ARTMAPP #13, Winter 2016/17

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Hunder t wasser im Buchheim Museum, Bernried

Schön und gut Am 12. Dezember 1967 ereignete sich in München-Schwabing einer jener seltenen und glücklichen Momente der Kunstgeschichte, in denen sich vieles, was sich zuvor angebahnt hatte, in einer gültigen, kraftvollen und notwendigen Ausdrucksfor m ent lud . Flank iert von zwei hübschen nackten Kunststudentinnen betrat Friedensreich Hundertwasser, ebenfalls völlig unbekleidet, das Geschehen in den Räumen des Psychiaters und Galeristen Richard P. Hartmann. Hundertwasser hält anschließend seine legendäre „Nacktrede für das Anrecht auf die Dritte Haut“, an deren Ende er weinend zusammenbricht. Die Ansprache ist in dreierlei Hinsicht höchst bemerkenswert. Erstens, weil sie formal die „Uni-Ferkelei“ der Wiener Aktionisten vorwegnimmt, die ein halbes Jahr später stattfinden und als Meilenstein in die Kunstgeschichte eingehen wird; zweitens, weil diese „Nacktrede“ den Auftakt für das im 20. Jahrhundert einzigartige Engagement eines Malers als Architekt bildet; und drittens, weil Hundertwasser neben dem zeittypischen revolutionären Gestus auch einen Aspekt der Kunst vertrat, der in der Moderne völlig aus der Mode geraten war: das Streben nach dem Schönen und

dem Guten. In seiner „Nacktrede“ brandmarkte Hundertwasser die uniforme, rationalistische Architektur der Moderne als „voll glattem Elend“. Anders als die eingepferchten Massen lebe er in einer „Art von goldenem Turm“. Er wünschte sich, dass alle so glücklich wären wie er und »dass die Leute selber anfangen, ihre Schlösser zu bauen«. Als Verfechter einer selbstbestimmten Kreativität fand Friedensreich Hundertwasser in Lothar-Günther Buchheim einen prominenten Mitstreiter. Im 2001 gegründeten Buchheim Museum wird die Fantasie zum Prinzip erhoben. Der Besucher soll aus dem Alltag ausbrechen und eintreten in eine ästhetische Wunderwelt, in der er emotional wie gedanklich neue Wege gehen kann. „Think big!“, war Buchheims Parole, zu der keiner besser passte als Hundertwasser! Buchheim und dieser fanden früh zusammen. Im Sommer 1964 besuchte der Künstler den Verleger zweimal in seinem Haus in Feldafing. Buchheim brachte schließlich noch im selben Jahr Hundertwassers erste farbig bebilderte Monografie heraus. Der Künstler dankte es ihm mit einer liebenswerten Postkarte: „Der Buchheim ist ein toller Mann, der alles tut und alles


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