100 Jahre Jaufenpass-Straße

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1912

2012

e ß a r t s n e uf a J e r h 100 Ja

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Steckbrief Technische Daten der Jaufenstraße Offizieller Straßenname

Staatsstraße SS44 Jaufenpass - Passo Giovo

Verwaltung

Land Südtirol

Straßenbeginn*

Meran (Obermais)

Straßenende*

Sterzing

Gesamtlänge

60,2 km Meran - St. Leonhard: 20,2 km St. Leonhard - Jaufenpass: 20 km Jaufenpass - Sterzing: 20 km

Höhenunterschiede

Meran - St. Leonhard ca. 400 hm St. Leonhard - Jaufenpass ca. 1.400 hm Jaufenpass - Sterzing ca. 1.150 hm

Höchster Punkt

Jaufenpass: 2.096 m.ü.d.M.

Anzahl Kehren

Seite Passeier: 11 Seite Wipptal: 10

Max. Steigungen

Seite Passeier: ca. 7 % Seite Wipptal: ca. 8 % (Bereich Jaufenpass), sonst weniger steil als Seite Passeier

Straßenbreite

SALTAUS

ursprünglich 4,50 m, nunmehr ca. 6 m

* Der ursprüngliche Beginn der Straße ist in Meran am Kornplatz und endet in Sterzing beim Zwölferturm. Durch die Errichtung bzw. den Umbau von Stadtzufahrtsstraßen und Umfahrungen hat sich der Verlauf geringfügig verändert.

RIFFIAN KUENS

MERAN

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N

STERZING

KALCH ST. LEONHARD IN PASSEIER JAUFENPASS | 2.096 m.端.d.M. ST. MARTIN IN PASSEIER

INNERWALTEN SAGSTATT WALTEN

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GASTEIG


© Foto Helmuth Rie r

Grußworte Dr. Sabina Kasslatter Mur Landesrätin für Bildung und deutsche Kultur

Dr. Florian Mussner Landesrat für ladinische Schule und Kultur, Vermögens

Dass die Alpen seit jeher eigentlich keinen Riegel bildeten, vielmehr mit ihren Übergängen eine strategisch wichtige Scharnierfunktion erfüllten, zeigt die Tatsache, dass etwa die Grafschaft Tirol, die Drei Bünde, die Alte Eidgenossenschaft oder das Erzstift Salzburg sich im Mittelalter als „Passstaaten“ konstituierten, die ganz wesentlich vom Transitverkehr und den damit verbundenen Zöllen profitierten. Die Verbindung von Meran über das Passeier und den 2.094 Meter hohen Jaufen nach Sterzing und über den Brenner ins Inntal bildete in Tirol bis weit ins fünfzehnte Jahrhundert eine der wichtigsten Transitrouten. Dementsprechend war sie beidseitig durch Burgen geschützt (Jaufenburg, Reifeneck) und mit Zollstätten (Stange, Saltaus) ausgestattet. Die Verlegung der Residenz nach Innsbruck und der Ausbau des Kuntersweges zu einer Fahrstraße (um 1480) führten aber zu einem Bedeutungsverlust des Jaufenweges. Spielten bei der Errichtung der 1826 fertig gestellten Kunststraße über das Stilfser Joch noch strategische Überlegungen eine zentrale Rolle, so war es wohl vor allem der Aufschwung des Tourismus, der noch vor dem Ersten Weltkrieg

Dass Mobilität ein Grundbedürfnis und Straßen Voraussetzung dafür sind, wusste man immer schon. Was sich geändert hat, ist nur die Nutzung der Straße. Und natürlich der technische Aufwand, um sie zu bauen, instand und sicher zu halten. Die Jaufenpassstraße ist dafür ein gutes Beispiel: Vor 100 Jahren gebaut, zu Beginn der Ära moderner Straßen also, ist sie eine technische Meisterleistung, eine der großen, der spektakulären Alpenstraßen. Anders als andere Passstraßen ist die Jaufenpassstraße allerdings nicht als touristische Attraktion gebaut worden und nie zu einer solchen „verkommen“. Nach wie vor ist sie eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen Passeier und dem Wipptal, nach wie vor wird sie Tag für Tag von Pendlern und Bussen genutzt, um die beiden Lebens- und Wirtschaftsräume zu verknüpfen. Wie es wäre, wenn man ohne sie auskommen müsste, erkennt man am besten an den wenigen Tagen im Winter, an denen die Straße geschlossen bleibt. Dann führt der kürzeste Weg von St. Leonhard nach Sterzing plötzlich über Bozen. Auch deshalb setzt man alles daran, die Lebens-

zur Anlegung wichtiger Passstraßen führte. Im September 1909 wurde die Große Dolomitenstraße eröffnet, 1912 folgte die hier zu feiernde Fahrstraße über den Jaufen, die noch heute die beiden Talschaften Passeier und Ratschings und damit die Städte Meran und Sterzing verbindet. Dass es Chronistinnen und Chronisten der Talschaften nördlich und südlich des Jaufen sind, die die Texte zu dieser Festschrift verfasst haben, erfüllt mich mit besonderer Freude. Seit Jahrzehnten halten sie das Ortsgeschehen in unseren Gemeinden fest und leisten damit einen wichtigen ehrenamtlichen Beitrag zur Identitätsbildung und Erinnerungskultur. Ihre bezirksübergreifende Zusammenarbeit an diesem Projekt, ihre Leidenschaft und Ausdauer bei der Suche nach historischen Bildern und Überliefertem zeigt einmal mehr, wie wichtig sie und ihre Chroniken für unsere Gemeinden und unser Land sind. Für das Geleistete bedanke ich mich sehr herzlich und wünsche Ihnen auch für die Zukunft so viel Begeisterung und Freude bei Ihrer wertvollen Kulturarbeit.

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verwaltung sowie Öffentliche Bauten

ader über den Jaufen bestmöglich instand und befahrbar zu halten. Man kann sich vorstellen, dass dies ein logistischer und technischer Aufwand ist, der Mensch, Material und Geldbeutel fordert, den die Bedeutung der Straße aber allemal rechtfertigt. Genauso gerechtfertigt werden dadurch die außerordentlichen Maßnahmen, die die Landesregierung im Jubiläumsjahr für die Erhöhung der Sicherheit auf der Jaufenpassstraße beschlossen hat. Insofern ist der Hunderter dieser Passstraße in jedem Fall ein Grund zum Feiern: einmal, weil es ein runder, ein historischer Geburtstag ist, ein zweites Mal, weil es derjenige einer Lebensader ist, ohne die die Geschichte, ohne die die Entwicklung im Passeier und im Wipptal anders – und ganz sicher nicht besser – verlaufen wäre.

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Oswald Tschöll und Sebastian Helfer Bürgermeister der Gemeinden St. Leonhard in Passeier und Ratschings

Die Straße über den Jaufenpass verbindet das Passeiertal mit dem Wipptal bzw. die beiden Gemeinden St. Leonhard in Passeier und Ratschings. Als Bürgermeister dieser Gemeinden sind wir uns der Bedeutung dieser Verbindung für diese Region sehr wohl bewusst. Zahlreiche Initiativen und Entwicklungen wurden durch diese Verbindungsstraße im vergangenen Jahrhundert und auch schon vorher ermöglicht. Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung dieser Verbindungsstraße war immer schon enorm und dies hat sich herauf bis in die heutige Zeit überhaupt nicht verändert. Die kurvenreiche Panoramastraße zum 2.094 Meter hohen Jaufenpass, mit ihren 21 Kehren und einer Länge von 39 km, ist nicht nur für viele Touristen ein gern besuchtes Ausflugsziel, sondern ermöglicht auch den Bürgern dieser Region außerhalb des Gemeindegebietes Arbeit zu finden und wirtschaftliche Tätigkeiten auszuführen. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Verbindung erhielt der Jaufenpass die heute bestehende Straße sicherlich erst relativ spät; für den Passverkehr wurde aber schon vor dem Bau der neuen Straße im Jahr 1912 der zur Römerzeit angelegte, sehr

steile Saumweg genutzt. Dieser teilweise gepflasterte Weg konnte auch schon mit zweirädrigen Karren befahren werden. Als Bürgermeister der Gemeinden St. Leonhard in Passeier und Ratschings wünschen wir uns, dass die Straße über den Jaufenpass weiterhin viel Zuspruch und Aufmerksamkeit von vielen Besuchern und auch von der einheimischen Bevölkerung erfährt und weiterhin die Entwicklung des Passeiertales und des südlichen Wipptales prägt.


