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DER VISIONÄR VON LYKIEN SAMAN HADDAD hatte die Idee, in einem türkischen Naturschutzgebiet ein Straßenmusiker-Festival zu veranstalten, auf dem nur Bio-Kost aus der Region gegessen wird. Ein bewusster Gegenentwurf zu heimischen Massenveranstaltungen. Im April 2015 fand die Erstausgabe von Coom statt Kann man mit Festivals die Welt besser machen ? Zunächst einmal: N ein! Weil der sogenannte 1:20-Faktor ein zu großer Risikofaktor ist. Der 1:20-Faktor ist der minimale statistische Wert zum Verbreitungsgrad und der Verbreitungsgeschwindigkeit von guten und schlechten Nachrichten, d.h. in der gleichen Zeit verbreitet sich die schlechte Nachricht, ohne Medieneinsatz, zwanzigfach schneller, intensiver und nachhaltiger als eine gute. Und diesen zwanzigfach aufwendigeren Kampf für das sogenannte »Gute« muss man, also die Akteure, erst einmal wagen bzw. gewinnen, denn jedes Festival produziert naturgemäß und zwangsläufig auch schlechte Botschaften, Neider, Feinde, Konkurrenten und ähnliches. Und nun zum »Doch, kann man«, nämlich mit Musikfestivals! Warum? Das ist wahrscheinlich eine zu banale Antwort für ein renommiertes Festivalmagazin, aber mir fällt keine bessere ein: Musik hat menschheitsgeschichtlich erwiesenermaßen den höchsten und nachhaltigsten Einfluss auf die menschliche Seele, den Körper und die damit verbundenen Gemeinschaft bildungen. Denn nur Musik folgt einem und hat einen Rhythmus, mit dem jeder mit muss – den Herzschlag! Und nur sie »drückt das aus, was mit Worten nicht gesagt werden kann, worüber zu schweigen aber unmöglich ist« (Zitat von Victor Hugo; Anm.d.Red.) – also auch die von euch thematisierten Utopien. Die Bewegungen, welche Musik – leicht nachweisbar – auslöst bzw. inspiriert sind psychisch (Freude) und körperlich (Tanzen) und dies alles in der Gleichzeitigkeit der Gemeinschaft – das macht Mut im Kampf gegen das 1:20 Gesetz, es senkt aber keinesfalls das ganze Risiko, das jeder Festival Initiator oder Veranstalter hat. Welche Ideen möchtest Du über Dein Festival in die Köpfe der Menschen pflan en? Aha, Du gehst also davon aus, dass man mit Musikfestivals Ideen in Köpfe »pflan en kann« und bestätigst damit die positive These. Folgende Ideen wollen wir in die »Köpfe pflan en«: 1. Straßenmusiker orientalischer und/oder okzidentaler Herkunft, trefft Euch an »magischen Plätzen«, besingt und bespielt die Eigen- und Schönheiten des Platzes, genießt , esst, trinkt und bringt Eure
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Erlebnisse mit Eurer Musik in die Welt! Das ist winwinwin: Künstler, Region und Sponsoren gewinnen gleichermaßen. 2. Straßenmusiker orientalischer und okzidentaler Herkunft, tauscht euch aus und macht euch vor allem gegenseitig stark – niemand versteht Straßenmusiker besser als Straßenmusiker. Das Stichwort lautet: konsequentes Cross-Marketing. 3. Straßenmusiker orientalischer und okzidentaler Herkunft, entwickelt zusammen ein einfaches, praktikables und vor allem sicher finanz erbares Format, welches zur N achahmung anregen soll. Tragt das »Olympische Feuer« an die richtigen Plätze und entwickelt den jährlichen Coom Award für die beste Umsetzung respektive Kopie des Formates. Wer ist der größte Feind der Festivalutopien ? Definit v an erster Stelle der Faktor Geld in Verbindung mit dem Wettbewerb. Besonders Musikfestivals brauchen »repressionsfreie Zonen«, in denen weder vertragliche oder finanz elle noch private, also persönliche Erwartungszwänge die Spielfreude beeinträchtigen können. An zweiter Stelle stehen die die »Kunst infl tionär reproduzierenden« Medien, die dadurch die Einzigartigkeit der Künstler entwerten. An dritter Stelle stehen die Entertainment- und Urlaubsansprüche der Gäste. Die Festivalteilnehmer müssen mehr mitarbeiten und -denken, sie sind »Prosumenten«, also Produzenten und Konsumenten zugleich und sollten interaktiv sein.
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