mehr erkennen. Einestages klopfte es laut an der grossen schweren Holztür. Der Prinz öffnete die Tür und erblickte eine junge Frau. Er bat sie höflich hinein und bat ihr einen Keks an. Dem Prinzen war es sichtlich unangenehm, die schöne junge Dame zwischen seinen Bröselbergen hindurch zu führen.
Als sie beide mit Kaffee und Keksen versorgt waren, fragte der Prinz was sie denn hier bei ihm suchte. Sie erzählte ihm, dass sie auf der Durchreise sei und eine neues seltenes Gerät mit dabei hatte, welche sie einem König in einem fernen Land bringen müsse. Sie zeigte ihm das Gerät und der Prinz konnte seinen eigenen Augen nicht glauben. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ein Stange die am oberen und unteren Ende jeweils ein weiteres Teil befestigt hatte.
Plötzlich drückte die Frau auf einen Knopf und die Maschine machte plötzlich ziemlich laute Geräusche und leuchtete an kleinen Punkten. Die Frau nahm den oberen grösseren Teil in die Hand und stellte das untere Ende auf den Boden. Sie ging ein paar Schritte und schob „der Gerät 2.0“ vor sich her.
Da entdeckte der Prinz, dass hinter ihr eine Spur des Bodens sichtbar wurde. Dieses Gerät entfernte alle Brösel vom Boden und sammelte sie in dem Behälter. Er schaute sie mit unfassbarem Blick an und fragte sie nach dem Namen des Gerätes. Sie erwiderte: „Du weisst nocht nicht mal wie ich heisse, aber möchtest wissen wie dieses Ding heisst?
Das ist der Gerät 2.0.“. Der Prinz wurde rot und entschuldigte sich bei der reizenden und leicht gereizten Isabelle, wie er auf Nachfrage erfuhr.
Nachdem Isabelle feststellte, wie unglaublich lecker die Kekse des Prinzen waren, erklärte sie sich bereit, ihm beim beseitigen der ganzen Brösel zu helfen. Die zwei saugten zwei Tage und zwei Nächte lang das ganze Schloss, bis schlussendlich kein einziger Brösel mehr auf dem Boden zu sehen war. Ausser den neuen, die der Prinz wieder hinter sich fallen liess.
Der Prinz wollte „der Gerät 2.0“ auf jeden Fall behalten, damit er auch in Zukunft seine Brösel selbst entfernen kann. Zudem merkt er, dass er am liebsten auch Isabelle bei ihm auf dem Schloss behalten würde. Denn besser als die Brösel selbst aufzusaugen, wäre es, wenn Isabelle ihm hinterherlaufen und den Boden von seinen Bröseln befreien würde. Zudem war sie eine junge, sehr hübsch anzusehende, charmante und freundliche Frau, mit der er sich so glücklich und zufrieden fühlte wie schon lange nicht mehr.
Da kam es ihm zu Gute, dass draussen ein eisiger Schneesturm wütete und Isabelle noch ein paar weitere Tage auf dem Schloss feststeckte. Die zwei erzählten sich viele Geschichten, kochten und backten zusammen leckere Sachen und machten danach gleich alles wieder sauber. An einem Abend sasses sie gemütlich vor dem Kamin und der Prinz nahm all seinen Mut zusammen und fragte Isabelle, ob sie nicht noch etwas länger bleiben wolle. Vielleicht so ein oder zwei Leben lang. Isabelle schaute ihm tief in die Augen, sagte: „safe!“ und gab ihm einen Kuss. Er verstand zwar nicht was sie gesagt hatte, was aber nichts neues war und schloss deshalb seine Augen und erwiderte glücklich den Kuss. Und wenn sie nicht gestroben sind, dann bröseln sie noch heute.
In einem entfernten Land lebte einst ein kleiner Prinz, der für sein Leben gern Kekse ass. Als ihm eines Tages sein Bröseln das Leben rettete…