Eröffnung der Jaufenstraße am 15. Juni 1912 Einige Passagen aus dem Bericht der Meraner Zeitung vom 19. Juni 1912

Einstimmig war das Urteil Aller, welche als offiziell oder auch nicht offiziell eingeladenen Teilnehmer die Eröffnungsfahrt am letzten Samstag über den Jaufen mitgemacht hatten, daß man kaum irgendwo anders auf so kurze Distanz von 38 km in gemäßigter Autofahrt von kaum 2 ein Viertel Stunden eine solche Fülle von landschaftlichen Reizen zu schauen bekommt, wie hier. Rasch wechseln weite Ausblicke hinab und hinaus in wies- und weidereiche Täler und leiten mannigfache Straßenwindungen in herrlichen schweigsamen Wäldern, in denen kein Lufthauch eine Nadel erzittern läßt, hinauf zu ausgedehnten Alpenrosenmatten und Hochgebirgsregionen mit kahlgrauem Gestein und Schneefeldern, entzückende Ausluge auf Eisriesen in naher und ferner Umgebung gewährend. Doch nun zurück zum Jaufenhause. Die Gedenksäule aus Ratschingser Marmor, mit einem vergoldeten Band in der oberen Hälfte umgürtet, trägt in vergoldeten Buchstaben die Inschrift: „Zur Erinnerung an die Eröffnung der Jaufenstraße, erbaut unter der glorreichen Regierung Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I. in den Jahren 1905–11. Statthalter Exzellenz Markus Freiherr

Die vergoldeten Lettern wurden in der Zeit des Faschismus entfernt.

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Eröffnung der Jaufenstraße am 15. Juni 1912

von Spiegelfeld. Oberbauleitung: Hofrat Philipp Krapf; Bauleiter: Oberingenieur Alois Staff. 15.VI.1912“ Die Spitzen der Behörden zogen sich auf die Anhöhe zur Kapelle zurück, Dekan Pirhofer aus Meran im Ornate, Statthalter Frhr. v. Spiegelfeld und Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Schorn traten vor. Dekan Pirhofer vollzog die Einsegnung der Straße, worauf das Meraner Nationalquintett mit dem Liede „Der Tag des Herrn“ stimmungsvoll zu den Ansprachen überleitete. Wie weit trug der frische Wind die melodienreichen Stimmen, bis sie an den schroffen Wänden ein leises Echo fanden. Der Statthalter v. Spiegelfeld gab eine kurze Übersicht der Baudaten, begründete die starke Über-

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Das Jaufenhaus, 1912

schreitung des mit 1.108.000 Kronen im Straßenbauprograrnme 1897 angesetzten Voranschlages – die 38 km lange Strecke Sterzing–Jaufenpass – St.Leonhard kostet nun tatsächlich 3.250.000 Kronen, zu denen der Staat 55, das Land 35 und die Interessenten 10 % beigetragen haben. „Nun ist dieses gewaltige Meisterwerk“, schließt der Statthalter, „zu Ende geführt, ein neuer wichtiger Verkehrsweg des Landes Tirol ist geschaffen worden, den Süden und den Norden neuerlich auf das engste verbindend.

Möge er zum Wohle aller beteiligten Gegenden gereichen. Ich erkläre sohin die Straße als eröffnet.“

Schwazerhauser (Edellehen) zwischen Gasteig und Kalch, 1912


Geschichte der Jaufenstraße Von Günther Ennemoser

Die alte Jaufenstraße Passstraßen sind seit uralten Zeiten Verbindungswege in den Alpen. Sie führten und führen als Gangsteige, Saumpfade, Plattenwege und Straßen die Siedler und Bewohner hüben und drüben der

Jaufenpassstraße, mit Blick zum Jaufenhaus, ca. 1930

Geschichte der Jaufenstraße

Pässe und Bergsättel zusammen und erweiterten deren Lebensblick. Ein solcher Gangsteig und Saumweg führte schon in vorchristlicher Zeit über den Jaufen, der das Burggrafenamt und Passeiertal mit Sterzing, dem Wipptal und Innsbruck verband. Bronzezeitliche Funde künden davon. Mehr wissen wir aus der Römerzeit. Die Sprachwissenschaftler leiten den Namen Jaufen vom lateinischen Wortbegriff „jugum“ (rätoromanisch jouf), das heißt Joch, Bergübergang, ab. Von einer anderen Erklärung „mons jovis“ (Berg Jupiter) halten sie nichts, obwohl der italienische Name „Passo Giovo“ sich von Giove (Jupiter) ableitet. Die Römer, bekannt als tüchtige Straßenbaumeister ihrer Zeit, legten schmale Wege an. Zur Römerzeit angelegte Plattenwege deuten auf beiden Seiten des Jaufens darauf hin. Einige Spuren davon sind heute noch erhalten. Die in der Völkerwanderung eingewanderten Bajuwaren übernahmen von den Römern den Bergnamen „jugum“ oder „jouf“, und so finden wir in den ältesten urkundlichen Erwähnungen den Namen „Juven“ oder „Jufen“. In einer Privilegschrift von Papst Urban sind um 1186 Güter des Klosters Au bei

Bozen „apud jufen Passir“ angeführt. Im 13. und 14. Jahrhundert wandelte sich der u-Laut zu au, und so wurde aus „Jufen“ Jaufen, und der Name ist bis heute geblieben. Einen regelmäßigen Waren- und Personenverkehr über den Jaufen bestätigt uns in der Folge die Zollstätte an der Stange („apud Stangam“) seit dem Jahre 1241. Später finden wir auch einen Zoll in der Vill bei Sterzing. Für Passeier entdecken wir in Urkunden um 1254 und 1263 einen Zoll in Passeier, dessen Einnahmen den Grafen von Schloss Tirol zugekommen sind.

Stange mit Blick in Richtung Mareit, um 1930

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Wo nun der alte Jaufenweg verlief, beschrieben neben Geschichtsforschern wie Otto Stolz auch die Wipptaler Heimatkundler Konrad Fischnaler aus Sterzing und Eduard Baron von Sternbach aus Mareit. Der genaue Wegverlauf liegt allerdings immer noch im Dunkeln. Auf alle Fälle spricht man von vier Varianten des alten Jaufenweges, was dessen Nordseite betrifft.

Jahren einem Dienstmannengeschlecht der Grafen von Tirol, im 13. und 14. Jahrhundert „Herren von Passeier“ genannt. Im 15. Jahrhundert ging die heutige Schlossruine an das Rittergeschlecht der Fuchs von Fuchsberg über und bekam den Namen „Jaufenburg“. Ab Walten führte der Weg hinauf nach Leiteben und weiter zur Passhöhe am Rinnersattel (2.031 m), vorbei an der Stelle, die heute noch Römerkehre genannt wird, während der heutige Passübergang weiter nordöstlich auf 2.096 m.ü.d.M. liegt.

Jaufenburg, 1912

Gasthof Leiteben, 1.824 m.ü.d.M.

Gasthaus beim Kalcher Wirt, um 1900

Der Jaufenweg war den Bewohnern des Passeiertales immer schon ein großes Anliegen, und so wollen wir von der Südseite des Passes her versuchen, den Urpfad und Saumschlag nachzuzeichnen. Ab St. Leonhard führten vermutlich zwei Wege bis nach Walten. Ersterer stieg steil beim heutigen Gasthof Theis an, den Schlossweg entlang, zweigte unterhalb der Jaufenburg ab, den heutigen Römerweg hinauf über Unteregg und Aicha nach Walten, während allem Anschein nach ein anderer Weg auf der anderen Talseite über Karlegg nach Walten führte. Genaue Beweisführungen des alten Jaufenweges fehlen. Als Sicherungsburg gehörte die Jaufenburg in jenen

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Ein anderer Steg führte nach Kalch und von dort über Reifeneck nach Stange. Dieser galt als die kürzeste, steilste und auch beschwerlichste Verbindung hinunter ins Tal. Sinn der ehemaligen Burg Reifeneck in diesem dünn besiedelten Hochtal war die Sicherung des Jaufenweges von Norden her, wie es die Jaufenburg auf der Südseite des Passes tat. Reifeneck stand im Besitze des Grafen Albert von Tirol, der es im Jahr 1243 von Bischof Egno von Brixen bekommen und auf dem Lehenswege dem Dienstmannsgeschlecht der Trautson weiterverliehen hatte. Noch bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts verlief der alte Jaufenweg auf dem unteren Teil von Kalch bis zum Weiler Jaufensteg, wo er über den Ratschinger Bach setzte und am orographisch linken Ufer des Wasserlaufes über den Weiler Pardaun bis nach Stange talauswärts führte. Hier gibt es noch Reste einer gemauerten Gasse. Es handelt sich bei diesem Hangweg auch um den alten Kirch- und Schulweg der Bewohner von Kalch. Über Pardaun ging eine Abzweigung nach Mareit, der wichtigsten Station nach St. Leonhard i. P. auf der Passverbindung. Von Mareit zog der Urweg anschließend am nordseitigen Talhang über die Sonnendörfer Telfes und Thuins nach Sterzing, um vor der Fuggerstadt zu enden. Im späten 14. Jahrhundert gab es einen weiteren Saumweg vom Weiler Kalch über die Gschwenthöfe (Unter- und Obergschwendt) nach Gasteig. Viele Samer, Geher und Kraxentrager bevorzugten Burg Reifeneck

Geschichte der Jaufenstraße

noch viele Jahre die Route über das Ratschingstal nach Mareit, Telfes und Thuins, da die Talsohle von Gasteig bis Sterzing sumpfig und öfters vom Mareiter Bach überschwemmt war.

