Diplomarbeit "Nachhaltige Regionalentwicklung im Vilsandi-Nationalpark (Estland)"

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Ansätze für einen umwelt- und sozialverträglichen Tourismus in der Gemeinde Kihelkonna

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7.4.5 Service und Information Urlauber brauchen viele kleine Dienstleistungen, um sich an einem Ort während des Ferienaufenthalts wohlfühlen zu können. Das Maß an gefordertem Service schwankt dabei je nach Zielgruppe recht stark. In jedem Fall zum Service eines Urlaubsortes gehört aber eine fundierte Information über den Ort und die Freundlichkeit der am Fremdenverkehr Beteiligten. Eine gewisse "Dienstleistungsmentalität" in einer Urlaubsregion wird sich auf die Zufriedenheit der Gäste positiv auswirken. Immerhin gehört der Aspekt "Freundliche Gastgeber, nette Leute" in Deutschland mit 65% zu den wichtigsten Anforderungen an den Urlaubsort. Dies dürfte in Estland nicht wesentlich anders sein. In Kihelkonna kann sich der Gast bisher nur auf wenige Serviceangebote stützen. Ohne Zweifel eine sinnvolle Einrichtung ist der "i-Punkt", das Informationszentrum im Dorf Kihelkonna. Da es aber nur selten und unregelmäßig geöffnet ist und die Öffnungszeiten nirgendwo aushängen, gehen Kurzbesucher oder Gäste auf der Suche nach einem Quartier im Ort oft leer aus. Es fehlen auch Druckschriften aller Art: keine Landkarte der Gemeinde, kein Verzeichnis der Sehenswürdigkeiten oder der Ferienquartiere, nichts über die Geschichte der Gemeinde oder umfassende Informationen zum Nationalpark. Auch die Ausschilderung von Straßen und Sehenswürdigkeiten ist verbesserungsfähig. Die Anbieter von Ferienzimmern sind sehr bemüht, diese Mängel durch persönliche Hinweise und Tips und das Ausleihen von Kartenmaterial auszugleichen. Die Fremdsprachenkenntnisse sind für die Beherbergung von ausländischen Gästen von Bedeutung. Von den 1995 in Estland gezählten 353.494 Aufenthaltstagen estnischer und ausländischer Reisender entfielen nur 54.964 Tage (15,5%) auf estnische Gäste. Von den 298.530 Aufenthaltstagen ausländischer Gäste bildeten die Finnen mit 230.217 Aufenthaltstagen, d.h. über 77% die größte Gruppe der Ausländer. Da estnische und finnische Sprache eng verwandt sind, können die Angehörigen dieser Nationalitäten sich verständigen. Insgesamt bedeutet dies, das sich die Esten bei 80% ihrer Gäste (In- und Ausländer) keiner Fremdsprache bedienen müssen. Nach den Finnen (230.217) verbrachten die Deutschen die meisten Aufenthaltstage in Estland (17.443), gefolgt von den Schwe31 den (12.404) und US-Amerikanern (7001). Seit 1991 ist Englisch in den meisten estnischen Schulen erste Fremdsprache, Russisch oder Deutsch werden als zweite Fremdsprache angeboten. Ältere Esten sprechen in der Regel nur Estnisch und Russisch. Bei der Befragung von Landwirten32 in der Gemeinde Kihelkonna gaben von sechs Bauern, die bisher keine Feriengäste beherbergen, vier an, sie könnten sich vorstellen, Urlauber aufzunehmen. Von diesen wurde aber nur auf einem Hof Englisch und Deutsch gesprochen, die anderen drei der Beherbergung von Feriengästen aufgeschlossenen Bauernfamilien sprachen nur Estnisch und Russisch. Der Kontakt und das Kennenlernen zwischen Gastgebern und Gästen als wichtiges Merkmal des Urlaubs auf dem Bauernhof wäre durch diese Sprachbarriere nur sehr eingeschränkt möglich.

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EESTI STATISTIKAMET (1996): Eesti Statistika aastaraamat 1996/Statistical yearbook of Estonia 1996, S. 228 ff. 32 Fragebögen siehe Anhang


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