ARTMAPP #06, Sommer 2014

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Interview mit Hélène Guenin, Chefkuratorin des Centre Pompidou-Metz VO N SUSAN NE JAKO B U N D K AI BAUER

ARTMAPP interessiert vor allem die spektakulären Ausstellungsprojekte des Centre ­Pompidou-Metz. Wer steckt hinter Titeln wie „Meisterwerke“, „ERRE – Variations ­labyrinthiques“ oder „Paparazzi! ­Fotografen, Stars und Künstler“ und damit den attraktiven Themen und Titeln, die vor allem auch auf e­ iner fundierten, eigenständigen und innovativen kunstwissenschaftlichen Forschungsarbeit basieren? Wir sprechen mit Hélène Guenin, der Chefkuratorin des Centre Pompidou-Metz.

ARTMAPP: Mme Guenin, Sie waren von Anfang an – neben dem bisherigen Direktor Laurent Le Bon – als Chefkuratorin des Centre Pompidou-Metz tätig. Mit der Ausstellung „Le Chef d’Œuvre“ ­gelang Ihnen 2010 ein fulminanter Start. – Wie sehen Sie die Arbeit nach ­inzwischen vier Jahren? Hélène Guenin: Tatsächlich haben wir gerade eine Art Bilanz gezogen, denn wir wussten selbst nicht mehr, wie viele ­Ausstellungen wir seit der Eröffnung 2010 eigentlich gemacht hatten. Dann wurde uns klar, dass es inzwischen schon 22 Einzelprojekte gewesen sind, die wir hier seitdem präsentiert haben. Dazu kommen noch zahlreiche Veröffentlichungen, Konferenzen, Performances und Vermittlungsprojekte, insgesamt fast 100 Veranstaltungen pro Jahr. Rückblickend kann ich nach vier Jahren sagen: Wir wissen jetzt, wo wir stehen. Ich denke, wir haben in der Vergangenheit schöne Ausstellungen gemacht und wir haben gute Besucherzahlen, bessere als man sie sich im Vorfeld erhofft hatte.

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ARTMAPP: Es sind etwa 300.000 Besucher im Jahr? HG: Mehr noch! Man hatte auf 250.000 gehofft, tatsächlich sind es zurzeit aber sogar zwischen 350.000 und 400.000 pro Jahr. Wir wissen außerdem, dass dabei etwa 60 Prozent unserer Gäste aus der Gegend kommen; und das wiederum heißt, dass das Museum seine Bestimmung als Ort der modernen und der zeitgenössischen Kunst in der Region und für die Region erfüllt. Die große Frage und zugleich Aufgabe, die sich uns jetzt stellt, ist, ob dieser Ort auch in Zukunft seine Bedeutung halten kann und dabei die gleiche prägende Wirkung haben wird, die er zweifellos bisher hatte. ARTMAPP: Bisher zeichnete sich das Centre ­Pompidou-Metz durch anspruchsvolle, wissenschaftlich gut recherchierte und auch unterhalt­ same Ausstellungen aus. Man denke etwa an die Eröffnungsausstellung „Le Chef d’Œuvre“, die Ausstellungen „Labyrinth“ oder „Eine kleine ­Geschichte der Linie“.

HG: In der Tat versuchen wir immer wieder neu, ein Gleich­ gewicht zu finden, zwischen der Tatsache, dass wir hier einerseits einen Ausstellungsort für die Kunst des 21. Jahrhunderts haben, und dem Umstand, dass es in Metz und der Umgebung auch andere Institutionen gibt, die wesentlich ­e xperimenteller arbeiten. Das heißt, wir sind nicht ausschließlich ein Zentrum für die zeitgenössische Kunst, aber wir sind auch mehr als nur ein Museum. Sie werden hier durchaus die großen Namen des 20. Jahrhunderts finden, aber wir haben uns von Anfang auch das Ziel gesetzt, in der ­Tradition und im Geist der ersten großen Ausstellungen des Centre Georges Pompidou in Paris zu arbeiten. Die große Erzählung der Kunst des 20. Jahrhunderts wollen wir unter Aspekten zeigen, die hier in dieser Region bisher noch nicht so im Vordergrund standen. ARTMAPP: Welches Publikum wollen Sie damit ansprechen? HG: Wir versuchen Leute zu interessieren, die nicht das erste Mal in einem Museum für bildende Kunst sind, aber trotzdem etwas Neues erfahren möchten, und natürlich Besucher aus aller Welt, die wegen einer bestimmten Ausstellung anreisen. Es geht uns darum, durch die kunstwissenschaftliche Er- und Bearbeitung eines Themas etwas Neues zu entdecken – und dies dann auch ansprechend zu vermitteln. Immerhin arbeiten wir an jedem einzelnen Thema etwa zwei bis drei Jahre. Man muss natürlich trotzdem der Allgemeinheit gegenüber eine gewisse Großzügigkeit entwickeln. ARTMAPP: Sie haben viele enzyklopädische ­Ausstellungen gemacht, dabei aber immer auch einzelne Künstler eingeladen, etwa Daniel Buren, für das Haus spezielle Arbeiten in situ zu ­entwickeln. Wird es das weiterhin geben? HG: Ja. Wir werden weiterhin regelmäßig das Ausstellungsprogramm durch Projekte mit einzelnen zeitgenössischen Künstlern ergänzen. Es gibt hier auch weiterhin Ateliers für Kinder und Jugendliche. Das wird vielleicht in der Öffentlichkeit noch nicht so wahrgenommen. Künstler erarbeiten auch ständig Vorschläge für raumbezogene Arbeiten. Drei- oder viermal im Jahr laden wir dann Künstler ein, mit solchen Konzeptideen zu arbeiten und diese vor Ort bei uns umzusetzen.


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