Der Weg über den Jaufen war auch für die von Norden nach Süden ziehenden Pilger wichtig. So entstand ein Hospiz des Deutschen Ritterordens in Sterzing und St. Leonhard. Dass der Weg über den Jaufen bei schlechter Witterung und Kälte gefährlich war, erzählt folgende Begebenheit: Am 8. Februar 1342 zog Kaiser Ludwig der Bayer mit prächtigem Gefolge zur Hochzeit seines Sohnes Ludwig von Brandenburg mit Margarethe Maultasch (welche sich zum zweiten Mal vermählte) über den Jaufen, wobei der Bischof von Freising am Jaufen vom Pferd zu Tode stürzte. Bild oben: Beim Nusserhof mit Blick zu den Stubaier Gletschern

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Der alte Jaufenweg wird ausgebaut und verbessert Unwetter, Sturzbäche, Steinschlag und Murabgänge zerstörten immer wieder Landes- und Talstraßen sowie deren Brücken. Sie mussten neu instand gesetzt und gefestigt werden. Zu diesem Zwecke verlieh der Landesfürst privaten Wegmachern und Gemeinden das Recht, Wege auszubauen, sie gebrauchsfähig zu halten oder neu anzulegen. Dies geschah auch im Passeiertal und auf dem Jaufenweg. Der Jaufenweg wurde aber bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nie zu einer richtigen Fahrstraße ausgebaut, sondern als guter Saumweg erhalten und, wenn nötig, wieder hergestellt. So blieb er Samern, Fußgängern und Kraxentragern vorbehalten. Unzählige Bauern, Ritter, Adelige, Kaufleute, Wallfahrer und Soldaten überquerten den Pass zu Fuß oder zu Pferd, um rascher nach Innsbruck oder von dort nach Meran zu kommen. Vor allem die Passeirer Samer brachten mit ihren Saumpferden Fracht über den Jaufen und zurück. So entstand ein richtiges Gewerbe. Im 17. Jahrhundert soll es im Tale rund 20 Samer mit bis zu 300 Pferden gegeben haben. Sie lieferten vom Süden kommend Wein in schmalen, länglichen Fässern, Lageln genannt, die auch zum Transport von Früchten geeignet waren. Dann transportierten sie Weinbeeren, Feigen, Mandeln, Safran, Öl, Zucker, Lorbeer, Baumwolle und Seidentücher über den Jaufen. Von Norden kommend, trugen die Pferde Salz, Getreide, Flachs, Hülsenfrüchte, Leinen, Leder, Pelze, aber auch Glas und Geschirr ins Burggrafenamt.

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Auch Kraxentrager, alles kräftige Leute, sah man mit ihren Lasten über die weite Jaufenstrecke ziehen. Die Gehzeit von Meran durch das Passeier über den Jaufen nach Sterzing betrug für Träger und Saumtiere rund zehn bis elf Stunden; sie war um 13 Stunden kürzer als jene von Meran über Bozen und Brixen in die Fuggerstadt. Für die Pferde war der steile Jaufenweg in manchen Streckenabschnitten oft beschwerlich, so dass sie geringer belastet werden mussten.

All dies zeigt, wie wichtig der Jaufenweg und die Verbindung über den Pass für den Warenaustausch geworden waren. Deshalb ließ die landesfürstliche Regierung den Jaufenweg gründlich verbessern. Der Landesfürst verlieh aus diesem Grunde den Wegbau an geeignete Personen in Eigenregie, die von den Benützern der Wege auch Abgaben einfordern durften. In der Hauptsache lag die Einhaltung des Jaufenweges über Jahrhunderte in den Händen des landesfürstlichen Zollamtes

Maultiere spielten als Lasttiere eine bedeutende Rolle, vor allem in geografisch und klimatisch schwierigeren Gebieten.


Passeier. Dies galt auch für den Jaufenweg auf der Nordseite des Passes. Neue Ideen, wie etwa den Bau einer Fahrstraße oder die Untertunnelung des Jaufenberges, fassten weitblickende Männer bereits in früheren Jahrhunderten ins Auge, doch diese Pläne wurden aus Kostengründen wieder verworfen. Eine Fahrstraße

über den Jaufenpass war dem 20. Jahrhundert vorbehalten. Während des Winters kennzeichneten Stangen den Wegverlauf im Schnee. Natürlich konnte an Unwettertagen, bei Schneefall, Schneetreiben und in den Monaten April und Mai der verschneite Weg von Samern nicht begangen werden, heißt

es in Berichten des Gerichts- und Zollamtes von Passeier, jedoch überquerten Kraxentrager und andere Personen das ganze Jahr hindurch, sommers wie winters, den Jaufenberg. Auch einen Postlauf gab es bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die den Postverkehr in Tirol innehabende Adelsfamilie der Thurn und Taxis beschloss 1747, zweimal in der Woche einen Postverkehr über den Jaufen vorerst versuchsweise einzuführen. Der Postdienst funktionierte überraschend gut, dennoch wurde er nur vier Jahre lang aufrecht erhalten. Der Jaufenverkehr ging im späten Mittelalter stark zurück. Ursache war der Ausbau des 1307 angelegten Kuntersweges in der Eisackschlucht zu einer Fahrstraße zwischen Bozen und Klausen. Nun konnten die Waren ab 1485 auf dieser Straße viel billiger und schneller transportiert werden, und dies zum Schaden der Passeirer Samer und Kraxentrager, die starke Einbußen erlitten. Man wollte in diesen mageren Jahren den Saumweg über den Jaufen sogar auflassen.

Die Passeirer bekommen eine Fahrstraße Von Meran nach St. Leonhard in Passeier führte in all den Jahren alles eher als ein guter und sicherer Fahrweg. Die teilweise holprige Straße ließ die Fahrgäste erschaudern. Sie wurden ab und zu arg durchgebeutelt und hatten wahrlich keinen Spaß auf dieser Reise. Zudem verwüstete die Passer immer wieder den Fahrweg. Alle Versuche, die

Geschichte der Jaufenstraße

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Straße auszubauen, scheiterten. 1682 wollten zwei Passeirer Bauern, Zacharias Tanzer und Max Haller, für 1.500 Gulden eine gute Wagenstraße bauen. Die Nachbargemeinden zeigten nur geringes Entgegenkommen. Vier Jahre vergingen, bis die Straßenkommission zusammentrat. Doch dieses Projekt scheiterte wie auch die zwei folgenden. Es sollte bis zum Jahr 1839 dauern, bis ein neues Straßenprojekt in Auftrag gegeben wurde. Der Weg sollte breiter und flacher werden. 1840 war die neue Fahrstrecke Saltaus–St. Leonhard fertiggestellt. Die Baukosten beliefen sich auf 1.158 Gulden. Anders verlief der Straßenbau von Meran nach Saltaus. Hier ging es viel langsamer voran. Diese Säumigkeit führte zu Streit innerhalb der Passeirer Gemeinden. Nichts ging weiter. 1855 wurde ein neues Straßenprojekt für die Strecke zwischen Meran und Saltaus erstellt. Der Kostenvoranschlag belief sich auf 26.000 Gulden.

Doch wieder konnten sich die betroffenen Gemeinden nicht einigen. Es sollte noch drei Jahrzehnte dauern, bis die Passeirer Straße im Sommer 1895 Realität wurde. Mit den Bauarbeiten wurde an

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zwei Abschnitten begonnen. Auch mit der Strecke Saltaus auswärts kam man nun gut voran. 1899 konnte die vier Meter breite Talstraße bis St. Leonhard in Anwesenheit von Kaiser Franz Josef I. für den Verkehr freigegeben werden.


Die Jaufenstraße wird Wirklichkeit

Schon lange hatten aufgeschlossene Männer in Meran und Sterzing auf den Bau einer echten Verbindungsstraße zwischen dem Burggrafenamt über den Jaufenpass in das Wipptal gedrängt. Wenn auch der Staat 55 Prozent und das Land Tirol 35 Prozent der Bauspesen übernehmen wollten, so war die Restfinanzierung für die betroffenen Gemeinden immer noch zu hoch. Sie wehrten sich gegen diese hohe Beteiligung, die allein für die Gemeinde St. Martin in Passeier 5.544 Kronen ausgemacht hätte.

