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MALEREI

«Man begriff nicht, wie sie durch Menschenhände entstanden seien und durch was für Instrumente. Der Pinsel war nicht hinreichend; man musste ganz eigne Vorrichtungen annehmen, durch welche ein so Mannigfaltiges möglich geworden.» vor dunklem Fond aufgestellten Blumenkörbchen zum Ausdruck, das von der Last der grossen Rosenblüten zur Seite geneigt wird. Auch als Kolorist exzelliert der Maler in diesem Blumenstück, das ganz auf den Dreiklang der grossen, strahlend weissen Rose, des leuchtend roten Mohns und des tiefblauen Rittersporns gestimmt erscheint. Am Ende der Reifephase van Huysums, die vom Beginn der 1720er-Jahre bis zur Mitte der 1730er-Jahre reicht und das Entstehen seiner besten Werke sah, entstand 1735 das Stillleben mit Blumen und Früchten, das wie in einer Summe die Qualitäten des Meisters zusammenfasst. Die Erlesenheit der Werke van Huysums beginnt hier

bereits beim Bildträger, wählte er doch, wie des Öfteren, eine massive Tafel aus tropischem Edelholz. Dies scheint zuweilen Mahagoni gewesen zu sein, doch handelt es sich hier um ein Gehölz der Pflanzengattung Pterocarpus. Einige Arten dieser Gattung werden zuweilen als Sandelholzbäume angesprochen. Dies wiederum würde recht gut zu der Information passen, dass im Nachlass van Huysums Tafeln aus «kajaten hout» befindlich waren, womit zu damaliger Zeit eben Sandelholz bezeichnet wurde. Jedenfalls bot das kostbare Holz dem Maler eine besonders ebene Malfläche, die der detailgenauen Feinmalerei van Huysums entgegenkam. Der Maler scheint für seine Werke ein Jan van Huysum, Früchte und Blumen, 1735. Bayreuth, Staatsgalerie im Neuen Schloss

Standardmass des hölzernen Bildträgers verwendet zu haben, das mit etwa 81 auf 61 cm anzugeben ist. Nimmt man zunächst das Bildganze in den Blick, so wird unmittelbar ein bedeutsamer Unterschied zu den zuvor besprochenen Stillleben von Ruysch, Roepel, van der Mijn, aber auch zu van Huysums eigenen Frühwerken auffallen: van Huysum arrangiert seine Blumen und Früchte nicht länger vor einem dunklen Hintergrund, sondern vor einer lichten, gelblich grünen Folie, die sich bei näherer Betrachtung als eine Wald-, Park- oder Gartenlandschaft bestimmen lässt. Dieser schon von Zeitgenossen als epochal empfundene Schritt mag zunächst überraschen, begibt sich der Künstler doch damit einer der wesentlichen Wirkungsmittel der vorangehenden Stilllebenmalerei, nämlich der Möglichkeit, farbenprächtige Blüten kontrastreich vor dunklem Grund aufscheinen zu lassen. Doch gewinnt van Huysum eine strahlende Lichthelle der gesamten Komposition, die auf diese Weise eine überwältigend dekorative Wirkung entfaltet. Den Nachteil mangelnder Bildtiefenwirkung gleicht der Maler aus, indem er den Hintergrund im Ungefähren belässt und die Detailpräzision der Bildgegenstände des Vordergrunds vor der leichten Unschärfe der Hintergrundsfolie absetzt. Dennoch tritt in van Huysums Werken der Jahre nach 1720 allgemein das Bemühen, das Volumen eines Buketts auf dem Bildträger zu fingieren, zurück hinter dem Willen, die Bildfläche mit einer dekorativen Komposition zu füllen. Lichter Hintergrund Das 1735 entstandene Stillleben zeigt auf einer profilierten Marmorplatte rund um eine hoch aufragende Henkelvase zahlreiche Früchte und Blumen arrangiert; kaum vermag man den Korb zu erblicken, aus dem die Früchte gleichsam hervorquellen. Kunstvoll versteht es van Huysum, die mannigfaltigen Oberflächen der blauen und weissen Trauben – mit Druckstellen und Verbräunungen –, der pelzigen Pfirsiche, des aufgebrochenen Granatapfels, der angeschnittenen Feige, der matt changierenden Pflaumen, Ananas, Melone, Himbeeren und Nüsse detailgenau zu charakterisieren. Über den Früchten lässt van Huysum die strahlend weisse Blüte einer Stockrose aufleuchten. Von der Höhe der Vase, deren figürliches Relief tanzende Mänaden mit Schellenkränzen zeigt, ragen einige tiefrote Mohnblüten und blau-weisse Winden herab. Durch den Vasenhenkel ist ein Rebenzweig gesteckt. Einige Insekten, vor allem prächtige Schmet-

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terlinge – darunter Kohlweisslinge und ein Admiral – und eine Schnecke beleben das Arrangement. Van Huysum gelingt es, seinen Bildaufbau ungemein frei und natürlich wirken zu lassen, dabei aber zugleich alle Teile des kompakten Arrangements miteinander in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen. Jeder Schematismus ist hier überwunden, und es wird ein Eindruck von Fülle bei gleichzeitiger Leichtigkeit und Eleganz erzielt. Mit dergleichen Werken hat van Huysum das Erbe de Heems und van Aelsts aus dem Goldenen Jahrhundert ins 18. Jahrhundert getragen und doch etwas Neues und Zukunftsweisendes geschaffen, das dem Meister nachfolgende Maler wie Jan van Os (1744  –1808) oder Gerard van Spaendonck (1746 –1822) bis ins 19. Jahrhundert hinein weiterführen sollten. Jan Weenix Blumen und Früchte findet man als gelegentliches Beiwerk auch in den oft monumentalen Gemälden des vielseitigen Stilllebenmalers Jan Weenix (1642–1719). Dessen eigentliche Domäne aber war das dekorative Jagdbeutestillleben, dessen jahrzehntelange Entwicklung in den Niederlanden seit dem frühen 17. Jahrhundert er in den Jahren um 1700 zur Vollendung führte. Sein Biograph Johan van Gool konstatierte denn auch 1750, dass er Jagdbeutestillleben von Weenix gesehen habe, «die zo edel en kundig uitgevoert zyn, dat het geen sterveling verder brengen kann», die also «so edel und gekonnt ausgeführt waren, dass es kein Sterblicher besser machen kann». Sein 1708 entstandenes «Jagdbeutestillleben mit Pfau» vermag dies stellvertretend zu belegen, weist es doch exemplarisch sämtliche, vor allem an den Fürstenhöfen der Zeit gesuchten Qualitäten der Bildkunst von Jan Weenix auf. Ein nahsichtiges Jagdbeutestillleben ist einem Fernblick in eine weite Parklandschaft gegenübergestellt, die mit klassisch inspirierten Skulpturen und Architekturen sowie den regelmässig angelegten Laubengängen, Wasserbassins, hoch aufragenden Zypressen und Zierhecken dem Ideal eines französischen Schlossgartens entspricht. Die Beutetiere finden sich um eine grosse steinerne, reliefverzierte Vase im Vordergrund arrangiert. Wie stets bei Weenix, so behauptet auch hier ein prächtiges Tier das Zentrum des Stilllebens. Eindrucksvoll wird das Bildfeld von den prachtvollen, mit den charakteristisch irisierenden «Augen» gezeichneten Schwanzfedern eines Blauen Pfauenhahns in einer bildbestimmenden

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