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#Pop #The Last Shadow Puppets

Acht Jahre nach dem Release des Debüts von The Last Shadow Puppets erscheint »Everything That You’ve Come To Expect«. Ein Album, das man nicht unbedingt erwartet hätte. Schließlich ist Alex Turner mit den Arctic Monkeys inzwischen zum Rockstar geworden, und auch Miles Kanes Solokarriere läuft ganz gut. Wie die beiden trotzdem Zeit für ihr Nebenprojekt fanden und wie sie sich mit den Jahren verändert haben, erklärten sie Madleen Kamrath beim Interview in Berlin. Foto: Katharina Poblotzki

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ertraut man Berichten der Yellow Press und diversen viralen Clips, sind Miles Kane und Alex Turner die englischen Party-Boys von Los Angeles. Kane knutschte mit einer »Celebrity Big Brother«Teilnehmerin, außerdem ist er auf einem Foto zu sehen, das die Klatschpresse in Schnappatmung versetzte (Kate-Moss-Ex Jamie Hince kuschelte darauf mit einem Victoria’s-Secret-Model). Und Turner ist in die Kategorie Star aufgestiegen, die nicht nur bei jedem zweiten Drink, sondern selbst beim Shopping von Paparazzi geknipst werden. Egal, ob er seine Modelfreundin Taylor Bagley an der Seite hat oder nicht. Mehr Party-Beweislast liefert das Video zur ersten Single der neuen Platte, »Bad Habits«, das teilweise aus sehr angetrunken gefilmter Live-Footage zusammengeschnitten wurde und – gemessen an Frauen und Coolness – eher einem Rap-Video gleicht als dem eines Pop-Duos. Dennoch antwortet Kane auf die Frage, ob man denn auch in Berlin auf die Piste gegangen sei: »Nein, wir sind gestern Abend nicht ausgegangen. Wir sind eher langweilig.« Klar, Kane und sein Partner in Crime sind dieses Jahr 30 geworden. Eine Zäsur für jeden von uns. Aber deswegen langweilig? Den Vergleich mit dem Rap-Video nimmt Miles Kane dennoch als Kompliment, auch wenn das nicht unbedingt das Vorbild war, das sie im Kopf hatten: »Wir waren nur in einer dieser schlechten Absturzbars. Eine amerikanische Rockband hat gespielt, und wir haben betrunken gefragt, ob wir auch mal dürfen. Im Rest des Videos geht es nur darum, die Spielzeit rumzukriegen. Wir haben versucht, cool auszusehen.« Hier könnte man britisches Understatement unterstellen. Denn dass sie cool können, haben sie zuletzt bei der Paris Fashion Week bewiesen, in aufeinander abgestimmten Outfits – mit Lederhosen in Schwarz und Knallrot. Seit ihrem ersten Album »The Age Of The Understatement« hat sich viel verändert. Damals hätte man noch nicht gedacht, dass die Arctic Monkeys mal so amerikanisch klingen und erfolgreich sein würden. Oder dass Kane, dessen damalige Band The Rascals kaum einer auf dem Zettel hatte, als Solokünstler von Paul Weller protegiert und gefeiert werden würde. Und trotzdem klingt der Album-Opener »Aviation« erst einmal, als habe es keinerlei Entwicklung gegeben. Es ist ein Song, der den Hörer in die Irre führt, denn der Rest des Albums hört sich kein bisschen an wie das alte Material. »Wir haben vor ein paar Jahren angefangen, Songs für das Album zu schreiben, und einer der ersten war eben ›Aviation‹. Er klingt vielleicht am meisten nach Shadow Puppets. Die Lyrics und Melodie dieses Songs haben uns dazu inspiriert, ein neues Album aufzunehmen«, erklärt Kane. Seit damals hätten sie sich auf das neue gemeinsame Projekt gefreut, immer wieder