Geschichte der Jaufenstraße

Den Behörden gelang es dennoch, endlich die zaudernden Passeirer zu beschwichtigen und im Hinblick auf den kommenden Fremdenverkehr zu überzeugen, einen Teil der finanziellen Belastung für den Bau der Passstraße zu übernehmen. Zudem drängte die k. k. Heeresleitung auf den Bau von besseren Straßen in den Tälern und über die Pässe Tirols. So wurde nun einer neuen Jaufenstraße von St. Leonhard nach Sterzing besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 1903 begannen die Trassierungsarbeiten und 1905 erfolgte der Baubeginn der Höhenstraße an mehreren Stellen. Die Oberbauleitung hatten der spätere österreichische Minister für öffentliche Arbeiten, Hofrat Stefan August Ritt (Wien), und Hofrat Philipp Krapf, Vorstand der Bauabteilung der k. k. Statthalterei Innsbruck, inne. Die Pläne entwarf Oberingenieur Alois Staff mit den zugeteilten Ingenieuren Ernst Mäser und Alois Baller. Eine böhmische

Firma mit Namen Renz übernahm die Bauarbeiten. Sie sollte diese nach den Erzählungen des Passeirer Straßenmeisters Alois Righi in 30 Monaten fertigstellen. Schnelligkeit war angesagt. Auf der Höhe konnte man wegen des Schnees mit einer Bauzeit von höchstens drei Monaten rechnen. Kälte und schlechtes Wetter beeinträchtigten auch sonst den Baufortschritt. Deshalb konnten die eingegangenen Verpflichtungen in keiner Weise eingehalten werden. Alois Righi wusste weiter zu berichten, dass die Baugesellschaft später die Arbeiten in Eigenregie übernommen habe und er die Arbeiter einteilen und führen musste. Die Arbeiter wurden in einem Straßenwärterhaus nahe dem Jaufenhaus ausbezahlt. Ein Facharbeiter (Maurer) bekam fünf Kronen als Tageslohn. Klaglos schritten die Arbeiten voran. Berichte aus den „Innsbrucker Nachrichten“ (13.1.1907) und dem „Boten für Tirol und Vorarlberg“ ( 3.4.1907 ) geben den Fortgang der Arbeiten im Jahr 1907 wieder. „Innsbrucker Nachrichten“: „Jaufenstraßenbau schreitet voran. Gegenwärtig (Mitte Jänner) arbeiten immer noch 80 Arbeiter an der Jaufenstraße. An der sonnigen Berglehne oberhalb von St. Leonhard war das Wetter während des ganzen Winters

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günstig. Die Vollendung der Straße ist bis Ende 1908 zu erhoffen. Jenseits des Passes wurden die Arbeiten zur Winterszeit eingestellt ...“ „Bote für Tirol und Vorarlberg“: „Mit Beginn des Frühjahrs schritt der Bau in verschärftem Tempo voran. 200 Arbeiter, welche sich bald verdoppeln, beziehungsweise verdreifachen werden, sind gegenwärtig beschäftigt. Die Straße hat eine wundervolle Trasse mit prachtvollen Aussichts-

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punkten und wird wohl touristisch einen großen Verkehr nach St. Leonhard bringen. Auch der Bau ist sehenswert, da sehr solide gearbeitet wird und riesige Stützmauern aufgeführt werden müssen“. Die Straßenbauarbeiten wurden jedoch nicht, wie mit der Baufirma Renz vereinbart, 1908 fertiggestellt, sondern im Oktober 1911. Der Kostenvoranschlag reichte wegen verschiedener Bauschwie-

rigkeiten (brüchiges Gestein, viele Wasserläufe, hohe Löhne etc.) nicht aus. Die effektiven Kosten lagen bei rund 3.250.000 Kronen. Die Länge der neuen, fünf Meter breiten Passstraße betrug von St. Leonhard nach Sterzing 38 km. Bis Meran kamen noch 21 km dazu, also waren es insgesamt 59 km. Die Steigung der Straße betrug rund sieben bis acht Prozent.


Die Kehren wurden von Gasteig beginnend aufsteigend nummeriert, auf der Passeirer Seite zusätzlich durch Namen definiert: XI - Römerkehre XII - Kehre Leiteben XIII - Wurzer-Kehre XIV - Kehre Gantergieße XV - Trattner-Kehre XVI - Tscharf-Kehre XVII - Glaitner-Kehre XVIII - Loamer-Kehre XIX - Kehre Fallenbach XX - Unteregger-Kehre XXI - Graßl-Kehre

Das Längenprofil der Jaufenstraße, August 1911, rekognosziert durch Oberleutnant Josef Edler von Lulic, k. k. Pionierbataillon Nr. 2, Generalstab Tirol

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21 Kehren waren notwendig, elf auf der Südseite (Graßl-Kehre, Unteregger-Kehre, Kehre Fallenbach, Loamer-Kehre, Glaitner-Kehre, Tscharf-Kehre, Trattner-Kehre, Kehre Gantergieße, Wurzer-Kehre, Kehre Leiteben und Römerkehre) und zehn auf der Nordseite (sie tragen alle römische Ziffern; Kehre IX wird auch die Russenkehre und Kehre X die Jaufentalkehre genannt). Am 15. Juni 1912 wurde die neue Jaufenstraße nahe des Sterzinger Jaufenhauses in Anwesenheit höchster Behördenvertreter des Landes Tirol, darunter Statthalter Baron von Spiegelfeld, Beirat Dr. Schorn, Reichtagsabgeordneter Kofler, die Bezirkshauptmänner Niederwieser (Brixen) und Galli (Meran), die Bürgermeister Weinberger (Meran), von Guggenberg (Brixen), Domanig (Sterzing) und August Gröbner (Gossensaß), ihrer Bestimmung übergeben. Dekan Pirhofer von Meran segnete die neue Straße. Bei herrlichem Wetter spielten Musikkapellen, ertönten Salven der Passeirer Schützen und sechs „Goaßlschnöller“ ließen ihre Peitschen „schnalzen“. Alois Righi zählte rund 100 Autos mit Gummireifen. Vor der Einweihung im Jahr 1912 wagte sich am 23. Oktober 1911 ein erstes Auto über den Jaufenpass. 1913 waren es schon 941 Autos. Am 14. Juni 1913 fand in Anwesenheit von Behördenvertretern die Eröffnung des täglichen Postautoverkehrs Meran –Jaufenpass–Sterzing statt. Diese Postautos waren Tag für Tag so überfüllt, dass nicht selten ein zweiter Wagen fahren musste. Diese Linienbusse verfügten über je 13 Sitze. Den Hauptteil des Jaufenverkehrs in den ersten beiden Jahren

bildeten jedoch noch Kutscher und Fuhrwerke. 1913 zählte man beim Zoll in Saltaus noch 3.220 zweispännige Stadtwagenkutschen, 806 Einspänner und 2.100 Fuhrwerkgespanne in beide Richtungen über den Jaufen.

Oben: Postauto-Eröffnungsfahrt Jaufenpass-Meran, Start beim Parkhotel in Sterzing, 1913 Rechts: Rast am Jaufenhaus, 1934

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Einmal gebaut, da rauschte es im Blätterwald begeistert über die Schönheit der Jaufenstraße und ihren sportlichen Reiz. Zeitungen und Werbebroschüren beschrieben sie als eine der schönsten Hochalpenstraßen, als eine Kunststraße mitten über die Berge. Nach dem Bau und der Eröffnung der Jaufenstraße regte sich in den Dörfern des Passeierund Wipptales erstmals der Fremdenverkehr, die Wirtschaft blühte. In den Wintermonaten gab es be-

sonders auf der Nordseite des Passes ein neues lustiges Treiben. Rodel- und Bobsportler fanden sich ein, um ihren geliebten Sport zu betreiben, während die weiten Flächen am Pass in der Nähe des Schutzhauses gute Möglichkeiten zum Skifahren boten. Dies nicht immer zur Freude der Bauern. Die Bauernbriefe in der „Tiroler Bauern-Zeitung“ künden das Unbehagen der Bergbauern und

Landwirte. Die Bauern auf der Passeirer Seite beklagten das lange Warten auf den Restbetrag der Grundeinlösungssumme, den sie um den 11. August 1913 noch immer nicht ausbezahlt bekommen hatten. Vier Jahre warteten sie nun schon auf den vollen Betrag. „Wie so oft wurde uns schon ‚oben‘ gesagt, es sei alles im Gange, das Geld bei der k. k. Statthalterei angelangt und komme demnächst zur Auszahlung, aber nichts geschah“ (Tiroler Bauernzeitung: St. Leonhard i. Pass, 11. August 1913).

Straße überhaupt frei zu bleiben. Die Fußgänger werden aufmerksam gemacht, dass sie für ihre Sicherheit selbst Sorge zu tragen haben, da eine Verantwortung nicht übernommen wird. Die übrige Zeit müsse die Bahn für die Rodelfahrer frei bleiben. Auf der zweiten Tafel wird kundgemacht, dass der Viehtrieb verboten ist. Ich frage nun: Was haben die Bewohner dieser Gegend eigentlich von der Jaufenstraße? Im Winter wird dieselbe zugunsten der Bobsleighfahrer teilweise abgesperrt und in der übrigen Zeit von den Rodlern unsicher gemacht.

