Gastro Guide Frühjahr/Sommer 2018

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24 | PASSAUER WIRTSHAUSG‘SCHICHTE(N)

EIN

„REVOLUZZER“ HIELT SICH IN PASSAU AUF

Erich Mühsam, der am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde, war 1919 Mitglied des Zentralrats der bayer. Räterepublik. Nach deren Sturz musste er sechs Jahre in der Festung Niederschönfeld verbüßen. Erst kurz entlassen, kam der Schriftsteller und „Revolutionär“ 1925 nach Passau. Seine „eindrucksvollen“ Erlebnisse in der Dreiflüssestadt wurden in der Berliner „Weltbühne“ abgedruckt.

das, wie er berichtete, „bereits mit Girlanden umwunden war, in welche ein Schild gefügt war mit der Aufschrift ‚Humorator’“.

WEITER SCHREIBT DER „REVOLUZZER“:

Mühsam wollte von Passau aus mit der Eisenbahn nach Wien fahren, um dort an einem Vortrag für die „Rote Hilfe“ teilzunehmen, wie die „Donau-Zeitung“ am 20. März 1925 ihren Lesern mitteilte. Da ihm jedoch trotz eines gültigen Visums die Einreise verweigert wurde, musste er in Passau bleiben.

„Als wir das gastliche Haus betraten, saßen schon ziemlich viele Seppls da beim Frühschoppen; aber sie waren noch nicht besoffen, und unsere Aufnahme geschah in urbanen Formen. Auch als der in Bayern von Greueln umwobene Name von Tisch zu Tisch geflüstert wurde, blieb es bei scheuen Blicken; nur die gedämpften Stimmen mussten öfter als zuvor mit Humorator befeuchtet werden.

Es war der 19. März, der Josephitag, an dem, wie M. schreibt, „in Bayern alle Seppl besoffen sind und ihre Freunde meistenteils auch“. Vom Bahnhof aus begab sich M. mit seiner Frau in das Hotel „Zur Eisenbahn“ (heute steht dort das Kaufhaus „Woolworth“),

Gegen 9 Uhr abends kehrten wir nach einem Spaziergang ins Hotel zurück. Aus dem großen Gastraum scholl gewaltiges Getöse der allgemach von gigantischen Humorator-Mengen gesättigten Seppls. Unbemerkt von den nunmehr königstreu ANZEIGE


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