gemeinsam Songs geschrieben. »Wir haben mehrmals darüber gesprochen, die Songs aufzunehmen, aber ich saß an meinem Soloalbum, und Alex hat die Arctic Monkeys.« Hilfreich war der gemeinsame Wohnort Los Angeles. Dort traf man sich, wieder mit James Ford an den Drums und Owen Pallett an den Streichern, Neuzugang Zach Dawes von den Mini Mansions spielte Bass. Aber was treibt einen jungen Mann aus Sheffield und einen aus Birkenhead eigentlich unter die heiße Sonne Kaliforniens? »Ich fühle mich hier ruhiger. Es gibt mehr Raum. Das Chaos ist besser kontrollierbar«, versucht Kane es zu beschreiben. Und das hat keinen Einfluss auf die Musik? »Wir hören auf jeden Fall mehr amerikanische Musik als damals mit 18«, sagt Turner. »Aber im Moment spielt das keine große Rolle«. Turner steht im Moment eher auf Kendrick Lamar, Kane auf die Sleaford Mods, einigen können sich beide auf Jonathan Wilsons »Desert Raven«. Musikalisch sind die Puppets unberechenbarer geworden. »Sweet Dreams, TN« sticht dabei am meisten hervor. Darin schmachtet Alex Turner Elvis an – das wirkt amerikanisch. Einen deutlich über allem Zach Dawes schwebenden Einfluss gibt es jedoch nicht. ... ist Bassist der Mini »Das letzte Mal hatten wir eine klare Inspi- Mansions, einer Band aus dem Umfeld der Queens Of ration: Scott Walker, John-Barry-Soundtracks, The Stone Age, die zuletzt Americana. Damals schien es noch ungeheuer- 2015 das Album »The Great lich, dass zwei Anfangzwanziger so eine Platte Pretenders« veröffentlichte. Alex Turner nahm dafür mit aufnehmen. Grandios und bombastisch.« ihnen den Song »Vertigo« Es gibt einen weiteren relevanten Unter- und auch gleich das passchied zwischen dem Debüt und »Everything sende Video auf. Zudem war Turner Bühnengast bei That You’ve Come To Expect«: Das erste Al- diversen Konzerten. bum entstand innerhalb weniger Wochen, das zweite nun in mehreren Jahre. Das hört man in der Variabilität des Sounds, wenn auch nicht in Jonathan Wilson der Vielfalt der Themen. Trotzdem meint Tur- US-amerikanischer Singer/ ner: »Unsere Leben haben sich während der Songwriter mit eigenem Studio. Dieses verlegte er Entstehungszeit verändert. Die älteren Songs 2009 von (ausgerechnet) beinhalten noch Zeilen, die späten Nächten Laurel Canyon nach Echo entsprangen, die neueren nicht mehr so sehr. Park, L.A. Wilson arbeitet mit Künstlern wie Conor Es ist eine Sammlung an Themen, über die Oberst, Bonnie »Prince« wir gerade zu schreiben in der Lage waren.« Billy und Father John Misty. Thematisch tanzt der letzte Song des Al- »Desert Raven« erschien bereits im Herbst 2011. bums, »Dream Synopsis«, aus der Reihe. Turner singt hier – Überraschung – von einem Traum. Sheffield kommt darin vor. Tiefenpsychologisch ist das sicherlich interessant, wenn jemand die Muße hat, diesen Traum zu analysieren. »Um Sheffield geht es nur an der Oberfläche. Ich vermisse die Zeit nicht wirklich. Nur meine Freunde dort. Aber ich bin oft genug da, um sie zu sehen.« Der Song ist durch und durch Turner, erinnert stark an seine Arbeit zum »Submarine«-Soundtrack. Vielleicht wird doch nicht jeder Song streng gemeinsam geschrieben. Machen die beiden bessere Musik, wenn sie zusammen sind? Kane: »Mit Alex? Ja, würde ich sagen ... Ich kann ja jetzt auch gar nicht Nein sagen, er sitzt doch neben mir!« Turner grinst. Und spätestens in dieser Szene wird klar, was sich in den vergangenen acht Jahren nicht verändert hat: die Freundschaft der beiden. — The Last Shadow Puppets »Everything You’ve Come To Expect« (Domino / GoodToGo / VÖ 01.04.16)

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