Oder: „Wer hat nun den Hauptnutzen an den Straßenbauten? Nehmen wir einmal die Jaufenstraße. Vor dem Gasthaus Heidegger an der Jaufenstraß in Gasteig stehen zwei Tafeln. An der einen Tafel steht die Fahrzeit für die Bobsleighfahrer (eine Art Rodelsport), von halb 11 bis halb 12 Uhr vormittags und von halb 4 bis halb 5 Uhr nachmittags. In dieser Zeit hat die

In der übrigen Jahreszeit treiben die Automobile auf dieser Straße ihr Unwesen, sodass die Menschen und das Vieh ihres Lebens nicht sicher sind. Bei den Holzfuhren auf dieser Straße im Winter ist das Bremsen verboten, die Schlitten der Bobsleighfahrer ruinieren die Straße aber mehr als so ein Holzschlitten. Das macht aber nichts, da es sich hier um eine Unterhaltung, um einen Sport der Städter handelt“ (Bauernbriefe Jaufental-Gasteig, 2. Februar 1913).

Zweites Bild v.l.: Johann Klotz (am Steuer), langjähriger Bürgermeister von Ratschings

Geschichte der Jaufenstraße

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Diese guten, aber auch umstrittenen Zeiten wurden leider durch den Ersten Weltkrieg (1914–1918) wieder zunichte gemacht. Die Jaufenstraße wurde in dieser Zeit wenig befahren. Am 26. August 1914 stellte die Postverwaltung auch den Busverkehr über den Jaufen ein. Nach dem ersten großen Völkerringen kam Südtirol zu Italien. In unserem Lande wurde alles anders. Ab 1. Juli 1920 und im Sommer 1921 übernahmen Busse einer Trenti-

ner Gesellschaft den Postautoverkehr über den Jaufen, auch das Privatbusunternehmen Johann Kofler besorgte diesen Dienst. Ab 1931 sah man die roten Busse der SAD und die gelben Autocars des Landesverkehrsamtes Innsbruck über den Jaufen fahren. Nach einer kurzen Erholung in der Zwischenkriegszeit ging die Bedeutung der Jaufenstraße, besonders in den Jahren des Zweiten Weltkrieges (1939–1945), wieder stark zurück.

Die Wartung der Passstraße ließ in jenen Zeiten sehr zu wünschen übrig. Nach dem Zweiten Weltkrieg besserte sich dieser Zustand. Die Jaufenpassstraße begann für den nun einsetzenden Massentourismus interessant zu werden. Die Entwicklung der Automobilindustrie (die Käferjahre, VW) tat das Ihre dazu. Die Staatsstraßenverwaltung ANAS ließ die 21 Kehren ausbauen und die noch bestehenden

Autokolonne in den 50er Jahren

Jaufenstraße vom Jaufenpass in Richtung „Römerkehre“, um 1935

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Landes sowie andere Persönlichkeiten zur Einweihung der Gedenksäule auf den Jaufen brachten. Er erzählte von den ersten Bob-, Ski- und Rodelrennen und von den gut besuchten Skikursen am Jaufen. Abschließend wünschte er den neuen Pächtern, Stötter und Seebacher, viel Glück bei der Führung des Jaufenhauses. Mit Heimatliedern, bei Perlagger- und Wattkarten nahm der Tag ein fröhliches Ende.

Das Jaufenhaus, um 1932

Kurztunnels abbrechen; 1974 ließ sie im Vermaltal zwischen Aicher und Walten eine Straßenüberdachung errichten. Am 16. Juni 1952 trafen sich Freunde der Jaufenstraße beim Jaufenhaus, um „40 Jahre Jaufenstraße“ zu feiern. Der Seelsorger von Mareit las im Kirchlein Mariä Heimsuchung nahe dem Jaufenhaus eine hl. Messe und hielt anschließend eine kurze Ansprache vor dem aus Ratschinger Marmor geschlagenen Gedenkstein, der dereinst

Geschichte der Jaufenstraße

in goldenen Lettern die Namen der Erbauer der Straße trug. Leider sind diese der 1924 einsetzenden Aufschriftenjagd der Faschisten zum Opfer gefallen. Die Musikkapelle Wiesen spielte flotte Weisen und Karl Riedmann aus Sterzing hielt die Festrede. Er erinnerte in seiner Ansprache an den ersten Spatenstich am Beginn der Straßenbauarbeiten, an die ersten mit Tannengrün geschmückten Automobile, die am 15. Juni 1912 Vertreter der Regierung und der Behörden des

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Um 1954 erhielt die Passstraße auf der Nordseite eine Asphaltdecke. 1957 wurde die Passeirer Seite asphaltiert, so dass diese Arbeiten bis Ende der 1950er Jahre vollendet werden konnten. Im September 1962 erfolgte am Jaufen das 50. Jubiläumsfest der Jaufenstraße. Das Fest begann wieder am Vormittag mit einer hl. Messe in der Jaufenkapelle. Die Festlichkeiten fanden im Jaufenhaus statt, wo der damals 85-jährige Altstraßenbaumeister Alois Righi aus St. Leonhard, der noch bei der Eröffnung der herrlichen Alpinstraße im Frühsommer 1912 dabei sein durfte, von den Bauarbeiten erzählte. Die Musikkapelle Ratschings begleitete mit ihrem flotten Spiel den frohen Tag und der Pächter Rudolf Stötter lud die Honoratioren zu einem Mittagessen ein.

Römerkehre, 1973

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Am Jaufenpass, um 1960


Unter der Verwaltung des Landes sind Instandhaltungsund Sicherungsarbeiten dem Landesstraßenbezirk „EisackWipptal“ unterstellt.

Eine bedeutende Wende in der Wartung der Jaufenstraße trat nach dem Inkrafttreten des zweiten Südtiroler Autonomiestatutes ein. In dessen Umsetzung ging auch die Jaufenstraße am 1. Juli 1998 in die Verwaltung des Landes Südtirol über. Die Jaufenstraße Süd wurde nun dem Bereich Landesstraßen „Burggrafenamt“, der nördliche Teil dem Landesstraßenbezirk „Eisack- Wipptal“ zugeordnet. Ab nun wurden verstärkt Verbreiterungen an Teilstücken sowie Ausbesserungsarbeiten an der Passstraße vorgenommen, Leitplanken ausgetauscht und neu gesetzt, Unterbausanierungen durchgeführt und die Asphaltdecke, besonders im oberen Bereich, immer wieder erneuert. Dem Straßendienst gelang es in den letzten Jahren, den Passübergang mit kurzen Unterbrechungen offen zu halten, ein Ansinnen, das man mit wei-

Geschichte der Jaufenstraße

teren Schneesicherungsarbeiten das ganze Jahr hindurch möglich machen möchte. Im Oktober 2011 sicherte Bautenlandesrat Florian Mussner Vertretern der Gemeinden St. Leonhard und Ratschings zu, bis 2015 die Lawinen- und Steinschlagschutzbauten zu verbessern und im Bereich des Lawinenhanges „Pircher Mader“ eine Galerie zu bauen.

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Der Jaufenpass - Ein Schauplatz der Geschichte Von Heinrich Hofer

In einer Festschrift zur Jaufenstraße sollten wir auch jener Männer und Frauen gedenken, die im Lauf der Jahrhunderte den Weg über den Jaufen gefunden haben und die für Tirol sowie das Passeier- und das Wipptal Bedeutung erlangt haben. Autoren wie Arbeo von Mais, Beda Weber, Joseph Ennemoser, Karl Paulin, Rudolf Trenkwalder, Karl Gruber, Alfred Toth u. a. haben von diesen Persönlichkeiten berichtet. Tausende von Bauern, Händlern, Soldaten, Kaufleuten und Pilgern haben den Saumpfad über den Jaufen begangen. Wir denken nur an die legendären Jahrmärkte von Meran, die von weit her Mensch und Vieh angezogen haben. Keine Namen kennen wir von den tausenden Pilgern, die nicht nur den Marienwallfahrtsort Trens aufsuchten, sondern auch den Jakobsweg von Innsbruck über Thuins zum Jaufen und von dort nach Meran und St. Jakob/Grissian über den Gampenpass nach Santiago de Compostela gingen. Die Ruhe der Maultiertreiber auf dem Jaufenberge in Tyrol

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Stellvertretend für alle bekannten Persönlichkeiten seien einige Jaufenreisende erwähnt: Der hl. Korbinian

Das heutige Pfarrhaus von St. Leonhard in Passeier war ursprünglich ein Hospiz für die Jaufenwanderer.

