Jazz Festival Willisau 2019 Magazin

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Geben und Nehmen Der Holzbau-Unternehmer Walter Schär ist ein Querdenker. Zu seiner Vorstellung von Ökonomie gehört auch die Kultur. Vor allem die freie Musik hat es ihm angetan. Im bau 4 in Altbüron haben schon zahlreiche einheimische und internationale Bands Gastrecht genossen.

«Kultur ist nicht nur Aufgabe des Staates, es ist auch unser Job», sagt Walter Schär. Der Unternehmer hat in Grossdietwil und Altbüron die Firma schärholzbau aufgebaut und schweizweit zu einer Marke für ein nachhaltiges Bauen entwickelt. Seine Frau Hildegard Schär programmiert das Kulturlokal bau 4, Teil des Werkplatzes in Altbüron. Dieses Jahr haben die beiden das Unternehmen an ihre Söhne Lukas Schär und Michael Schär übergeben. An der Übergabefeier spielte nicht die Dorfmusik oder ein Streichquartett, sondern das Fischermanns Orchestra.

in Altbüron den neuen Werkplatz bauten, gab es noch ein übrig gebliebenes Stück Land von etwas eigenwilliger Form. Wir entschlossen uns, dort einen Raum für Kultur zu bauen.» Im bau 4 treten zeitgenössische Jazz-Formationen von Rang und Namen auf. Hildegard Schär zahlt faire Gagen und hegt eine Wertschätzung für die Künstler. Die Konzertplakate werden von Niklaus Troxler gestaltet, dank dem die Schärs in Willisau den Jazz entdeckten. The Beat goes on.

Improvisation statt Mercedes

Umgekehrt leistet auch Walter Schär seinen Beitrag zum Jazz Festival Willisau. Es begann mit der «Jazzbar», einem modularen Holz-Pavillon, der noch unter der Ägide von Niklaus Troxler realisiert wurde. Als Arno Troxler die Festivalleitung übernahm, kam eine regelmässige Zusammenarbeit mit Schär zustande: Die Holzbauten auf dem Vorplatz verleihen dem Festival ein klares Ambiente. In den ersten fünf Jahren wurden diese Pavillons und Standbauten im Rahmen von Workshops mit Studierenden der Fachhochschule Fribourg entwickelt.

Die Schärs lieben den Jazz und die improvisierte Musik. «In den 1980er Jahren begannen wir, die Jazzkonzerte in Willisau zu besuchen. Willisau war der grosse Garten, in dem wir die verrücktesten musikalischen Farben und Formen pflücken konnten. Es war spannend und ganz anders, als was man sonst unter Kultur erleben konnte.» Sie begannen, zu hause in Grossdietwil unter dem Titel «Kaff Kino», Filme zu zeigen. Es folgten erste Hauskonzerte mit Jazzbands. Auch bei der Eröffnung des neuen Werkplatzes 2001 in Altbüron stand Jazz auf dem Programm. Ab 2006 wurde im bau 4 ein regelmässiger Kulturbetrieb mit Musik und Ausstellungen aufgenommen. Andere Unternehmer kaufen sich nach ersten unternehmerischen Erfolgen ein prestigeträchtiges Auto. Walter Schär investierte in die Kultur. «Als wir

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Holzbauten für das Festival

Das war ganz im Sinne von Walter Schär: Ein Geben und Nehmen. «Die angehenden Holzfachleute konnten sich in der Praxis üben, und das Festival wurde eine ideale Plattform, um die Arbeiten sichtbar zu machen und ihnen einen Wert zu geben.» Inzwischen existiert eine feste Holz-Infrastruktur, die jedes Jahr von schärholzbau

erstellt wird. Dank Walter Schär lässt sich in den Konzertpausen auch ein ausgezeichneter Espresso trinken: Die professionelle Kaffeemaschine hat er gleich selber nach Willisau gebracht. Die freie Musik regt an Das kulturelle Engagement gehört wie selbstverständlich zur unternehmerischen Haltung von Walter Schär. Kultur sei ein ausgezeichnetes Feld, um sich mit ganz anderen Fragen als den obligaten betrieblichen Themen auseinanderzusetzen, sagt der Unternehmer. «Das wirkt anregend und kann in das eigene Denken und Handeln einfliessen.» Ihn fasziniert das freie Musizieren. «Wie ist es möglich, dass mehrere MusikerInnen ohne Netz und Abmachung spielen können - und es gelingt? Ich habe kaum je ein frei improvisiertes Konzert erlebt, das abgestürzt wäre.» Das seien Kompetenzen, von denen auch Unternehmer etwas lernen könnten, vermutet Schär. «Es muss nicht immer alles reglementiert und getaktet sein, damit etwas funktioniert. Vielleicht inspiriert es zunächst bloss als ein Stück Hoffnung. Aber es bricht das normierte Denken auf.» Schon früher, als er Rock und Pop hörte, horchte er vor allem dann auf, wenn die Bands ihre Schemen verliessen, um später wieder auf den Punkt zu kommen. «Es tut gut, eine normierte Form auch mal zu verlassen. Davon könnte man in der Wirtschaft mehr lernen.» Eine konkrete Analogie zum


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