Der hl. Korbinian, dessen Leben wir aus der Biographie seines Nachfolgers auf dem Bischofsstuhl von Freising, Arbeo von Mais, sehr gut kennen, wird zwar als Pilger über den Jaufenpass nie namentlich erwähnt, wohl aber ist in den Schriften festgehalten, dass seine Reliquien von seiner Ruhestätte in der Schlosskapelle der Zenoburg/ Meran über den Jaufenpass in das Hochstift Freising gebracht wurde. Wer war der hl. Korbinian? Der bei Melun südlich von Paris um 670 n. Chr. ge-

Ein Schauplatz der Geschichte

borene fränkische Adelige wurde in Rom von Papst Gregor II. zum Priester geweiht und als Missionsbischof in seine Heimat gesandt. Auf einer weiteren Romreise kam Korbinian nach Mais, Das Bärenwunder: der Vorgängerstadt Der hl. Korbinian von von Meran, wo er Freising auf dem Weg auf der Zenoburg nach Rom im Jahr 710 das Grab seines verehrten hl. Valentin aufsuchte. Bei dieser Gelegenheit entdeckte der für einsiedlerische Züge bekannte Kirchenmann die Ortschaft Kuens, wo er sich bei der heutigen Pfarrkirche eine Einsiedelei errichtete. Der Bayernherzog Grimoald berief Korbinian zwar als ersten Bischof nach Freising, schenkte aber dem Hochstift Freising die Weidegründe von Ulfas im Hinterpasseier. Es ist nicht überliefert, welchen Weg über die Alpen Korbinian gewählt hat, jedoch wissen wir, dass die Reliquien des Heiligen nach seinem Tod in die Krypta der Zenokapelle gelegt worden und vom Nachfolgerbischof Arbeo von Mais um das Jahr 770 über den Jaufenpass ins bischöfliche Hochstift nach Freising gebracht worden sind. Somit ist der hl. Korbinian der erste, der von der Geschichtsschreibung als Reisender über den Jaufenpass – allerdings als Reliquie – erwähnt wird.

Kaiser Ludwig IV. „der Bayer“ Als nächster Jaufenreisender scheint in den Annalen der Wittelsbacher Fürst Ludwig (1287–1347) auf, der im Jahr 1314 von den deutschen Kurfürsten zum römisch-deutschen Kaiser gewählt worden ist und nach seiner Kaiserkrönung 1328 in Rom auf dem Heimweg das Kloster Ettal im Ammertal gegründet hat. Er war danach bestrebt, seine Hausmacht zu erweitern, und warf deshalb einen Blick auf Tirol, wo die Landesfürstin Margarethe im Jahr 1341 ihren ungeliebten Gatten Johann Heinrich von Luxemburg aus Schloss Tirol vertrieben hatte. Kaiser Ludwigs Sohn Ludwig, Markgraf von Brandenburg, wurde zur Heirat mit der nun freien Tiroler Gräfin Margarethe Maultasch bestimmt. Am 28. Jänner 1342 ließen sich Tiroler Adelige in München von Kaiser Ludwig und seinem Sohn, dem Markgrafen Ludwig, die alten Tiroler Rechte verbriefen, worauf einer Ehe zwischen dem Kaisersohn und der Gräfin von Tirol nichts mehr im Wege stand, außer die Wut des vertriebenen Böhmenkönigs Johann und der Zorn des Papstes Benedikt XII. in Avignon, der seinen Bannstrahl nach Tirol warf. Daher war es schwierig, einen Geistlichen zu finden, der bereit war, Margarethes nie vollzogene Ehe auf Schloss Tirol zu lösen und eine zweite Ehe zu segnen. Bischof Heinrich von Freising fand sich dazu bereit. Doch als der kaiserliche Zug 1342 über den Jaufen wanderte, stürzte das Pferd des Bischofs Heinrich und der Kirchenfürst erlitt dabei tödliche Verletzungen. Den kaiserlichen Zug begleiteten u. a. die beiden Söhne Ludwig und Stephan, Herzog Konrad von Teck,

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Paracelsus, Arzt und Naturforscher (1493–1541)

Hochgrab Kaiser Ludwigs IV. im Frauendom von München

die Bischöfe von Freising und Regensburg, die Grafen von Görz, Württemberg, Schwarzenberg, Katzenellenbogen, Kirchberg und Werdenberg. Die gescheiterte Ehe wurde von einem Ersatzpriester auf Schloss Tirol geschieden und die zweite Ehe gesegnet, doch das Volk hielt den Todessturz vom Jaufen für ein böses Omen, das sich bald in aller Härte einstellte: Es folgten Kriege, Erdbeben (1344) und schließlich die Pest (1348). Kaiser Ludwig IV. hat im Frauendom von München seine letzte Ruhestätte gefunden; an seinem prachtvollen Hochgrab erinnern wir uns gern an den ehemaligen Brautwerber und Jaufenreisenden.

Das in Einsiedeln geborenen Genie kam schon als Kind nach Villach und studierte in Ferrara Medizin. Er litt unter der Wirklichkeitsferne der damaligen vom Patienten abgehobenen Schulmedizin, der es vor allem um lateinische gelehrte Streitgespräche zu medizinischen Themen ging. Als Feldarzt an verschiedenen Kriegsfronten erlebte er die wahren Bedürfnisse kranker und leidender Menschen und deren Heilung, die damals den Badern überlassen worden war. Er durchreiste nahezu alle europäischen Länder. Von seinen Fachkollegen war er gefürchtet und gehasst, von tausenden von Patienten vergöttert. Seine geniale Veranlagung, sein akademisches Wissen und seine Erfahrung im Kriegsalltag ließen ihn zum großen Revolutionär der Medizin werden. Als Universitätsprofessor führte er die deutsche Sprache statt des bisherigen Latein bei den Vorlesungen ein. Seiner Zeit weit voraus, schrieb er zahlreiche theologische, philosophische und pharmazeutische Werke wie die „Große Wundarznei“, deren volle Bedeutung erst im 20. Jahrhundert erkannt wurde. Eine Ausnahme bildete der Arzt und Wissenschaftler Dr. Joseph Ennemoser aus Rabenstein (1787–1854), der in seiner „Geschichte der Magie“ den großen Meister aus Einsiedeln in seiner Genialität begriff und ihn

als eigentlichen Begründer des „tierischen Magnetismus“ würdigte. Paracelsus wurde von den Bürgern von Sterzing, wo die Pest wütete, um Hilfe gerufen. Im Sommer 1534 verließ er Sterzing und zog über den Jaufenpass nach Meran, wo er sein „Büchlein von der Pest“ schrieb, das der aus Sterzing stammende Humanist Michael Schütz posthum 1576 in Druck gab. Nach weiterer schriftstellerischer und ärztlicher Tätigkeit, vorwiegend in Österreich, berief ihn 1540 der Fürstbischof von Salzburg an seinen Hof, wo er 1541 starb.

Paracelsus (Theophrast von Hohenheim) in einem Gemälde von Quentin Massys

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Paracelsus-Denkmal in Einsiedeln


Erzherzog Johann (1782–1859), Andreas Hofer (1767–1810) und Joseph Ennemoser (1787–1854) Erzherzog Johann, Bruder des österreichischen Kaisers Franz und Freund Tirols, kam auf seinem Weg über den Jaufenpass erstmals in Kontakt mit dem Sandwirt Andreas Hofer und blieb ihm ein Leben lang gewogen. Man kann wohl sa-

gen, dass diese anfängliche Bekanntschaft und spätere Freundschaft der eigentliche Grund für den Aufstieg des Sandwirts zum Oberkommandanten der Tiroler Schützen sein könnte. Neben Andreas Hofer hat Erzherzog Johann noch einen Passeirer aus der Zeit der Freiheitskriege kennen und schätzen gelernt, nämlich Andreas Hofers Adjutant in den Kämpfen am Sterzinger Moos, Joseph Ennemoser aus Rabenstein. Dieser hat sich mit Andreas Hofer und den Passeirer Schützen über den Jaufen nach Kalch begeben, wo eine Marmortafel am Gasthof Jägerheim heute noch

Ein Schauplatz der Geschichte

an die Abhaltung des Kriegsrates erinnert: „In diesem Hause hielt Andreas Hofer am Vorabend des siegreichen Gefechtes zu Sterzing am 9. Mai 1809 Kriegsrath mit seinen Getreuen“. Erzherzog Johann blieb zeit seines Lebens mit Andreas Hofer und dem später berühmt gewordenen Dr. Joseph Ennemoser in freundschaftlicher Verbindung, was u. a. ein Brief von Erzherzog Johann an Ennemoser vom 16. Dezember 1849 beweist, in dem dieser als erster vom Rücktritt Johanns als deutscher Reichsverweser erfuhr. Johann erwarb auf Empfehlung des Meraner Bürgermeisters Josef Valentin Haller aus dem Schildhof Saltaus 1845 Schloss Schenna im Passeiertal und 1852 den nahen Thurnerhof.

Marmortafel beim Gasthof Jägerheim in Kalch

Erzherzogin Maria Louise von Österreich (1791–1847) Andreas Hofers Gegner, Kaiser Napoleon I. von Frankreich, litt unter dem Makel des Emporkömmlings – er stammte aus einer bürgerlichen Familie in Korsika. Er war danach bestrebt, seiner Familie hochadeliges Blut zuzuführen, und warb deshalb um die Hand der österreichischen Kaisertochter Maria Louise. Die Ehe wurde im Tiroler Schicksalsjahr 1810 eingegangen und Maria Louise zog nach Paris, wo sie Napoleon 1811 einen Sohn schenkte. Nach der Verbannung Napoleons aus Paris zog Maria Louise wieder nach Wien. Auf dem Wiener Kongress 1815 erhielt sie die Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla in Oberitalien zugesprochen. Napoleon starb 1821 in der Verbannung auf der Insel St. Helena, worauf die verwitwete Kaiserin ihren Obersthofmeister, den Grafen Neipperg, heiratete. Im Jahr 1823 reiste die Herzogin nach Wien und wählte dabei von Bozen aus den Weg durch das Passeiertal und über den Jaufenpass, wo sie am 31. Mai unter ungeheurem Jubel der herbeigeeilten Bevölkerung mit einem Tross von Dutzenden von Pferden und entsprechendem Hofstaat ankam. Die Partschinser

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Musikkapelle spielte beim Passeirer Jaufenhaus auf Leiteben passende Weisen vor und es wurde ein „Bewillkommungslied“ vorgetragen: Tirol hast du zur Reis erwählt, , Und auf des Jaufens Höh n Willst Du, von hohem Muth beseelt, , Die Kaiser-Tochter – steh n Dort klingt des Saumpferds Schelle nur, Sein Gipfel nährt kein Holz;Nun trägt er Deines Fußes Spur, Ha! Jaufen, sey nun stolz! In Gasteig empfing neben den Schützen die Stadtjugend und die Stadtmusikkapelle von Sterzing den hohen Gast, um ihn in einem wahren Triumphzug in die festlich geschmückte Stadt zu begleiten. In Parma, einer der schönsten Städte Norditaliens, erinnern neben vielen Bauten besonders das herrschaftliche Teatro Regio an die beliebte , Herzogin Maria Luigia d Austria.

Marmor-Gedenktafel am Kirchturm von St. Leonhard

Josef Horack Vergolder u. Fassmalerlehrling, Praefekt der mar. Kongregation der Lehrlinge u. Fähnrich des Arbeiter-Jugendheims in Innsbruck Gebor. Zu Hötting am 12. Febr. 1883. Eine anbetungswürdige Fügung Gottes entriss ihn am Jaufen, bei der Rückkehr von der Einweihung der Hofer-Herz Jesu Kapelle am Sand den 22. Sept. 1899 dem Kreise seiner Kameraden. Er ruhe im Frieden! Für Gott u. Fürst u. Vaterland War hoch sein Herz in Lieb entbrannt. Drum brach es Gottes Vaterhand Noch eh‘ daraus dies Feuer schwand. O Heiligstes Herz des Göttlichen Bundesherrn bewahre die vaterländische Jungmannschaft in der feierlich beschworenen Treue für welche das Grab des Fähnrichs hier ein ewiges Denkmal sei u. Unterpfand.

Josef Horack (1883–1899) An dieser Stelle muss auch ein Mann erwähnt werden, der bei der Feierlichkeit anlässlich der Einweihung der Herz-Jesu-Kapelle am Sand 1899 teilgenommen hat und der auf dem Rückweg nach Innsbruck am Jaufen tödlich verunglückt ist. Es handelt sich um den Innsbrucker Josef Horack, dem seine Freunde 1910 einen MarmorGedenkstein am Kirchturm von St. Leonhard setzen ließen, der folgenden Wortlaut trägt:

Gewidmet von seinen Kameraden. 15. August 1910

Zum 175. Gedenken an die Freiheitskriege Tirols von 1809 haben die Schützen von Walten des Schicksals des Fähnrichs Horack gedacht und an der Unglücksstelle bei der „Wurze“ ein würdiges Denkmal aus Bronze und Marmor errichten lassen. Gedenktafel in Bronze bei der „Wurze“

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Die Straßenmeister am Jaufen, Passeirer Seite Zur Passeirer Seite des Jaufenpasses gehört die Dynastie der Righi-Familie, die seit Jahrzehnten als Straßenmeister sich um diese einmalige Passstraße kümmert. Begonnen hat es mit Alois Righi, der aus Arco stammte und als gelernter Steinmetz in der k. k. Monarchie zuerst am Arlberg Arbeit erhielt und beim Bau der Jaufenstraße einem Arbeitstrupp von 60 Personen vorstand. Er diente noch als Kaiserjäger im Ersten Weltkrieg und wurde dann Straßenmeister unter der damaligen regionalen Straßenverwaltung „Genio Civile“, die später auf die neu gegründete staatliche Straßenverwaltung AASS und dann auf die ANAS überging.

Alois Righi (1878–1969)

Ein Schauplatz der Geschichte

Nach dem Ausscheiden von Alois Righi wurde sein Sohn Josef 1968 mit der Straßenmeisterei beauftragt, nachdem er bereits 1948 in Kalch als Straßenarbeiter eingesetzt worden war. Nach Angaben von Straßenmeister Karl Righi unterstand die Jaufenstraße ursprünglich bis St. Leonhard der Straßenverwaltung in Sterzing, dann bis Walten, bis endlich im Jahr 1985 die Passeirer Zuständigkeit bis zum Jaufenpass erweitert wurde. Josef Righi starb 1983 und es folgte sein Sohn Karl in der Führung der Straßenmeisterei, die er heute noch innehat und mit beispielhaftem Einsatz führt.

Josef Righi (1923–1983)

Karl Righi

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Der Jaufen als Touristenmagnet Von Josef Wilhelm

Die Straße über den Jaufen war für die wirtschaftliche Entwicklung des Passeiertales von größter Bedeutung. Ab 1913 gab es in den Sommermonaten eine Postautoverbindung und schon bald nach dem Ersten Weltkrieg errichtete die Trentiner Automobilgesellschaft STAT einen regelmäßigen sommerlichen Jaufenverkehr, allerdings unterbrochen durch die Wirtschaftskrise der 30er Jahre und durch die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges. Als zu Beginn der 60er Jahre der Tourismus florierte, wählten Busse und Autos die schöne Straße über den Pass und lernten so Land und Leute des Tales kennen. Gar manche blieben in den Gasthäusern und Gästezimmern und verbrachten hier ihren Urlaub. Anfang der 70er Jahre erlebte das Bauwesen einen Aufschwung. Gasthäuser wurden neu erbaut und jeder Familienvater, der ein Haus erbaute, hat mit Gästezimmern das Haus mitfinanziert. Kinder standen am Straßenrand und verkauften den Touristen Blumen oder winkten Busreisenden zu, damit diese ihnen Zuckerler herauswarfen.

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Auch die Stadt Meran hatte von der Jaufenstraße einen gewaltigen Profit. Viele Gäste ließen sich in Meran, Schenna oder Tirol nieder. Das Burggrafenamt entwickelte sich zur Touristenhochburg des Landes. In den Sommermonaten wurde eine direkte Buslinie Innsbruck–Jaufenpass–Meran errichtet, wo der gelbe österreichische Postbus fuhr.

Auf der Jaufenstraße wurden sogar Autorennen ausgetragen. Die Kehren und Kurven waren dafür ideal gebaut und so manche Spur von schwarzem Gummi in den Kehren zeugte noch einige Wochen später vom Rennen. In den Wintermonaten war die Straße gesperrt. Lawinen und raue Stürme am Pass erlaubten keine Öffnung. Daher wurde die Straße für den

Wintersport genutzt. Auf der Nordseite des Passes war im Winter eine Bobbahn vom Jaufenhaus bis nach Kalch, auf der Südseite entstand eines der ersten Skigebiete des Landes. Der Skilift am Jaufen wurde 1960 errichtet, 1970 wurde das Gebiet mit dem Panoramalift erweitert. Vom Panoramalift bis zum Skilift am Jaufen errichtete der Rodelklub St. Leonhard eine Rodelbahn und trainierte

Linienbus „Meran–Jaufen– Sterzing u. Retour“, um 1930

Der Jaufen als Touristenmagnet

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dort. 1987 hat der Verein auf dieser Strecke den „Großen Preis von Italien“ ausgerichtet. 1986 wurden die zwei Skilifte am Südhang des Jaufens stillgelegt. Die sonnige Lage und so mancher schneearme Winter machten das Skigebiet unrentabel, zumal auf der Nordseite des Jaufens der Skilift Kalcheralm und das Skigebiet Ratschings entstanden. Nun drängten die Tourismusbetriebe

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in Walten und St. Leonhard auf eine ständige Öffnung der Jaufenstraße. Seither wird versucht, die Straße untertags offen zu halten, was dank des großen Einsatzes des Straßendienstes auch gelingt. Jedoch gibt es immer wieder Tage, an denen eine Lawine die Straße verlegt. Viel Geld wurde in die Lawinenverbauungen am Jaufen investiert, die den Lawinen jedoch nicht

standhielten. Jedes Jahr muss die Straße für einige Tage geschlossen werden, da die Sicherheit nicht gegeben ist. Daher hoffen die Passeirer, dass eine Galerie gebaut wird, die eine durchgehende Öffnung des Jaufens ermöglicht. Die Straße ist heute nicht nur für den Tourismus wichtig, sondern für die ganze Bevölkerung des Tales, die eine Verbindung nach Sterzing und Innsbruck braucht.


Bedeutung und Zukunft der Passstraße Straßendienst Burggrafenamt

Wie hinlänglich bekannt, stellt die Jaufenpassstraße eine Verkehrsverbindung zwischen dem Wipptal und dem Passeiertal sowie dem Burggrafenamt mit Meran dar. Damit hat diese Passstraße nicht nur für Touristen, die in den Sommermonaten häufig auch mit Motorrädern die

Bedeutung und Zukunft der Passstraße

Passhöhe queren, seine Bedeutung, sondern auch für Pendler, die täglich vor allem vom Passeiertal ins Wipptal zur Arbeit fahren. Auch für Fahrten ins Krankenhaus Sterzing, ins Skigebiet Ratschings, aber auch nach Österreich, vor allem nach Innsbruck an die Universität, ist die

Route über den Jaufenpass für die Passeirer Bevölkerung die kürzeste und in vielen Fällen die attraktivste Route. Aus diesen Gründen ist es für die Bevölkerung und den Straßenbetreiber wichtig, dass diese Verbindung das ganze Jahr hindurch befahrbar ist. Diese ganzjährige Befahrbarkeit kann nur mit einer maximalen Reduzierung der Lawinengefahr garantiert werden. Wie die von der Gemeinde St. Leonhard i. P. in Auftrag gegebene Studie „Maßnahmenkonzept zur Verbesserung der Lawinensicherheit“ zeigt, ist der Passbereich auf Passeirer Seite stark lawinengefährdet und die heutige Verbauungssituation reicht bei weitem nicht aus, um die Sicherheit für die Straßenbenutzer, ohne Wintersperrungen, garantieren zu können. Dabei wird vor allem der Abschnitt von km 37 + 178 bis km 37 + 370 als besonders gefährdet eingestuft. Der bestehende „starre Steinschlagschutzzaun“ wird immer wieder durch Lawinen beschädigt bzw. zerstört und bietet unzureichenden Schutz. Um die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer im betreffenden Abschnitt garantieren zu können, wurden in Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde St. Leonhard in Passeier und der

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Autonomen Provinz drei Varianten studiert: - Eine Untertunnelung der Passhöhe mit einem ca. 1 km langen Tunnel: Die Überquerung des Passes bzw. die Verbindung der beiden Täler, Passeier- und Wipptal, mittels eines Scheiteltunnels ist bereits mehrmals durch verschiedene Techniker untersucht worden. Mit diesem Projekt könnte die Befahrbarkeit der Jaufenpassstraße das ganze Jahr hindurch mit einer nahezu hundertprozentigen Sicherheit garantiert werden. Allerdings wurde dieses Projekt bei einer genaueren Betrachtung der

Kosten-Nutzen-Analyse nicht als die beste Variante bewertet. - Die Errichtung von Lawinenschutzbauten auf dem gesamten Lawinenhang: Die zweite untersuchte Variante ist die Verbauung des gesamten Anbruchhanges im Bereich zwischen km 37 + 178 und km 37 + 370. Diese Variante stellt in landschaftlicher Hinsicht den größten Eingriff dar; zudem sind bei dieser Variante die höchsten Nachfolgekosten zu erwarten und ein gewisses Restrisiko ist aufgrund möglicher Schneerutsche vorhanden.

- Die Errichtung einer 180 m langen Lawinenschutzgalerie: Durch die Realisierung einer Lawinengalerie kann ein wirksamer und dauerhafter Schutz gegen Steinschlag und Lawinen geboten werden; zudem kann durch eine ansprechende architektonische Gestaltung der Stützen und Stützmauern eine gute Einpassung in das Landschaftsbild erzielt werden. Die Kosten für die vorgeschlagene Baumaßnahme sind in Hinblick auf die zu erwartende erhöhte Verkehrssicherheit gerechtfertigt.

Verbauungsplan im betreffenden Abschnitt, der im Auftrag der Gemeinde St. Leonhard i. P. durch Dr. Matthias Platzer im Juni 2011 erstellt wurde

Simulation der Lawinengalerie, die im Auftrag der Gemeinde St. Leonhard i. P. durch das Ingenieurteam Bergmeister im Dezember 2011 erstellt wurde

Lageplan des Scheiteltunnels, der im Auftrag der Gemeinde St. Leonhard i. P. durch das Ingenieurteam Bergmeister im September 2011 erstellt wurde

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100 Jahre JaufenstraĂ&#x;e - Impressionen

St. Leonhard i. P., um 1912

Gasteig bei Sterzing, um 1912 Ansichtskarte aus dem Jahr 1912

Impressionen

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1912

1912

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Rechts: Gasthof J채gerheim in Kalch, 1960


Winter am Jaufen in den 50er und 60er Jahren

Impressionen

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Verschiedene Ansichten von der Passeirer Seite

Impressionen

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Ganz oben: Jaufenpass und Jaufenhaus, um 1955

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Oben: Kehre VII vor dem Jaufenhaus, 1970 Rechts: Alpenrosen am Jaufenpass


Impressionen

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Impressionen

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Impressum

MuseumPasseier – Gemeinde St. Leonhard in Passeier – Straßendienst der Autonomen Provinz Bozen

Gemeinde Ratschings, Marktgemeinde St. Leonhard i. P.

Koordination

Komitee „100 Jahre Jaufenstraße“, Karl Polig, Chronistenbezirk Wipptal, Verein für Kultur und Heimatpflege Passeier

Texte

Günther Ennemoser, Heinrich Hofer, Josef Wilhelm, Straßendienst Burggrafenamt

Lektorat

Barbara Felizetti Sorg

Fotos

Klaus Amthor, Archiv Hilgertshausen, Bayern Fotoarchiv Passeier, Karl Righi Karl Mühlsteiger, Sterzing Isidor Plangger, St. Martin i. P. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck Teßmann-Sammlung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann Foto Staschitz, St. Leonhard i. P. Karl Righi, St. Leonhard i. P. Heinrich Hofer, St. Leonhard i. P. Berta Pichler, St. Leonhard i. P. Archiv Walter Hofer, Margit Stötter, Rudolf Stötter, Karl Polig, Hedwig Plattner

Quellenverweis

Stolz Otto: Geschichte des Landes Tirol, Tyrolia Verlag Innsbruck 1955, S. 247 Stolz Otto: Festschrift zu Ehren Konrad Fischnalers, Schlernschriften 12, Universitätsverlag Wagner Innsbruck 1927, S. 127–171 Mutschlechner Georg: Zur Landeskunde des Passeiertales, 48. Jahrgang 1974, Heft 7-8-9, S. 415 ff. Haller Sepp: Vom Saumpfad zur Straße durchs Passeier und über den Jaufen, Der Schlern 7/1988, S. 360–371 Ennemoser Günther: 100 Jahre Jaufenstraße, Erker, Monatszeitschrift Wipptal, 6/2011, S. 22 ff. Gögele Judith: Transportwesen, Wirtschaft und Gesellschaft des Passeiertales in der Frühen Neuzeit, Diplomarbeit, Innsbruck 1998 Schwarz Kaspar, Reinthaler Maria: Brenner und Jaufen, herausgegeben vom Landesverkehrsamt Tirol/ Innsbruck 1914, Pötzelberger-Meran Beschreibung der Route Nr. 16 (Sterzing–Gasteig–Jaufenpass–-St. Leonhard-Meran), rekognosziert durch Oberleutnant Josef Edler von Lulic August 1911 K.u.K. Generalstab Tirol, Landesarchiv Nr. 333 Alpenzeitung vom 13. November 1941, S. 2, „30 Jahre Giovostraße“ Volksbote vom 19. Juni 1852, S. 10 „Vierzig Jahre Jaufenstraße“ Alto Adige, 20 settembre 1962, S. 9 „Celebrato il cinquantennario della statale del Giovo”

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Abenteuer Jaufenstraße Sonderausstellung in den historischen Kellern des Sandwirts 16. 6. – 31. 10. 2012

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Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Montags ist Ruhetag, ausgenommen im August und September. Führungen für Gruppen auf Anfrage. T 0473 659 086 www.museum.passeier.it

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Informationen schings 1 Gemeinde Rat hings / Stange ngs, AuĂ&#x;erratsc hi sc 78 I-39040 Rat 67 / 75 0472 756722 Telefon +39 74 69 75 72 +39 04 Fax .eu www.ratschings eb W .eu gs info@ratschin E-Mail in Passeier e St. Leonhard Marktgemeind er, Kohlstatt, 72 ei hard in Pass on Le . St 15 I-390 656 107 0473 656 113/ Telefon +39 0 65 6 .bz.it +39 0473 65 Fax hardinpasseier meinde.stleon ge w. .bz.it w er w ei ss Web hardinpa meinde.stleon ge @ fo in l ai E-M


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